Vergleiche auch: Was ein Gaskonzern und Sport, Oligarchen und Putin miteinander zu tun haben. Gazprom-Chronik (1) bis 31.12.2012: hier; Gazprom-Chronik (2) 1/2013 – 8/2014: hier; Gazprom-Chronik (3) 9-10/2014: hier; Gazprom-Chronik (4) ab 11/2014: hier; Gazprom-NTW; Putin-Russland
Putins Russland
Der russische Präsident Wladimir Putin unterstützt seit langem den syrischen Diktator Assad, maßregelt Oppositionelle, beeinflusst massiv die Justiz. Kaum einer Woche nach den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi beginnt Putin die aktiven Kriegsvorbereitungen auf der Krim und im Frühjahr 2014 einen verdeckten und verlogenen Krieg im Osten der Ukraine (siehe unten). Im Juli 2014 wurde ein malaysisches Flugzeug von seinen Söldnern vom Himmel geholt: 298 Menschen starben.
Putin diskriminiert bei der Leichtathletik-WM im August 2013 in Moskau Homosexuelle, lässt Oppositionelle wie die Gruppe Pussy Riot, die gegen Putin demonstriert hatte, ins Gefängnis werfen. Ende September wollte Pussy-Riot-Mitglied Nadeschda Tolokonnikowa in Hungerstreik treten: Sie klagte über unmenschliche Haftbedingungen wie 16 Stunden Näharbeit von Polizeiuniformen bei nur vier Stunden Schlaf. Daraufhin wurde Tolokonnikowa in Einzelhaft verlegt. Begründung der Gefängnisverwaltung: “Die 23jährige solle geschützt werden” (Hans, Julian, Einzelhaft als Schutz, in SZ 25.9.2013). Das Putin-Russland wird von Amnesty International, Human Rights Watch und anderen Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert.
Im März 2014 annektierte Putin die ukrainische Krim-Halbinsel und war in die Initiierung der Aufstände im Osten der Ukraine involviert. Und seit Frühsommer 2014 versucht er, „Neurussland“ wieder dem russischen Staatsraum zuzuschlagen – die historische Bezeichnung entstand unter der Zarin Katharina die Große und umfasst etwa ein Drittel des ukrainischen Staatsgebietes.
Dazu kommt ein willfähriger Kreml-naher Konzern mit Milliarden-Umsatz: “Gazprom ist eines der verschlossensten Unternehmen und eines der umstrittensten. Der Gaskonzern gehört dem russischen Staat und gilt als wirtschaftliche und außenpolitische Waffe Wladimir Putins. Wenn Länder im Liefergebiet aufmüpfig werden, wird der Gashahn zugedreht. 2009 passierte das der Ukraine, andere mussten plötzlich das Doppelte für ihr Gas zahlen” (Spiller 26.11.2013).
Pressefreiheit à la Putin
„Reporter ohne Grenzen zählt Russlands Präsidenten Wladimir Putin seit Langem zu den größten Feinden der Pressefreiheit, in der Rangliste der Organisation steht sein Land auf Platz 148 von 179. (…) Und weil der Staat die Übertragungsrechte kontrolliere, gebe es landesweit nur drei große Sender: Rossija (Russland), der direkt der staatlichen Medienholding gehört; Perwyj Kanal (Erster Kanal), der zu einer Hälfte dem Staat, zur anderen zwei kremlnahen Oligarchen gehört; und NTV, seit 2007 im Besitz des halbstaatlichen Energiekonzerns Gazprom. Der einzige kritische Kanal sei der 2010 gegründete Sender TV Doschd. Mehrmals bewarb der sich um Ausstrahlungslizenzen – wurde aber nicht zugelassen. Über Internet und Kabel erreicht TV Doschd eine Million Zuschauer am Tag. Russland hat 143 Millionen Einwohner. (…) Doch der Kreml versucht laut Gruska nicht nur die Berichterstattung in Russland zu beeinflussen, sondern auch russlandfreundliches Material in ausländischen Medien zu platzieren. Ein kremlnaher Verlag produziert eine Zeitungsbeilage, die der New York Times , dem Telegraph und Le Figaro beiliegt, in Deutschland erscheint sie als Russland Heute in der Süddeutschen Zeitung . Zudem betreibt der Staat den Auslandssender Russia Today (RT). 2000 Mitarbeiter in 19 Ländern arbeiten für RT und bieten Medien einen besonderen Service: Auf der Website lassen sich die staatstreuen Beiträge herunterladen. Nach RT-Angaben nutzten bereits 16.000 Sender in 185 Ländern das Material“ (Hollenstein, Oliver, Märchen für die Massen, in SZ 29.11.2013).
Putin-TV
„Das Tochterunternehmen Gazprom Media hatte im Jahr 2000 handstreichartig den regierungskritischen Fernsehsender NTW übernommen und in einen Propagandasender Putins umgewandelt. Der Verkauf der Medienanteile wurde schon mehrmals angekündigt. Aber im vergangenen Jahr (2013; WZ) beschloss GazpromMedia den Zukauf weiterer russischer Fernsehstationen und Radiosender. Ein Medienimperium à la Berlusconi ist entstanden – auf Staatskosten“ (Voswinkel 2/14).
Putin und Gazprom
Gleichzeitig veranlasste Putin den russischen Erdgas- und Erdölkonzern Gazprom, sich mit Millionenbeträgen im internationalen Sport und hier vor allem im Fußball zu engagieren. Die sportpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Viola von Cramon, äußerte zum Engagement von Gazprom bei Fifa und Uefa: „Die Vertreter des Fußballs verschließen vor dieser Entwicklung ihre Augen und verspielen auf unbeholfene Art seine Glaubwürdigkeit” (Fritsch 25.5.2013).
„Gazprom ist ein umstrittener Partner, der regierungsnahe Konzern ist das wirtschaftliche und politische Werkzeug des russischen Präsidenten Wladimir Putins, sein Marketing-Instrument und Geldesel, der verlängerte Arm des Kremls” (Fritsch 25.5.2013). Der Journalist Jürgen Roth stellte schon 2005 fest: Für Putin „ist Gazprom mehr als ein strategisches Instrument – da kann man unter anderem auch seinen Wahlkampf über Gasprom mitfinanzieren lassen. (…) Gasprom ist nach meiner festen Überzeugung ein Synonym für Korruption, für eine gigantische Selbstbereicherung der früheren sowjetischen Nomenklatura, der neuen russischen Business-Elite und kriminellen Strukturen“ (schwabe 22.12.2005). – “Ohne Gazprom, heißt es, wird in Russland niemand Präsident. Und ohne Russlands Präsidenten geht nichts bei Gazprom. Im Konzern soll es von ehemaligen KGB-Agenten und Putins Helfern wimmeln, es soll einen eigenen Nachrichtendienst und eine eigene Armee geben. Einigen von Gazproms unzähligen Mittlerfirmen, mit denen Gazprom zusammenarbeitet, werden Verbindungen ins Milieu der organisierten Kriminalität nachgesagt” (Spiller 26.11.2013).
Zu den Kapital-Verschiebungen und Verschleierungen bei Gazprom liefert der Artikel von Martin Tillack „Gazprom: Die Gazoviki, das Geld und die Gier“ einen guten Überblick.
Der Gazprom-Konzern
Der russische Staat hält 50 Prozent plus eine Aktie an dem Unternehmen und hat die Mehrheit im Aufsichtsrat (zeitonline 19.9.2013). Gazprom ist das weltweit größte Erdgasförderungsunternehmen. Der Konzern hat rund eine halbe Million Mitarbeiter und setzte 2011 umgerechnet 4 Milliarden Euro um. Auf Gazprom entfallen rund 85 Prozent der russischen Erdgasförderung, das entspricht rund ein Fünftel der weltweiten Förderung (Wikipedia). Der Konzern fördert über eine halbe Milliarde Kubikmeter Erdgas pro Jahr und verfügt über ein Fernleitungsnetz von über 150.000 Kilometer. Dazu kommt die Pipeline Nord Stream, die von Russland durch die Ostsee bis nach Greifswald führt.
