Zum Inhalt springen

Nuzman, Carlos

Vergleiche auch: Rio 2016, Doping, Bestechung etc.

Chronologie zum Fall Carlos Nuzman (*1942). Volleyball-Spieler.
Von 1975 bis 1996 Präsident des brasilianischen Volleyballverbandes, 1984 bis 1998 Vizepräsident und seit 1998 Ehrenvizepräsident des Internationalen Volleyballweltverbandes (FIVB), seit 1995 Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Brasilien, Präsident des Organisationskomitees für die Panamerikanischen Spiele 2007 in Rio, Präsident des Südamerikanischen Sportverbandes (ODESUR) seit 2003, Mitglied des IOC von 2000 bis 2012, IOC-Ehrenmitglied seit 2013, von 2009 bis 2016 Präsident des Organisationskomitees für die XXXI. Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro (Wikipedia). Seit Oktober 2017 in Haft

August 2016

Thomas Kistner über die Eröffnungsfeier Rio 2016: „In Rio haben drei Männer die Spiele eröffnet. Nuzman, ein klassischer, von Skandalen umwitterter Sportfunktionär. Temer, ein Interims-Staatschef, in dessen Umgebung Ermittlungen laufen und den das Publikum für einen Satz auspfiff. Und Bach, heute der umstrittenste Sportfunktionär der Welt, dessen Popularitätswerte mit denen von Sepp Blatter wohl nicht einmal mehr konkurrieren: Der Patron der Fifa hat seine Geschäftspolitik wenigstens nicht über die Athleten ausgetragen. Wenn drei solche Männer an die Jugend der Welt appellieren, darf man ihnen in dem Punkt recht geben: Sie schicken eine starke Botschaft in die Welt. Man muss gedopt sein, um an die Spiele zu glauben“ (Kistner, Thomas, Pfiffe wie beim siebten Tor, in SZ 8.8.2016).

Warum Thomas Bach bei Rio 2016 die Paralympics nicht erwähnte – aus einem Fazit von René Hofmann in der SZ: „Seit September 2013 hat das Internationale Olympische Komitee einen neuen Präsidenten: den einstigen Fechter Thomas Bach. Die Spiele in Rio de Janeiro waren die erste Sommerausgabe, bei der er die Schlussformeln sprach. Bach bedankte sich bei den Gastgebern. Bach erklärte die Spiele für beendet. Bach rief die Jugend der Welt auf, sich in vier Jahren wieder zum sportlichen Wettstreit zu versammeln – dann in Tokio. Vieles war wie so oft. Eines aber fehlte: Mit keiner Silbe erwähnte der 62-Jährige, dass da demnächst doch noch ein großes Sportfest stattfindet in derselben Stadt. Am 7. September sollen die Paralympischen Spiele beginnen, für die elf Wettkampftage geplant sind. Auch in der – außerordentlich ausführlichen – Rede von Carlos Nuzman, dem Chef des Organisationskomitees von Rio 2016, fehlte der Hinweis. Ob das Zufall war? Wohl kaum. Die Paralympics bergen für beide Sprengstoff“ (Hofmann, René, Mutiger als Bach, in SZ 24.8.2016).

