Vorbemerkung
Zur Frage der Demokratie als Staatsform: Grundsätzlich kann man wohl feststellen, dass die echte Demokratie als Staatsform global auf dem Rückzug begriffen ist. Traditionelle Demokratien des Westens werden in vorautoritäre Regierungsformen transformiert, in der eine Oligarchie die wesentlichen Weichenstellungen vornimmt und in der die Geheimdienste anscheinend schrankenlose Handlungsbefugnisse gegenüber anderen Staaten, aber auch den eigenen Bürgern haben (wie in den USA und Großbritannien). In den Staaten der ehemaligen UDSSR besteht größtenteils kein gewachsenes Demokratieverständnis – woher auch? Die Potentaten der meisten afrikanischen Staaten orientieren ihre Politik und Interessen eher von Geld und Rohstoffen leiten. Arabische Staaten bevorzugen familiäre Herrscherclans. Die Staaten Indien, Afghanistan und Pakistan und ihr Umfeld haben ihre eigene – undemokratische – Geschichte. Und in anderen Teilen der weltweiten Staatengemeinschaft sieht es nicht besser aus.
Zur Historie
„Die Oligarchie bei Platon (427 – 347 v. Chr.) ist die gesetzlose Herrschaft der Reichen, die nur an ihrem Eigennutz interessiert sind“ (Wikipedia). Oligarchie wird oft definiert als „Herrschaft von Wenigen“, oder „Herrschaft einer kleinen Gruppe, ursprünglich der Reichsten im Staat“ (Wahrig Fremdwörterlexikon). Nach Aristoteles ist Oligarchie „nicht nur Herrschaft der wenigen, sondern Herrschaft derjenigen, die enorme materielle Ressourcen in Macht verwandeln können“ (Müller 12.10.2012). Und diese beträchtlichen materiellen Mittel werden vorwiegend zum Eigennutz eingesetzt – nämlich „ihre Besitztümer zu verteidigen“ (Ebenda).
Oligarchie ist soziologisch definiert “die Herrschaft weniger, z. B. von Cliquen oder einigen Familien” (Fuchs-Heinritz u. a. S. 474). Bereits 1910 prägte R. Michels das “erherne Gesetz der Oligarchie”, dass nämlich im politischen System oligarchische Tendenzen herrschten: “Selbst in demokratisch ausgerichteten politischen Institutionen hat eine Minderheit die relevanten Entscheidungspositionen inne, die für die Mehrheit unerreichbar sind, da die Minderheit ihre Positionen durch Sich-wiederwählen-Lassen behält oder unter sich austauscht” (A.a.O., S. 244). Der derzeit zu beobachtende weltweite Prozess der Oligarchisierung ist in diesem Zusammenhang “die Umwandlung einer demokratischen Herrschaft in die Herrschaft weniger” (Ebenda).
Mit Oligarchie wird heute oft die Entwicklung in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UDSSR bezeichnet, hier vor allem Russland und die Ukraine. Aber auch in Europa gibt es diese Tendenz – und vor allem in den USA. Oligarchie scheint – angesichts des gleichzeitigen Abstiegs der Mittelschicht und der zunehmenden Verarmung der Weltbevölkerung – zur künftigen Herrschaftsform zu werden – dekoriert mit einigen pseudodemokratischen Attributen wie etwas Pressefreiheit, regelmäßige Wahlen ohne wirkliche Alternativen, etc. (Vergleiche hierzu William J. Dobson, Demokratie 2.0).
Intro
Sport und Politik haben inzwischen ein verschränktes Verhältnis. Der Sport bestimmt nicht nur bei den ihn betreffenden Themen die Politik. Demokratische Staaten und totalitäre Regimes machen sich den Spitzensport zunutze, um internationale Anerkennung und Beachtung zu erhalten – und werden im Gegenzug von den Sportverbänden ihrerseits funktionalisiert. Die verschiedenen politischen Systeme möchten mit dem Sport ihr Image aufpeppen, um die Bevölkerung ruhig zu halten, um von der tatsächlichen Lage abzulenken, um nationale Helden zu produzieren.
Fast alle politischen Weltherrscher stehen vor dem IOC und den Internationalen Sportverbänden, der Fifa und der Uefa stramm. Putin machte 2007 persönlich (und erfolgreich) seine Aufwartung in Guatemala bei der Vergabe der Olympischen Winterspiele an Sotschi 2014. Barack Obama bemühte sich 2009 persönlich (und vergeblich) für Chikago wegen Olympischer Sommerspiele 2016. Angela Merkel setzte sich persönlich (und erfolglos) für die Bewerbungen München 2018 und München 2022 ein. Shinzo Abe warb (erfolgreich) für Tokio 2020, Mariano Rajoy (erfolglos) für Madrid 2020. Usw.
Besonders allen Formen der Oligarchie respektive der totalitären Regime ist eine quasi naturgemäße Nähe zum Sport mit seinen Implikationen Elite, nationales Bewusstsein, Leistungsstreben, Siegermentalität. Die totalitären Regenten von Russland und China, die autoritäre Regierung der Ukraine, die Potentaten von Bahrain, Katar, die Diktaturen von Weißrussland, Aserbaidschan, Kasachstan, China etc. buhlen um internationale Sportevents und lassen sich dies viel kosten – zur Freude der Internationalen Sportverbände.
Deshalb übernehmen hohe Politiker – wie der russische und der chinesische Präsident – oft auch die Rolle der Sport-Oligarchen und Durchsetzer von Sport-Großereignissen.
Die ungenierte und schamlose Vergabe diverser Sport-Großereignisse durch den internationalen Sport an autoritäre Regimes, die Übernahme von Sportclubs durch Milliardäre in Ost und West, die Bereicherung der Oligarchen über Sport-Großereignisse und die damit einhergehende weitere Kommerzialisierung und Ent-Demokratisierung des Sports wird gerade in jüngster Zeit auffällig. Deshalb soll der politische Hintergrund dieser Entwicklung im Folgenden skizziert werden – die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Er ist auch systematisch für die Entwicklung zur „Postdemokratie“ (Colin Crouch) im Westen und zum weltweiten Vormarsch totalitärer Regimes.