Greenpeace kritisierte Gazprom, weil der Konzern in der Arktis nach Öl bohren will. Das Greenpeace-Schiff “Arctic Sunrise” protestierte Mitte September 2013 gegen die geplanten russischen Ölbohrungen in der Arktis. Russische Sicherheitskräfte beschlagnahmten am 19.9.2013 das Schiff in internationalen Gewässern und schleppten es ab. Die 30 Besatzungsmitglieder wurden in verschiedene Untersuchungsgefängnisse der Region Murmansk gebracht. Die Justiz ermittelt wegen “bandenmäßiger Piraterie”: Damit können bis zu 15 Jahre Haft verängt werden. Greenpeace protestierte daraufhin vor der deutschen Gazprom-Zentrale in Berlin (spiegelonline 25.9.2013; Borgerding 24.9.2013). (Siehe auch unter Nachtrag 1).
Die Greenpeace-Aktivisten klagt der russische Staat wegen Piraterie an; ihnen drohen bis zu 15 Jahren Haft. “Laut Greenpeace lag die ‘Arctic Sunrise’ 40 Seemeilen vor der russischen Küste, also in internationalen Gewässern. Eine Sprecherin des Grenzschutzes im nordrussischen Gebiet Murmansk sagte hingegen, das Schiff habe sich in der von Russland festgelegten 500 Meter breiten Sperrzone rund um die Bohrinsel befunden” (spiegelonline 3.10.2013).
Zu den Risiken der Rohstoff-Erschließung in der Arktis siehe hier.
Rohstoffe: Putins persönlicher Schatz?
Zur Erinnerung: Der Oppositionelle Alexej Nawalny hat im Wahlkampf um das Amt des Moskauer Bürgermeisters im Sommer 2013 die Moskauer Wähler gefragt, “ob sie denn wüssten, wie viel Geld Russland in den letzten 15 Jahren durch den Verkauf von Öl, Gas und Metall verdient habe. ‘Keine Ahnung’, ruft eine Rentnerin, ‘bekommen haben wir davon nichts.‘ – ‘Drei Billionen Dollar‘, sagt Alexej Nawalny, ‘damit würden auf jeden einzelnen Russen 640.000 Rubel entfallen, Säuglinge und 100-jährige inbegriffen, fast 20.000 Dollar’” (Neef, Christian, Schepp, Matthias, Lehrstück aus Moskau, in Der Spiegel 16/2.9.2013).
Gehören die russischen Rohstoffe Putin und seiner Gang persönlich? Zumindest verfährt er so. Vergleiche auch das Buch von Jürgen Roth: Gazprom.
Sotschi, Olympische Winterspiele 2014: Die Bewerbung
Bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2014 hatte Sotschi ein Organisationsbudget von 1,5 Milliarden Dollar, Pyeongchang von 1,26 Milliarden Euro und Salzburg von 965 Millionen Dollar. (Pyeongchang erhielt dann bei der dritten Bewerbung die Olympischen Winterspiele 2018). Letztlich war es ein Duell der Konzerne Gazprom und Samsung. Putin setzte sich persönlich für seinen Urlaubsort Sotschi am Schwarzen Meer ein.
„Doch Sotschis Agenten hatten 100 Millionen Euro lockergemacht, hieß es in Bewerberkreisen. Und Ex-KGB-Zar Wladimir Putin ließ IOC-Chef Jacques Rogge den Energieriesen Gazprom als Topsponsor andienen, von sagenhaften Konditionen war die Rede. Zur Kür in Guatemala flogen die Russen eine Antonow mit 70 Tonnen Material ein, um in den Tropen eine Freilauf-Eisfläche zu installieren. Deren Besuch war den IOC-Mitgliedern per Ethik-Kodex verboten, doch nicht alle hielten sich daran. Schließlich lockten allabendlich Kaviar, Tanz und nette Mädels… Nie wurde Olympia schamloser versteigert“ (Kistner, Juni 2008).
Sotschi, Olympische Winterspiele 2014: Naturzerstörung statt „Grünes Erbe“
Der russische Gazprom-Konzern, Top-Sponsor der Sotschi-Bewerbung 2014, betreibt seit Jahren einen Tourismuskomplex und ein Skigebiet in Krasnaja Poljana bei Sotschi. Auf dem Gazprom-Gelände wird heftig gebaut: Hier sollen 2014 die Biathlon– und Langlauf-Wettbewerbe stattfinden. Insgesamt arbeiten 19.000 Menschen an der Vorbereitung der Spiele. Anwohner klagen über die starke Verkehrszunahme (Hosp 18.2.2011).
Fünf Oligarchen und russische Konzerne wurden “eingeladen” und bauen nun die fünf Wintersportressorts für 2014. Der von Wladimir Putin geförderte vielfache Nickel-Milliardär Wladimir Potanin baut Rosa Khutor, der Mischkonzern von Milliardär (und Anteilseigner des österreichischen Strabag-Konzerns) Oleg Deripaska baut das Olympische Dorf, Gazprom baut das Skizentrum mit Langlauf und Biathlon (Smejkal 13.2.2012).
Nach Auskunft der „Umweltwache Nordkaukasus“ wurden für die Spiele 20.000 Hektar Wald abgeholzt, einzigartige Quellenlandschaften zerstört und Tierpopulationen vertrieben (Großekathöfer 2.2.2009).
Die Baustelle im Sumpfgebiet der Imereti-Bucht war vorher Brutplatz für vom Aussterben bedrohte Zugvögel. Naturschützern zufolge entstehen 84 Prozent der olympischen Wettkampfstätten in einem Nationalpark. Das von Gazprom gebaute Biathlon-Zentrum, die Skipisten und die Hotelbauten gleichen einem ökologischen Albtraum. Selbst der russische Umweltminister sagte nach der Besichtigung: „Unsere Baustellen sehen furchtbar aus“ (Zekri 19.3.2009).
„Damit Gazprom in Ruhe bauen konnte, waren die Schutzauflagen des Nationalparks gesenkt worden. Die Umweltwache klagte. Im Oktober gab ihnen ein Gericht in der Stadt Majkop recht. ‚Zwei Wochen waren alle Bauarbeiten in Krasnaja Poljana illegal’, sagt Dimitrij, ‚auch die Olympia-Anlagen’. Dann kassierte ein Bezirksgericht das Urteil. Die Welt war wieder normal“ (Zekri 29.9.2008).
Gazproms Engagement bei Sotschi 2014 kommt den Konzern teuer zu stehen: Es sollen mehr als zwei Milliarden Euro sein (Aumüller 4.10.2013).
Die Annektierung der Krim während und nach Sotschi 2014
Kleines Beispiel zur „Friedensbewegung“ Olympischer Spiele: Vom 7. bis 23. Februar 2014 fanden im russischen Sotschi die Olympischen Winterspiele statt.
