Intro
Es folgt eine kleine Auswahl von Fallbeispielen aus der Nolympia-Chronologie zum Thema „Pferde-Sport“: ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ich finde es bestürzend, wie mit Tieren – in diesem Fall mit Pferden – vom Sport umgegangen wird. Prägnant ist die Dopungfrage im Pferdesport. Der Tierarzt Eberhard Schüle äußerte in der SZ anlässlich des Fluphenazin-Fundes bei einem Pferd der fünfmaligen Olympia-Siegerin Isabell Werth: „Es sind unsere besten Leute aus Springen und Dressur betroffen. Die werden nun zu Sündern gestempelt. Dabei haben die Strukturen diese Entwicklung heraufbeschworen. Wie bei den Radfahrern auch: Die sind jahrelang mit Epo gefahren, weil die Strukturen es erst ermöglicht und dann bedingt haben. Auch viele Reiter agieren im Grenzbereich, weil es die Strukturen so bedingen“ (Catuogno, Claudio, „Gleiche Regeln für Pferd und Mensch darf es nicht geben!“ in SZ 27.6.2015).
Pferde-Doping I: Die verschwundene Probe
„Der bisherige Gipfel der Dreistigkeit war der Dopingfall des Iren Cian O’Connor, des Olympiasiegers von 2004: Der Fahrer mit den B-Proben erhielt die telefonische Anweisung, das Päckchen nicht an der Rezeption des Labors abzugeben, sondern einer Person vorne am Tor auszuhändigen – und die verschwand damit auf Nimmerwiedersehen. Zum Glück gab es doch noch genügend Gründe, O’Connor zu disqualifizieren“ (Pochhammer, Gabriele, Immun gegen Märchen, in SZ 24.5.2013).
Deutscher Dopingsumpf
„Mit einem medienwirksamen Rundumschlag versucht die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), den Sumpf trocken zu legen, in dem sie wegen Dopingvorwürfen gegen mehrere Springreiter in den letzten Wochen zu versinken drohte. Vorstand und Präsidium beschlossen in einer außerordentlichen Sitzung, die Leistungskader in den drei olympischen Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit aufzulösen. Reiter können erst wieder in die neu gebildeten Kader aufgenommen werden, wenn sie sich einer als „unabhängig” bezeichneten Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gestellt haben“ (Pochhammer, Gabriele, Rundumschlag im Streichelzoo, in SZ 30.5.2009).
Kein Streichelzoo
Der bekannteste deutsche Springreiter und viermalige Olympiasieger Ludger Beerbaum hält zwölf Hengste und hat eine eigene Deckstation auf seinem Hof (Pochhammer, Gabriele, Deckstation mit EU-Siegel, in 21.1.2014). Beerbaum äußerte 2009:„Im Laufe der Jahre habe ich mich darin eingerichtet, auszuschöpfen, was geht … In der Vergangenheit hatte ich die Haltung, erlaubt ist, was nicht gefunden wird … Und ich will, dass offiziell anerkannt wird, dass unsere Pferde Hochleistungssportler sind und nicht im Streichelzoo leben“ (Pochhammer, Gabriele, Rundumschlag im Streichelzoo, in SZ 30.5.2009). –„Beermann wurde von allen Nationalpreiseinsätzen bis auf weiteres ausgeschlossen“ (Ebenda).
Pferde-Doping II: heiße Füße
Das Einreiben der Sprunggelenke mit der hypersensibilisierenden Salbe Capsaicin soll die Tiere zu höheren Sprungleistungen treiben; auch Psychopharmaka und Hormonpräparate wie Testosteron wurden eingesetzt. Inzwischen werden die Pferdefüße mit der Hand und mit Thermographie untersucht. „Das Motiv (Pferd; WZ) wird in farbige Temperaturzonen aufgeteilt, blau steht für kalt, rot für heiß. Das Motiv bei der EM der Springreiter in Madrid sind die Beine der vierbeinigen Athleten. Die Wärmekamera soll aufzeigen, ob ein Bein an irgendeiner Stelle heißer ist als normal. Das würde nämlich auf eine Überempfindlichkeit deuten, die wiederum bewirkt, dass das Pferd die Berührung mit den Stangen im Parcours aus Angst vor Schmerz vermeidet. (…) Die Beinkontrollen bei Springpferden sind nur ein Baustein des ‚Clean Sport Programms‘ der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI). (…) Dopingsünder können jetzt bis zu zwei Jahre gesperrt werden, rund 1000 Substanzen stehen auf der Dopingliste, 180 weitere Substanzen sind zwar verboten, werden aber als ‚kontrollierte Medikation‘ weniger streng bestraft“ (Pochhammer, Gabriele, Kampf den heißen Füßen, in SZ 17.9.2011).
Pferde-Doping III: angesteckt
Nachdem jahrelang die FEI kaum auf die Dopingproblematik reagiert hat, reagierte das FEI-Tribunal ab 2012 langsam auf die Dopingsituation, sperrte Reiter sofort und setzte höhere Geldbußen an. Es „wird offenbar allmählich immun gegen die Märchen aus 1001 Nacht, die Reiter und Betreuer auftischen. Das zeigte sich nun bei der achtmonatigen Sperre für die saudi-arabischen Springreiter Khaled Al Eid, Olympia-Dritter 2000, und Mohammed Al Sharbatly, WM-Zweiter 2010. Bei ihren Pferden Vanhoeve und Lobster waren im November 2011 bzw. März 2012 im Wettkampf verbotene Schmerzstiller und Entzündungshemmer gefunden worden. (…) Das Tribunal nahm ihnen im übrigen nicht ab, die Pferde hätten sich quasi im nicht gesäuberten Turnierstall „angesteckt“. Nun muss das Saudi-Team in London (Olympische Sommerspiele 2012; WZ) ohne seine beiden besten Reiter auskommen. (…) Das Tribunal unter Vorsitz des Deutschen Jens Adolphsen ignorierte auch die Tatsache, dass just vor drei Wochen das Regime in Saudi-Arabien von der FEI als Großsponsor der Springreiter-Nationenpreise jubelnd begrüßt worden war“ (Pochhammer, Gabriele, Immun gegen Märchen,. In SZ 24.5.2012).