Vergleiche unter Aktuelles: Der Sport ist politisch; Eishockey-WM beim Diktator; Gazprom
Ein Beispiel: Aserbaidschan
In diesem Land geht es prototypisch zu: “Ein Großteil der Schlüsselindustrien befindet sich im Besitz der Präsidentenfamilie und von Ministern, die zugleich Oligarchen sind – und umgekehrt” (Baumgart 22.10.2012).
„Der Zukunft entgegen: Baku 2015″. So lautete der Titel einer Anzeige in der SZ vom 30.11.2013: Aserbaidschan wirbt für die European Games 2015 in seiner Hauptstadt, die erstmals vom Europäischen Olympischen Komitee nach Baku vergeben wurden. “Aserbaidschan hat ein ganzes Bündel an Erfolgsstories aus der Wirtschaft, dem Tourismus und dem Sport vorzuweisen. Dazu gehören der European Song Contest 2012 sowie 15 Sportevents, die das Land seit 2010 veranstaltet hat” (Ebenda).
Weniger erfolgreich ist die Demokratie in Aserbaidschan, dem öl- und gasreichen Land. Der vor zehn Jahren selbst inthronisierte Präsident Ilcham Alijew (vorher war sein Vater Gejdar zehn Jahre an der Macht) ließ sich Anfang Oktober 2013 bestätigen: “Ilcham Alijew hat die von Manipulationsvorwüfen überschattete Präsidentenwahl in Aserbaidschan gewonnen. Der autoritäre Amtsinhaber soll erneut mehr als 80 Prozent der Stimmen bekommen haben und startet in seine dritte Amtszeit… Die Wahl war von Fälschungsvorwürfen überschattet worden” (spiegelonline 9.10.2013). – “Kritiker des Präsidenten werden weggesperrt, Journalisten dürfen nicht frei berichten, und am Wahltag bekommt ein Alijew grundsätzlich mehr als zwei Drittel der Stimmen. So sorgt nun für Spott, dass eine aserbaidschanische App bereits einen Tag vor der jüngsten Präsidentschaftswahl am 9. Oktober die Ergebnisse veröffentlichte. Die sahen Alijew vorne mit knapp 73 Prozent… Die Organisation Transparency International zählt Aserbaidschan zu den korruptesten Nationen der Welt” (spiegelonline 10.10.2013; vgl. auch Hans 9.10.2013). Human Rights Watch veröffentlichte kürzlich einen Bericht über Kritiker, die im Gefängnis landeten. Alijew bezeichnete seine Wiederwahl als “Triumph der Demokratie”, er sitzt fest im undemokratischen Sattel: “Die EU hat eher die Energie aus Aserbaidschan fest im Blick als die Menschenrechte dort” (spiegelonline 10.10.2013). Und mit den Sport-Großereignissen erkauft sich Alijew Medienberichterstattung und Öffentlichkeit.
So ist das totalitäre Aserbaidschan ein ideales Land für Europäische Olympische Spiele und für andere internationale Groß-Sportereignisse – wie Weißrussland, China, Russland etc.
Olympische Jugendspiele
Aserbaidschan ist nur ein Beispiel. Totalitäre Staaten bewerben sich immer öfter um Sport-Großereignisse, Ins Bild passt hier, dass sich die russische Teilrepublik Dagestan, die als die unruhigste Kaukasus-Region gilt, um die Olympischen Jugendspiele 2018 bewarb (gewählt wurde schließlich Buenos Aires). Dortige Oligarchen wie der Milliardär Suleiman Kerimow wollten eine Milliarde US-Dollar in ein Stadion, weitere Sportstätten und Infrastruktur investieren (Ballin 11.4.2011).
Wieder einmal wird offensichtlich, dass die Olympische Idee offensichtlich langfristig mit diktatorischen und autoritären Regimes liebäugelt.
Sport als OligarchieDie internationalen Spitzensportverbände stellen selbst eine Art Oligarchie dar. Schon Anfang der Neunziger Jahre schrieb der Londoner Observer von „fünfundachtzig Mitglieder einer Oligarchie, die unter dem Namen IOC bekannt ist“ (zitiert nach Simson, Jennings 1992, S. 304). Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Hinzu kommt, dass die Sportdisziplinen bei Sport-Großereignissen immer zahlreicher werden und der High-Tech-Anteil an Sporterfolgen immer höher wird. Das kostet entsprechend viel Geld: Auch diese Entwicklung begünstigt den Vormarsch von totalitären Regimes, reichen Industriellen und Oligarchen – oder Mischformen von allen dreien.
Der Sport gehört nicht mehr dem Sport. Der internationale Sport gehört den multinationalen Konzernen IOC und den TOP–Sponsoren, den Internationalen Sportverbänden, der Fifa und der Uefa – mit ihren nahezu identischen Knebelverträgen für die Austragungsorte. Die internationalen Sportverbände sind unter dem Einfluss von Scheichtümern und Erdöl- und Erdgaskonzernen, von totalitären Staaten wie Russland und China, von zweifelhaften Demokratien wie der Ukraine und von eindeutigen Diktatoren wie Weißrussland, Aserbaidschan und Kasachstan geraten: und locken diese förmlich an.
Die heutigen Oligarchen beherrschen oft Rohstoffquellen und Großkonzerne und investieren hohe Summen in den Sport: Sie haben speziell in Osteuropa und in Vorderasien durch oft illegale Aktivitäten im Zuge des Endes der UDSSR unermesslichen Reichtum zusammengerafft.
Statt der Person eines Oligarchen kann auch ein Staatskonzern wie Gazprom (mit Wladimir Putin als treibende Kraft) auftreten. „Ohne Gazprom, heißt es, wird in Russland niemand Präsident. Und ohne Russlands Präsidenten geht nichts bei Gazprom. Im Konzern soll es von ehemaligen KGB-Agenten und Putins Helfern wimmeln, es soll einen eigenen Nachrichtendienst und eine eigene Armee geben“ (Spiller 26.11.2013).
