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UV-Blutdoping Erfurt

“Lichttherapie” am Olympiastützpunkt
Ende Januar 2012 wurde bekannt, dass Andreas Franke, Arzt am Olympiastützpunkt Erfurt, seit 2005 30 Athleten mit Bluttransfusionen “behandelte”, wobei er das Athletenblut einer unzulässigen UV-Behandlung (“Lichttherapie”) unterzogen hat. Dies wurde bereits bei einer Polizeirazzia im Frühjahr 2011 festgestellt. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hatte je nach Quelle seit 2003, spätestens jedoch seit 2005 jede Art von Bluttransfusionen verboten. Im Punkt M 1.1. der Wada prohibited list steht explizit: “Dabei gilt jede Entnahme von Blut und eine Wiedereinbringung in die menschliche Blutbahn als Doping, wenn sie rote Blutzellen enthalten” (Burkert 9.2.2012).
Die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada wusste ebenfalls seit der Polizeirazzia von den Vorwürfen, die erst im Januar 2012 zum öffentlichen Thema wurde (wdr.de 30.1.2012; Burkert 30.1.2012; ders. 31.1.2012).
Sport-Justiz
Die juristischen Sportmühlen mahlten langsam. “Acht Monate, nachdem eine Razzia der Ermittler in seiner Praxis und im Olympiastützpunkt Thüringen eine brisante Patientenliste zutage förderte, … fordert nun DOSB-Präsident Thomas Bach, ‘so schnell wie möglich reinen Tisch zu machen’. Bach urteilte beim Neujahrsempfang des Deutschen Olympischen Sportbundes, man habe “in diesen Tagen die Nachricht erhalten, dass ein Arzt offensichtlich oder möglicherweise verbotene Dopingpraktiken an Sportlern angewendet hat’” (SZ 1.2.2012). Bach äußerte zuvor im MDR zur umstrittenen UV-Blutbehandlungsmethode, “dass derartige Methoden seit dem 1. Januar 2011 verboten sind.”
Bach informierte hier offensichtlich falsch: Das Wada-Verbot bestand bereits seit 2003, wie der Rechtsanwalt Georg Engelbrecht in einer schriftlichen Stellungnahme für den Sportausschuss des deutschen Bundestages im März 2012 mitteilte (Weinreich 19.3.2012). Bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City wurden bei österreichischen Langläufern Utensilien für die UV-Behandlung von Blut gefunden. Deshalb fällte der internationale Sportgerichtshof Cas bereits 2003 ein Urteil, dass die UV-Behandlung von Blut immer als Doping zu bewerten ist – auch bei kleinsten Mengen (Völker 8.2.2012).
Die SZ schrieb dazu: “Nicht nur Athleten, Ärzte, Trainer und Stützpunktchefs haben sich – bestenfalls – in der Causa Erfurt als unkundig erwiesen” und verwies auf den Präsidenten der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft, der ebenfalls den 1.1.2011 nannte (SZ 1.2.2012).
Bekannt wurden als “Kunden” von Andreas Franke u.a. Nils Schumann, der frühere 800-Meter-Olympiasieger von Sydney 2000, James Beckford (Jamaika), der WM-Zweite von 2005 im Weitsprung, Bahnrad-Nationalfahrer Jakob Steigmiller, Straßenrad-Sprinter Marcel Kittel, Radprofi Patrick Gretsch, die Eissprinterin Judith Hesse und die Eisschnelläuferin Claudia Pechstein (Ebenda). Pechstein veröffentlichte angeblich entlastende Emails der Nada und forderte den Rücktritt von Nada-Vorstand Lars Mortsiefer. Der hatte wiederholt, dass die Methode schon vor dem 1.1.2011 verboten war (SZ 8.2.2012). Der Generaldirektor der Wada, David Howman, verwies im Zusammenhang mit Pechstein darauf, dass ein Athlet nach einem zweiten Vergehen mit einer verbotenen Substanz oder Methode von einer lebenslangen Sperre bedroht ist (Burkert 9.2.2012).
Der Bundesminister des Innern, Hans-Peter Friedrich, äußerte auf die Frage der SZ, warum die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada fast ein Jahr gebraucht hat, um die ersten beiden Fälle aus dem Erfurter UV-Blut-Fall vor das Sportschiedsgericht zu bringen, dass “ordnungsgemäße Verfahren eben eine gewisse Zeit” erforderten.