Millionärs-Pferd
Der US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney besitzt ein Pferd namens Rafalca, das er von der Steuer absetzt. Es verursachte in Romneys Steuererklärung im Jahr 2010 Verluste für Unterhalt und Transport in Höhe von 77.731 Dollar. Und Rafalca ist Olympionikin: “Das wertvolle Pferd reiste im eigens gecharterten Flugzeug nach London, so ist es das gewohnt” (Schmitz, Gregor Peter, Armer reicher Mann, in Der Spiegel 32/6.8.2012).
Totilas I: Tierquälerei? Der zehn Millionen Euro teure Hengst Totilas ist ein Fall für die deutsche Staatsanwaltschaft geworden. Die Tierschutzorganisation PETA hat die Eigentümer wegen Tierquälerei angezeigt. Einmal wegen der umstrittenen Trainingsmethode der sogenannten Rollkur, “bei der der Kopf des Pferdes extrem in Richtung Brust gezogen wird, um Gehorsam sicherzustellen” (Pochhammer, Gabriele, Totilas macht Ärger, in SZ 8.12.2012). Zum anderen weil sich der Hengst nicht frei bewegen darf, weder auf der Weide noch sonstwo. Offizielle Begründung ist die Verletzungsgefahr des teuren Pferdes. “Freie Bewegung muss aber nach den Tierschutzrichtlinien jedem Pferd zugestanden werden. Nachdem die Landestierschutzbeauftragte befand, die Anzeige sei schlüssig, ermittelt die Staatsanwaltschaft” (Ebenda).
Totilas II: Unterwerfung „Der elegante schwarze Hengst trabt daher, der Zügel des Reiters zwingt seinen Kopf in die Tiefe, bis das Maul die Brust berührt – ein Bild der Unterwerfung. Das war Totilas unter Matthias Rath vor zwei Jahren auf den Abreiteplätzen der Turniere in Hagen und Balve. Es ging ein Aufschrei durch die Reihen der Verehrer des geknechteten Wunderpferdes. Seit rund zehn Jahren ist die Trainingsmethode von Raths Trainer Sjef Janssen, die sogenannte Rollkur, umstritten. Sie wird von der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) ‚Hyperflexion‘ genannt und bis zu zehn Minuten am Stück toleriert, das Schweizer Tierschutzgesetz hingegen verbietet sie komplett. (…) Wie sehr eine Methode, die der Natur des Pferdes so offensichtlich zuwiderläuft, dem Ansehen der Dressur schadet, haben Anzeigen von Tierschutzverbänden und Bedenken von Wissenschaftlern gezeigt“ (Pochhammer, Gabriele, Rote Karte für die Rollkur, in SZ 29.3.2014).
Totilas III: Verletzungen „Seit zwei Jahren ist der Rappe wegen verschiedener Verletzungen nicht mehr aufgetreten, von einer Rückkehr in den Sport wird immer seltener gesprochen“ (Ebenda).
Totilas IV: Karriere-Ende. Bei der EM in Aachen im August 2015 wird Totilas trotz offensichtlicher Blessuren eingesetzt. „Ursache für die im Grand Prix sichtbaren, aber vom Reiter Matthias Rath nach eigenen Aussagen unbemerkten Taktstörungen ist demnach ein Knochenödem am Krongelenk des linken Hinterbeins“ (Pochhammer, Gabriele, Die Weide lockt, in SZ 17.8.2015). „Der letzte Auftritt von Totilas als Wettkampfpferd war traurig und ein Sinnbild seiner Karriere. Matthias Rath ritt ihn vor vier Tagen bei der EM durchs Viereck. Das einstige Wunderpferd lief unsauber – und sein Reiter will es nicht einmal bemerkt haben“ (Theel, Sylvia, Der Unvollendete, in spiegelon,ine 18.8.2015). – „Vier Tage nach dem verletzungsbedingten Aus bei der EM in Aachen wird Totilas nicht mehr in den Sport zurückkehren“ (Totilas geht in den Ruhestand, in spiegelonline 18.8.2015). Für Gabriele Pochhammer muss sich die Verbandsführung den Vorwurf machen lassen, „sehenden Auges ein angeschlagenes Pferd für ihre Ambitionen geopfert zu haben. (…) Totilas brachte der elitären Dressur eine bis dahin nie gekannte Aufmerksamkeit. Die Mischung aus sportlichem Geltungsdrang der Besitzer und kommerziellen Interessen cleverer PR-Strippenzieher erwies sich aber als Bumerang. Totilas als ‚Trademark‘ eintragen zu lassen, war eine Schnapsidee, die jetzt mit Häme quittiert wird. Die Geschichte zeigt auch, dass man mit Pferden nicht wie mit Formel-1-Autos umgehen kann“ (Pochhammer, Gabriele, Weniger Testoteron, in SZ 18.8.2015).
Anrüchiges Pferdefestival
Das jährliche Pferdefestival von Redelfin wird von Paul Schockemöhle, dem bekanntesten deutschen Pferdezüchter, organisiert. Bis Mai 2012 gab es dort einen Preis für die talentiertesten Nachwuchsreiter aus Mecklenburg-Vorpommern – “in Memoriam Freiherr von Langen” (Eggers, Erik, Wulzinger, Michael, Brauner Herrenreiter, in Der Spiegel 10/4.3.2013). von Langen starb 1934 nach einem Sturz bei einem Military-Turnier. Im Vorwort der 1936 erschienenen Biographie von Carl Freiherr von Langen schrieb NS-Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten: “Er starb für uns und die Ehre der SA!” Dem SA-Obersturmbannführer widmete die Bundespost anlässlich der Olympischen Sommerspiele in Mexiko 1968 eine Sonderbriefmarke. “Erst jetzt gerät die tiefe Verstrickung der deutschen Reiterei in das NS-System in den Fokus der Geschichtswissenschaft” (Ebenda). Die Hamburger Historikerin Nele Maya Fahnenbruck schrieb ihre Dissertation über “Pferdesport und Politik im Nationalsozialismus” und äußerte: “Bis in die jüngste Vergangenheit haben die Reiter in Deutschland so getan, als hätte es die Jahre zwischen 1933 und 1945 nicht gegeben” (Ebenda).