September 2017

Carlos Nuzman, die neue Korruptionsfigur bei Rio 2016
„Womöglich hat Carlos Arthur Nuzman nach all den Jahren im Olymp gar nicht mehr befürchtet, dass so etwas passieren könnte. Dienstagmorgen um sechs Uhr aber kamen sie plötzlich durch seine Haustür im noblen Strand-Stadtteil Leblon, die Staatsanwälte von Rio de Janeiro, sie kamen auch im Auftrag ihrer französischen Kollegen sowie der Behörden von Antigua und Barbuda. Stunden später musste Brasiliens Chef-Olympier, Ehrenmitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und Organisationschef der Rio-Spiele 2016, seinen Reisepass abgeben und zum Polizeiverhör. Nuzman, 75, soll im Zuge der Spiele-Vergabe anno 2009 massive Stimmkäufe für Rio bei Olympiafunktionären in Afrika orchestriert haben“ (Kistner, Thomas, Geschäfte mit König Arthur, in SZ 6.9.2017).
Thomas Kistner berichtet über den nicht vorhandenen „Unterschied“ zwischen dem IOC und der Fifa: „Der Unterschied zu den Ermittlungen um den Fußball-Weltverband, welche die US-Justiz leitet, beschränkt sich bald nur noch auf die Anzahl der Festnahmen und Durchsuchungen. Eine dramatische Entwicklung; noch vor zwei Jahren, nach ersten FBI-Zugriffen am Zürcher Standort der Fifa, hatte IOC-Chef Thomas Bach die Fußball-Funktionärsbrüder mit Hinweis auf den eigenen olympischen Korruptionsskandal zur Jahrtausendwende ermutigt, ‚alles auf den Tisch zu legen‘. Zweitens: Der Zuschlag für die Sommerspiele 2024 an Paris hindert Frankreich nicht daran, breite Strafermittlungen zum Thema Stimmenkauf für Olympia voranzutreiben. Neben Rio hat die 2013 kreierte Pariser Sonderstaatsanwaltschaft Parquet National Financier (PNF) auch die nächsten Sommerspiele im Visier: Tokio 2020. (…) Die Verdachtsfälle in Rio und Tokio zeigen ja dasselbe Muster. Kurz vor den Spiele-Vergaben in den Jahren 2009 bzw. 2013 flossen Millionen über Konten im engen Bewerberumfeld; Empfänger waren Firmen des Sohnes des mächtigsten Afrika-Funktionärs, Lamine Diack. Das IOC-Mitglied aus Senegal präsidierte auch dem Leichtathletik-Weltverband IAAF. Im Jahr 2015 flog auf, dass sein Sohn Dopingfälle gegen Geld vertuscht haben soll, seither steht Diack, 84, in Frankreich unter Hausarrest. Den umtriebigen Filius sucht Interpol per Haftbefehl. Tokios Bewerber hatten einer Firma Diacks zwei Millionen Dollar für angebliche Beratungen bezahlt. Zur Frage, warum die erste Tranche an den dubiosen Kontakthändler erst drei Wochen vor der Kür floss, schweigen Tokios Bewerber bisher; sie stufen ihren Beratervertrag als so vertraulich ein, dass sie ihn nicht offenlegen wollen“ (Ebenda).