Oder es sind Institutionen wie die Qatar Foundation mit dem Scheich Tamim bin Hamad al Thani als Finanzgeber und Initiator: Der Reichtum Katars besteht aus Erdgas und Erdöl.
Vergleiche: Katar-Sport
Wer wird IOC-Präsident – und wie?
Vom 4. bis 10.9.2013 fand in Buenos Aires die 125. IOC-Session statt – mit der Wahl eines neuen Präsidenten. Thomas Bach folgte auf Jacques Rogge – nicht von ungefähr: Seine Wahl wurde vom kuwaitischen Scheich Al-Sabah forciert. „Dieses IOC ist anfälliger denn je für die Mächte, die auf die Kommandobrücke streben: Ölscheichs wie der Kuwaiti Al-Sabah, Oligarchen von Putins Gnaden wie Arkady Rotenberg und sein Judo-Kumpel Marius Vizer, die über den Einfluss aller Sport-Weltverbände (SportAccord) immer mehr Einfluss ausüben“ (Weinreich 7.9.2013)
À propos Rotenberg: „Vizer holte den Oligarchen Arkady Rotenberg in die Exekutive, einen Jugend- und Judofreund von Putin. Rotenberg verdient gerade kräftig am olympischen Umbau von Sotschi. Dort, wo jeder zweite Rubel für Korruption draufgeht, hat er Aufträge über 7,9 Milliarden Dollar zugeschanzt bekommen – mehr als das Gesamtbudget der Spiele von Vancouver“ (Hartmann 11.9.2013). – „Rund acht Milliarden Dollar war auch das Auftragsvolumen für die Brüder Rotenberg. Arkadi ist Judo-Sparringpartner von Putin. Der hatte Oleg Deripaska (hält Anteile an der Strabag) bei einem Straßenprojekt ausgestochen, indem er nicht billiger, sondern teurer war“ (Pavlovics 30.9.2013). – „Rotenbergs Erfolg mit diesen Verträgen legt nahe, dass verschiedene Kategorien von Unternehmern unterschiedliche Beziehungen zu den Olympischen Spielen haben. Putins enge Freunde scheinen von der Großzügigkeit des Staates zu profitieren, während von Oligarchen aus den 1990er Jahren wie Peripaska und Potanin erwartet wird, etwas zur Olympiakasse beizusteuern.“ (Orttung 6.12.2013).
Alte und Neue Sport-Oligarchen
Im Kritischen Olympischen Lexikon sind als ältere Sport-Oligarchen benannt: Lee Kun Hee (IOC, Südkorea, Samsung; aktueller Promoter von Pyeongchang 2018), Mohamad Bob Hasan (Ex-IOC, Indonesien), Sepp Blatter (IOC, Fifa), Joao Havelange (Fifa), Thomas Bach (nunmehr IOC-Präsident), René Fasel (IOC, Eishockey-Präsident), Juan Antonio Samaranch (IOC), Yoshiaki Tsutsumi (Ex-IOC, Japan), Schamil Tarpischtschew (IOC, Russland), Mario Vazquez Rana (Ex-IOC, Mexiko), Kim Un Yong (Ex-IOC, Südkorea), André Guelfi (Frankreich), Park Yong-Sung (Südkorea), Jean-Marie Weber (Geldbote ISL-Skanda und nicht zuletzt Hein Verbruggen (Ehrenmitglied IOC, Ex-Präsident vom Internationalen Radsportverband UCI) und Pat McQuaid (IOC, Ex-UCI-Präsident).
Als neue Sport-Oligarchen und –Oligarchien sind hinzugefügt: Ahmed Al-Fahad Al Ahmed Al-Sabah (IOC, Scheich, Kuwait), Hassan Moustafa (Handball-Präsident), Sergej Bubka (IOC, Ukraine), Wladimir Putin (UDSSR, mit dem Gazprom-Konzern im Hintergrund) und Alexander Lukaschenko (Weißrussland). Dazu kommen Deripaska, Oleg; Gazprom-NTW; Doping Russland; Wintersport und Klimaerwärmung: 2014/2015; Hayatou, Issa; Totalitärer Sport-Terminkalender; Timtschenko, Genadij Nikolajewitsch; Rotenberg, Arkadij, Boris; Makarow, Igor
Aufgeführt werden könnten auch die Potentaten Scheich Tamim bin Hamad al Thani (Katar), König Hamad bin Isa Al Chalifa (Bahrain) und andere – chinesische Oligarchen nicht zu vergessen.
Weitere Potentaten aus totalitären Staaten bemühen sich verstärkt um internationale Groß-Sportereignisse, von denen sie sich Reputation und Anerkennung versprechen, wie Nursultan Nasarbajew (Kasachstan), Ilham Alijew (Aserbaidschan).
Wird es wirklich besser?
War nun die Wahl von Brian Cookson am 27.9.2013 zum Präsidenten des Weltradsport-Verbandes UCI als Nachfolger des skandalumtosten Part McQuaid ein wirklicher Neubeginn beim Internationalen Radsportverband? Cookson wird eine Nähe zum russischen Verbandspräsident und Oligarchen Igor Makarow nachgesagt, der auch Besitzer des übel beleumundeten Rennstalls Katjuscha ist.
„Cooksons größtes Problem ist ein Verbündeter: Igor Makarow. Der 51-jährige Milliardär ist Eigentümer des ProTour-Teams Katjuscha, Chef des russischen Verbandes, Mitglied des UCI-Management-Komitees und – ganz nebenbei – mit seinem Konzern Itera offizieller Sponsor des Kontinentalverbands UEC. Als Wahlkampfhelfer ist der im Gasgeschäft reich gewordene Oligarch mit guten Beziehungen zum Kreml nicht zimperlich“ (Hettfleisch 25.9.2013).