2013 wurde die “Freiherr von Langen“-Trophäe umbenannt – angeblich wegen der zu langen Gedenkzeile. Das Haus Schockemöhle äußerte auf Nachfrage des Spiegel: “Andere Gründe’, Carl-Friedrich Freiherrn von Langen aus dem Programm zu streichen, habe es ‘nicht gegeben’” (Ebenda).
Pferde-Doping IV: Psychopharmakon
Die fünffache Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth fiel 2009 mit ihrem Pferd Whisper bei einem Turnier in Langen wegen Dopings mit einem Psychopharmakon auf: Sie erhielt eine sechsmonatige Sperre. „Kürzlich hatte Isabell Werth bei einer Podiumsdiskussion noch gesagt: ‚Es ist völlig selbstverständlich, dass Stallinterna und die Behandlung von Pferden nur den Pferdebesitzer und das Stallpersonal etwas angehen und niemanden anders’” (Catuogno, Claudio, „Wir sind hier alle völlig fertig!“ in SZ 25.6.2009).
Vier Jahre später fiel Werth ernneut auf: “Bei ihrem Pferd El Santo wurde im Juni 2012 bei den rheinischen Meisterschaften in Langenfeld das verbotene Magenmittel Cimetidin gefunden” (Pochhammer, Gabriele, Schluck aus der falschen Tränke, in SZ 9.2.2013). Angeblich war das Medikament von der Nachbarbox irgendwie über das Tränkesystem in El Santos Trinkwasser gelangt. Die Disziplinarkommission hielt dies für “äußerst unwahrscheinlich” und sperrte Werth im November 2013 wegen verbotener Medikation für sechs Monate (Isabell Werth erneut gesperrt, in SZ 6.11.2013). Werth zweifelte die Ergebnisse des Kölner Anti-Doping-Labors an und schaltete den Rechtsanwalt Burkhard Oexmann ein, der mehrere Reiter vertritt. Nach wie vor war die Hypothese: Der Hengst im Nachbarstall wurde mit Phenylbutazon und Cimetidin behandelt – dabei wurde die Box von El Santo verunreinigt (Ludwig, Udo, Abgeschleckt, in Der Spiegel 5/27.1.2014).
Nun wurde auch der Hauptsponsor der FN, Fendt, aktiv. Er „mischt sich öffentlichkeitswirksam in die Gerichtsbarkeit der FN ein und fordert die Einstellung des Verfahrens gegen die Dressurreiterin Isabell Werth wegen verbotener Medikation. Der FN-Geschäftsführer Soenke Lauterbach reagierte am 30.1.2014 darauf „mit großer Verwunderung und Enttäuschung“: „Wir haben für diesen Schritt kein Verständnis“ (Sponsor mischt mit, in SZ 31.1.2014). Anfang Februar 2014 war die Causa Werth erledigt: Fendt fördert doch jährlich 250.000 Euro bis 2016 weiter (Zwist um Werth beigelegt, in SZ 5.2.2014).
– Anschuldigungen gegen Doping-Labor. Das Labor des Institutes für Biochemie an der Sporthochschule Köln ist für die Analysen im Pferdesport zuständig: Es wurde nun beschuldigt, falsche positive Analysen gemacht zu haben. “Nichts weniger behauptet der Anwalt Burkhard Oexmann aus Lippetal, ein in der Pferdesportszene gerne zu Rat gezogener Rechtsbeistand, wenn im Körper eines Vierbeiners mal wieder etwas gefunden wird, was dort nicht hineingehört” (Pochhammer, Gabriele, Sattelfeste Kontrollen, in SZ 29.11.2013). Der Auslöser war das Pferd El Santo von Welt- und Europameisterin Isabell Werth und die drohende Sperre(s.o.). Das Landgericht Dortmund urteilte in dem Fall: “Der Versuch, die Zuverlässigkeit des Analyselabors zu erschüttern, sei ein häufiger Entlastungsversuch ertappter Sportler, heißt es sinngemäß in der Klageschrift” (Ebenda).
– El Santo-Urteil: Am 18.3.2014 urteilte das Große Schiedsgericht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, dass Werth gegen Medikationsbestimmungen des Verbandes verstoßen habe: Die Buße beträgt 2.000 Euro. „Was bleibt, ist ein Haufen Scherben. Die Reiter fordern seit langem, dass die deutschen Regeln den internationalen angeglichen werden. Damit ist zu Beginn des Jahres 2015 zu rechnen. Nach Cemitidin wird dann bei Doping-Kontrollen einfach nicht mehr gesucht. Doch es bleibt in Deutschland nach den Richtlinien des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für Pferde nicht zugelassen. Es gibt erlaubte Magenmittel, die aber teurer sind, weswegen Cemitidin auch in Pferdekliniken gerne gegeben wird, um die Finanzen der Besitzer zu schonen“ (Pochhammer, Gabriele, Ein Triumph sieht anders aus, in SZ 20.3.1014).
Pferde-Doping V: Magengeschwüre
“Berlin Berlin“, eine Galopperstute, wurde wegen eines Dopingverstoßes der Sieg im Hamburger Derby-Rennen Idee-Hanse-Preis am 30.6.2013 aberkannt: “Für die Rennleitung stand bei ihrer Entscheidung im Vordergrund, dass in der A- und B-Probe das unerlaubte Mittel Omeprazol-Sulfid vorhanden war” (SZ 20.11.2013). Der Trainer hatte damals mitgeteilt, das Mittel sei aufgrund von Magengeschwüren verabreicht worden.
