Wolfgang Zängl
1.2.2011, aktualisiert 3.3.2014
Der Löscher-Ude-Parallelslalom
Am 10.1.2011 informierte der Bezirksausschuss Maxvorstadt über Pläne des Siemens-Konzerns, anlässlich der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen (7. bis 20.2.2011) ein Public Viewing auf dem Wittelsbacher Platz zu veranstalten. Die Nationalfahnen aller wichtigen Skinationen sollen auf der Rampe in 10 Meter Höhe gehisst werden, begleitet von einem Pyrofeuerwerk. Neben Großbildschirmen soll eine 40 Meter lange, künstlich beschneite Skipiste (aus „reinstem M-Wasser und Ökostrom“), VIP-Zelte und Hüttengaudi nebst nächtlichen Ski-Partys bis 22 Uhr das Publikum erfreuen. Siemens versprach eine “klimaneutrale Veranstaltung” mit Bergfeeling” und “uriger Après-Ski-Almhütte” (Loerzer, Sven, “Snow City” begeistert nicht alle, in SZ 25.1.2011).
Die Kreisgruppe München des Bund Naturschutz protestierte. Die Vorsitzende der Münchner Grünen, Katharina Schulze, kritisierte: „Was Siemens betreibt, ist reines Greenwashing“ (Siemens darf Skipiste aufbauen, in SZ 22.1.2011). Und der Bezirksausschuss wurde vor vollendete Tatsachen gestellt: Das Event war wohl schon über Monate vorbereitet worden (Pressemitteilung Bündnis 90/Die Grünen im BA3 Maxvorstadt, 10.1.2011). Auch die Anlieger des Wittelsbacher Platzes waren über die Siemens-Plänen verärgert, da es sich wohl um eine “abgekartete Sache zwischen der Stadt und Siemens handelt”, wie der Geschäftsführer eines Einrichtungshauses formulierte. Ein Anwalt wurde eingeschaltet (Loerzer, Sven, “Bei Null ist ein lauter Knall zu hören”, in SZ 17.1.2011).
Der Siemens-Konzern wolle damit die gerade laufende Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen „ins Herz der Stadt holen“ (Neumeier, Karin, Ski-Piste am Wittelsbacher Platz, in merkuronline 11.1.2011) und wartete am 10.1.2011 nur noch auf die Genehmigung des Kreisverwaltungsreferates, die trotz der Ablehnung durch CSU, FDP und Grüne im Bezirksausschuss umgehend am 21.1.2011 mit minimalen Einschränkungen erteilt wurde. Die SPD im BA war euphorisch: “Siemens schenkt der Stadt eine echte Attraktion, sie wird massenhaft Zustrom haben.”
Dann führte Siemens Greenwashing in Reinkultur vor: “Wir sind sauber”, behauptete eine Siemens-Sprecherin: Der Kunstschnee würde nämlich aus Wasser und regenerativer Energie hergestellt (Wörmann, Caroline, Skigaudi am Wittelsbacher Platz: Die Piste wächst bereits, in merkur-online 24.1.2011). Die Veranstaltung sei zu “100 Prozent klimaneutral”… Die Rampe selbst wird nicht gekühlt – was schmilzt, wird nachproduziert…” (Loerzer, Sven, 28 Tonnen Schnee in 24 Stunden, in SZ 29.1.2011).
Damit wollte Siemens suggerieren, dass die Produktion von Kunstschnee eine umweltfreundliche Angelegenheit sei. Die Methode hat der Konzern von der Bewerbungsgesellschaft München 2018 abgeschaut. Dass man jede Einheit regenerativer Energie nur einmal verbrauchen kann – und dass es wahrlich sinnvollere Einsätze gäbe als Kunstschnee auf dem Wittelsbacher Platz für ein München-2018-Ski-WM-2011-Event -, wird in der Konzernspitze des Elektro-Konzerns bewusst ignoriert.
Und so wummerte die “Snow Box” (Werbeslogan: “Alles andere ist Schnee von gestern”) laut vor sich hin, um für eine 43 Meter lange und 12 Meter breite Piste 150 Tonnen Schnee zu produzieren – 28 Tonnen pro Tag. Die elektrische Leistungsaufnahme beträgt laut technischem Datenblatt 90 bis 100 kW – das wären unter Volllast in drei Wochen über 50.000 Kilowattstunden (kWh). Die Kosten für das Spektakel hält Siemens geheim. Allein die “Snow Box” kostet laut Mietpreisliste für drei Wochen 33.000 Euro, dazu kommen Kosten pro Betreuungstechniker von 350 Euro pro Tag plus natürlich die nicht unbeträchtlichen Kosten für Strom und Wasser. Die Gesamtkosten der Veranstaltung “Snow City” dürfte auf einen siebenstelligen Betrag kommen.