Der Korruptions-Zeuge Eric Maleson
„Der Appell an das Internationale Olympische Komitee erging im April 2014. ‚Harte Beweise‘ hätten sie vorgelegt, berichtete Eric Maleson damals, Beweise ‚für Korruption, Verstöße gegen IOC-Statuten und Wahlbetrug‘ rund um die Rio-Spiele 2016. Auch IOC-Chef Thomas Bach hätten sie informiert, er selbst und weitere renommierte Repräsentanten des brasilianischen Sports. Doch ‚leider war das IOC außerstande, diese ernsten Sachverhalte zu untersuchen‘. Medien auf der ganzen Welt berichteten damals über Malesons Vorwürfe. Und dann geschah: erst mal nichts. Dreieinhalb Jahre später hat der Brasilianer Maleson die Unterlagen wieder zur Hand, Mails, Faxe und Briefe, die er dem IOC vorgelegt haben will. Zu den Rio-Spielen – und zur Schlüsselfigur aller Affären: zu Carlos Arthur Nuzman, dem IOC-Mitglied, das über Dekaden Brasiliens Nationales Olympisches Komitee (BOC) führte. Eric Maleson war Chef des brasilianischen Eissportverbandes und Vizepräsident im Bob-und-Schlitten-Weltverband IBSF. So einen Whistleblower hätte man ernst nehmen können. Das taten internationale Strafbehörden. Und dass Malesons Vorwürfe wohl berechtigt waren, stellte am vergangenen Dienstag eine Razzia der Bundespolizei in zehn Häusern und Büros von BOC-Mitgliedern in Rio klar. Staatsanwältin Fabiana Schneider sagte: Olympiaboss Nuzman sei ‚zentrales Element‘ in einer Betrugs- und Geldwäscheoperation, die Spinne im Netz eines ‚internationales Korruptionsnetzwerks’“ (Kistner, Thomas, Korruptionsverdacht gegen die Königsmacher, in SZ 9.9.2017). Das IOC verwies dagegen auf eine „private Vendetta“ zwischen Maleson und Nuzman. „Das zielt auf einen Machtkampf zwischen Nuzman und Maleson. Letzterer war 2012 gegen den ewigen Olympiaboss bei der NOK-Wahl anzutreten. Maleson unterlag. Dass aber auch diese schmutzige Kür über das angehende Spiele-Land hinaus publik wurde, dafür sorgte ein Video von Überwachungskameras: Es zeigte Nuzman im Februar 2012 beim Eindringen ins Büro des von Maleson geführten Eissportverbandes. Der Sportsender ESPN strahlte die Episode sogar aus. Doch in der Olympiastadt unter Gouverneur Sergio Cabral hatten Männer wie Nuzman wenig zu befürchten. Cabral sitzt inzwischen seit zehn Monaten in Haft. Wegen Korruption, ebenfalls im Spiele-Kontext. Maleson ist empört, dass das IOC seine Vorstöße auf eine Privatfehde reduziert. Er hätte erwartet, dass der Ringe-Clan ihn wenigstens mal anhört zu seinen massiven Vorwürfe zu Korruption, Wahlbetrug und Regelbrüchen. Stattdessen verlor der Olympiateilnehmer von 2002 bald alle Ämter. Und wurde Zeuge der Justiz“ (Ebenda).

Bachs Königsmacher unter Anklage
„Als der Deutsche Thomas Bach im Herbst 2013 zum Chef gekrönt wurde, standen ihm IOC-Figuren mit großem Einfluss in ihren Hemisphären zur Seite. Vorneweg Asien-Chef Ahmad al-Sabah aus Kuwait, wo Bach vor seiner Inthronisierung berufliche Kontakte pflegte. Dann der Ire Patrick Hickey, Boss der Olympia-Komitees in Europa und al-Sabahs Vize an der Spitze des Weltverbandes aller Olympiakomitees. Der bereits erwähnte Lamine Diack, Anführer der Afrika-Fraktion im IOC. Und Nuzman, Schattenmann in Südamerika. Inzwischen steht die komplette Gruppe im Visier internationaler Strafbehörden. Al-Sabah, der sich offen als Bachs Königsmacher bekannte, wird als ‚Mitverschwörer‘ in einer FBI-Ermittlung geführt. Diack ist Zentralfigur der Affäre um die Olympia-Vergaben, er steht in Paris unter Hausarrest. Hickey wurde bei den Rio-Spielen im Zuge einer Schwarzmarkt-Ermittlung über Monate inhaftiert. Jetzt Nuzman, der Rio-Macher“ (Kistner, Thomas, Korruptionsverdacht gegen die Königsmacher, in SZ 9.9.2017).

Und die Vergabe 2014 an Sotschi?
„Und die Rio-Razzien erweisen sich als Fundgrube. So fand sich bei Brasiliens Olympiaboss auch ein russischer Reisepass – auch den hatte Maleson bei der PNF angezeigt. Für die Ermittler nährt vor allem dieser russische Pass den Verdacht, Nuzman könne ihn bei der Kür 2007 für ein Votum für die Winterspiele 2014 in Sotschi erhalten haben. Damit rückt eine weitere Vergabe ins Visier“ (Ebenda).