Der Internationale Sportgerichtshof CAS hob die dopingbedingte Sperre des Katjuscha-Rennstalls vom Dezember 2012 am 15.2.2013 auf (SZ 16.2.2013; spiegelonline 15.2.2013). Ein möglicher Grund für die Lizenzerteilung: “Manche vermuten daher auch sportpolitische Motive, beispielsweise werden dem russischen Oligarchen Igor Makarow, der mit seinem Geld hinter Katjuscha steht, Ambitionen auf internationale Posten nachgesagt” (SZ 16.2.2013).
Sport und Oligarchie in den USA
Ursprünglich wurde der Begriff Oligarchie in den USA Ende des 19. Jahrhunderts für Reiche und Mächtige verwendet, die in westlichen Bundesstaaten auf ihrem Gebiet fast wie Feudalherren herrschten. Im 21. Jahrhundert sehen Sozialwissenschaftler aufgrund der Verteilung des Reichtums die USA wieder „bereits im Zeitalter der Oligarchie angekommen“ (Müller 12.10.2012). Seit dem Wahljahr 2012 ist „nicht nur allenthalben von ‚den Superreichen’ die Rede, sondern gleich von Oligarchie“ (Ebenda). Das „eherne Gesetz“ der Oligarchie zielt darauf ab, ihre Besitztümer zu verteidigen (Ebenda). Die amerikanischen Oligarchen nutzen ihren Reichtum zum Machterhalt und wandeln den Staat zur „formalen Demokratie” um. Selbst das von der Occupy-Bewegung attackierte „one percent“ verliert Einfluss – an noch kleinere und noch reichere Kreise.
Die 400 reichsten Amerikaner – etwa 0,0001 Prozent der US-Bevölkerung – kämpfen mittels Lobbyisten, Anwälten und Steuerberatern, „dass der nominelle und der tatsächliche Steuersatz für die Oligarchen weit auseinanderklaffen“ (Ebenda).
Viele amerikanische Milliardäre – oder Oligarchen – haben sich Baseball-Teams, Basketball-Teams, American Football-Teams gekauft – und oft auch die entsprechenden Riesenstadien bauen lassen. So wurden im Baseball auch die Namen der Stadien selbst höchstbietend verkauft: von Comiskey Park zu U.S. Cellular Field (Chikago), vom Metropolitan Stadium zum Target Field (Minneapolis); die Citigroup kaufte für 400 Millionen Dollar das Recht, für 20 Jahre dem neuen Sportgelände der New York Mets den Namen zu geben – mitten in der Finanzkrise 2009, etc. (Sandel S. 210f).
Arme in den USA dagegen gehen oft nicht mehr zur Wahl, und die Mittelschicht verarmt und verliert Einfluss.
Siehe auch im Kritischen Olympischen Lexikon: VIP-Logen
Ein Beispiel: Vom America’s Cup zum Milliardärs-Cup
Der amerikanische Milliardär Larry Ellison (fünftreichster Mensch der Erde mit einem geschätzten Privatvermögen von 36 Milliarden Dollar) wollte mit High-Tech-Booten und High-Speed-Rennen TV-Sender ködern und damit Sponsoren. Aber er trug mit den so sündteuren wie schnellen AC72-Katamaranen des America’s Cup 2013 eher zum Ruin des Segelsports bei. “Ellison wollte ein Spektakel der Superlative inszenieren, eine Ozean-Formel-1 mit Woodstock-Flair: Über das Wasser sollten mit mehr als 44 Knoten (81 Stundenkilometer) Hightech-Katamarane vom Typ AC72 brausen, vorbei an der Golden Gate Bridge, an Alcatraz, an Treasure Island. Auf dem Festland sollten die Menschen feinsten Wein und edlen Lachs kosten und Konzerte genießen. (…) Das mit dem Lachs hat geklappt (…) Aber sonst war zunächst kaum jemand da. Ellison hatte auf 15 Teilnehmer bei der Herausfordererrunde gehofft, es kamen drei (…) allen anderen war die Teilnahme zu teuer. Nur Team Neuseeland war, mit Hilfe des Staates zu einer überdimensionierten Investition (84 Millionen) bereit” (Schmieder, Jürgen, Mit 44 Knoten in die Zukunft, in SZ 19.9.2013). Davon kamen 22 Millionen Euro vom Staat (Kemmling, Carsten. Erst Schufte, dann Helden, in spiegelonline 26.9.2013). Nicht nebenbei: „Dass die Stadt San Francisco am Ende einen Verlust von 11,5 Millionen Dollar machte, war Ellison egal“ (Schmieder Jürgen, Er macht, was er will, in SZ 20.9.2014; Hervorhebung WZ).
Ellison pervertierte mit seinem Geld die Kosten des America’s Cup 2013: “Nur die Milliardäre Tornquist (Team Artemis, Schweden) und Bertelli (Team Luna Rossa, Italien) wollten sich das leisten – und überraschend das kleine Neuseeland” (Schmieder 19.9.2014). Dessen Budget betrug umgerechnet 84 Millionen Euro, das von Oracle lag bei 200 Millionen Euro (Schmieder, Jürgen, Wenn der Böse gewinnt, in SZ 27.9.2013). Ellison “hat es sich im Laufe der Jahre fast eine halbe Milliarde kosten lassen, um den America’s Cup und im Zuge dessen wohl das Segeln zu revolutionieren” (Mölter, Joachim, Fliegende Boote, in SZ 27.9.2013).
Neuseeland führte schon 8 : 1: Dennoch gewann Oracle am Ende. Die Oracle-Leute spielten nach den Rennen „bis tief in die Nächte 3-D-Simulationen durch, in realen Belastungstests zerrten Gewichte an dem riesigen, mittschiffs thronenden Flügel“ (Amerikas Coup, in Der Spiegel 40/30.9.2013).
Der neue Herausforderer kommt aus Australien und ist übrigens: Milliardär.