Blutmanipulationen mit Steuermitteln finanziert
Viola von Cramon (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Bundes-Sportausschusses und andere fragten beim Bundesministerium des Innern (BMI) an, ob der Bund Steuermittel für Doping einsetze. Das BMI nannte die Frage “definitiv unzulässig ja ungehörig”, musste dann aber Anfang Februar 2012 zugeben, dass die Blutmanipulationen der 30 Top-Athleten tatsächlich aus Steuermitteln finanziert wurden: “Der Arzt arbeitete auf Honorarbasis für den Olympiastützpunkt Thüringen. Nach Auskunft des OSP wurden die Behandlungen im Rahmen des bestehenden Honorarvertrages über den OSP abgerechnet” (Hartmann 3.2.2012). Die Behandlungsmethode wurde übrigens bereits im DDR-Sport eingesetzt.
Heinz-Jochen Spilker, Frankes Rechtsanwalt (der aus Hamm/NRW stammte), “war bis Ende 1990 Bundestrainer in der Leichtathletik, dann trat er zurück. Der SPIEGEL hatte aufgedeckt, dass er Sprinterinnen seines Vereins Eintracht Hamm mit Dopingmitteln versorgte…” (Hacke, Ludwig 6.2.2012). Spilker hat es inzwischen zum Vizepräsidenten des Thüringer Landessportbundes geschafft.
Fazit: “Am Ende werden – womöglich – ein Arzt angeklagt und mehrere Sportler gesperrt. Die betrübliche Nachricht ist, dass der restliche Sportbetrieb den Eindruck erweckt, als sei es damit getan… Im Bundesinnenministerium, dem Hauptfinanzier der Olympiastützpunkte, war man schon sehr zufrieden damit, wie rasch der betreffende Vertragsarzt suspendiert wurde – weiteren Überweisungen nach Erfurt steht damit nichts mehr im Weg” (Catuogno SZ 31.1.2012).
Das Bundesinnenministerium erklärte dagegen noch dem Sportausschuss am 19.3.2012, dass es die Manipulationsvorwürfe in Zusammenhang mit dem OSP Erfurt weiterhin für ungeklärt hält (Herrmann 22.3.2012).
Das Bundesinnenministerium hat die verbotene Dopingpraxis finanziell gefördert: Denn der Olympiastützpunkt Erfurt erhält jährlich insgesamt rund zwei Millionen Euro, die auch für die medizinische Betreuung verwendet werden.

SPD im Bundestag fragt nach Blutdoping
Die SPD-Bundestagsfraktion wollte Anfang März 2012 wissen, “ob direkt oder indirekt Steuergelder zur Unterstützung von Doping eingesetzt wurden bzw. werden”. Außerdem sollen alle Olympiastützpunkte, Bundesleistungszentren und Bundesstützpunkte im Hinblick auf Blutmanipulation überprüft werden (bundestag.de 8.3.2012; SZ 9.3.2012).
Zum UV-Blutdoping vergleiche auch den Blog-Beitrag von Jens Weinreich und in spiegelonline.

Bei der Anhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages betonte auch der Dopingexperte Prof. Fritz Sörgel, dass die UV-Bestrahlung von Eigenblut gemäß einem Urteil des Cas seit 2003 verboten ist. Da “jede medizinische Maßnahme” bei der Nada meldepflichtig ist, wird es spannend, was in den Nada-Fragebögen darüber zu finden sein wird (Kistner 22.3.2012).

Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dem vom Bundesinnenministerium mitfinanzierten Blut-Dopingfall Erfurt sollten nicht vor Mai 2012 abgeschlossen sein. Sportverbände forderten eine Klärung bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London. “Wie darüber im traditionell sport– und medaillenaffinen Bundesinnenministerium gedacht wird, bedarf keiner gesonderten Erwähnung, so kurz vor einem nationalen Großauftritt” (Kistner 4.4.2012; SZ 4.4.2012).

Da ließen sich die Sportfunktionäre etwas Neues einfallen.