Der Münchner Kreisverwaltungsreferent sagte, es sei Aufgabe des Ordnungsamtes, “Ausnahmen mit Augenmaß zuzulassen, wenn dies im öffentlichen Interesse ist” – und dies sei gegeben, weil München “Wintersport live” erleben könne (SZ 25.1.2011).
So einfach lässt sich das Interesse des Oberbürgermeisters, eines Industriekonzerns und der Bewerbungsgesellschaft als “öffentliches Interesse” begründen.
Der Hausherr des benachbarten Innenministeriums, Minister Joachim Herrmann, bügelte den Protest herunter: “Es gibt schon ein paar Griesgrämige, die sich über den Lärm beschweren” (Sonnabend, Lisa, Der Berg ruft, in SZ 7.2.2011). Der SPD-Fraktionschef Alexander Reissl stellte zur Rechtfertigung von “Snow City” fest: “Offensichtlich gibt es ein Bedürfnis” (SZ 27.1.2011).
Kein schlechter Ausdruck für diese Veranstaltung.
Die Begeisterung der SPD war kein Wunder, sollte das Event doch auch als Werbeveranstaltung für München 2018 herhalten: OB Ude und Siemens-Chef Peter Löscher wollten zum Auftakt im “Kurzschwungwettbewerb” gegeneinander antreten (Loerzer, Sven, Verballermannisiert, in SZ 13.1.2011). Ein Dringlichkeitsantrag von Tobias Ruff/ÖDP, dass Ude nicht als Vertreter der Stadt am Skispektakel teilnehmen solle, wurde dann auch am 26.1.2011 umgehend abgebügelt (Wimmer, Barbara, Die kurze Ski-Karriere des Christian U., in tz-online 26.1.2011). Ude zog selbst am 26.1. zurück: Er war das einzige Mal mit 13 Jahren für ganze 15 Minuten auf Skiern gestanden und hatte sich dabei umgehend verletzt (Hutter, Dominik, Lode, Silke, Ude geht nicht auf die Piste, in SZ 27.1.2011).
Und so feuerte die Landeshauptstadt München aus allen Rohren und mit allen Behörden für München 2018: mit ihrem Presse- und Öffentlichkeitsamt (“Die Stadt informiert”), der Lokalbaukommission (Sondergenehmigungen für überdimensionierte Plakatflächen der Immowelt 2018), dem Kreisverwaltungsreferat ( Genehmigungen für “Snow City” etc.), dem Umweltreferat (aktive und euphorische Begleitung von München 2018), dem Abfallwirtschaftsamt (alle Müllwagen warben für 2018), der Stadtbaurätin, dem Kreisverwaltungsreferat etc.
Siemens, Olympische Spiele und Skifahren
Das Spektakel am Wittelsbacher Platz kommt nicht von ungefähr. Siemens-Chef Löscher war auch aktiver Besucher der Ski-WM im Februar 2011 in Garmisch-Partenkirchen: “Irgendwie schafft er es, Siemens als Skizirkus-Weltmarktführer zu verkaufen. In zwei von drei Skigebieten der Welt werde schließlich Siemens-Technik verwendet… Bis zu 15 Milliarden Euro werden laut Siemens in den kommenden zehn Jahren weltweit in Skigebiete investiert, davon will der Konzern ein Stück für sich” (Hesse, Martin, Der Gipfelstürmer, in SZ 15.1.2011). Der Siemens-Konzern macht mit Antriebs- und Steuerungstechnik für Lifte und Seilbahnen jährlich rund 100 Millionen Euro Umsatz (Fasse, Markus, Höpner, Axel, Hofer, Joachim, Konzerne wetteifern bei der Ski-WM, in Handelsblatt 7.2.2011).
Löschers Eltern waren übrigens Seilbahnbesitzer.