Vergleiche auch: Techno-Doping
Exkurs: Mitt Romney
Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner für die Wahl im November 2012, Mitt Romney,wurde im Wahlkampf 2012 von elf Milliardären unterstützt (Dickinson 24.5.2012). Er war 1999 als Geschäftsführer des Organisationskomiteesmit der Organisation der berühmten, vom Bestechungsskandal begleiteten XIX. Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City beauftragt (deseretnews.com 8.6.2012). Zwischendurch plante man im US-Staat Utah, sich für die Olympischen Winterspiele 2022 erneut zu bewerben. Der Gouverneur von Utah, Brian Krolicki, war auch der Vize-Direktor von Romneys Wahlkampf in Utah und die treibende Kraft einer Bewerbung von Reno um Olympische Winterspiele 2022. Krolicki äußerte, er hätte mit Romney “mehr über die olympische Bewerbung als über den Wahlkampf gesprochen” (Clarke 4.6.2012).
Und nun steht eine Bewerbung von Boston für Olympische Sommerspiele 2024 an. Wieder ist Mitt Romney dabei. Hinzu kommt der Milliardär John Fish (53), der Eigentümerr der Baufirma Suffolk Sonstruction Co., einem Unternehmensgeflecht mit zwei Milliarden US-Dollar Umsatz. Fish verspricht sich von Olympischen Sommerspielen auch Aufträge für sein Unternehmen, z. B. den Bau des Olympischen Dorfes für 16.000 Athleten (Leung 13.11.2013. Der Begriff „Dorf“ wirkt in diesem Zusammenhang äußerst fragwürdig).
Sport-Oligarchen in Europa
In Europa gehört oft die Hälfte der nationalen Fußball-Ligen den Milliardären.
Italien: Italienische Spitzenclubs gehören seit längerem den Reichsten des Landes: Juventus Turin dem Agnelli-Clan, Inter Mailand dem Ölmagnaten Massimo Moratti und der AC Mailand Silvio Berlusconi. Dieser möchte gern den Fußballclub zumindest zum Teil verkaufen, da er 80 Millionen Euro zur Verlustdeckung 2011 aufbringen musste. Aussichtsreichster Kandidat ist der Staatsfond von Katar, dem schon der französische Spitzenclub St. Germain gehört. Interessiert ist wohl auch der russische Oligarch Oleg Deripaska (SZ 13.10.2012). Der Ausverkauf der italienischen Liga geht weiter: AS Rom ist bereits in den Händen von amerikanischen Investoren. Ausführlicher soll die Situation bei Inter Mailand dargestellt werden.
Exkurs: Massimo Moratti– Petrol-Unternehmer geht, Palmöl-Unternehmer kommt.
Moratti ist Erdöl-Unternehmer; ihm gehörte 18 Jahre der Fußballklub Inter Mailand. In dieser Zeit steckte Moratti knapp 1,2 Milliarden Euro in den Verein: Dann wurde das Geld knapp. Inter Mailand soll zudem Schulden in Höhe von rund 400 Millionen Euro haben (spiegelonline 15.10.2013). Nun hat er an den indonesischen Unternehmer Erick Thohir 70 Prozent der Anteile für 300 Millionen Euro verkauft; die restlichen 30 Prozent könnte Thohir in zwei bis drei Jahren übernehmen.
„Thohirs Astra-Konzern ist in Indonesien führend im Automobil-Handel, im Speditionsgeschäft, aber auch im Kohleabbau und in der Palmölproduktion. Hinzu kommen Kreditgesellschaften und Informationstechnologie. Ein Wirtschaftsimperium mit 170 Firmen und 185.000 Mitarbeitern” (Schönau 21.9.2013). Thohir hat im Sportsektor Anteile am NBA-Team Philadelphia 76ers, am Fußballklub D.C. United, zwei indonesische Basketball-Klubs. Er ist Präsident der Southeast Asia Basketball Association (Schönau 20.7.2013). – “Rund die Hälfte der Kaufsumme wird in die Schuldentilgung fließen, die andere Hälfte bekommt Moratti” (Schönau 21.9.2013).
Derzeitiges Fazit aus Italien: „Italiens Oligarchen geht das Geld aus, sie müssen ihre Klubs jetzt an Ausländer verschleudern“ (Schönau 30.11.2013).
Anscheinend gehört es nicht nur für die nationalen, sondern auch für die internationalen Oligarchen inzwischen zum guten Ton, in Sportklubs zu investieren.
Spanien: Aus dem Krisenland Spanien berichtete der Journalist Juan Moreno: „Wer hier längere Zeit Nachrichten schaut, versteht, warum mittlerweile die Hälfte der Sendezeit auf Sport verwandt wird. Man würde andernfalls verrückt werden. Es dreht sich alles um die Krise” (Moreno30.7.2012).
Das ist der Sinn des Spitzensports: Brot und Spiele!
“Allein Madrid sollen kurz- und langfristige Verbindlichkeiten von fast 600 Millionen Euro belasten“ (spiegelonline 3.9.2013). Der FC Barcelona hält sich mit dreistelligen Sponsoren-Millionen aus Katar über Wasser.
Großbritannien: Viele berühmte britische Spitzenvereine gehören ebenfalls amerikanischen, europäischen oder russischen und arabischen Milliardären. Malcolm Glazer übernahm 2005 Manchester United (und bürdete dem Klub die Kaufschulden auf). Der russische Oligarch Roman Abramowitsch kaufte 2003 den FC Chelsea und investierte inzwischen 600 Millionen Euro in neue Spieler. Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan aus der Herscherfamilie von Abu Dhabi kaufte 2009 den Verein Manchester City. . Der Fußballverein Cardiff City gehört inzwischen dem malaysischen Milliardär Vincent Tan (Honigstein 21.10.2013).
Frankreich: Paris St. Germain ist Eigentum von Qatar Sports Investments (QSI), damit im Besitz des Scheichs von Katar; inzwischen wurden dort 130 Millionen Euro für neue Fußballer investiert.
„Monaco und der erneut unter den großen Einkäufern zu findende Nobelclub Paris St. Germain können ihre gewaltigen Transferdefizite nur anhäufen, weil sie von Oligarchen aus Russland (Dmitri Rybolowlew, Monaco) oder Investoren aus Katar (Paris) mit Hunderten Millionen gepimpt werden” (spiegelonline 3.9.2013; Hervorhebung WZ).