WADA knickt in Erfurt ein
Am 27.4.2012 meldete die Wada überraschend: “UV-Blutbehandlung erst ab 2011 verboten”.
Wada-Generaldirektor David Howman hatte dies bislang ganz anders gesehen: “Es ist eine verbotene Methode. Sie steht seit Jahren auf der Verbotsliste. Man hat zwar (am 1.1.2011; W.Z.) die Definition präzisiert. Wir haben mehr Klarheit geschaffen. Aber diese Methode war nie erlaubt. Blutdoping war niemals erlaubt” (spiegelonline 27.4.2012). Sein klares Statement könnte Howman seinen Posten kosten, ebenso wie den Wada-Justitiar Julien Sieveking, der ebenfalls bestätigt hatte, dass das UV-Blutdoping schon vor 2011 unrechtmäßig war.
Mit dem neuen, fachlich nicht nachzuvollziehenden Statement vom April 2012 wurde plötzlich die UV-Blutbehandlung am Olympiastützpunkt Erfurt bis 31.12.2010 legalisiert, und der Großteil der deutschen UV-behandelten Sportler dürfen nach London 2012. Auch die Nada zog sogleich Bedenken zurück. Damit sind vermutlich nur noch drei von 30 Sportlern betroffen (Ebenda; Kistner 30.4.2012; SZ 14.5.2012). Boris Herrmann nannte dies in der SZ einen “Rückschlag im Kampf gegen Doping” (SZ 28.4.2012).
Die Nada behauptete, dass vor der Entscheidung “alle Gremien der Wada” befragt wurden. Das ist äußerst fraglich.
Der Münchner Endokrinologe Martin Bidlingmaier, der in dem für Verbotslisten zuständigen Komitee sitzt, äußerte: “Das scheint mir ein etwas interessengeleiteter Analphabetismus zu sein.” Das Mitglied des Wada-Wissenschaftskomitees Jürgen Steinacker wiederholte in der ARD: “Seit 2005 ist die Behandlung von Blut- oder Blutbestandteilen (…) grundsätzlich verboten” (Herrmann 28.4.2012).
Der Dopingexperte Fritz Sörgel sagte zu dem Vorgang: “Das ist eine sehr suspekte Geschichte. Da muss man schon fragen, ob aus Deutschland Druck (auf die Wada; W.Z.) ausgeübt wurde.” Noch eine Ungereimtheit: “Der internationale Sportgerichtshof Cas urteilt seit 2003 nach dem Prinzip, wonach jede Manipulation mit Eigenblut ein Dopingvergehen darstellt. Das erläuterte der Cas-Richter Georg Engelbrecht im März vor dem Sportausschuss” (Ebenda).

Die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Dagmar Freitag, nannte den Vorgang “unfassbar”: “Das ist ein Sieg für diejenigen, die das Blut von Hochleistungssportlern manipulieren und von Sportlern, die das zulassen” (Kistner 30.4.2012). Nach Thomas Kistner schürt dies “den Verdacht, dass sportpolitische Einflüsse gewirkt haben könnten… Damit sei das Problem erledigt, frohlockten deutsche Sportpolitiker in ersten Reaktionen” (Ebenda).
Der ehemalige Vorsitzende Richter am Internationalen Sportgerichtshof CAS, Stephan Netzle, war für den Fall der österreichischen Blutdoper (Salt Lake City 2002) und das Urteil im Jahr 2003 zuständig und hat mit der neuen Entscheidung der Wada Schwierigkeiten, “das in Einklang mit der früheren Rechtssprechung zu bringen” (Seppelt, Kempe 12.5.2012). Netzle würde über die UV-Bestrahlung heute so wie damals urteilen – “und es als Dopingverstoß werten” (Ebenda). 2002/2003 galt der Olympic Movement Anti Doping Code (OMAC) mit der Regel M1, die Blutmanipulation unter Strafe stellte und als “Verbotene Methode” deklarierte. Ab 2004 gilt der Code der Wada, der inhaltlich auf der Regel M1 aufbaut. Dirk Rainer Martens, der ebenfalls im Fall Salt Lake City 2002 Richter war, klassifiziert das UV-Blutdoping ebenfalls als verbotene Methode (Ebenda). Der frühere Wada-Präsident Dick Pound urteilte zum Fall Erfurt: “Für mich ist das eine Blutmanipulation. Da gibt es keinen Zweifel” (Ebenda).
Und nun erklärte plötzlich und unverständlicherweise die Wada, dass die UV-Blutbestrahlung die Regel M1 nicht verletzen würde. Der Wada-Generalsekretär David Howman bezieht zur überraschenden Richtungsänderung der Wada seit Wochen keine Stellung.
Die Erfurter Staatsanwaltschaft ermittelt noch weiter, will aber nach einer Stellungnahme des Verteidigers vom beschuldigten Mediziner Andreas Franke und einem Gutachten der Nada das Verfahren zum Abschluss bringen (SZ 16.5.2012).