Am 20.2.2014 wurde der russische Orden für Verdienste um, „die Wiedergewinnung der Krim“ eingeführt. – Am, 22. und 23.2. wurden die ersten Truppenbewegungen auf der Krim registriert. – Am 23.2. kamen russische Elitesoldaten mit Landungsbooten auf die Krim. (Tag der Schlussfeier Sotschi 2014). – Am 9.3. rollten Fahrzeuge der russischen Armee durch Sewastopol auf die Krim. – Am 26.2. versetzte Putin 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine in Alarmbereitschaft. – Am 1. und 2.3. kamen vier große Truppentransporter in Sewastopol mit Kämpfern des russischen Militärdienstes GRU, zwischen dem 28.2. und dem 11.3. insgesamt 15 russische Schiffe. Am 9.3. eroberten Soldaten in Uniform ohne Hoheitsabzeichen die Krim, und Russland annektierte sie und brach damit das Völkerrecht (Bidder, Benjamin, Coup auf der Krim, in spiegelonline 8.3.2015). Schon während der angeblichen „Friedensbewegung“ Olympischer Spiele begannen die Aggressionen auf der Krim: Zwei Wochen nach dem Ende der Spiele war die Krim vom Spiele-Gastgeber Russland annektiert. (Ähnlich wie 1936, wo die Olympischen Sommerspiele in Berlin letztlich der Auftakt für die Aggressionen von Hitler-Deutschland gegen das Ausland waren.)
Gazproms Fußball-Engagement
FC Schalke 04: Seit 1.1.2007 ist Gazprom Sponsor beim deutschen Bundesligisten Schalke 04 – mit geschätzten 16 Millionen Euro jährlich (zeitonline 19.9.2013). Der Vertrag wurde im Mai 2011 bis Ende Juni 2017 verlängert (Wikipedia).
FC Chelsea: „Chelsea Football Club is delighted to announce that Gazprom has become the club’s official Global Energy Partner” (Webseite FC Chelsea) Zenit St. Petersburg: Gazprom ist Eigentümer des Klubs und kaufte kürzlich vom FC Porto einen brasilianischen Nationalstürmer für 50 Millionen Euro. Der Stadion-Neubau von Zenit St. Petersburg mit 70.000 Plätzen kostet nach aktuellen Schätzungen eine Milliarde Dollar (Aumüller 5.9.2012; Wikipedia).
Dazu ist Gazprom Sponsor u. a. vom Fußballverein Roter Stern Belgrad, vom russischen Volleyballverein ZSK Gazprom-Ugra Surgut, vom russischen Tischtennisverein Gazprom Fakel Orenburg, vom russischen Radrennstall Katjuscha (Wikipedia). “Denn Sport ist für Gazprom eine große Sache. Der Konzern sponsert nicht nur Fußballklubs wie Schalke 04 oder Zenit St. Petersburg, sondern auch die Champions League und den Fußball-Weltverband Fifa. Das Unternehmen engagiert sich im Eishockey, Radfahren, Segeln, Tennis, Leichtathletik, Boxen, Biathlon, Schach und Ballonfahren. Also überall. Gazprom tut das natürlich nicht aus Nettigkeit, sondern weil der Konzern sein Image verbessern will. Er will bald den europäischen Endverbrauchern Gas selbst verkaufen. dafür braucht er Sport, vor allem Fußball” (Spiller 26.11.2013).
Gazprom stellt jährlich eine Milliarde Dollar für eine russisch-ukrainische Fußball-Liga bereit, die ab 2014 starten soll. Der Grund: Bisher stellte der Gazprom-Fußballklub Zenit St. Petersburg den russischen Verbandspräsidenten. Aber im September 2012 wurde Nikolaj Tolstych gewählt, ehemaliger Präsident von Dynamo Moskau. Deshalb investiert Gazprom, um die Klubs auf Tolstychs Seite zu ködern und wieder den Präsidentenposten zu erobern. Verfahrene Situation: Fifa-Blatter ist gegen die neue Liga. Putin schweigt – wegen der Fußball–WM 2018. Uefa-Platini zögert – denn Gazprom ist seit Sommer 2012 Hauptsponsor der Uefa-Champions-League (Aumüller 20.2.2013).
Putins Gazprom kauft sich in Fifa ein
Im September 2013 war die Fifa dran: Gazprom wird Sponsor von 2015 bis 2018. „Eine grundsätzliche Übereinstimmung sei schon im September bei einem Treffen zwischen Russlands Präsidenten Wladimir Putin, dessen Sportminister Witali Mutko, Gazprom-Geschäftsführer Alexei Miller und dem Fifa-Präsidenten Joseph S. Blatter getroffen worden” (SZ 20.9.2013; Hervorhebung WZ).
Ein Interview mit dem stellvertretenden Gazprom-Vorsitzenden Alexander Iwanowitsch Medwedew in der Zeit brachte dazu wenig: “Wird es kritisch, antwortet Medwedew einsilbig. Zum Beispiel auf die Frage, ob es einen Interessenskonflikt gäbe, falls das Gazprom-Team Schalke 04 einmal auf das Gazprom-Team Zenit St. Petersburg treffen sollte. Oder auf die Frage, ob es nicht komisch aussehe, wenn Gazprom einen Sponsoringvertrag mit der Fifa unterzeichne, ein paar Jahre nachdem der Fußball-Weltverband die WM 2018 nach Russland vergeben hat” (Spiller 26.11.2013).
Beckenbauer wird Gazpromi
Beckenbauer saß bis Juni 2011 im Exekutivkomitee der Fifa, die die umstrittenen WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar entschied. „Den Gastgeber der WM 2018 gab die FIFA am 2. Dezember 2010 in Zürich bekannt” (Wikipedia). Die “Russian Gas Society” (RGS, Mitglied ist auch Gasgigant Gazprom) engagierte Franz Beckenbauer mit einem Fünfjahresvertrag als Botschafter, um zunächst Sotschi 2014, aber auch die Eishockey-WM 2016 und die Fußball–WM 2018 in Russland zu unterstützen (SZ 1.6.2012).
Die RGS hängt eng mit dem Gazprom-Konzern und dadurch mit Präsident Putin zusammen. „Die RGS ist die Vereinigung aller Gas fördernden Unternehmen in Russland. Wichtigstes Mitglied ist der Gas-Gigant Gazprom. Gazprom-Chef Alexej Miller soll Beckenbauer am Donnerstag offiziell ins neue Amt einführen“ (focus.de 30.5.2012).
Bild schrieb im Mai 2012: “Beckenbauer wird der neue Sport-Zar von Russland” (Nienhuysen 9.7.2012). Beckenbauer: „Ja, ich bin eine Art Botschafter dieser ‘Russian Gas Society’… Ich freu’ mich darauf, wenn ich für die Russen irgendwas tun kann…” (Wagner 8.6.2012).
Kritiker äußerten, Beckenbauer in Kooperation „lasse sich mit seinem Engagement für die RGS letztlich nur vor den Karren eines zweifelhaften Regimes spannen” (Schlömer 5.11.2012). Der Europa-Abgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) urteilte über Beckenbauers Engagement für Gazprom: „Wer sich zum Botschafter von Gazprom machen lässt, manövriert sich ins politische Abseits und hilft nur dem Regime von Wladimir Putin” (Nienhuysen 9.7.2012).
Putin erlaubt Demos
Er verfügte bzw. unterzeichnete ein Dekret, dass während Sotschi 2014 doch ein bißchen demonstriert werden darf, sofern alles engstens mit den Behörden abgestimmt wird. Es steht Putin “frei, seine einheimischen Medien dazu zu ‘überreden’, Proteste einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen” (Sturm 5.1.2014). Die “internationale Medienöffentlichkeit bekommt den Eindruck eines zumindest halbwegs freien Gastgeberlandes” (Ebenda). Letztendlich wurden dann an dem entlegenen kleinen Protest-Ort die nur unter hohen behördlichen Hürden anzumeldenden Demonstrationen verboten.