Schon drei Vergaben unter Korruptionsverdacht
„Schon jetzt ist eine größere Dimension erkennbar als beim Salt-Lake-City-Skandal zur Jahrtausendwende. Drei Spielevergaben stehen inzwischen unter Korruptionsverdacht: Sotschi 2014, Tokio 2020 – und eben Rio 2016 (SZ vom 09.09). (…) Und auch im IOC rumort es inzwischen. Richard Pound, als unbeliebter Querdenker bekannt, rügt im Nachrichtendienst AP die Untätigkeit des IOC: ‚Wir brauchen mehr Biss, wir kassieren Schlag auf Schlag vor den Augen der Welt, und es ist nichts zu sehen, was wir dagegen tun.‘ Der kanadische Anwalt fordert auch, Nuzman müsse zur Abgabe der IOC-Ehrenmitgliedschaft gedrängt werden. Ein anderer Olympier hat das just in Lima ganz diskret getan hat: Der in den Ticketskandal von Rio 2016 verwickelte Patrick Hickey trat aus der IOC-Exekutive zurück. Warum jetzt erst? Der Ire war bei den Spielen verhaftet worden; sein Prozess soll im Herbst stattfinden“ (Kistner, Thomas, Verhaftungen nicht ausgeschlossen, in SZ 11.9.2017).

Jurist und IOC-Präsident Bach wiegelt (wieder einmal) ab
„IOC-Präsident Thomas Bach hat das Vorgehen des Internationalen Olympischen Komitees in der Korruptionsaffäre um Carlos Arthur Nuzman, dem Organisationschef der Spiele in Rio de Janeiro 2016, verteidigt. ‚Wir haben das getan, was wir tun konnten‘, sagte der 63-Jährige beim IOC-Gipfel in Lima. Bach erklärte, dass Rechtsanwälte für das IOC-Ethikkomitee Kontakt zu den brasilianischen Behörden aufgenommen haben, um Informationen in dem Fall zu erhalten. ‚Sobald Beweise vorliegen, werden wir handeln‘, sagte er. Eric Maleson, ein brasilianischer Funktionär, hatte schon 2014 erklärt, dem IOC seien harte Beweise für ‚Korruption und Wahlbetrug‘ rund um die Rio-Spiele 2016 zugeleitet worden. Bach wies das nun zurück: ‚Wenn es irgendwelche Beweise gegeben hätte, hätten wir diese auch verfolgt’“ (SZ, SID, Bachs Gegenwehr, in SZ 13.9.2017).

Bach verbiegt hier bewusst die Wahrheit
„Die Operation Unfair Play basiert auf Informationen der französischen Justizbehörden. Demnach sollen stimmberechtigte IOC-Leute Schmiergelder vor Rios Kür im Oktober 2009 erhalten haben. Bach wollte nicht ausschließen, dass es im IOC weiterhin zu Verstößen gegen die Gesetzeslage komme. ‚Keine Organisation in der Welt ist immun, kein Gesetz ist so perfekt, dass es nicht gebrochen werden kann‘, sagte der deutsche Funktionär“ (Ebenda).
Dazu Johannes Aumüller mit einem Rückblick auf Bachs Rolle in der SZ: „Thomas Bach gab sich angespannt und bittend zugleich. Erstens: Das Ganze sei eine ‚ernstzunehmende Geschichte‘. Aber zweitens: Man möge ob des Fehlverhaltens Einzelner nicht ‚die gesamte Institution verteufeln‘. Fast 20 Jahre sind diese Zitate alt. Damals lag das Internationale Olympische Komitee in Trümmern wegen einer Bestechungsorgie bei der Vergabe der Winterspiele 2002 nach Salt Lake City. Quasi sinngleich hat Bach, heute Boss des IOC, diese Haltung beim Treffen des Ringe-Zirkels in Lima wiederholt. Und so aufs Beste illustriert, dass er und die Seinen das Publikum weiter blenden möchten. Mit Vollgas driftet das IOC in einen Skandal, der Salt Lake City weit in den Schatten stellen dürfte – und der es mit dem des Fußball-Weltverbandes aufnehmen kann. Staatsanwälte gehen dem Verdacht nach, dass mindestens die Entscheide für Rio 2016 und Tokio 2020 manipuliert wurden. Drei olympische Kernfiguren (Carlos Nuzman, Lamine Diack, Frankie Fredericks) haben sie bisher im Visier, zwei weitere (Pat Hickey, Scheich al-Sabah) stecken mit verwandten Problemen ebenfalls fest im Sumpf. Es ginge aber um mehr Verdächtige, lassen die Behörden anklingen, darunter seien ‚bekannte und hochrangige‘ Personen. (…) Rio & Co. sind nicht nur Affären Einzelner; es sind IOC-Affären. Und wie einst bei der Fifa und Sepp Blatter verwundert auch hier, dass der sonst omnipräsente Präsident von den mutmaßlichen Verfehlungen der Mitglieder nie etwas mitbekam. Aber das war schon bei der Salt-Lake-Vergabe so. Obwohl Bach damals Chef der Prüfkommission war“ (Aumüller, Johannes, Sportpolitische Mülltrennung, in SZ 13.9.2017).