Siemens bietet vieles rund um den (Kunst-)Schnee an: Seilbahnen, Beschneiungsanlagen etc. So lieferte zum Beispiel der Bereich Siemens Industrial Solutions and Services für die neue Galzigbahn in St. Anton Antriebs- und Automatisierungstechnik und Siemens Alpine Technologies die neue Kombibahn am Penken in Mayrhofen. (Siemens AG 2009: Gipfelsturm am Penken; Galzigbahn – St. Anton, www.seilbahn.net) Referenzregionen sind Altenmarkt-Zauchensee, Garmisch-Partenkirchen, Ischgl, Kaprun, Kitzbühel, Nassfeld, Obertauern, Rauris, Saalbach-Hinterglemm, Schladming, St. Anton a. Arlberg, Zell a. See – unter dem Motto: “High-tech for cool fun… We give the winter a helping hand – Siemens Alpine Technologies” (Siemens Alpine Technologies, September 2009).
Und schließlich war Siemens auch in den Bau der Skihalle in Dubai involviert: Der “Sunny Mountain Ski Dome” hat eine 400 Meter lange Piste und benötigt 6000 Tonnen Pulverschnee – bei Außentemperaturen von über 40 Grad Celsius! (Skifahren in Dubais Wüste, in spiegelonline 8.5.2005)
Die Siemens AG und Siemens AG Österreich waren als technische Ausrüster in die Katastrophe mit der Standseilbahn in Kaprun am 11.11.2000 involviert: 155 Skifahrer starben, als ein Zug der Standseilbahn zu brennen begann. Die österreichische Justiz sprach 2004 alle Angeklagten – Techniker, Lieferanten, Betreiber – frei. (“Vollständige Entlastung der Angeklagten”, in faz.net 20.2.2004; US-Kaprun-Verfahren: US-Richterin ordnete Vergleich an, in Der Standard 28.8.2006; Andre, Luc, Isemann, Ralf, Als 155 Menschen in der Feuerfalle von Kaprun starben, in welt.de 11.11.2010)
Siemens ist ein globaler Technikzulieferer für sportliche Großereignisse. Der Konzern liefert auch die Technik für Olympische Sommer- und Winterspiele und erhält Aufträge für Verkehrswege, Stadien, Hotels, Energieversorgung und technische Infrastruktur im weiteren Sinn. Siemens stattete für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking Stadien und Hotels aus und lieferte technische Anlagen für U-Bahnen und ein Gepäcktransportsystem für den Flughafen. Der Konzern gab den Gesamtumsatz für Peking 2008 mit 1,1 Milliarden Euro an.
Für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi gab Siemens Ende 2009 bekannt, für den Ausbau des Verkehrssystems die Züge zu liefern (Siemens liefert für Sotschi, in SZ 20.12.2009). Offizielle Mitarbeiter von Olympstroy schätzen die gesamten Kosten für den Eisenbahnausbau der Russischen Eisenbahn für Sotschi auf 8,5 Milliarden Dollar (Lee, Jeff, Security and environmental concerns, cost overruns: Russia readies for Games, Vancouver Sun 15.6.2010).
Siemens kann bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 in München nicht als Sponsor dabei sein, da der Konkurrent General Electric TOP-Sponsor des IOC ist. Enge Beziehungen bestanden (bestehen?) zu DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident Thomas Bach: „Von Siemens bekam Bach vor allem für Tätigkeiten im arabischen Raum am Ende 400.000 Euro pro Jahr, dazu 5000 Euro pro Tag. Im Frühjahr (2008; W.Z.) wurde der Vertrag publik und schließlich aufgelöst, wobei Siemens versicherte, es habe alles seine Ordnung gehabt“ (Kistner, Thomas, Ott, Klaus, Ritzer, Uwe, Leipziger Altlast, in SZ 8.8.2008).
Vergleiche auch: Kritisches Olympisches Lexikon: Bach, Thomas
Der “Lügendetektor” des Greenpeace-Magazins schrieb zur “Snow City”: “Die grüne Tünche am Siemens-Event wirkt wie die Öko-Versprechen, mit denen sich München und Garmisch derzeit für die olympischen Winterspiele 2018 bewerben – deren so genanntes Nachhaltigkeitskonzept haben bayerische Umweltverbände als Schönfärberei und “olympische Lügen” verdammt” (Siemens: Öko-Image aus der Schneekanone, in lügendetektor, Greenpeace-Magazin 7.2.2011).
Exkurs: Siemens beliefert die Olympischen Spiele
Siemens und AtoS
Siemens ist in vielfältiger Weise mit der Geldmaschine IOC verbunden. Es ist größter Einzelaktionär des IOC-TOP-Sponsors AtoS („Worldwide IT-Partner“), der 74.000 Mitarbeiter (2012) und 6,8 Milliarden Euro (2011) Umsatz hatte (Wikipedia). Der französische Konzern Atos Origin übernahm 2010 die IT-Sparte IT Solutions and Services von Siemens (daher stammt das große S im Namen). AtoS ist seit 2002 verantwortlich für die technologischen IT-Lösungen bei Olympischen Spielen: von der Übertragung der Wettkampfergebnisse bis zur Organisation der Informatikinfrastruktur und der Emails für die Wettkampfstätten.