Pferde-Doping VI: Distanzreiten und tote Pferde
Scheich Mohamed al Rashid bin Maktoum ist der (ungewählte) “Premierminister” oder besser Herrscher von Dubai (Emir von Dubai). „Sein Vermögen wird auf acht Milliarden Dollar geschätzt, und er besitzt mehr Pferde als jeder andere Mensch, rund 5000“ (Pochhammer, Gabriele, Schuld ist immer das Personal, in SZ 7.6.2014). Maktoum ist Weltmeister im Distanzreiten über 160 Kilometer – eine besonders grausame Pferdesportart: “Nirgendwo sonst im Reitsport sterben so viele Pferde, wird so unverfroren gedopt und so offensichtlich betrogen. ‘Wir beobachten eine dramatische Zahl von Medikations- und Dopingfällen, womit Distanzreiten eine ,Führungsposition’ bei entdecktem Missbrauch verbotener Substanzen einnimmt’, schreibt der Schweizer Reiterpräsident Charles Trolliet in einem Brandbrief an den Generalsekretär der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI). Die Rede ist zudem von ‘zahlreichen bezeugten und dokumentierten Grausamkeiten gegen Pferde’. Die Zahlen sind deutlich: Laut FEI wurden in den Jahren 2010, 2011 und 2012 41 Distanzpferde positiv getestet, 31,7 Prozent mit „verbotenen Substanzen“ wie Anabolika, 68,3 Prozent mit im Wettkampf verbotener Medikation, viele davon als Cocktail verabreicht. Dabei auffallend oft im Schlaglicht: Reiter aus arabischen Ländern” (Pochhammer, Gabriele, “Zahlreiche Grausamkeiten”, in SZ 14.6.2013).
Ermüdungsbrüche überforderter Pferde, die schmerzfrei gespritzt werden, sind die Regel. Bilanz beim Distanzritt im Februar 2013 in Dubai: “Von 133 Reitern erreichten nur 40 das Ziel” (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Herrscher bin Maktoum erhielt eine sechsmonatige Dopingsperre, da bei elf Rennpferden anabolische Steroide nachgewiesen wurden.
Maktums Zweitfrau ist Prinzessin Haya bint al-Hussein, die Tochter des verstorbenen Königs von Jordanien. Sie startete bei den Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney als Springreiterin und ist seit 2006 Präsidentin der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI), seit 2007 Mitglied des IOC (Wikipedia) und über ihren Ehemann in den Distanzreiter-Skandal verwickelt.
“33 Dopingverfahren in jüngerer Vergangenheit bei internationalen Distanzritten, fast alle bei Pferden aus arabischen Ländern, allein 20 von ihnen aus den Ställen der Maktoum-Familie, eine Häufung von Knochenfrakturen und Zusammenbrüchen sowie dreiste Regelverstöße haben seit dem Frühjahr das Langstreckenreiten in Misskredit gebracht. Jetzt hat der frühere Distanzreiter und belgische Nationaltrainer Pierre Arnould im Londoner Daily Telegraph davor gewarnt, dass das Distanzreiten in seiner Existenz bedroht sei, falls der Dachverband nicht endlich tätig wird. Arnould spricht von Dutzenden toten Pferden in der Saison 2011 bis 2012 in den Langstreckenrennen des mittleren Osten. (…) Scheich Mohammed, der wegen Dopings bereits 2009 sechs Monate gesperrt war, hat ausgerechnet seine Ehefrau beauftragt, die Vorkommnisse in seinen Ställen aufzuklären. Er will von den Machenschaften seines Personals nichts gewusst haben, auch nicht von den 124 Doping-Medikamenten (Schmerzmittel, Anabolika, Entzündungshemmer), die, verpackt in einer Kiste mit der Aufschrift „Horse Tack“ (Sattelzeug), im August in seiner Privatmaschine am Londoner Flughafen Stanstead von der britischen Polizei beschlagnahmt und vernichtet wurden” (Pochhammer, Gabriele, “Dutzende tote Pferde”, in 21.10.2013). Arnould erwähnte auch die Bestechung von Offiziellen, worauf ihm der Generaldirektor der FEI, Ingmar de Vos, Illoyalität und Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht vorwarf. Prinzessin Haya wird von Kritikern Befangenheit aufgrund ihrer familiären Beziehung vorgeworfen (Ebenda).
Distanzreiten als Tierquälerei. 120 Kilometer Distanzritt in Bahrain – wiederr einmal mit dem Scheich aus Dubai: „Winzig klein sieht das Pferd aus, das sich im Trab durch den Wüstensand quält, galoppieren mag es schon lange nicht mehr. Rechts und links neben der Piste wirbelt eine Kohorte Luxus-Pickups Staubwolken auf, die ihm den Atem rauben, jeder einzelne dreimal so groß wie Tarabic Carl, dessen empfindliche Ohren vom Dröhnen der Motoren gefoltert werden. Fast hat der 14-jährige Angloaraber die 120 Kilometer des Distanzritts in Sakhir, Bahrain, hinter sich. Sein Reiter, Scheich Mohammed bin Mubarak al Khalifa, hängt ihm bleischwer im Rücken. Tarabic Carl wird immer langsamer. Plötzlich springen aus einem der Autos zwei Männer und schlagen ihm mit einem Gegenstand auf die Kruppe, der auf dem unscharfen Video nicht genau zu erkennen ist. Mühsam setzt sich das Pferd wieder in Galopp, ein Mann läuft noch eine Weile hinterher. Der Reiter treibt es zusätzlich an“ (Pochhammer, Gabriele, Ins Ziel geprügelt, in SZ 19.2.2014). Pochhammer nennt die im TV-Livestream gesendeten Bilder „das böse Gesicht des Distanzsports“ (Ebenda). Der Scheich aus Dubai erhielt lediglich eine Geldstrafe von 500 Schweizer Franken und wurde von Bahrains Pferdesportverband für den Rest der Saison gesperrt: er konnte noch den „Sieg“ in diesem Distanzreiten feiern. Dessen Probleme: „exzessives Doping, Zusammenbrüche erschöpfter Pferde, Beinbrüche, Tierquälerei, dreiste Missachtung der Regeln – all das fast ausschließlich bei Reitern aus arabischen Staaten“ (Ebenda).