Usw. usw.
Oligarchie in Russland
In Russland kann man nach dem Zerfall der ehemaligen UDSSR seit 1990 zwei Generationen von Wirtschaftsoligarchen unterscheiden: die Jelzin- Oligarchen und die Putin-Oligarchen (Wikipedia).
Unter Jelzin versuchten die Oligarchen, Teile der Staatskonzerne zu bekommen oder Rohstoffmärkte zu erobern. Oft kontrollierten sie auch die Massenmedien und nahmen Einfluss auf den Staat und die Gesetzgebung. Jelzins Wiederwahl 1996 wurde von Oligarchen (Sieben-Bankiers-Bande) finanziert.
Unter Putin wurde ein Teil der Oligarchen entmachtet, ihr weiteres Handeln von der Wahrung der vermeintlichen Staatsinteressen abhängig gemacht. Es entstand eine Gemengelage aus dem politischem Führer/Präsident im Kreml und den Oligarchen. Wer Putin zur Verfügung stand, konnte Oligarch bleiben oder werden. Putin „positionierte einige der vertrauenswürdigsten und nützlichsten Oligarchen direkt unter sich selbst im Kreml“ (Wikipedia). Der Putin-Kritiker Boris Nemzow urteilte: “Nur Oligarchen und Unternehmen mit Verbindung zu Putin würden reich” (Bilger 11.8.2013).
Exkurs: Putins eigene Oligarchen. Der Amerikaner William Browder hatte 1996 den Fonds Hermitage Capital gegründet. Der russische Anwalt Sergej Magnitski beriet ihn. Browder hat Ende Februar 2015 das Buch Red Notice. Wie ich Putins Staatsfeind Nr. 1 wurde, veröffentlicht. Browder versuchte zusammen mit Magnitski, gegen Korruption und Oligarchentum anzugehen. SZ-Autor Tim Neshitov referierte im SZ-Magazin ausführlich über Browders Buch und die Ermordung Magnitskis (Neshitov 6.2.2015). Browder beschrieb den Beginn der Oligarchenzeit unter Jelzin: „Unter Jelzin haben zwei Dutzend Oligarchen vierzig Prozent der russischen Wirtschaft untereinander aufgeteilt“ (Ebenda; Hervorhebung WZ). Putin kam 1996 von St. Petersburg nach Moskau. „Putin arbeitet nun für Jelzin. Oligarchen, die wichtige Banken und Medien kontrollieren, haben für Jelzins Wiederwahl gesorgt und sich im Gegenzug Zugriff auf weitere Staatsunternehmen gesichert (Ebenda). – „Seinen wichtigsten Sieg errang Browder über den Energiemonopolisten Gazprom. Als Putin den korrupten Gazprom-Chef feuerte, schoss die Gazprom-Aktie an einem einzigen Tag um 134 Prozent in die Höhe. Bald kostete sie bereits das 100-fache von dem Preis, den Hermitage einst dafür bezahlt hatte. (…) ‚Der Vorteil an Putin war‘, sagt Browder: ‚Als ehemaliger KGB-Agent hatte er keine Vergangenheit. Jeder durfte sich seinen Putin zusammenwünschen. Auch ich blendete viel aus, den Krieg in Tschetschenien etwa.‘ Browder bekam erst Zweifel, als ein anderer Oligarch, den er gern hinter Gittern gesehen hätte, Roman Abramowitsch, von Gazprom 13 Milliarden Dollar für eine Ölfirma kassierte, die er sich unter dubiosen Umständen angeeignet hatte. ‚Ich sah, dass Putin nicht dabei war, eine korrupte Oligarchie zu beseitigen. Er baute seine eigene auf‘“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Wie schon oben beschrieben, dienen Putin Großkonzerne, aber auch Oligarchen zur Durchsetzung seiner Interessen, auch im Sport. So ist der Konzern Gazprom Eigentümer des Fußballklubs Zenit St. Petersburg und kaufte 2012 vom FC Porto einen brasilianischen Nationalstürmer für 50 Millionen Euro. Der Stadion-Neubau von Zenit St. Petersburg kostet eine Milliarde Dollar (Aumüller 5.9.2012).
„Oligarch Usmanow, laut Forbes reichster Russe (17,6 Milliarden Dollar Vermögen), ist Chef des internationalen Fechtverbandes. Oligarch Lisin (Forbes: 14,1 Milliarden) will an die Spitze des Schützen-Weltverbandes. Oligarch Makarow (laut Forbes „nur“ 1,9 Milliarden Dollar schwer) hat bei der Wahl zum Chef des Rad-Weltverbandes mitgemischt. Er hat den Briten Brian Cooksen unterstützt, der Präsident McQuaid gestürzt hat. Cooksen sagte vor der Wahl: „In jedem olympischen Sport gibt es inzwischen einen Makarow. Oligarchen nehmen sich des Sports an, mit einem wie ihn muss man klarkommen“ (welt.de 18.7.2013).
Vergleiche im Kritischen Olympischen Lexikon: Gazprom
Putin äußerte tatsächlich im Jahr 2012: „I believe by no means shoud politics, business and other such issues be mixed up with sports“ (Ellingworth 23.7.2013. „Ich glaube, dass unter keinen Umständen Politik, Geschäft und andere solche Themen mit Sport vermischt werden sollten“).
Das Beispiel Sotschi 2014
Als Gesamtkosten waren für Sotschi 2014 zunächst 8,6 Milliarden Dollar kalkuliert. 2007 lagen die Kosten schon bei 25 Milliarden Dollar und 2010 bei über 30 Milliarden Dollar: Im Sommer 2013 rechnete man schon mit 50 Milliarden Dollar. Allein die Stromversorgung soll zwei Milliarden Dollar kosten. In diesen Kosten sind die Folgekosten der Umweltschäden noch gar nicht enthalten.