Der DOSB triumphiert
DOSB-Präsident Thomas Bach hatte von Anfang an die Linie vorgegeben, dass das UV-Doping erst ab 2011 verboten sei. Dies wurde nun zur offiziellen Wada-Linie. Bach jubelte denn auch: “Diese Stellungnahme schafft Klarheit… Wir hoffen, dass die Verfahren zügig zum Abschluss gebracht werden…” (spiegelonline 27.4.2012).
Es muss im Hintergrund kräftig Druck vom DOSB und dem für Sport zuständigen Bundesministerium des Innern, von deutschen Sportfunktionären und sportaffinen Politikern ausgeübt worden sein. Schließlich will man die hoch subventionierten deutschen Sportler bei London 2012 starten und wenn möglich siegen sehen.
Es muss sich bei der nachträglichen Legalisierung des UV-Blutdopings eindeutig um den Einfluss deutscher Sportlobbyisten handeln, da derzeit weltweit kein ähnlich gelagerter Fall wie Erfurt bekannt ist. Die Wada hat sich damit keinen Dienst erwiesen und ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt. Gleichzeitig kann man über den weit reichenden Arm von DOSB und ähnlichen deutschen Institutionen nur staunen.
Und wieder ist eine Schranke gefallen…

Neues Gutachten: UV-Blutdoping schon vor 2011 verboten
Ein neues Gutachten des Tübinger Rechtswissenschaftlers Heiko Striegel im Auftrag der Nada kam zu dem Schluss, dass das Erfurter Blutdoping schon vor 2011 verboten war. Die von der Wada-Intervention zwischenzeitlich “geretteten” 27 deutschen Blutdoper-Sportler werden weiter zittern müssen (spiegelonline 23.5.2012).