AtoS wird nach London 2012 auch Sotschi 2014 und Rio 2016 organisieren (Deutsch-französischer IT-Dienstleister AtoS, ein diskreter Gewinner der Olympischen spiele in London, www.ambafrance-de.org).
Siemens beliefert aber mit hohem Auftragsvolumen regelmäßig die Olympischen Spiele. Bereits 2008 stand in der SZ: „Siemens wiederum erhält rund um Olympia immer wieder lukrative Aufträge, für U-Bahnen und Flughäfen, für Energie- und Wasserversorgung“ (Kistner, Ott, Ritzer 8.8.2008).
Siemens und Olympische Spiele
“Siemens hatte in den Jahren 1999 bis 2006 insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro für Schmiergeldzahlungen ausgegeben, um sich lukrative Auslandsgeschäfte zu sichern” (Eisert 14.11.2011). Der berüchtigte Siemens-Schmiergeld-Sumpf erstreckte sich auch auf die Überwachungs- und Sicherheitstechnik bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen (Telloglou, Ott 27.2.2012)
Für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking stattete Siemens Stadien und Hotels aus und lieferte technische Anlagen für U-Bahnen und ein Gepäcktransportsystem für den Flughafen. Der Konzern gab den Gesamtumsatz für Peking mit 1,1 Milliarden Euro an.
Auch Vancouver 2010 lief für Siemens blendend. „In Vancouver lieferte Siemens unter anderem Technik für das Medienzentrum und Antriebe für Hybrid-Busse. Sotschi 2014 ist für die Technikkonzerne deutlich
attraktiver, da hier die Infrastruktur praktisch komplett neu aufgebaut werden muss“ (handelsblatt.com 23.3.2010; Hervorhebung WZ).
„Im Zuge der fünf Großevents, die 2010 ausgetragen wurden, hat Siemens Aufträge über weit mehr als zwei Milliarden Euro gewonnen – Expo in Shanghai, Fußball-WM in Südafrika, Commonwealth Games in Delhi, Asian Games in Guangzhou, Olympische Winterspiele in Vancouver“ (siemens.com 14.1.2012).
Siemens und Russland
Die Geschäfte von Siemens mit Putins Russland laufen wie geschmiert.
Bundeskanzlerin Merkel war am 16.11.2012 auf Kurzbesuch beim russischen Präsidenten. Begleitgast Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, unterzeichnete mit der russischen Staatsbahn eine Absichtserklärung über die Lieferung von 695 E-Loks im Wert von 2,5 Milliarden Euro (manager-magazin.de 16.11.2012. Dazu kommen Pläne zum Kauf von Transformatoren für 350 Millionen Euro (spiegelonline 16.11.2012).
Und für Sotschi 2014 soll Siemens noch mehr Aufträge eingesammelt haben als für Vancouver 2010. Für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi summierten sich die Aufträge bis März 2010 bereits auf 700 Millionen Euro (Ebenda).
Einige Siemens-Lieferungen für Sotschi 2014
– 54 Regionalzüge Typ Desiro – 38 werden in Deutschland gebaut, 16 in Jekaterinenburg; Auftragsvolumen 380 bis 420 Millionen Euro (www.aktuell.ru 30.12.2009; handelsblatt 23.3.2010; www.lok-report.de 2012, S. 1). „Die Siemens-Züge vom Typ Desiro für den Regionalverkehr können eine
Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h erreichen und sollen im Herbst 2013 in Betrieb gehen“ (LOK Report, S. 13). „Insgesamt sind die Aufträge über Herstellung und Wartung fast 1,1 Milliarden Euro wert“ (Pressemitteilung Siemens 7.2.2012, zitiert nach LOK Report 2012, S. 1). Der Flughafen, der Olympiapark und die Sportstätten sollen per Bahn erreichbar sein.
Wozu diese aufwändigen Bahnverbindungen nach den Spielen noch benötigt werden, ist unklar.