Die zehn reichsten russischen Geschäftsleute mussten auf Druck von Putin der staatlichen Sportförderung zusätzliche Finanzhilfen in Milliardenhöhe gewähren; auch die Stiftung Russische Olympioniken (SRO) um die Oligarchen Roman Abramowitsch und Oleg Deripaska musste einspringen (Hahn 2.10.2008).
Das Organisationskomitee für Sotschi soll Sponsorenverträge über eine Milliarde US-Dollar abgeschlossen haben: unter anderem mit dem Ölkonzern Rosneft, der Sberbank, der Fluggesellschaft Aeroflot und dem Konzern Rostelekom (SZ 29.12.2009).
Fünf Oligarchen und russische Konzerne wurden “eingeladen” und bauten die fünf Wintersportressorts. “Eilfertige Oligarchen haben komplette Skidörfer und Hotelkomplexe spendiert, um dem Präsidenten zu gefallen” (Cerne 3.2.2013). Der Mischkonzern von Milliardär (und Anteilseigner des österreichischen Strabag-Konzerns) Oleg Deripaska baute das Olympische Dorf, Gazprom baute das Skizentrum für Langlauf und Biathlon.
Politiker und Oligarchen mit Sportklubs
Hans-Joachim Hoppe hat in Eurasisches Magazin eine kleine Auswahl der Sponsoren und Funktionäre des Ostes zusammengefasst:
- Vladimir Putin – Präsident Russlands, kein aktiver Verbandsvorsitzender, aber Ehrenpräsident der Internationalen Sambo-Föderation, aktiver Sportler mit Verbindung zu Sambo-, Judo- und Karate-Klubs sowie zu Eishockey und dem Fußballverein FC Zenit St. Petersburg.
- Dmitry Medwedjew – Premier Russlands, kein Verbandsvorsitzender, aber Förderer des Sports und gesunder Lebensart in Russland, Skilauf, Radfahren, Badminton und Fischen.
- Arkady Dworkowitsch – Vizepremier der russischen Regierung, Erster Vizepräsident, jetzt Aufsichtsratsvorsitzender des Russischen Schachverbands, Vorstandsmitglied des Russischen Fußballbundes.
- Dmitry Kozak – Vizepremier und Hauptkoordinator der Vorbereitungen der Olympischen Winterspiele in Sotschi.
- Alexander Zhukov – Duma-Vizepräsident, Vorsitzender des Russischen Olympischen Komitees, ehemaliger Vorsitzender des Russischen Schachverbandes.
- Kirsan Iljumschinow – ehemaliges Oberhaupt der Teilrepublik Kalmückien der Russischen Föderation, Präsident des Weltschachverbandes FIDE.
- Michail Prochorow – russischer Unternehmer, Oppositionsführer, Präsidentschaftskandidat 2012, Teilhaber des Basketball-Klubs Brooklyn Nets, Sponsor des Moskauer Armeeklubs ZSKA Basketball, Hockey und Fußballklubs, Präsident des Russischen Biathlon-Verbands.
- Roman Abramowitsch – russischer Oligarch, Eigentümer des englischen Fußballklubs FC Chelsea,
- Boris Rotenberg – Putins ehemaliger Judo-Trainer, Präsident des FC Dynamo Moskau, Aufsichtsratsvorsitzender Vasiliy Titov von der VTB-Bank.
- Alexei Miller – Vorstandsvorsitzender von GAZPROM, Vizepräsident des Russischen Fußballbundes.
- Ahmed Bilalov – Mitglied des Föderationsrats, Vizepräsident des Russischen Olympischen Komitees, Leiter der Gesellschaft der „Kurorte des Nordkaukasus“, im Februar 2013 aus seinen Ämtern entlassen
(Hoppe 3.10.2013; vgl. auch Ellingworth 23.7.2013).
Rosa Chutor
Das neue Skiressort Rosa Chutor wurde vom russischen Oligarchen Wladimir Potanin erbaut: “Er hat beste Beziehungen zum Kreml. Rund 2,5 Milliarden US-Dollar hat er eigenen Angaben zufolge allein in das Skigebiet Roza Chutor investiert. Dass das in absehbarer Zeit Profit abwirft, ist unwahrscheinlich” (Dornblüth, Gesine, Vom Badeort zum Wintersportmekka, in deutschlandfunk.de 5.1.2014). Der Direktor von Rosa Chutor, Aleksandr Belokobylskij, erläuert am Modell von Rosa Chutor: „Wir haben das meiner Meinung nach größte System für Kunstschnee an einem Kurort gebaut. Hier sind zwei Wasserreservoirs, von dort transportieren vier Pumpstationen das Wasser hoch bis zum Start der Abfahrt der Männer. Wir haben bereits 406 Schneekanonen fest installiert und weitere 25 mobile Kanonen. Das ist das größte System in Europa” (Ebenda). – “Potanin wird nach den Spielen an jedem Skipass, jeder Bratwurst und jedem Bier verdienen – ganz Chutor ist Privatbesitz” (Spannagel, Lars, Olympias Sklaven machen es möglich, in tagesspiegel.de 4.1.2014). – „Geld ist der wichtigste Schlüssel Putins zum Powerplay im Sport. Wie das funktioniert, erklärte im Frühling 2014 erstaunlich offen der Oligarch Wladimir Potanin, der zuvor mehrere hundert Millionen Franken in den Aufbau des olympischen Skigebiets in Rosa Chutor bei Sotschi gesteckt hatte. Der russischen Ausgabe des Magazins ‚Forbes‘ sagte er: ‚Das ganze Gerede, dass man Koffer voller Geld bringt, und dann läuft alles – das ist Unsinn. Wenn du Geld für die Organisationen gibst, bedeutet das, dass du die Möglichkeit erhältst, Wettkämpfe durchzuführen und in Führungspositionen zu kommen. Das ist viel effizienter als alle Koffer voller Geld‘ (Geisser, Remo, Gertsch, Christof, Donath, Klaus-Helge, Steffen, Benjamin, Kopp, Andreas, Putins schmutzige Sportarmee, in nzz.ch 16.11.2015).