– Putins Kontrolle. Julia Smimova in der Welt: “Die Spiele von Sotschi sollen ein Russland vorgaukeln, das es nicht gibt: selbstbewusst, stark, einig. Dafür scheinen alle Mittel recht zu sein. Dabei wächst die Furcht vor einer Anschlagserie” (welt.de 5.1.2014). Wladimir Putin besuchte mit Premierminister Dmitrij Medwedjew Sotschi und besprach die Sicherheitslage: “Demonstrativ fuhren die beiden Politiker anschließend Ski” (SZ 4.1.2014).
Das System Putin
„Russland, das größte Flächenland der Erde, wirkt dieser Tage wieder einmal wie ein Ein-Mann-Staat (…) 2018 findet in Russland ein noch größeres globales Ereignis statt – die vier Wochen dauernde Fußball-Weltmeisterschaft. Läuft alles nach Plan, wird Putin dann gerade im Kreml-Palast für weitere sechs Jahre den Amtseid geschworen haben. (…) In vielen Russen schlummert die Sehnsucht nach einem starken Anführer, auch oder gerade in den Provinzen und Millionenstädten jenseits des Urals, denen China und die Despotien in Mittelasien räumlich näher liegen als Frankreich, Italien oder Dänemark. Darüber können auch die jüngeren liberalen Eruptionen in Moskau nicht hinwegtäuschen. (…) Das System Putin muss da schon kräftig nachhelfen: mit Einschüchterung und Repressionen, mit einer Armee von ehemaligen Geheimdienstlern an den Hebeln der Macht, mit staatlichen Fernsehsendern, die Putin zur täglichen Primetime makellos inszenieren, mit einem System der autoritären Erziehung, das Kindern in der Schule auferlegt wird und kaum Spielraum für Kreativität, Eigenständigkeit und kritisches Denken lässt“ (Nienhuysen 4.1.2014).
Putin erfolgreich
Der russische Oppositionsführer Boris Nemzow: „Es ist schwer, einen Ort in Russland zu finden, an dem es nie schneit. Putin hat es geschafft. Und nun macht er dort Winterspiele“ (Bohnensteffen, Marcel, Hoffmann, Sabrina, Die 7 Sünden der Winterspiele, in huffingtonpost.de 1.2.2014).
Putins Schatz
Zur Erinnerung: Der Oppositionelle Alexej Nawalny hat im Wahlkampf um das Amt des Moskauer Bürgermeisters im Sommer 2013 die Moskauer Wähler gefragt, „ob sie denn wüssten, wie viel Geld Russland in den letzten 15 Jahren duch den Verkauf von Öl, Gas und Metall verdient habe. ‚Keine Ahnung‘, ruft eine Rentnerin, ‚bekommen haben wir davon nichts.“ ‚Drei Billionen Dollar“, sagt Alexej Nawalny, ‚damit würden auf jeden einzelnen Russen 640.000 Rubel entfallen, Säuglinge und 100-jährige inbegriffen, fast 20.000 Dollar'“ (Neef, Christian, Schepp, Matthias, Lehrstück aus Moskau, in Der Spiegel 16/2.9.2913).
Gehören die russischen Rohstoffe Putin und seiner Gang persönlich? Zumindest verfährt er so. Vergleiche auch das Buch von Jürgen Roth: Gazprom.
Rosa Chutor
Das neue Skiressort Rosa Chutor wurde vom russischen Oligarchen Wladimir Potanin erbaut, der hier 2,5 Milliarden US-Dollar investierte. “Er hat beste Beziehungen zum Kreml. Rund 2,5 Milliarden US-Dollar hat er eigenen Angaben zufolge allein in das Skigebiet Roza Chutor investiert. Dass das in absehbarer Zeit Profit abwirft, ist unwahrscheinlich” (Dornblüth, Gesine, Vom Badeort zum Wintersportmekka, in deutschlandfunk.de 5.1.2014). Der Direktor von Rosa Chutor, Aleksandr Belokobylskij, erläuert am Modell von Rosa Chutor: „Wir haben das meiner Meinung nach größte System für Kunstschnee an einem Kurort gebaut. Hier sind zwei Wasserreservoirs, von dort transportieren vier Pumpstationen das Wasser hoch bis zum Start der Abfahrt der Männer. Wir haben bereits 406 Schneekanonen fest installiert und weitere 25 mobile Kanonen. Das ist das größte System in Europa” (Ebenda). – “Potanin wird nach den Spielen an jedem Skipass, jeder Bratwurst und jedem Bier verdienen – ganz Khutor ist Privatbesitz” (Spannagel 4.1.2014).
Fazit zur fehlenden Kritik an Putins Gazprom
Politiker wie Schröder liefern die politische Akzeptanz für Putins Gazprom, Sportikonen wie Beckenbauer machen sie hoffähig. Die diversen Sportvereinigungen bleiben still und kassieren. „Der Sport schweigt besonders laut“ (Fritsch 24.5.2013).
Gian-Franco Kasper über Putin
FIS-Präsident Kasper nannte Putin im Interview des Schweizer Fernsehens eine „eiskalte Persönlichkeit“. Putin sei „voll und ganz“ in Sotschi involviert, für Putin ein Prestigeobjekt“. „Russlands Präsident sei kein Mensch, mit dem er befreundet wäre“ (Brotz, Sandro, Sotschi: Korruption frisst ein Drittel dder Gelder, in SRF 8.1.2014).
Nachtrag 1: Putins Sport-Gang
„Sport ist Außenpolitik, so sieht das der Kreml“ (Aumüller, Johannes, Überall Bekannte, in SZ 15.1.2014). Putins Spiele sind ein Produkt von Putins Sportfunktionären und Oligarchen, die den Weltsport erobert haben. Johannes Aumüller listete einige davon auf: -Fußball: Witalji Mutko ist Russlands Sportminister und seit 2009 Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee. Sergej Fursenko ist liiert mit Gazprom (demnächst hier mehr über die Verbindung Putin-Gazprom aus dem Buch von Jürgen Roth: Gazprom, WZ) und Vorstandsmitglied in der Uefa. „Gemeinsam mit Fursenko, dessen Bruder Andrej und noch ein paar anderen heute einflussreichen Personen gründete Putin Mitte der neunziger Jahre die sagenumwobene Datschen-Kooperative Osero (zu deutsch: See)“ (Ebenda). – IOC: Vier IOC-Mitglieder hat Russland, nur die Schweiz hat eines mehr. Dazu gehören Witalji Smirnow (seit 1971) und Schamil Tarpischtschew (seit 1994). Alexander Schukow (seit 2013) war u. a. Putins Vize-Premier, von 1998 bis 2003 Mitglied des Aufsichtsrats der Sberbank und Mitglied des Wirtschaftsrates der russischen Regierung, seit 2010 Präsident des russischen NOK. Der vierte ist Alexander Popow (seit 1999). – Fechten: „Präsident des Fecht-Weltverbandes ist der Kreml-nahe Oligarch Alischer Usmanow, der mit einem Vermögen von geschätzt knapp 20 Milliarden Dollar zu den reichsten Männern der Welt zählt“ (Ebenda). Usmanow gehört auch zu großen Teilen der FC Arsenal. Der kremlnahe Oligarch saß in den achtziger Jahren wegen Korruption und Erpressung im Gefängnis (Wehner 17.2.2014). – Rhythmische Sportgymnastik: Usmanows Frau Irina Viner ist Cheftrainerin des russischen Nationalteams und in diversen internationalen Komitees. – Radsport: Igor Makarow setzte den heutigen UCI-Präsidenten Brian Cookson gegen Pat McQuaid durch. – Schießsport: Wladimir Lisin („ein Dauer-Konkurrent Usmanows um den Titel ‚reichster Russe'“; ebenda) führt den europäischen Verband und ist Mitglied in der Welt-Exekutive. – Eishockey: Im Vorstand sitzt der Duma-Abgeordnete und Präsident des Russischen Eishockeyverbandes, Wjatscheslaw Tretjak. – Judo: „Und die Internationale Judo-Föderation listet in seiner Führungsgruppe einen ‚Development Manager‘ mit dem Namen Arkadij Rotenberg auf – jener Arkadij Rotenberg, der früher ein Judo-Partner Putins war und sich nach Medienberichten rund um die Spiele in Sotschi über lukrative Aufträge in Milliardenhöhe freuen durfte“ (Ebenda). – Biathlon: Präsident ist der vermögende Russe Michail Prochorow. – Kanu: „Außenminister Sergej Lawrow sitzt dem zentralen Rat der Kanuslalom-Föderation vor“ (Ebenda). – Ringen: Purtin-Freund Michail Mamiaschwili führt den russischen Verband. – Schwimmen: Den nationalen Verband führt der Duma-Vorsitzende Sergej Naryschkin. – Volleyball: Den nationalen Verband führt der frühere Chef des Inland-Geheimdienstes FSB und Sekretär des Sicherheitsrates, Nikolaj Patruschew (Ebenda).