Erfurter Blutdoping: Nada auf DOSB-Kurs
Nächste Volte: Der Wada-Generalsekretär David Howman flog Anfang Juni 2012 extra für ein ARD-Interview aus Montreal ein. Die Wada hätte nicht alle Unterlagen von der Nada erhalten; den Mitgliedern des Wada-Verbotslistenkomitees hätte man nicht die richtigen Fragen gestellt. Die deutsche Nada sollte ein Verfahren vor einem Gericht eröffnen. “Richard Budgett, der Chef der Expertengruppe, soll beispielsweise geglaubt haben, in Erfurt seien die Sportler über die Haut mit UV-Licht bestrahlt worden, von der Blutentnahme und der anschließenden Rückführung… hat er offenbar nichts gewusst” (Catuogno SZ 6.6.2012).
Howman: “Und wenn das Schiedsgericht falsch entscheidet, dann haben wir das Recht, beim Weltsportsgerichtshof CAS in Berufung zu gehen” (Hartmann 4.6.2012) Zum Brief des Wissenschaftlichen Direktors Olivier Rabin sagte Howman: “Den Wada-Brief vom 26. April sollten Sie ignorieren… Die Nada hat die Verantwortung. Der gesamte Prozess liegt jetzt wieder bei ihr” (Seppelt 5.6.2012).
Howman betonte noch: “Ich hätte gern eine deutsche Nada, die so stark ist wie andere starke Nadas. Die Wada wird gern mit daran arbeiten, dass die Nada auf dieses Niveau kommt” (Hartmann 4.6.2012).
Reaktionen: “Peinliche Posse”, schrieb spiegelonline (Wada blamiert sich und sorgt für Verwirrung, 4.6.2012) “Die Nada steht am Pranger… Der deutsche Sport stünde demnach doch vor jenem ziemlich gewaltigen Doping-Skandal, von dem es noch Ende April hieß, er habe sich weitgehend in Luft aufgelöst” (Catuogno SZ 6.6.2012). Jens Weinreich: “Was für eine Ohrfeige für die immer dubioser agierende – angeblich unabhängige – nationale Agentur, in der ein sportpolitischer Komplex (DOSB und Vasallen, BMI, MdB wie die DLV-Vizepräsidentin Freitag) die Richtung bestimmt” (Weinreich 5.6.2012).
Für Grit Hartmann hat die Wada eine fragwürdige Bewertung des Dopingskandals abgegeben, aber die deutsche Nada hatte im UV-Blutdopingfall Erfurt durchaus auch Absichten und Interessen: “Der an Peinlichkeiten reichhaltigen Geschichte der Nada ist damit zweifellos ein neues Kapitel hinzugefügt” (Hartmann 5.6.2012): Die Nada hat dem Brief von Rabin sofort beigestimmt; sie hat “eher Interesse an der Vermeidung eines Dopingskandals demonstriert” (Weinreich Blog 5.6.2012). “Nada-Chefin Andrea Gotzmann flötete sogleich, ihre ‘überlegte Vorgehensweise’ sei richtig gewesen” (Hartmann 5.6.2012). “Bei der Nada brachte das Wada-schreiben (vom 26.4.2012; W. Z.) die Bemühungen, diese Fälle weiterzuverfolgen, weitgehend zum Erliegen” (Catuogno 6.6.2012). In einem internen Schreiben hieß es, die Nada werde “diese Fälle juristisch nicht weiterverfolgen” (Ebenda).
DOSB-Präsident Bach hätte fast schon jubeln können…

Hintergrund ist unter anderem, dass das Bundesinnenministerium als “Finanzier” des Blutdopings von Anfang an eine “nicht eindeutige Verbotslage” reklamierte, um weitere Dopingsverfahren zu umgehen (Ebenda). Und  dann sollten natürlich die betroffenen Sportler bei London 2012 starten dürfen: Das ist auch Absicht von DOSB-Präsident Bach,  der von Anfang an den Kurs gefahren hat, die UV-Blut-”Behandung” sei erst ab 2011 verboten.

Für eine neue Nada
Der Heidelberger Dopingspezialist Prof. Fritz Sörgel kritisierte in einem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung ebenfalls die Nada. “In großer Selbstgefälligkeit ließ uns die Nationale Dopingagentur Nada kürzlich wissen, dass die Infusion von UV-bestrahltem Blut in Erfurt nicht verboten sei” (Sörgel 5.6.2012). Sörgel kritisierte, das sich vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages der Hauptgutachter Heiko Striegel von der Universität Tübingen “wie ein Erstklässler schulmeistern lassen” musste, da er die UV-Infusionen für einen Regelverstoß hält: “Offensichtlich passten den Entscheidungsträgern Striegels kritische Ergebnisse nicht in den Kram” (Ebenda). – “Nada und Regierungskoalition wollen die Sportler aber doch ganz anders freiboxen: über eine Überschrift eines Verbotsparagrafen. Die lautet „M1. Erhöhung des Sauerstofftransfers“ . Der Paragraf führt auf: „1. Blutdoping einschließlich der Anwendung von eigenem, homologem oder heterologem Blut oder Produkten aus roten Blutkörperchen jeglicher Herkunft.“ Wenn aber die geringe Menge des UV-bestrahlten infundierten Blutes zu gar keiner „Erhöhung des Sauerstofftransportes“ führt, so Nada und Politik, dann ist die Methode folglich kein Blutdoping.”
“Der Diplommediziner Franke behauptet, er habe mit dem Blut Infektionsbehandlungen durchgeführt. Er deklariert seine Methode also als eine Art Super-Penicillin. Da stellt sich dem Fachmann nur eine Frage: Für wie blöde hält man uns eigentlich?
Die auch in DDR-Zeiten hoch angesehene Charité fand für die Blutbestrahlungsmethode mit UV-Licht eine andere, viel wichtigere Wirkung, auf die damals wie heute noch viele Patienten schwören: die Behandlung von Durchblutungsstörungen durch die Verbesserung der Sauerstoffversorgung der Gewebe. Also eine Wirkung, die den Verbotsparagrafen M1 punktgenau trifft.
Und − jetzt wird es richtig pikant − die Charité-Forscher wiesen darüber hinaus einen weiteren Effekt nach: eine Verbesserung der Fließfähigkeit des Blutes. Damit wird etwa durch die Gabe von Erythropoetin (Epo) verdicktes Blut weniger gefährlich. Die Methode könnte also durchaus als sinnvolle dopingbegleitende Maßnahme eingesetzt werden. Eine möglicherweise lebensrettende Wirkung der UV-Blutbehandlung, nur eben der zweite Volltreffer gegen den M1- Paragrafen” (Ebenda).
Sörgel folgert daraus: “Alles lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Dass die Nada in dieser Form und mit diesen Abhängigkeiten von der Politik auf keinen Fall so weitergeführt werden darf, soll sie ein ernstzunehmendes Instrument im Antidopingkampf sein” (Ebenda).
Selbst die Vorsitzende des Sportausschusses, Dagmar Freitag, musste zugeben, die Nada habe sich im Fall Erfurt bisher “nicht mit Ruhm bekleckert” (Catuogno 6.6.2012).