Staatsgelder
Russland musste – unabhängig von den Investitionen der fünf Firmengebilde – allein geschätzte 24 Milliarden Euro für Infrastrukturmaßnahmen aufbringen: für z.B. für das Olympiastadion (44.000 Plätze), das Olympische Dorf mit vorgelagertem Yachthafen, Flughafen, Elektrizitätswerk, Medienzentrum, Themenpark, Schnellbahn etc. Offiziell arbeiten 50.000 Arbeiter daran, inoffiziell wird von 200.000 Arbeitern gesprochen (Smejkal 13.2.2012). Allein die neuen Verkehrswege kosteten sechs Milliarden Euro.
“Viele Bauprojekte wurden ohne Ausschreibung vergeben. Oft kamen dabei Kreml-nahe Oligarchen und Putin-Freunde zum Zug, etwa die Gebrüder Rotenberg. Arkadij und Boris Rotenberg sind Wladimir Putin seit der Jugend freundschaftlich verbunden, der Präsident war ihr Judopartner. Rotenberg-Firmen bauen Gasleitungen in Sotschi, den Flughafen und bekamen besonders häufig den Zuschlag beim Straßenbau. Der Sektor gilt in Russland als chronisch korruptionsverseucht. Das olympische Auftragsportfolio der Rotenbergs beläuft sich laut Nemzow auf rekordverdächtige sieben Milliarden Dollar. Arkadij Rotenberg war 2010 zum ersten Mal in der Liste der reichsten Russen des Magazins Forbes aufgetaucht. Zuletzt machte er von Rang 63 einen Satz nach vorn auf Position 31. Sein Vermögen wird auf 3,3 Milliarden Dollar taxiert” (Bidder 31.5.2013).
Man sollte nicht das Schicksal der Menschen in Sotschi vergessen, die von den Oligarchen-Sportgeschäften betroffen sind: “Keinen Augenblick denkt ein großer Macher an das Leid, das Umsiedlungen von Menschen nach sich ziehen, an den Kater nach dem großen Fest, an die Schuldenlast, die Jahrzehnte drücken wird. In einer Zeit, in der Staaten vor dem finanziellen Kollaps stehen, ist diese Haltung bedenklich” (Geisser 12.2.2012).
Exkurs: Roman Abramowitsch
Der russische Milliardär Roman Abramowitsch ist Oligarch von Wladimir Putins Gnaden (russischer Präsident von 2000 bis 2008 und wieder ab 2012). “Lange Zeit galt Abramowitsch als wichtigster Oligarch im Umfeld des damaligen Präsidenten Wladimir Putin” (Wikipedia). Er machte sein Vermögen in der Zeit, als Boris Jelzin russischer Präsident war und hielt Beteiligungen im Erdöl- und Aluminiumbereich sowie weitere Industriebeteiligungen. Abramowitsch „gilt als einer der entscheidenden Wegbereiter für den Machtwechsel von Ex-Präsident Boris Jelzin zu Putin im Jahr 2000“ (Wikipedia).
Abramowitsch hatte 2012 laut Forbes ein Vermögen von über 13 Milliarden Dollar. Ihm gehören drei Yachten von jeweils über 100 Metern Länge, darunter die größte der Welt mit Raketenabwehrsystem und Anti-Paparazzi-System; dazu zwei U-Boote, ein vierstrahliger Airbus A340-313X und diverse Schlösser in Südfrankreich sowie eine Sammlung von Gemälden, u. a. von Francis Bacon und Lucian Freud.
Auf Putins Wunsch engagierte sich Abramowitsch stark bei den Bauten der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi. Seine Baufirma profitiert von Aufträgen in Sotschi für die Olympischen Winterspiele 2014. Abramowitsch wird dem autokratischen russischen Präsidenten auch bei der Durchführung der Fußball–WM 2018 als Berater helfen.
2003 kaufte er für 210 Millionen Euro den englischen Fußballklub FC Chelsea und investierte seither rund 760 Millionen Euro. Zum Champions-League-Finale im Mai 2012 flog Abramowitsch mit Freunden in fünf Flugzeugen zum EM-Finale 2012 in München ein, wo seine Mannschaft FC Chelsea das Endspiel gegen den FC Bayern gewann. Der Pokal der Champions League 2012 kostete ihn einschließlich Kaufpreis für Chelsea und den Investitionen in die Spieler die Irrsinnssumme von einer Milliarde Euro (Schmieder 20.5.2012).
Mit all diesen Attributen ist Abramowitsch für Putin der ideale Sport-Oligarch.
Manchmal allerdings läuft es auch für einen Oligarchen nicht so gut: „Vor wenigen Tagen soll in den USA der Milliardär Roman Abramowitsch vernommen worden sein. Abramowitsch, Besitzer des Champions-League-Siegers FC Chelsea, hält sich derzeit in New York auf, seine Frau erwartet ein Kind. Abramowitschs Anwälte dementierten gegenüber russischen Medien lediglich, dass der Öl-Magnat festgehalten worden sei, nicht aber das Interview mit den FBI-Agenten. Die russische WM-Bewerbung hatte Abramowitsch auf Geheiß des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen russischen Präsidenten Wladimir Putin tatkräftig unterstützt“ (Weinreich 28.3.2013).
Ein weiteres Beispiel aus dem Oligarchen-Fußball: Der Klub Anschoi Machatschkala war seit Januar 2011 ein Projekt des Oligarchen Sulejman Kerimow aus Dagestan. Kerimow ist “selbstverständlich bestens verdrahtet mit dem Kreml, reich geworden mit der Investmentfirma Nafta Moskau… regelmäßig war er unter den 20 reichsten Männern des Landes” (Aumüller 14.8.2013). Dazu ist er einer der Haupteigentümer beim Düngemittelhersteller Uralkali, der derzeit mit Dumpingpreisen für Dünger dem deutschen Düngemittelkonzern Kali+Salz diverse Probleme verursacht. Kerimow beschäftigte u. a. den Fußballstar Samuel Eto’o (32) – für angeblich 20 Millionen jährlich. Die Mannschaft lebte während d