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Olympischer Kongress

Die > Olympische Charta fordert alle acht Jahre die Abhaltung eines Kongresses. Der Kongress 1994 in Paris wurde als „Jahrhundertkongress“ deklariert: Er sollte an die Gründung der olympischen Bewegung 1894 erinnern und geriet bombastisch und monumental, inhaltsleer und sich selbst feiernd. Referiert wurde wie üblich über den Weltfrieden, den Sportgeist und die Verdienste des IOC. Die vier Themen waren: der Beitrag der olympischen Bewegung für die Gesellschaft; der Athlet der Gegenwart; Sport im gesellschaftlichen Kontext; Sport und Massenmedien.

Das Kongresszentrum war wie ein Hochsicherheitstrakt gesichert. Der Kongress hatte neben der Zulassung von Taekwondo in Sydney 2000 vor allem die Aufgabe, über einen propagierten „olympischen Waffenstillstand“ den Friedensnobelpreis anzumahnen. Der Kongress kostete 16 Millionen Dollar. Von dieser exorbitanten Summe kamen nur 6 Millionen vom IOC; die Stadt Paris bezahlte 5,4 Millionen Dollar, die französische Regierung 4 Millionen; von den Sponsoren Adidas, Hermès, Crédit Lyonnais, Air France und Renault kamen weitere 600 000 Dollar.

Die Tagesordnung war schon ein Jahr zuvor festgelegt worden und huldigte dem IOC. 2000 Sportfunktionäre nahmen anfänglich teil – neben gerade einmal 120 Sportlern. Am letzten Tag waren nur noch einhundert Zuhörer im Saal. Rückblickend sollte es der „Kongress der Einheit“ werden: Niemandem wurde Gelegenheit gegeben zu widersprechen. Es gab keine freien Abstimmungen, keine Wahlen, aber unnahbare, allmächtige Führer, wie Andrew Jennings feststellte, der über das Ergebnis des Kongresses urteilte: „Ziemlich mager für 16 Millionen Dollar.“

Bei der folgenden IOC-Session beanspruchte Samaranch das Recht, innerhalb eines Jahres zehn neue Mitglieder ohne Diskussion zu ernennen; nach einigem Hin und Her wurde ihm das Nominierungsrecht mit nachträglicher Abstimmung zugestanden.

Eine der wenigen Kritiker war die französische Sportministerin Michèle Alliot-Marie: „Wir dürfen nicht vergessen, dass die antiken Spiele an diesen Übeln zugrunde gegangen sind: Geld, Korruption und Betrug … Ich glaube, dass der Missbrauch, der im Sport zu finden ist, unverkennbar auf die Beziehung zwischen Sport und Geld zurückzuführen ist“ (Jennings S. 269).

Quelle:
Jennings, Andrew, Das Olympia-Kartell, Reinbek 1996