Die britische Pferdesport-Journalistin Pippa Cuckson observiert Maktoum seit Jahren und wurde „von einem Kollegen auf die oft übliche Tierquälerei bei Distanzritten in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufmerksam gemacht – auf Zusammenbrüche von übermüdeten Pferden, auf Knochenfrakturen und andere Folgen rücksichtslosen Reitens. (…) So wurde sie auf einen Film im Internet aufmerksam, der zeigt, wie das entkräftete Pferd des Bahrain-Scheichs Mohammed bin Mubarak al Khalifa bei einem Wüstenritt von nebenher laufenden Personen regelrecht Richtung Ziel gescheucht wird. Pippa Cuckson erstattete Anzeige bei der FEI, die sich bis dahin geweigert hatte, den Vorfall zur Kenntnis zu nehmen“ (Pochhammer 7.6.2014). Sie konnte neben diversen Dopingfällen nachweisen, dass Maktoums Sohn Scheich Hamdan bei einem Wettbewerb zwei Pferde vertauscht hatte (Pochhammer 7.6.2014).
– Ehefrau von al Maktoum darf ein drittes Mal. Eine dritte Amtszeit darf Prinzessin Haya amtieren: Auf einer außerordentlichen Generalversammlung des Reitsport-Weltverbandes FEI beschlossen dies 100 von 103 nationalen Verbänden (SID, Weg frei für Haya, in SZ 30.4.2014).
Wahrscheinlich, weil sie so gut ist!
– Oligarchen-Pferde. Neue Tendenz: Reiche aus Vorderasien oder Osteuropa kaufen für Millionen auf dem westeuropäischen Pferdesportmarkt die erfolgreichsten Pferde, die dann unter ungenügend qualifizierten Reitern verlieren. Einer dieser Fälle ist das Pferd Bella Donna, das Meredith Michaels-Beerbaum und einer amerikanischen Unternehmerfamilie gehörte: Um die Jahreswende 2013/14 wurde Bella Donna für sechs bis acht Millionen Dollar nach Katar verkauft. „Kurz vorher hatte ein Milliardär aus der Ukraine öffentlich fünf Millionen Euro für Bella Donna geboten. Zu wenig. Diesen Fehler machten die Interessenten aus Katar nicht. In gummiweichem Englisch warfen sie jetzt mal andere Summen über den Tisch. Wenig später war Bella Donna verkauft. An eine der reichsten Mannschaften im internationalen Wettbewerb, finanziert von der Armee von Katar“ (Hertreiter, Laura, Ausverkauft, in SZ 7.7.2014). – „Zu Turnieren im Ausland wird sie mit eigenem Flugzeug geflogen, gemeinsam mit den anderen Pferden des Teams. Unter anderem mit einem fuchsfarbenen Wallach aus der Schweiz namens Palloubet D’Halong. Er gilt als das bislang teuerste Springpferd der Welt – mehr als 13 Millionen Euro soll die Armee bezahlt haben. Bella Donnas Preis wird von Fachleuten auf eine Summe zwischen sechs und acht Millionen geschätzt – für ein Pferd, das ab dem zehnten Lebensjahr mit jeder Saison an Wert verliert (…) Für erfolgreiche Pferde aus Deutschland wird gerade so viel Geld ausgegeben wie nie zuvor. Innerhalb weniger Monate wechselten vier der besten deutschen Springpferde in die USA, die Ukraine und nach Katar (…) Vor wenigen Jahren investierte Saudi- Arabien aus einem Fonds rund 50 Millionen in den Kauf von Pferden und gewann bei den Olympischen Spielen in London Bronze. Katar will Ähnliches schaffen, drei Teams trainieren für den Spitzensport“ (Ebenda). – „Das Team der Ukraine etwa wurde vom Erdgas-Milliardär Alexander Onitschenko aufgebaut. ‚Reit-Abramowitsch‘ tauften ihn die Medien, nachdem er 2005 begonnen hatte, Pferde, Reiter, Trainer und einen Turnierstall in Niedersachsen zusammenzukaufen. Die Mannschaft landete nur ein Jahr später bei der WM in Aachen aus dem Nichts auf dem vierten Platz. Mit zwei deutschen, zwei belgischen Reitern sowie einem aus der Schweiz – alle rasch ausgestattet mit ukrainischen Pässen. Vor einigen Monaten kaufte Onitschenko den Erfolgshengst aus dem Emsland. Dessen Reiter engagierte er als neuen Trainer. Mit seinem Fünf-Millionen-Gebot für Bella Donna aber blitzte er ab“ (Ebenda).
Nachtrag 1: Ende einer Präsidentschaft
Prinzessin Haya von Jordanien wird nach zwei Amtsperioden nicht mehr als Präsidentin des Reitsport-Weltverbandes FEI antreten. Die Prinzessin ist die Zweitfrau des Scheich von Abu Dhabi verheiratet, dem Weltrekordhalter im Distanzreiten. Entsprechende Vorfälle in den Ställen des Scheichs mit gedopten oder misshandelten Pferden wurden vielfach bekannt. Für Hayas Amtszeitverlängerung hätten die Statuten der FEI geändert werden müssen. „2013 hatten jedoch rund 100 FEI-Mitgliedsnationen (75 Prozent) eine Petition unterzeichnet, in der Prinzessin Haya zum Bleiben aufgefordert wurde“ (SID, Prinzessin hört auf, in SZ 13.8.2014). Prinzessin Haya nannte die schwierige Situation im nahen Osten als einen der Gründe für ihren Amtsabschied.