Oktober 2017

Nuzman wegen Verdacht des  Stimmenkaufs festgenommen
„Der Chef des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro, Carlos Arthur Nuzman, ist wegen des Verdachts des Stimmenkaufs inhaftiert worden. Die Festnahme erfolgte in seinem Haus im Stadtteil Leblon in Rio. Auch der Marketingchef der Spiele, Leonardo Grynner, wurde festgenommen, berichtete die Onlineausgabe von ‚O Globo‘. Vor einem Monat war bereits Nuzmans Anwesen durchsucht worden – er ist auch seit 22 Jahren der Chef des Nationalen Olympischen Komitees Brasiliens. Bei der IOC-Vollversammlung in Lima hat der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, gesagt: ‚Wenn Beweise vorgelegt werden, werden wir handeln.‘ Insgesamt verfolgt das IOC aber weiter die Linie, dass es sich um Einzelfälle und keinen Fehler im Olympia-System handelt. Auslöser für die Festnahme waren Ermittlungen der französischen Justiz. Nuzman steht unter Verdacht, Geldzahlungen an afrikanische Mitglieder des IOC für eine Zustimmung zu Olympia in Rio vermittelt zu haben. …) Rio hatte sich 2009 gegen Madrid, Tokio und Chicago durchgesetzt. Drei Tage vor der Abstimmung sollen dem Sohn Diacks zwei Millionen Dollar von einem brasilianischen Unternehmer überwiesen worden sein“ (Rios Olympia-Chef festgenomme, in spiegelonline 5.10.2017).

IOC reagiert doch noch
Einen Tag nach seiner Festnahme in Rio de Janeiro ist Carlos Nuzman als Ehrenmitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vorläufig suspendiert worden. Auch das brasilianische NOK wurde von der IOC-Exekutive vorübergehend ausgeschlossen. Das teilte das IOC in Lausanne mit. Der 75-jährige Nuzman, Chef des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro, war am Donnerstag wegen des Verdachts des Stimmenkaufs festgenommen worden. Auch aus der Koordinierungskommission für die Sommerspiele 2020 in Tokio wurde der brasilianische NOK-Chef ausgeschlossen“ (IOC schließt brasilianisches Olympia-Komitee aus, in spiegelonline 6.10.2017).
„Die Ermittlungen der Strafbehörden zu den olympischen Spiele-Vergaben 2016 an Rio de Janeiro und 2020 an Tokio schreiten gut voran; entsprechend flott lichten sich die Reihen im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). In Rio wurde am Donnerstagmorgen Carlos Nuzman verhaftet und ins Polizeigefängnis verbracht. Der Spiele-Organisationschef 2016 ist seit vier Jahren IOC-Ehrenmitglied; zudem gehört er der IOC-Koordinierungskommission für die Sommerspiele 2020 in Japan an. (…) Bei den Razzien kürzlich in Rio fand die Bundespolizei mehr Belastungsmaterial in Geschäfts- und Privatmails. Nuzman gilt nun als Mittelsmann in einem ‚genialen, umfänglichen Korruptionsgeflecht‘, das zum Stimmenkauf für die Wahl Rios zur Olympiastadt am 2. Oktober 2009 in Kopenhagen angelegt worden sei. Die Ermittlungen unter dem Codenamen ‚Unfairplay‘ laufen in Kooperation mit Behörden in Frankreich und den USA. Gekauft haben sollen Nuzmans Rio-Bewerber etwa das Votum des damaligen Chefs des Leichtathletik-Weltverbands IAAF und IOC-Mitglieds Lamine Diack. Aus dem Bewerber-Umfeld waren drei Tage vor der Städte-Wahl zwei Millionen Dollar von dem brasilianischen Unternehmer Arthur Soares an eine Firma von Diacks Sohn geflossen. Beide sind von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben“ (Kistner, Thomas, Rio-Chef verhaftet, in SU 6.10.2017).