Und dazu gehörten noch viele Putin-Freunde und Sportfunktionäre, die keine russische Staatsbürgerschaft haben – wie zum Beispiel Marius Vizer, den Präsident des Judo-Weltverbandes und des Präsidenten aller Sportverbände (Sportaccord).
Nachtrag 2: „Putin lügt“
Der Oppositionelle Alexej Nawalnyj berechnete mit seiner “Stiftung zum Kampf gegen Korruption” die tatsächlichen Kosten für Sotschi 2014. „Beim Bau der olympischen Sprungschanzen sollen die Auftragnehmer die anfängliche Kalkulation um das 36-fache überzogen haben, auch die Eishockey-Arenen kosteten 25-mal mehr als ursprünglich geplant. So jedenfalls steht es in einer Studie der Moskauer Stiftung für Korruptionsbekämpfung. (…) Glaubt man Nawalny, stimmt auch die offizielle Darstellung, wonach Russlands Oligarchen rund 30 Prozent der olympischen Investitionen schultern, nicht ganz. Sie hätten sich faktisch lediglich mit 3,5 Prozent beteiligt“ (Windisch, Elke, Was kostet Sotschi? in zeitoline 29.1.2014).
Putin gibt für die Kosten lediglich 6,5 Milliarden Dollar an: Der russische Staat würde drei Milliarden und private Investoren 3,5 Milliarden Dollar tragen. Nawalyj: “Es ist einfach Unsinn, eine vollkommene Lüge” (Schmidt, Friedrich, “Es ist kein Tauwetter – es sind die Olympischen Spiele”, in faz.net 28.1.2014). Laut Nawalnyj wurden die Staatshaushalte 2007 bis 2014 analysiert: 25,1 Milliarden Dollar kamen aus dem föderalen Haushalt, eine Milliarde Dollar aus dem Haushalt der Region Krasnodar, 7,6 Milliarden Dollar kamen von der Außenwirtschaftsbank VEB über Kredite, deren Rückzahlung das Finanzministerium garantiert hat. 10,5 Milliarden Dollar kamen von staatlichen oder teilstaatlichen Unternehmen wie Eisenbahn oder Gazprom: “Für diese Ausgaben zahlen wir Verbraucher, weil die Unternehmen die Preise für Strom oder ein Zugticket erhöhen. Nur ungefähr 53 Milliarden Rubel (1,6 Milliarden Dollar) sind tatsächlich Privatgelder, weniger als vier Prozent der Gesamtkosten” (Ebenda). 28 Objekte mit Kosten von 24,7 Milliarden Dollar wurden analysiert. Die Preiserhöhung durch Korruption liegt bei 5,7 Milliarden Dollar: “Diese Summe wurde geklaut beim Bau, das sind gut 42 Prozent” (Ebenda). – “In Sotschi sind einzigartige Wälder vernichtet worden, und zwar nicht im allgemeinen Interesse, sondern um den Preis für eine Straße weiter in die Höhe zu treiben” (Ebenda; Hervorhebung WZ). – “Im Zuge der Vorbereitungen auf die Olympiade wurden vier Residenzen Putins und Medwedjews gebaut. Es gibt eine geheime Residenz, die ‘Lunaja Poljana’ heißt. Sie wird als Biosphärenstation ausgegeben. Aber auf Fotografien, unter anderem von Satelliten, sieht man, dass es eine Art Superkurort für eine Person ist, gebaut im olympischen Rahmen mit Geld für die Spiele. Eine Straße wurde dafür für viel Geld durch den subtropischen Wald geschlagen, damit Putin bequem hinfahren kann” (Ebenda). Nawalnyj erwähnte auch die Menschenrechtsverletzungen und die Korruption: “Es ist ein Kreislauf: mehr illegale Arbeiter, mehr Schmiergeldzahlungen” (Ebenda). Nawalnyj wurde wegen angeblicher Unterschlagung von Holz verurteilt und auf Bewährung vorläufig in Freiheit gelassen – damit ist er nicht wählbar: “Als Verurteilter, der nur auf Bewährung frei ist, darf ich nicht antreten” (Ebenda; vgl. auch: Putin-Gegner dokumentiert mutmaßliche Korruptionsfälle, in spiegelonline 27.1.2014).
Der Bericht der “Moskauer Stiftung für Korruptionsbekämpfung” benennt folgende mit Putin befreundete Oligarchen und ihren olympischen “Umsatz”:
Arkady Rotenberg, buddy of Putin, $6.9 bn; Vladimir Kostylev, Evgeniy Sur and Gennady Timchenko, former builders of the Baikal-Amur Mainline, ca. $5.5 bn; Oleg Shishov, a businessman from Omsk, $2.1 bn; Leonid and Andrey Monosov, Vice-President’s of Olympstroy son,$152.9 mn; Alexander Tkachyov and Roman Batalov, Krasnodar governor and his son-in-law, $278.3 mn; Dmitry and Alexandr Svischev, Father of Member of Russian State Duma, $29.7 mn.
Dazu kommen noch als Verantwortliche der Umweltzerstörung; Vladimir Yakunin (Goldmedaille), President of Russian Railways; Protected forests destroying, beach wash-off, dump site creation; Anatoliy Pakhomov (Silbermedaille), Mayor of Sochi, Failure of the Zero Waste program, illegal waste dumps; Vladimir Potanin,(Bronzemedaille, $278.3 mn; Owner & president of Interros, Forest destroying, river pollution. Link hier
Nachtrag 3: Putins Freunde
Interview von Jörg Winterfeldt in der Frankfurter Rundschau mit dem Regimekritiker Boris Nemzow: Dieser kann nicht nach Sotschi reisen, “weil Putin für Sotschi-Reisen eine besondere Genehmigung durch den FSB (Federalnaja sluschba besopasnosti Rossijskoj Federazii, Russlands Inlandgeheimdienst, d. Red.) zur Auflage gemacht hat. Oppositionsführern und Oppositionsaktivisten ist es völlig unmöglich, diese Genehmigung zu bekommen. Insofern sind diese Spiele ein einzigartiger Fall: Wenn du zum Beispiel eine Eintrittskarte für ein Hockeyspiel hast, reicht das nicht aus, um in die Eishockeyhalle zu gelangen. Du musst auch eine Genehmigung vom FSB bekommen. Die verweigern sie politischen Aktivisten.” Diese Genehmigung erhalten vor allem “Angehörige der Partei Einiges Russland, Gazprom-Leute, Eisenbahn-Mitarbeiter. Zwei meiner Parteikollegen ist die Genehmigung verwehrt worden.” Zum Umgang von Sotschis Bürgermeister AnatolijPachonow mit den Bürgern äußerte Nemzow: “Der Bürgermeister hat sie nicht beschützt, weil er nur Putin und seinen Leuten dient, nicht den Bürgern Sotschis. Sie haben auch nicht von den Baumaßnahmen profitieren können, weil nur Einwanderer aus mittelasiatischen Ländern Jobs bekommen haben. Viele Bürger aus Sotschi haben auch keine Chance, sich Wettbewerbe der Spiele anzusehen, weil die Eintrittskarten sehr teuer sind.”