„In einer Petition hatten 100 von 132 Mitgliedsverbände Haya bei der Generalversammlung 2013 geradezu angefleht, zu bleiben. Dazu hatte sie sich noch im März 2014 bereit erklärt. Vor allem bei den kleineren außereuropäischen Nationen erfreut sich die jordanische Prinzessin größter Wertschätzung. Sie wurden mit finanziellen Wohltaten, etwa reitsportlichen Entwicklungsprogrammen, angefüttert. Hier hat sich Haya die Stimmen für zwei Wahlen geholt. (…) Bei ihrem Amtsantritt 2006 hatte sie angekündigt, neue Sponsoren für den Pferdesport aufzutreiben. Das Versprechen hat sie gehalten, auch wenn das Geld in vielen Fällen vom Acht-Milliarden-schweren Ehemann beziehungsweise von seinen Geschäftspartnern und Glaubensbrüdern aus der arabischen Welt kam“ (Pochhammer, Gabriele, Die Prinzessin und ihr Erbe, in SZ 3.9.2014). Zu den Gründen für den Rücktritt könnte auch eine mögliche Bewerbung Dubais um Olympische Sommerspiele 2024 oder 2028 gehören (Ebenda). „Die Angst der Europäer sitzt tief, dass am Ende ein Ölkrösus oder sein Strohmann aus einem reiterlich unbedarften Land das Rennen macht und den Ton angibt. Sie ist nicht unbegründet“ (Pochhammer, Gabriele, Mit dem Kopf gegen den Baum, in SZ 29.8.2014).
Nachtrag 2: Tote Pferde
Beim Distanztritt der Weltreiterspiele in der Normandie bei Caen riss es auf dem steinigen Untergrund vielen Pferden die Hufeisen heraus. Ein Pferd prallte am 27.9.2014 gegen einen Baum und starb sofort. Ein weiteres Pferd starb am 30.8. bei einem Springwettbewerb (Pochhammer, Gabriele, Den Tag nicht überlebt, in SZ 1.9.2014). Der Kronprinz von Dubai, Scheich Hamdan Bin Mohamed al Maktoum, ist der Sohn des Herrschers von Dubai, nahm am Distanzritt teil: Gegen ihn wird wegen Vertauschens zweier Pferde von der FEI ermittelt. „Die Distanzreiter aus den arabischen Staaten brachten diesen Sport durch Dopingfälle, tote Pferde und Regelverstöße in den vergangenen vier Jahren so in Verruf, dass darunter auch das Image der FEI-Präsidentin leidet, Maktoums Zweitfrau Haya“ (Pochhammer, Gabriele, Mit dem Kopf gegen den Baum, in SZ 29.8.2014). Wohl auch deshalb wird Haya nicht mehr antreten.
Nachtrag 3: Pferde-Sport – Geld-Sport
Der Ire Bertram Allen ist jetzt 19 Jahre alt. Mit 15 wurde er Pony-Europameister. Sein Vater ist ein reicher Bauunternehmer in Irland, der seinem Sohn einen Reitstall in Hünxe am Niederrhein kaufte. Nun leitet der Sohn „seinen eigenen Reitstall, bildet Pferde aus und organisiert seine Turnierreisen“ (Pochhammer, Gabriele, Papa baut, in SZ 5.9.2014).
Nachtrag 4: Melbourne Cup
„Der Melbourne Cup ist das höchstdotierte Pferderennen in Australien und Ozeanien und eines der lukrativsten der Welt (Wikipedia). Die Strecke ist mit 3,2 Kilometer ungewöhnlich lang. Das Gesamtpreisgeld des Melbourne Cups liegt heute bei rund umgerechnet 4,3 Millionen Euro, von denen 2,3 Millionen an den Sieger gehen (Zwei Pferde sterben beim Melbourne Cup, in spiegelonline 4.11.2014). „Überschattet wurde der Melbourne Cup von zwei Todesfällen. Der japanische Favorit Admire Rakti kollabierte nach dem Zieleinlauf und starb kurze Zeit später. ‚Admire Rakti ist auf dem Weg zurück in den Stall zusammengebrochen und verstorben‘, sagte Rennchef Terry Bailey: ‚Das Pferd wird nun einer Autopsie unterzogen, um die genaue Todesursache festzustellen.‘ Der im Rennen siebtplatzierte Araldo hatte nach dem Rennen, irritiert durch eine Flagge im Publikumsbereich, nach hinten ausgeschlagen und sich dabei einen Beinbruch zugezogen. Wegen der Kompliziertheit des Bruchs musste er eingeschläfert werden“ (Ebenda).
„100.000 Besucher kamen auf die Bahn. Doch als die Nachricht lief, dass der Tierarzt nichts mehr tun konnte für Admire Rakti, füllten sich Blogs und Dienste im Internet. Turfkritiker fragten, wann mit dem Irrsinn endlich Schluss gemacht würde. Allein beim Melbourne Cup waren dies wieder zwei Todesfälle, nachdem 2013 die Stute Verema umgekommen war. RSPCA Victoria, eine Tierschutzorganisation, kämpft seit Jahren gegen Auswüchse im Rennsportland Australien, insbesondere gegen Hindernisrennen, in denen die Chance einer schweren Verletzung bei eins zu zehn liege. Laut Guardian sagte die Gruppe, weltweit würden jährlich 13 000 Rennpferde wegen des Sports ihr Leben lassen. Die Veranstalter bestreiten diese Zahl und verweisen darauf, dass im Lauf der Jahre die Strecken besser gesichert und auch Details wie der Einsatz der Peitsche stark reglementiert worden seien“ (Kreisl, Volker, Getrübte Sternstunde, in SZ 5.11.2014).