– Turbinen und Generatoren, mit denen die Leistung des Sotschi-Kraftwerks verdoppelt wird; Auftragsvolumen über 125 Millionen Euro (handelsblatt.com 23.3.2010;). Markus Tacke, Siemens Energy: „Wir freuen uns, mit unseren energieeffizienten Kraftwerkslösungen die Energieersorgung der Winterspiele in Sotschi sichern zu können“ (www.siemens.com 25.3.2010).
Wer diese für die Spitzenlast der Olympischen Winterspiele Sotschi 2014 aufgebaute Kraftwerksleistung später nutzen soll, ist unbekannt.
– Sechs SGT-800-Gasturbosätze mit zusammen 282 MW im Rahmen des Olympia-Projekts, Auftragsvolumen unbekannt (Ebenda).
Und nach Sotschi 2014 kommen für Siemens die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016 und die Winterspiele 2018 in Pyeongchang und die Sommerspiele 2020 und die Winterspiele 2024…
Siemens und DOSB-Präsident Thomas Bach
Von Siemens bekam Bach vor allem für Tätigkeiten im arabischen Raum am Ende 400.000 Euro pro Jahr, dazu 5000 Euro Tageshonorar. Im Frühjahr (2008; W.Z.) wurde der Vertrag publik und schließlich aufgelöst, Siemens hatte seit 2000 einen Beratervertrag mit dem DOSB-Präsidenten, IOC-Vizepräsidenten und Wirtschaftsanwalt Bach. Dieser Vertrag wurde 2004 und 2005 verlängert. Zunächst betrug die Jahressumme 250.000 DM, dann 400.000 DM, zum Schluss 400.000 Euro. Dazu kam ein Tagessatz von 5.000 Euro. Selbst der Siemens-Aufsichtsrat missbilligte diesen Vertrag, der erst Anfang April 2008 bekannt wurde. Ende April 2008 nahm Bach deswegen mit der Siemens-Abteilung Compliance Kontakt auf. Der Vertrag wurde dann im Juni 2008 im gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst „wobei Siemens versicherte, es habe alles seine Ordnung gehabt“ (Kistner, Ott, Ritzer 8.8.2008; 25.10.2008).
Siemens als Wintersport-Partner
Vorstandsvorsitzender Peter Löscher: „Mit unseren Lösungen sind wir der ideale Partner für Wintersport-Gebiete“ (siemens.com 14.1.2012). Löscher sprach von „grüner Technik für weiße Pisten“ vulgo Schneekanonen plus Infrastruktur: „Beschneiungsanlagen mit Siemens-Technik sorgen für schneesichere Pisten zu jeder Jahreszeit. Siemens bietet Energieversorgungsanlagen, Pumpenantriebe und Steuerungen für Beschneiungsanlagen“ (Ebenda).
Grün sind bestenfalls die Gehäuse!
Siemens und die Ski-WM 2013 in Schladming
„Siemens ist offizieller Technologiepartner der FIS Alpine Ski WM 2013…
<span style="font-size: 10.0pt; font-weight: normal;
mso-bidi-font-weight: bold;“>Unter dem Motto „Skifest mit Herz – für unsere Natur“ hat die FIS Alpine Ski WM 2013 in Schladming ihre Charta für eine nachhaltige Ski WM präsentiert…<strong style="mso-bidi-font-weight:
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Sport und Fanbegeisterung stehen nicht im Widerspruch zu Nachhaltigkeit. Vielmehr wird bei
Investitionsentscheidungen von Wintersport-Regionen und Städten dem Umweltschutz und der Ressourcenschonung ein immer höherer Stellenwert eingeräumt. Siemens wird so in Schladming dank modernster Technologie, innovativer
Ideen und Know-how nicht nur wirtschaftliche, sondern auch nachhaltige Impulse setzen, die sich langfristig positiv auf die Region auswirken werden“, erklärt Wolfgang Hesoun, Generaldirektor von Siemens Österreich…
Die Technologiepartnerschaft mit der FIS Alpine Ski WM 2013 in Schladming umfasst folgende Leistungen von Siemens:
Siemens stellt der Ski WM einen Elektrobus für Shuttledienste und Transporte zur Verfügung…
Siemens stattet das internationale Medienzentrum der Ski WM mit einem hochmodernen Informationssystem aus… Das Unternehmen liefert damit Schlüsselelemente seiner integrierten Lösungen für Rechenzentren zur Ski WM nach Schladming. Immer mehr Regionen rüsten sich für winterliche Großveranstaltungen. Bis 2020 rechnen Experten daher vor allem in den Wintersport-Gebieten mit Investitionen in neue oder bestehende Infrastrukturen von über 15 Milliarden Euro. Siemens ist nachhaltig mit Wintersportevents verbunden und konnte sein Know-How bereits sehr erfolgreich bei der Ski WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen unter Beweis stellen.