Nuzmans Schweizer Gold-Tresor
„Der Chef-Organisator der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro, Carlos Nuzman, muss wegen Bestechungsverdacht auf unbestimmte Zeit in Untersuchungshaft bleiben. Das entschied ein Richter in Rio de Janeiro. Die Staatsanwaltschaft habe deutliche Beweise für kriminelle Handlungen vorgelegt, berichtete am Montag das Portal ‚O Globo‘. (…) Rio hatte sich am 2. Oktober 2009 in Kopenhagen gegen Madrid, Tokio und Chicago durchgesetzt. Berichten zufolge soll etwa die Stimme des langjährigen Chefs des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF und IOC-Mitglieds Lamine Diack aus dem Senegal gekauft worden sein. Drei Tage vor der Abstimmung sollen dem Sohn Diacks zwei Millionen Dollar von dem brasilianischen Unternehmer Arthur César Soares de Menezes Filho überwiesen worden sein, in Rio als ‚König Arthur‘ bekannt. Nach Medienberichten soll Nuzman zudem in der Schweiz in einem Safe 16 Kilogramm Gold gelagert haben“ (Rios Olympia-Chef bleibt in Haft, in spiegelonline 10.10.2017).
Carlos Arthur Nuzman hat binnen der letzten zehn Jahre, in denen er diverse Spitzen-Ehrenämter ausübte, sein privates Vermögen um 457 Prozent vermehrt. Dies tat jetzt die Staatsanwaltschaft kund. Ein Schlüssel, den sie Anfang September bei Razzien in den Gemächern des IOC-Mitglieds fand, führte gar direkt zum Gold: 16 Barren, versteckt in einem Genfer Schließfach, Wert rund 560 000 Euro. (…) Im Fokus stehen Zahlungen wie zwei Millionen Dollar an eine Firma des Senegalesen Papa Massata Diack, die drei Tage vor der Rio-Kür im Herbst 2009 in Kopenhagen flossen. Der Sohn des langjährigen Leichtathletik-Weltverbandschefs Lamine Diack soll dafür Vaters Votum und das anderer afrikanischer IOC-Leute besorgt haben. (…) Das Vater-Sohn-Syndikat hinterließ auch in anderen Verdachtsfällen Spuren: von der angeblichen Erpressung osteuropäischer Leichtathleten, die sich von Dopingsünden freikaufen durften, bis zu jenen neuerlichen zwei Millionen Dollar, die 2013 an Diack flossen; diesmal aus Japan, rund um die Spielevergabe 2020 an Tokio. Während der flüchtige Diack sich als Opfer ‚der größten Lüge im Weltsport‘ sieht, teilt Rios Chefermittlerin Brisantes mit. Staatsanwältin Fabiana Schneider fand anhand konfiszierter Dokumente heraus, dass Nuzman und sein Vize Gryner ’sehr direkte Gespräche mit Papa Massata Diack hatten, in denen Summen präzisiert wurden, die auf Konten gezahlt werden sollten‘. Das darf im Olymp als Hornstoß der Strafbehörden interpretiert werden. Womöglich könnten viele Funktionäre involviert sein, das legen Mails des Diack-Sohns an Nuzman/Gryner nahe. Darin bettelt er um Geld, er sei bei Personen ‚in Verlegenheit geraten, die auf unser Engagement in Kopenhagen vertrauten‘. Daneben läge in der Logik einer Stimmkauf-Operation, dass es mehr Funktionäre bräuchte. Rio schlug Chicago, Tokio und am Ende Madrid mit 66:32 Voten. Und wo 100 Wahlleute antreten, braucht es starke Allianzen – zumal für einen Kandidaten, der schon nach den chaotischen Panamerika-Spielen 2007 Zweifel geweckt hatte“ (Kistnner, Thomas, 16 Goldbarren im Genfer Schließfach, in SZ 9.10.2017).