Nemzow hatte in Sotschi gegen Putins Wunschkandidaten Anatolij Pachonow um das amt des Bürgermeisters kandidiert. Zur “Wahl” sagte Nemzow: “Die Wahl war total gefälscht. 36 Prozent der Stimmen wurden im Vorhinein abgegeben, und ausnahmslos alle bekam Pachomow. Es herrschte absolute Zensur. Ich bekam keine Chance, im Fernsehen in Debatten aufzutreten oder in Zeitungen Gehör zu finden. Sie haben mein Werbematerial beschlagnahmt, und sie haben meine Berater verhaftet. In der Zeit war Putin zweimal in Sotschi, um seinen Protegé Pachomow zu unterstützen.” Auf die Frage, wer von den Spielen profitiere, äußerte Nemzow: “Putins Freunde. Arkadij Rotenberg, sein Judo-Partner, hat mehr als sieben Milliarden US-Dollar bekommen. Sein KGB-Freund, der Bahn-Chef Wladimir Jakunin, bekam zehn Milliarden US-Dollar aus dem Budget. Putins Freunde von Gazprom, aus der Sberbank.” Über Russland urteilte Nemzow: “Jeder versteht, dass das hier ein Land des Polizeistaates und der Korruption ist. Ich glaube, dass Sicherheitserwägungen in Sotschi sehr wichtig sind. Ich glaube und hoffe, dass den Besuchern nichts zustößt. Ich glaube aber auch, dass die Polizei sich nicht nur um Sicherheit kümmert, sondern auch darum, die Opposition von den Sportstätten fernzuhalten” (Winterfeldt, Jörg, “Für viele Einwohner sind die Spiele ein Desaster”, in fr-online 5.2.2014).
Nachtrag 4: „Verlassen wir Sotschi!“
Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy rief in einem Beitrag dazu auf, angesichts der blutigen Unruhen in der Ukraine Sotschi zu verlassen oder zumindest die Abschlussfeier zu boykottieren. „Und eine Frage schließlich an die Vertreter der Nationalen Olympischen Komitees, die zurzeit in Sotschi weilen und weiterhin, als wäre nichts geschehen, blind und taub für die Tragödie, die sich ein paar hundert Kilometer entfernt vom Schauplatz ihrer Großtaten ereignet, ein olympisches Ideal feiern, für dessen Flamme in diesem Jahr der Mörder die Verantwortung trägt: Spüren sie nicht, dass ihre Medaillen nach Blut schmecken? Kommt ihnen niemals dieser andere, blutige Schnee in den Sinn, der ohne jeden Zweifel die ganze Aufmerksamkeit ihres Gastgebers in Anspruch nimmt? Und bemerken sie nicht, ich sage nicht einmal: die Obszönität, sondern die Absurdität, die man bis zur letzten Minute des letzten Tags dieser verdorbenen Olympischen Spiele wird erkennen können, dass es zwei Putins gibt: den schrecklichen, der am Dienstagnachmittag seinem Knecht Janukowitsch die Erlaubnis zum Töten erteilt hat, und den auf der Tribüne, der mit der gebührenden Großzügigkeit jene empfängt, die man einst die Götter des Stadions nannte?“ (Lévy, Bernard-Henri, Verlasst Sotschi! in faz.net 20.2.2014; Hervorhebung WZ).
Nachtrag 5: Kommentar von Evi Simeoni in der FAZ
„Es wird Zeit, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufhört, so zu tun, als bekäme es nichts mit von der russischen Willkür rings um die Spiele. Fast jeden Tag, so berichtet Amnesty International, würden Menschenrechtsaktivisten in der Olympiaregion festgenommen. Am Dienstag waren es laut Amnesty gleich neun – zusammen mit Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina, den beiden Widerstands-Promis von Pussy Riot, wurde zum Beispiel auch der Bürgerrechtler Semjon Simonow von der Polizei drangsaliert. (…) Dass andere Olympiakritiker nicht einmal mehr das Gelände betreten dürfen, dass der Umweltaktivist Jewgeni Witischko aus fadenscheinigen Gründen zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt wurde – das geht das IOC nach eigener Auskunft nichts an, weil für die Olympier die Welt außerhalb der Akkreditierungszone angeblich endet. (…) Wladimir Putin gehört die Bühne, einem Mann, der permanent beweist, dass ihm die Grundsätze der Olympischen Charta vollkommen egal sind. (…)Zumindest eine inhaltliche Stellungnahme ist das IOC den Aktivisten schuldig, die nichts anderes machen, als auf die nackte Wahrheit zu deuten: dass diese Winterspiele eine rücksichtslose Machtdemonstration Wladimir Putins darstellen“ (Zeit für die Wahrheit, in faz.net 19.2.2014).
Nachtrag 6: Putins neue Spiele
Weniger als zwei Wochen nach der Abschlussfeier Sotschi 2014 drohte Putin mit dem Anschluss der Krim bzw. dem Einmarsch in die Ukraine. Kurt Kister schrieb dazu in der SZ: “Er weiß, dass Russland der Ukraine militärisch riesenhaft überlegen ist, und er weiß auch, dass Moskau keine militärischen Gegenmaßnahmen von außerhalb befürchten muss. Er handelt so ungeniert, wie er es sich anhand seines ohnehin ruinierten Rufs leisten kann. Putin ist ein Autokrat des 21. Jahrhunderts, der als KGB-Offizier im 20. Jahrhundert politisch sozialisiert worden ist und der sich nun gegenüber der Ukraine der Mittel des imperialistischen 19. Jahrhunderts bedient. (…) Die Putin-Doktrin lautet: Wo genug Russen leben, habe ich, der Präsident aller Russen, das Recht zu handeln. Was ‘genug’ Russen sind, wird durch Putins Definitionshoheit bestimmt. In diesem Sinne waren die Verhältnisse während der Zeit des Kalten Krieges zwar nicht gut, aber sie waren halbwegs rational. Allerdings war Vernunft nie eine Tugend der Nationalisten” (Kister, Kurt, Putins Doktrin, in SZ 4.3.2014).
Und das IOC steht still und schweiget… Außerdem will man ja die Paralympics (7. – 16.3.2014) in sportlicher Ruhe feiern.
Nachtrag 7: „Der wandelbare Wladimir“
So nannte Volker Pabst seinen Beitrag zu Putin in der NZZ – daraus einige Sätze: „Freilich waren viele Erfolge Putins vor allen Dingen gut inszenierte Verdrehungen der Wirklichkeit. Putin hat nicht die Oligarchen als Schicht entmachtet, sondern bloss deren Vertreter durch Leute aus den eigenen Reihen, den sowjetischen Sicherheitsstrukturen, ausgewechselt. Der Kaukasus ist keineswegs befriedet, und Moskaus Statthalter in Tschetschenien gebärdet sich selbstherrlicher als jeder Regionalfürst unter Jelzin. Das Land ist weder demokratischer noch weniger korrupt geworden, und durch die massive Abhängigkeit von Rohstoffeinnahmen sind Russlands Wohlstand und Stärke nur auf Sand gebaut. (…) Den Wandel vom Karrieresozialisten zum glühenden Anhänger der russischen Orthodoxie vollzog er ebenso souverän, wie er in Petersburg Privatisierungen förderte, die er später als Präsident rückgängig machte. (…) Nicht wenige Autoren zweifeln zudem an Putins wirklicher Macht im Kreml und vermuten, er könne wie vor ihm Jelzin die reichen Geschäftsmänner im Hintergrund nicht mehr kontrollieren. Wieso sonst hätte er die rufschädigende, zigfache Übersteigung des Budgets seines Prestigeprojekts in Sotschi zugelassen, lautet eine oft gestellte Frage“ (Pabst, Volker, Der wandelbare Wladimir, in nzz.ch 134.3.2014).