Siemens hat in der Skiwelt Amadé bereits 61 Seilbahnanlagen mit Antriebstechnik ausgerüstet, 15 davon im Skigebiet Schladming. Das Unternehmen betreibt in Innsbruck ein Technologie-Kompetenzzentrum für alpine Infrastrukturlösungen und ist einer der führenden Anbieter von energiesparenden Antrieben für Seilbahnen und Lifte, Energieversorgung, Steuerungen von Beschneiungsanlagen und anderen Infrastrukturangeboten für Bergregionen… In Schladming sorgt bereits seit Saisonbeginn 2008/2009 eine neue Pumpstation oberhalb des Planaier Skistadions für eine verlässliche, umweltfreundliche und effiziente Wasserversorgung von bis zu hundert Schneekanonen.“
(Alle Zitate: Siemens ist offizieller Technologiepartner der FIS Alpine Ski WM 2013, www.schladming2013.at)
Zu Schladming vergleiche unter „Aktuelles“: hier
Siemens war auch „offizieller Ausrüster der FIS Alpine Slki-WM 2011“ in Garmisch-Partenkirchen (siemens.com 14.1.2013).
Nachtrag 1:
Siemens verkauft auch Technik für Skigebiete. So lieferte der Konzern für die Söldener Bergbahnen Anlagenkomponenten für die Beschneiungstechnik: Antriebe, Steuerungen, Leittechnik. Die Neuanlage beschneit fast 70 Hektar in Höhenlagen von 1970 Metern bis ins Gletschergebiet auf 3.000 Metern“ („Golden Gate “ im Ötztal). Drei Pumpwerke versorgen die Schneekanonen mit Druckwasser. „Alle Beschneiungsanlagen der Bergbahnen Sölden zusammen haben für den Fall des Vollbetriebs eine elektrische Anschlussleistung von elf Megawatt“ (Ebenda).
Nachtrag 2, Juli 2013: Siemens in Brasilien – Samba corrupti
Bericht von Peter Burghardt und Klaus Ott in der SZ am 16.7.2013: “Der Konzern hat bei der brasilianischen Wettbewerbsbehörde Cade Selbstanzeige wegen Kartellabsprachen bei Bau und Wartung von U-Bahnen und Zügen in São Paulo und Brasília erstattet. Bei sechs öffentlichen Ausschreibungen sollen die Konzerne Bombardier aus Kanada, CAF aus Spanien, Mitsui aus Japan und eben Siemens ihre Angebote und Preise ausgemauschelt haben. Das betrifft Geschäfte von mehreren Hundert Millionen Euro. Insider berichten von offenbar ‘nachweisbaren Absprachen’ und ‘großen Summen’. Siemens sagt dazu nur, man sei über die Untersuchungen von Cade informiert und kooperiere ‘vollumfänglich mit den Behörden’. Das mea culpa aus München kommt reichlich spät. Die Causa reicht zurück bis ins Jahr 2008, in dem Siemens erste Hinweise auf Verstöße erhalten hatte. Später hatten sich brasilianische Lokalpolitiker sowie ein früherer Siemens-Mitarbeiter wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen an heimische Staatsanwälte gewandt. Die wiederum fragten auch bei Siemens an, was es damit auf sich habe. Lange Zeit kam dabei nichts heraus, weil der Konzern angeblich nicht fündig wurde. Später folgte die Selbstanzeige… Bereits im Juni 2008 hatte Siemens sehr konkrete Hinweise auf schmutzige Machenschaften in São Paulo bekommen. Bei der von Siemens für solche Fälle eingeschalteten Anwaltskanzlei Beckstein in Nürnberg ging ein Brief aus Brasilien ein, in dem ein dortiger Abgeordneter auf fünf eng beschriebenen Seiten ganz genau schilderte, wie Siemens mit anderen Konzernen bei großen Nahverkehrsprojekten alles abgesprochen haben soll. Und das angeblich garniert mit Schmiergeld für Regierungsmitglieder und Behördenvertreter… Es geht, unter anderem, um die neue Metro-Linie 5 in São Paulo. Um neue Züge, um Wartungsverträge und um einiges mehr. Alles sehr teuer, alles sehr profitabel für jene, die den Zuschlag erhalten. Alles sehr peinlich, sollte sich erweisen, dass die beteiligten Konzerne sich an Brasiliens Bürgern bereichert hätten. Ach ja, auch die in dem Schreiben von 2008 genannten Konzerne sind größtenteils identisch mit jenen, die heute Gegenstand der Kartelluntersuchung sind” (Burghardt, Peter, Ott, Klaus, Ausgerechnet Siemens, in SZ 16.7.2013).