Quellen:
Blutbehandlung laut Gutachten schon vor 2011 verboten, in spiegelonline 23.5.2012
Burkert, Andreas
– Auch Pechstein Kunde in Erfurt? in SZ 30.1.2012
– Plötzlich ist Schweigen, in SZ 31.1.2012
– “Diese Methode war schon immer verboten”, in SZ 9.2.2012
Catuogno, Claudio
– Scharlatane im System, in SZ 31.1.2012
– Wada fordert Prozesse, in SZ 6.6.2012
Catuogno, Claudio, Herrmann, Boris, “Wir werden Tacheles reden”, in SZ 2.2.2012
“Das kann noch dauern”, in SZ 16.5.2012
Ermittlungen bis Mai, in SZ 4.4.2012
Hacke, Detlef, Ludwig, Udo, Bestrahltes Blut, in Der Spiegel 6/6.2.2012
Hartmann, Grit
Doping aus Steuermitteln finanziert, in Frankfurter Rundschau 3.2.2012
– “Es ist eine Menge schiefgelaufen”, in zeitonline 4.6.2012
– Frostige Kommentare, in fr-online 5.6.2012
Herrmann, Boris
– Steuergelder für Doper? in SZ 22.3.2012
– Kehrtwende der Wada, in SZ 28.4.2012
Kistner, Thomas
– Deutsche Nadel-Mentalität, in SZ 22.3.2012
– Druck vor Olympia, in SZ 4.4.2012
– Affäre um die Wada, in SZ 30.4.2012
Probleme mit dem Kleingedruckten, in SZ 1.2.2012
Scharfe Kritik an Wada, in SZ  14.5.2012
Seppelt, Hajo, Erneuter Kurswechsel der Wada im Fall Erfurt? in www.sportschau.de 5.6.2012
Seppelt, Hajo, Kempe, Robert, Nicht im Einklang mit der Rechtssprechung, in dradio.de 12.5.2012
Sörgel, Fritz, “Wir brauchen eine neue Nada”, in berliner-zeitung.de 5.6.2012
SPD fordert Aufklärung, in SZ 9.3.2012
SPD-Fraktion fordert Aufklärung zu “Vorgängen am Olympiastützpunkt Thüringen”, bundestag.de 8.3.2012
“Verbotene Lichttherapie”, in “sport inside”, wdr.de 30.1.2012
Völker, Markus, Mutige Spezialisten, in taz.de 8.2.2012
“War uns bekannt”, in SZ 8.2.2012
Wada rudert in Blut-Affäre zurück, in spiegelonline 27.4.2012
Weinreich, Jens
– Blutbestrahlung im Olympiastützpunkt, in spiegelonline 19.3.2012
– Erfurter Blutdoping-Affäre: Ohrfeige für die deutsche Nada, Blog 5.6.2012
Weinreich, Jens und Hartmann, Grit: Blog