Nachtrag 5: Der Diktator und die Pferde
Der von Putin eingesetzte tschetschenische Diktator Ramsan Kadyrow verletzt regelmäßig Menschenrechte und wurde auf die Sanktionsliste der EU gesetzt. „Bestandteil dieser Sanktionen sind alle ‚wirtschaftlichen Ressourcen‘ der betroffenen Personen, ergo auch die beiden Rennpferde Zazou und Dashing Home, weil sie für gute Platzierungen ja Preisgeld erhalten. Für den Tschetschenen-Führer Kadyrow hat das nicht nur die Konsequenz, dass die Tiere vorerst keine Prämien mehr erlaufen können – sondern vor allem auch, dass er nicht mehr an das Geld herankommt, das jetzt eingefroren auf einem Konto der Hausbank des deutschen Galopp-Dachverbandes DVR liegt. Kadyrow ist ein unglaublicher Pferdenarr. Angeblich hat er bereits im zweistelligen Millionenbereich Geld für Galopper ausgegeben, in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny hat er eine große Rennbahn gebaut“ (Aumüller, Johannes, Zwei Pferde, ein Politikum, in SZ 21.11.2014).
Nachtrag 6: Alte Präsidentin, neuer Präsident. Der Belgier Ingmar de Vos ist neuer FEI-Präsident, der erste hauptamtliche und bezahlte Präsident. Das Erbe von Haya bint al-Hussein ist nicht ohne. „Vor allem hat sie ihr Versprechen eingelöst, Geld heranzuschaffen – für lukrative Serien, für ein opulentes Bürogebäude in Lausanne, für zusätzliches Personal, das sich um Sponsoren und Medien kümmert. (…). Es wurde aber auch im Rahmen des ‚Solidarity-Programms‘ Geld ausgegeben für die Entwicklung des Pferdesports weltweit. Das brachte der arabischen Präsidentin Stimmen aus fernen Ländern, in denen es kaum mehr als ein paar lokale Reitklubs gibt, und reduzierte den Einfluss der starken europäischen Reiternationen“ (Pochhammer, Gabriele, Unter der Lupe, in SZ 16.12.2014).
Das System Fifa von Fußball-Paten Blatter greift um sich!
„Auf den neuen Reiterchef warten große Aufgaben. Die Agenda 2020 des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sieht unter anderem eine gründliche Überprüfung aller olympischer Wettbewerbe vor, Disziplin für Disziplin. (…) Auch die Anti-Dopingregeln und ihre Umsetzung werden eingehender Betrachtung unterzogen, im Falle des Pferdesports auch der Tierschutz. Trotz vollmundiger Beteuerungen, das Wohl des Pferdes stehe über allem, vor allem über finanziellen Interessen, kam es unter Haya in der (nicht-olympischen) Disziplin Distanzreiten immer wieder zu Tierschutz- und Betrugsskandalen, auch in ihrer engsten Familie“ (Ebenda).
Nachtrag 7: „Tierquälerei, Doping, Betrug“
So lautete der Titel von Gabriele Pochhammers SZ-Artikel vom 4.3.2015. „Völlig erschöpft schleppt sich Splitters Creek Bundy beim Distanzritt in Al Reef (Abu Dhabi) durch die Wüste. Der Wallach stolpert, stürzt schließlich in den Sand und kommt nicht mehr hoch: Beide Vorderbeine sind gebrochen. Erst nach 20 Minuten erscheint ein Tierarzt und erlöst das Pferd von seinen Schmerzen. Bundys Reiter, der 16 Jahre alte Hamaid Al Falasi, saß bei seinen 17 vom Weltreiterverband FEI registrierten Ritten auf 15 verschiedene Pferden, nur siebenmal hat er das Ziel erreicht. Es ist unwahrscheinlich, dass er einen Sportpartner betrauert, wohl eher den Verlust eines Sportgerätes mit Materialschwäche. Am Ende haben drei Pferde den 120 Kilometer langen Ritt in Al Reef nicht überlebt“ (Ebenda). 700 Distanzpferde hat Dubaus Herrscherfamilie Maktoum. Nun schritt die FEI ein und strich die ausstehenden FEI-Distanzritte in den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE); dies ist erst jetzt möglich. „Bis vor Kurzem hatte die FEI keine Handhabe, in den nationalen Sport ihrer Mitgliedsverbände einzugreifen; erst eine Regeländerung macht dies möglich. Jetzt ist jedes Land verpflichtet, auch bei nationalen Wettkämpfen das Wohlergehen des Pferdes nach FEI-Standards zu erfüllen“ (Ebenda).
Nachtrag 8: Ausschluss der Vereinigten Arabischen Emirate aus der FEI
„Die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) sind auf unbestimmte Zeit aus dem Reit-Weltverband ausgeschlossen worden. Das entschied der Vorstand der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) unter Vorsitz des neuen Präsidenten Ingmar de Vos am Donnerstag – einstimmig. Als Begründung wurden wiederholte Vergehen gegen den Tierschutz und Regelverstöße im Distanzreiten angegeben“ (Pochhammer, Gabriele, Ausgeritten in der Wüste, in SZ 13.3.2015). Die UAE werden erst wieder von der FEI aufgenommen, wenn sie die Einhaltung der FEI-Regeln des Tierschutzes verbindlich zusagen. Grund hierfür sind auch Phantomrennen am 23.12.2014 in Abu Dhabi und am 21.1.2015 in Dubai, die eigentlich dem Nachweis dienen sollten, dass die Pferde in der Lage seien, die 160 Kilometer zu bewältigen: Diese Rennen fanden nie statt. Die Ergebnisse wurden genauso gefälscht wie die Veterinär- und Streckenberichte. Die FEI hat dies an ihre „Integrity Unit“ übergeben: Sie wird geleitet vom früheren Chef von Scotland Yard, Lord Stevens. Der wurde schon 2013 vom Herrscher Dubais, al Maktoum, beauftragt, Dopingfällen in dessen Ställen nachzugehen: „Lord Stevens fand, wen wundert’s, nichts, was dem Herrscher persönlich hätte zur Last gelegt werden können. Ob es diesmal, bei der FEI als Auftraggeber, anders wird, bleibt abzuwarten. Für die Pferde ist der Rausschmiss des UAE-Verbandes übrigens keine gute Nachricht. Jetzt können sie auf nationalen Ritten, die sich jeder Kontrolle entziehen, weiter durch die Wüste geprügelt werden“ (Ebenda).