Nuzmans russischer Pass
Thomas Kistner
in der SZ: „Es sieht nicht gut aus für Carlos Nuzman. Dem Chef der Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro wird Geldwäsche, Korruption und Stimmen-Kauf angelastet; Brasiliens Justiz hat seine vorläufige Haft nun auf unbestimmte Zeit verlängert. Auch die Aussichten, auf Kaution frei zu kommen, sind mau für das langjährige Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die Bundespolizei fand heraus, dass mit Nuzmans olympischen Funktionen ein Vermögensanstieg einher ging, der sich diametral verhält zur ruinösen Verfassung des nationalen Sports und der städtischen Finanzen. Allein dieses Jahr wurde er um 1,4 Millionen Dollar reicher, von denen dummerweise 1,2 Millionen aus dem Steuerparadies der Britischen Jungferninseln flossen. Das nährt den Verdacht der Ermittler, dass Nuzman Teilnehmer an einem organisierten Verbrechen sei – und den auf Fluchtgefahr. (…) Bis zuletzt gestützt hat ihn nur: das IOC. Obwohl ihm im Zuge zahlreicher Razzien schon vor Wochen seine Ausweise abgeknöpft worden waren; darunter, hoppla, ein russischer Pass! Erst, als die Gitter zugeschnappt waren, rang sich das IOC zu einer Suspendierung durch. Dabei legen die Strafermittlungen zu den Spiele-Vergaben an Rio 2016 und Tokio 2020 schon jetzt nahe: Die Affäre beginnt erst, ihre Dimension dürfte gewaltig sein; das IOC kann schon mal ein Ständiges Suspendierungskomitee einrichten. Derlei ist aber nicht zu erwarten von einem Gremium, dessen Glaubwürdigkeit auf Augenhöhe des Fußball-Weltverbandes Fifa dümpelt. (…) Nun der Fall Nuzman. Auch der führt tief ins olympische Innenleben. In Kürze vernehmen die Ermittler Nuzmans langjährige rechte Hand: Bernard Rajzman, Volleyballer wie Nuzman und dessen Nachfolger im IOC. 2013 wurde Rajzman berufen (und Nuzman Ehrenmitglied). Eine Menge wird passieren, und das IOC nicht länger so tun können, als täte es alles für die Aufklärung. Was kommt, zeigen schon die Fragen, die nun die Justiz hat. Wie kam Nuzman zu einem russischen Pass: Bekam er den etwa für ein Votum für die Sotschi-Spiele 2014? Und wie erklären Japans Spiele-Betreiber 2020 den Ermittlern, dass sie zwar (wie Nuzman und Co. für Rio) Millionen an die Firma desselben afrikanischen Stimmenhändlers zahlten – dass aber in ihrem Fall alles korrekt gelaufen sein soll?“ (Kistner, Thomas, Mit russischem Pass, in SZ 11.10.2017).