Siemens musste wegen diverser Schmiergeldaffären 2007 über eine Milliarde Euro Strafe zahlen und wechselte nahezu alle Vorstandsmitglieder aus. Peter Löscher wurde der neuer Siemens-Vorstandsvorsitzender und damit neuer Saubermann. Wirklich?
Von 2008 bis 2010 herrschte Funkstille im großen Siemens-Konzern, auch nach neuen Hinweisen auf schmutzige Deaks in Brasilien im Herbst 2010: “Aber auch dann ohne Ergebnis. Wollte Siemens vielleicht gar nicht wissen, was in Brasilien geschah, weil das aufstrebende Land in Südamerika den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 erhalten hatte? Solche Großereignisse gehen einher mit Großinvestitionen in Stadien, Verkehr, Telekommunikation und anderen Infrastruktur-Projekten, die Milliardenbeträge kosten. Und bei denen meist sehr viele Aufträge für Siemens anfallen, weil der von München aus global agierende Industriekonzern genau auf solche Vorhaben spezialisiert ist. Da liegt der Verdacht nahe, dass Siemens die Auftrags-Aquisation in Brasilien nicht mit peinlichen Untersuchen belasten wollte… Die jetzigen Kartell-Ermittlungen kommen für die meisten der davon betroffenen Konzerne zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Brasilien plant eine Hochgeschwindigkeitsstrecke von São Paulo nach Rio de Janeiro. Um das neue Megaprojekt mit modernsten Schnellzügen bewerben sich gleich mehrere der Unternehmen, die den Staat beim öffentlichen Nahverkehr ausgenommen haben sollen.” (Ebenda: Hervorhebung WZ).
Zuerst der öffentliche brasilianische Nahverkehr plus dies und das, dann der Fernverkehr etc.: Die Siemens-Katze lässt das Mausen nicht. Arme Brasilianer!
Vergleiche auch die Siemens-Connection von DOSB-Präsident Thomas Bach!
Nachtrag 3, Oktober 2013: Auch Kaeser olympisch. Nach Vorgänger Peter Löscher trommelt nun auch der jetzige Siemens-Chef Joe Kaeser für München 2022 (Scharnitzky, Ralf, Siemens-Chef trommelt für Winterspiele, in SZ 24.10.2013). Das ist kein Wunder, bekommt der Münchner Konzern doch bei allen Olympischen Spielen regelmäßig Milliardenaufträge, siehe oben.
Nachtrag 4:– Siemens muss leider draußen bleiben
Siemens sah sich in Brasilien mit zahlreichen Korruptionsvorwürfen konfrontiert: Von 1999 bis 2005 sollen Siemens-Mitarbeiter brasilianische Politiker bestochen haben, um Aufträge bei Post und Telekom zu erhalten. Dazu kamen mutmaßliche Schmiergeldzahlungen für Aufträge bei Bau- und Unterhalt vom Nahverkehr in Saõ Paulo und Brasília. Dazu bildete Siemens mit den Konzernen Alstom/Frankreich, Bombardier/Kanada, CAF/Spanien und Mitsui/Japan ein Preisabsprache-Kartell. Es gab ein Schwarzgeldkonto über sechs Millionen Euro in Luxemburg und ein Konto in Genf, über das 20 Millionen Euro an brasilianische Politker flossen (Burghardt, Peter, Giesen, Christoph, Boom und raus, in SZ 3.3.2014). Siemens war auch Adressat der Demonstrationen im Juni 2013: „Die Proteste gegen Missmanagement, Geldverschwendung und Korruption richteten sich teilweise auch gegen den Konzern“ (Ebenda).
Im August 2013 wurde der Konzern auf die Dauer von fünf Jahren von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen und staatlichen Verträgen ausgeschlossen. Der Siemens-Konzern sank im Geschäftsjahr 2012/2013 auf 1,95 Milliarden Euro – trotz der öffentlichen Aufträge für die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Sommerspiele in Rio 2016.
Gegen den Beschluss vom August 2013 legte Siemens einen Widerspruch ein: Dieser wurde am 29. Januar 2014 zurückgewiesen. Nun klagt der Konzern erneut gegen den Ausschluss von Geschäften (Siemens klagt gegen Ausschluss von Aufträgen in Brasilien, in spiegelonline 3.3.2014).