Nachtrag 9: Kontaminierung mit Mohnsamen?
„An diesem Donnerstag (23.7.2015; WZ) entscheidet das Tribunal der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) bei einer Anhörung, ob die vorläufige Sperre gegen den Schweizer Springreiter-Olympiasieger Steve Guerdat vorzeitig aufgehoben wird. Bei zwei Pferden von Guerdat, Olympiapferd Nino des Buissonnets und Zweitpferd Nasa, waren beim Turnier in La Baule/Frankreich im Mai die verbotenen Substanzen Codein, Oripavin und Morphin gefunden worden. Mit Nino des Buissonnets gewann Guerdat dort den Großen Preis, mit Nasa wurde er Dritter im Springderby“ (Pochhammer, Gabriele, Auf der Spur der Mohnsamen, in SZ 23.7.2015). Die drei Substanzen sind in Mohnsamen enthalten; es könnte sich auch um eine „Kontaminierung“ handeln. Fortsetzung folgt.
Nachtrag 10: Mehr Rennen in mehr Ländern, höhere Preise, mehr verletzte Pferde
„Der Chef des deutschen Dressurausschusses, Klaus Roeser, sagte nach Totilas’ Diagnose, er kenne im Sport ‚kein Pferd, das nicht irgendwo ein Problem hat‘. Demnach wäre der Pferdesport immer auch ein Wettkampf der Tierärzte. (…) Auch in Bayern reichen sich Turnierreiter die Nummer eines Veterinärs mit Allerweltsnamen weiter, der angeblich lahme Pferde in Minuten zum Laufen zu kriegt. All das war schon vor Jahrzehnten so. Aber noch nie waren Verletzungspausen von Hochleistungspferden so schmerzhaft teuer. Turnierserien umspannen den ganzen Globus, Pferde treten unter viel größerem Aufwand heute in Paris, morgen in Dubai an. Preisgelder sind bis in den sechs- und siebenstelligen Bereich gewachsen. Sponsoren, Publikum, Reiter, Trainer, Veranstalter – alle haben ein Interesse daran, dass das Pferd im Viereck, im Parcours, auf der Rennstrecke eine perfekte Show abliefert. Und nicht zuletzt auch der Tierarzt“ (Hertreiter, Laura, Auf Trab, in SZ 29.8.2015).
Nachtrag 11: Mehr Nationen, mehr schwächere Reiter, mehr verletzte Pferde
Ab 2020 werden bei Olympischen Sommerspielen nur noch drei Reiter pro Nation antreten: Dies wird die FEI dem IOC im Herbst 2016 vorschlagen. „Da nur maximal 200 Reiter olympisch auftreten dürfen, will man die frei werdenden Plätze mit Reitern aus schwächeren Nationen, die sich bisher nicht qualifizieren konnten, auffüllen. (…) Auch die Aktiven wehren sich gegen die Streichung des vierten Reiters. Das Argument: Wenn schwache Reiter das Feld auffüllen, sinke in allen drei Disziplinen notgedrungen das Niveau. (…) Die Zahl der Reiter, die mit Anstand einen Olympiakurs bewältigen, ist überschaubar. Als abschreckendes Beispiel nennt die Mannschaftsolympiasiegerin von 2012, Ingrid Klimke, die Wettbewerbe von Sydney 2000. Die besten Reiter waren in der Teamprüfung gestartet, der schwache Rest sorgte im Einzel für Skandal-Fotos von Stürzen und überforderten Reitern und Pferden. ‚Das war echt gruselig. Damals lag der Sport am Boden,‘ sagt Klimke. Auch wenn es keiner ausspricht: Ein tödlicher Unfall von Reiter oder Pferd in Rio wäre wohl das Aus der olympischen Vielseitigkeit. Auch sorgen sich Experten um das Wohl des Tieres. Denn die Versuchung, ein angeschlagenes Pferd weiter gehen zu lassen, um das Team zu retten, ist groß. (…) In vorauseilendem Gehorsam erweist die FEI dem Sport einen Bärendienst, auch den schwächeren Nationen. Deren Reiter werden eher für schlechte Bilder sorgen als die der erfolgreichen Nationen. Ein Ergebnis, bei dem nur die Hälfte der Teams alle Reiter heil ins Ziel bringt, ist keine Werbung für den Sport und wird den olympischen Rausschmiss nicht verhindern, sondern beschleunigen. Die wahren Probleme des olympischen Pferdesports liegen ohnehin woanders: die hohen Kosten für Ställe, Anlagen, Probleme mit Seuchen in bestimmten Erdteilen, die absurden Preise für Pferde von Olympiaqualität und immer wieder Doping- und Medikationsfälle. Hier ruiniert vor allem die nichtolympische Disziplin Distanzreiten, das Freizeitvergnügen reicher Scheichs, den Ruf des ganzen Pferdesports“ (Pochhammer, Gabriele, Streit um die Starterzahl, in SZ 12.4.2016).
Nachtrag 12: Neun statt fünf Peitschenhiebe
„Der Sieger im 147. Deutschen Derby, der Hengst Isfahan von Besitzer Stefan Oschmann, wird nachträglich disqualifiziert. (…) Das Renngericht hatte einen Einspruch vom Besitzer des drittplatzierten Pferdes Dschingis Secret, Horst Julius Pudwill, im Oktober abgelehnt, weil es nicht als erwiesen ansah, dass der Siegerjockey Dario Vargiu vor dem Rennen am 10. Juli 2016 vom Stallmanager Holger Faust zum Peitschenmissbrauch ermuntert worden war. Vargiu hatte neun statt der erlaubten fünf Mal gepeitscht“ (Hartmann, Ulrich, Zu oft gepeitscht, in SZ 3.3.2017).