Nachtrag 8: Paralympics
– Gastgeberland überfällt Gast. Der ukrainische IPC-Präsident Waleri Suskowitsch kritisierte am Ende der Paralympics Putin-Russland: „Niemals zuvor in der Geschichte der paralympischen Bewegung hat eine Gastgeber-Nation zur gleichen Zeit eine Aggression oder eine Intervention ausgeübt gegen ein anderes Land, das an den Paralympics teilnimmt“ (Russlands Behinderte hoffen auf Wandel, in ard.br.de 16.3.2014).
– Milliarden-Investitionen für Putin. Kreml-Kritiker Alexej Nawalny: „Ausländische Kritik hin oder her: Die Wettkämpfe waren milliardenteure Propaganda und haben Putin geholfen“ (Ebenda).
Nachtrag 9: Putins Oligarchen-Freunde
Nach der gewaltsamen Einverleibung der Krim-Halbinsel Mitte März nach den Paralympics in Sotschi 2014 beschlossen EU und die USA eine “Schwarze Liste”, auf der sich viele Freunde Putins finden: – (1) Die Bank Rossija, 1990 von Jurij Kowaltschuk in St. Petersburg gegründet. Putin erklärte, er werde bei der ihm angeblich unbekannten Bank ein Konto eröffnen: “Sie gilt als persönliche Bank des Präsidenten und hoher Beamter” (Hans, Julian, Wenn Panzer Wachstum stoppen, in SZ 24.3.2014). – “Sie ist mehrheitlich im Besitz von Personen, die zum Umfeld des russischen Präsidenten gehören” (Hans, Julian, Schwarze Liste als Auszeichnung, in SZ 22.3.2014) – und Kowaltschuk hatte mit Putin die berüchtigte Datschen-Kooperative “Osero” gegründet und gilt als Putins Vermögensverwalter: “Die Rede ist dabei nicht von dem Vermögen, das aus dem Gehalt Putins aus seiner Tätigkeit als Präsident oder Regierungschef angefallen ist, sondern von großen Geldströmen, die aus Staatsaufträgen wie etwa dem überteuerten Olympia-Projekt in Sotschi abgezweigt wurden” (Ebenda; siehe auch unten). – (2) Dmitrij Kisseljow, “der als schärfster Propagandist der Kreml-Medien unlängst gewarnt hatte, Russland sei in der Lage, die USA in ‘radioaktive Asche’ zu verwandeln” (Ebenda). – (3) Wladimir Jakunin, Chef der Russischen Eisenbahn, die Milliarden in die olympische Verkehrs-Infrastruktur gesteckt hat und sich 2014 Geld aus dem Russischen Staatshaushalt leihen musste, mit großem Anwesen im Moskauer Umland: “Auf einem komplexen Schaubild, das eine ganze Großleinwand füllt, hat der Anti-Korruptions-Blogger Alexej Nawalny dargestellt, wie Jakunin Geld aus russischen Staatsaufträgen über ein Gewirr von Off-Shore-Firmen ins Ausland transferieren soll” (Ebenda; Jakunins Sohn hat in London eine 15-Millionen-Dollar-Villa). – (4) Arkadij Rotenberg, Putins Judopartner aus St. Petersburger Zeiten, Sotschi-Gewinnler, inzwischen Eigentümer von Baufirmen und Pipeline-Firmen. – (5) Die Bank SMP, im Besitz von Arkadji Rotenberg und Bruder Boris Rotenberg. “Am Sonntag erklärten Visa und Mastercard, wieder mit der SMP-Bank zusammenarbeiten zu wollen. Das Geldhaus habe die beiden davon überzeugen können, weil die Sanktionen gegen die Aktionäre und nicht gegen die Bank verhängt wurden” (Hans, Julian, Wenn Panzer Wachstum stoppen, in SZ 24.3.2014). –
“Die Multimillionärs-Brüder Rotenberg gelten als enge Bekannte von Staatschef Wladimir Putin. Für die Winterspiele in Sotschi sollen sie Verträge erhalten haben, die ihnen rund sieben Milliarden US-Dollar in die Tasche spielten” (Dynamo-Chef sanktioniert, in SZ 22.3.2014). – (6) Genadij Timtschenko, Putin-Vertrauter, sechstreicher Russe auf der Forbes-Liste, verkaufte noch blitzschnell am 19.3.2014 seine Aktien am Ölhandelsunternehmen Gunvor (Ebenda), bevor er am 20.3.2014 auf die US-Sanktionsliste gesetzt wurde. Usw.
Nachtrag 10: Putins wirklicher Reichtum
„Als 2004 der Präsidentschaftskandidat Iwan Rybkin erklärte, Putin sei in Wahrheit der reichste Mann des Landes, und Kowaltschulk kümmere sich um seine Finanzen, verschwand er auf ungeklärte Weise von der Bildfläche und tauchte erst Tage später wieder auf“ (Hans, Julian, Schwarze Liste als Auszeichnung, in SZ 22.3.2014).
Nachtrag 11: Ukraine-Krieg, Abschuss des malaysischen Flugzeugs
Hier verbietet mir das Entsetzen und die Trauer, näheres zu schreiben.
Nachtrag 12: KGB-Freund unter Sanktion. Sergej Tschemesow war in den 80er Jahren Putins Kollerge beim KGB in Dresden. 1996 wurde Putin Leiter von Jelzins Kreml-Apparat, Tschemesow Leiter der Abteilung für Außenwirtschaftsbeziehungen. 2007 machte ihn Putin zum Chef des Rüstungskonzerns Rostec, unter dessen Dach über 600 Firmen zusammengefasst sind. Seit 12.9.2014 steht Tschemesow auf der Sanktionsliste der USA und der EU, „weil die Rostec-Tochter Technopromexport den Auftrag erhielt, die Energieversorgung der Krim von der Ukraine unabhängig zu machen“ (Hans, Julian, Sergej Tschemesow, in SZ 15.9.2014).
Nachtrag 13: Putin-Sport
(1): Schach. Ab 8.11.2014 findet in Sotschi der Kampf um die Schach-WM zwischen dem Norweger Magnus Carlsen und dem Inder Viswanathan Anand statt. „Carlsen passte der Austragungsort nicht so recht. Seine Bitte, den Kampf zu verlegen, lehnte der Weltschachbund ab“ (Aumüller, Johannes, Breutigam, Martin, Die Spieler, in SZ 8.11.2014). Warum wohl?