Nachtrag 5: Siemens spricht bei Putin vor
Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser (richtig: Josef Käser) besuchte am 26.3.2014 erst den Gazprom-Chef Alexej Miller ( von der dann den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Mit beim Treffen: der Chef der russischen Eisenbahn, Wladimir Jakunin (auf der USA-Boykottliste), der im Rahmen von Sotschi 2014 mit für die Zerstörung des Flussbettes der Msymta zuständig war. Siemens lieferte “im vorigen Jahr der russischen Staatsbahn Hochgeschwindigkeitszüge für die Strecke St. Petersburg-Moskau-Nischni Nowgorod und hat mit der Staatsbahn zudem vereinbart, bis Ende 2020 insgesamt 675 Frachtlokomotiven zu fertigen und zu liefern” (Schäfer, Ulrich, Wladimir und Joe, in SZ 27.3.2014).
Da muss Kaeser-Käser doch einfach zu Putin und Jakunin fahren!
Die Annektierung der Krim bezeichnete Kaeser im ZDF als “kurzfristige Turbulenzen” (Schäfer, Ulrich, Stets zu Diensten, in SZ 28.3.2014). Der Siemens-Chef lobte Putin für die “herausragenden” Olympischen Spiele in Sotschi: “Das war für die Welt eine gelungene Zusammenkunft” (Bauchmüller, Michael, Busse, Caspar, Ein Mann von Welt, in SZ 28.3.2014).
Ob das zum Beispiel die verhafteten Protestierer von der Umweltwacht Nordkaukasus, das ruinierte Flusstal der Msymta, die enteigneten Hausbesitzer, die vertriebenen Bewohner auch so sehen, Herr Kaeser-Käser?
Siemens macht weltweit 76 Milliarden Euro Umsatz, davon kommen gerade noch elf Milliarden Euro aus Deutschland. Bei Sotschi 2014 hat Siemens, wie bei allen Olympischen Spielen, dank enger Verbindung mit IOC-Präsident Thomas Bach, Milliarden umgesetzt: “Siemens macht etwa zwei Milliarden Euro Umsatz in Russland” (Ebenda).
Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte Kaesers Besuch bei Putin „schräg“. Deutlicher wurde der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU): „Wenn der Siemens-Chef das Vorgehen Putins auf der Krim als ‚kurzfristige Turbulenz‘ bewertet und die Wertegemeinschaft mit Putin beteuert, ist das peinlich und unverantwortlich“ (Gabriel kritisiert Treffen von Siemens-Chef mit Putin, in spiegelonline 30.3.2014).
Vergleiche im Kritischen Olympischen Lexikon auch: Der olympische Siemens-Konzern: Samba corrupti
Und zu den Kontakten von Siemens zu DOSB-Präsident und Wirtschaftsanwalt Bach: Bach, Thomas
Quellen:
Auslieferung des ersten Desiro RUS an die RZD, in www.lok-report.de 2012
Eisert, Rebecca, Siemens-Sumpf nimmt kein Ende, in wiwo.de 14.11.2011
„Golden Gate “ im Ötztal, www.cee.siemens.com Juni 2009
Kistner, Thomas, Ott, Klaus, Ritzer, Uwe
– Leipziger Altlast, in SZ 8.8.2008
– Bedingt wissbegierig, in SZ 25.10.2008
Siemens baut Vorortzüge für Olympiade in Sotschi, in www.aktuell.ru 30.12.2009
Siemens beliefert Olympische Winterspiele 2014 in Sotschi, www.siemens.com 25.3.2010
Siemens-Geschäft mit Schwung an der Skipiste, in www.siemens.com 14.1.2012
Siemens ist offizieller Technologiepartner der FIS Alpine Ski WM 2013, www.schladming2013.at
Siemens liefert 700 Loks nach Russland, in manager-magazin.de 16.11.2012
Siemens profitiert von Olympia in Sotschi, in handelsblatt.com 23.3.2010
Siemens verkauft 700 E-Loks nach Russland, in spiegelonline 16.11.2012
Siemens, Umweltfreundliche Ski-WM, www.cee.siemens.com 3.1.2013
Telloglou, Tasos, Ott, Klaus, Siemens verhandelt mit Athen über Schuldendeal, in sueddeutsche.de 27.2.2012
Wikipedia
www.ambrafrance-de.org
www.siemens.com