Aus der August-2014-Chronologie: – Schach-Krieg. Der frühere Schach-Weltmeister Garri Kasparow wollte Präsident des Schach-Weltverbandes FIDE werden. Derzeitiger Amtsinhaber ist seit 1995 Kirsan Iljumschinow (*1962), früherer Präsident der russischen Teilrepublik Kalmückien (1993 bis 2010). “Anfang Oktober 2005 bot er seinen Rücktritt an, wurde aber von Wladimir Putin für eine weitere vierjährige Amtszeit nominiert. (…) Im Juni 2011 zeigte er sich während des Bürgerkriegs in Libyen bei einer Schachpartie mit Diktator Muammar al-Gaddafi” (Wikipedia). – “Iljumschinow zeigte sich als FIDE-Präsident mit Diktatoren wie Saddam Hussein und Baschar Assad. Von Gaddafi hat er sogar eine FIDE-Weltmeisterschaft in Libyen sponsorn lassen. Heute kommt der größte Einfluss aus Russland. (…) Wie Garri Kasparow in einem Interview (…) sagte, wird über Iljumschonows Gedeih und Verderb im Kreml längst entschieden. ‘Er hängt völlig vom Putin-Regime ab. Ohne Geld aus Moskau gäbe es keinen Wahlkampf’” (Löffler, Stefan, Putins (Schach-)Rochaden in deutschlandfunk.de 10.8.2014; Hervorhebung WZ). Nun hat Putin ein Motiv, Kasparow zu verhindern, der seit Jahren zu seinen Kritikern zählt.
“Demokratie” im Schach: In der FIDE herrscht – wie in der Fifa, im Internationalen Handballverband und vielen anderen Sportverbänden der Sport-Demokratur das Prinzip: ein Land, eine Stimme. “Bei früheren FIDE-Wahlen haben Delegierte ihre Stimmzettel mit dem Mobiltelefon abfotografiert oder mit präparierten Stiften angekreuzt – mutmaßlich, um mit einem Beweismittel ihr Schmiergeld abholen zu können” (Ebenda).
Schon im Vorfeld war klar: Kasparow wird nicht Präsident werden. Die nächste Schach-WM findet im November 2014 im russischen Sotschi statt, und Putin will keinen Präsidenten Kasparow; auch der frühere Schach-Weltmeister Anatolij Karpow (sitzt für Putins Partei “Einiges Russland” in der Duma) ist dagegen (Vgl. Aumüller, Johannes, Schlammschlacht in der Schachwelt, in SZ 2.8.2014).
(2): Gewichtheber: Doping und andere Stories
Intro. Gewichtheber-Präsident unter Verdacht. “IOC-Mitglied Tamás Aján ist verdächtig, den Gewichtheber-Weltverband um Millionen erleichtert zu haben” (Hartmann, Grit, In der Waschanlage, in berliner-zeitung 8.5.2013). Ajàn ist dort seit 1976 Generalsekretär und seit 2000 Präsident. Aján zahlt sich jährlich 300.000 US-Dollar aus, die Kosten für das Budapester Büro (Mitarbeit des Schwiegersohns) steigen ständig, das Eigenkapital ist verschwunden. Aufklärung gab es beim IWF-Kongress 2009 für die Mitglieder nicht, nur für das Exekutivkomitee. Vom IOC kamen über die Jahre 23,3 Millionen Dollar. Auf zwei Konten in der Schweiz liegen 16,7 Millionen Dollar; zeichnungsberechtigt: Aján. Elf Heber-Funktionäre zeigten Aján beim IOC-Präsidenten Rogge an. “Im wesentlichen bedeutet das Verschweigen der Schweizer Konten und der mit ihnen verbundene Transaktionen, dass Herr Tamás Aján von März 1992 bis März 2009 einen bis dahin unbekannten Fonds zu seiner Verfügung hatte – ohne Kontrolle darüber, wie er diesen Fonds genutzt hat” (Ebenda). – “Anfang des Jahres stellte die IOC-Führung jedenfalls unter Beweis, dass sie fest ans Gute im Olympier glaubt: Der Ungar wurde erneut in zwei Kommissionen berufen” (Ebenda; vgl. Chronologie Mai 2013).).
Scheich Al-Sabah aus Kuwait, der wichtigste Wahlhelfer für Thomas Bach auf dem Weg zum IOC-Präsidenten, bot Aján Ende Mai 2013 auf dem Sportaccord-Kongress in St. Petersburg Hilfe an: „Dem wegen offenbar verschwundener Verbands-Millionen gerade in die Schlagzeilen geratenen Gewichtheber-Präsidenten Aján raunte er zu: ‚Wenn du Hilfe brauchst, melde dich!’ Sabahs rechte Hand Husain al-Musallam fügte an: ‚Melde dich, was immer du brauchst!’“ (Putins Judo-Kumpel attackiert Olympia, in spiegelonline 31.5.2013b).
Gewichtheber-WM 2014
Die Gewichtheber-WM 2014 findet vom 8. bis 16.11.2014 in Almaty/Kasachstan statt. „Noch immer hat die Sportart ein massives Dopingproblem. Das zeigt auch ein Blick auf die Liste des Weltverbandes IWF, die die gesperrten Athleten aufführt. In den vergangenen zwölf Jahren flogen mehr als 550 Gewichtheber auf. In ihren Körpern fanden sich meist anabole Steroide wie Stanozolol, Dehydrochlormethyltestosteron, Metandienon oder Oxandrolon. Die Muskeln wachsen rasant, die möglichen Nebenwirkungen sind beträchtlich: Akne, Haarausfall, Organschäden, erhöhte Aggressivität, Depression, Unfruchtbarkeit, Herzinfarkt. Derzeit dürfen 130 Athleten nicht bei Wettkämpfen antreten. 18 von ihnen stammen aus Aserbaidschan, 17 aus Kasachstan, elf aus Armenien. (…) Bis vor einem Jahr legte der Weltverband IWF selbst fest, welche Sportler kontrolliert werden. Die Folge: Obwohl die russischen Gewichtheber mehrere Medaillen bei Weltmeisterschaften holten, wurde 2011 nur ein einziger von ihnen getestet, 2012 überhaupt keiner. Ajáns Verband bestimmte dies so. Mittlerweile gibt es eine wenigstens formal unabhängige Anti-Doping-Kommission im Weltverband, die die Kontrollen transparenter macht. Auch russische Athleten müssen nun zum Dopingtest“ (Sonnabend, Lisa, Stark mit Nebenwirkungen, in SZ 7.11.2014).
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Aufgrund des von Putin initiierten Krieges in der Ostukraine, dem auch der Flug MH 17 der Malaysian Airlines Mitte Juli 2014 mit 298 Toten zum Opfer fiel, stelle ich diese Zusammenstellung weitgehend ein: Eine Beschreibung der lupenreinen Diktatur von Putin-Russland ist inzwischen völlig offensichtlich. Es werden nur noch aufschlussreiche Details ergänzt.
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– Putins Propaganda-Maschine. Ian Traynor schrieb im Guardian zum aktuellen Ukraine-Krieg: “Beispiel Propagandakrieg: Es mag so aussehen, als habe Russlands Präsident Putin plötzlich beim Beginn der Ukraine-Krise eine schicke, schlanke, neue Propaganda-Maschine aus dem Hut gezaubert und angeworfen. Tatsächlich aber hat er schon wenige Monate nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 damit begonnen, die unabhängigen russischen Fernsehsender abzuschalten. Das PR-Desaster um das gesunkene U-Boot Kursk im August jenen Jahres hat ihn in seinem Vorgehen noch bestärkt. Die zwei wichtigsten Fernsehmogule Russlands, Boris Beresowskij und Wladimir Gusinskij, mussten ihre Medienimperien aufgeben und das Land verlassen. Jetzt gibt Wladimir Putin Hunderte Millionen für seichte Fernsehunterhaltung im Stile des Italieners Silvio Berlusconi aus – durchsetzt mit wütender antiwestlicher und antiukrainischer Propaganda” (Traynor, Ian, Die Nato zögert noch, in SZ 5.2.2015).
Vergleiche auch: Gazprom-NTW
– Putins eigene Oligarchen. Der Amerikaner William Browder hatte 1996 den Fonds Hermitage Capital gegründet. Der russische Anwalt Ser