Wolfgang Zängl 10.12.2010, aktualisiert 3.3.2011
Vorbemerkung
Anlässlich der Bewerbung um Olympische Winterspiele 2018 in München offenbart sich ein Konfliktfeld zwischen den Sportorganisationen Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) und Deutscher Alpenverein (DAV) einerseits und Bund Naturschutz und weiteren Naturschutzorganisationen. Letztlich geht es um die Deutungshoheit des Begriffs Naturschutz, die zunehmend vom Sport usurpiert wird. Deshalb soll im Folgenden die von den Sportverbänden konsequent und bewusst eingeschlagene Entwicklung skizziert werden.
1) Der Sport kooptiert die Naturschutz-Institutionen
Kooptation schafft geschlossene und kohäsive Gruppen, die meistens ihresgleichen rekrutieren und Andersdenkende durch die eigene Einigkeit ausschließen. (Wikipedia)
Im Jahr 1999 wurde an der Deutschen Sporthochschule Köln das „Institut für Natursport und Ökologie“ gegründet. Es war aus dem „Institut für Schwimm-, Wasser-, Winter- und Kampfsport“ (! W.Z.) hervorgegangen („Wir über uns“). Sein derzeitiger Leiter, Prof. Ralf Roth, zeichnet für das Umweltkonzept von München 2018 verantwortlich.
Die Expertise über die Umweltkonformität der Bewerbungsgesellschaft wird quasi im eigenen Haus erstellt. Unabhängigkeit sieht anders aus. Aber genau zu diesem Zweck war das Institut an der Sporthochschule Köln gegründet worden: ökologische Kompetenz zu signalisieren und die Transformation des Begriffs „Sport“ zu „Natursport“ zu leisten.
Im Januar 2009 stellten der Generaldirektor des DOSB, Michael Vesper und die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Beate Jessel, den europäischen Leitfaden „Natura 2000 – Sport und Tourismus“ vor. „Natursportler, die es in schöne Landschaften zieht, sind wichtige Verbündete des Naturschutzes“, äußerte Frau Jessel. Und Vesper ergänzte: „Wer einen Natursport ausübt, hat ein Interesse an intakter Umwelt. Sportlerinnen und Sportler gerade aus den Natursportverbänden sehen sich in der Verantwortung, schonend mit unseren Landschaften umzugehen“ (DOSB 29.1.2009).
Hier wird Sport mit „Natursport“ gleichgesetzt und „Natursport“ mit Naturschutz. Dass der Naturschutz zunehmend von Sportbauten, Sportevents und Sportgroßereignissen ausgehebelt wird, wird hier bewusst nicht thematisiert. Und die Präsidentin des BfN lässt sich kritiklos einspannen.
Im Mai 2009 fand an der Universität Bielefeld die Konferenz „Naturschutz und Gesundheit“ statt. Referenten waren u. a. Staatssekretär Matthias Machnigg vom BMU („Umwelt- und Naturschutz im Dienst der menschlichen Gesundheit“), Beate Jessel/BfN („Natur schützt Gesundheit“), Michael Vesper/DOSB („Sport und Naturschutz. Eine starke Partnerschaft“) und Ralf Roth/Deutsche Sporthochschule Köln („Neuere Entwicklungen im Natursport“) (Universität Bielefeld).
Die Konferenz war ein weiterer Mosaikstein im Bemühen, den „Natursport“ als quasi natürlichen Partner des Naturschutzes hoffähig zu machen.
Im Herbst 2010 erschien zum Thema „Naturschutz und Natursport“ ein Schwerpunktheft der Zeitschrift Natur und Landschaft, die vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) herausgegeben wird. Das Doppelheft wurde vom BfN und Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) erarbeitet. In der Pressemitteilung vom 3.9.2010 verweist wiederum die BfN-Präsidentin Beate Jessel auf die „starke Partnerschaft“ von Naturschutz und Sport und „das Potenzial, noch viele Menschen gezielt an Natur und Naturerleben heranzuführen.“
Der quasi zwangsläufige Widerspruch einer massenhaften Teilnahme an Natur und den Belangen des Naturschutzes wird hier nicht thematisiert.
DOSB-Generaldirektor Michael Vesper erklärte in dieser Pressemitteilung, „dass Naturschutz und Natursport miteinander vereinbar sind. Sport ist ein zuverlässiger Partner des Naturschutzes. Der DOSB wird sich weiter für eine natur- und umweltverträgliche Sportausübung einsetzen und freut sich auf zukünftige Initiativen mit dem Naturschutz.“
Die Freude des DOSB ist verständlich, hat doch der Naturschutz durch die vermeintliche Kooperation mit dem „Natursport“ über Jahre an Handlungsmöglichkeiten und Bedeutung verloren.
Eine Tabelle im Aufsatz von Georg Fritz und Andreas Klages (Quelle siehe unten) zeigt die lange Einflussnahme auf die Begrifflichkeit Naturschutz durch die Sportorganisationen. Bereits 1982 wurde vom damaligen DSB eine „Präsidialkommission Sport und Umwelt“ einberufen. 1985 startete der DSB den Informationsdienst „Sport schützt Umwelt“. 1990 begann die Kooperation mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR). 1992 gaben UBA, DSB und DNR das „Handbuch Sport und Umwelt“ heraus. 1994 institutionalisierte das IOC als Reaktion auf die Klimakonferenz von Kyoto 1992 und die verheerende Kritik an den ökologischen Schäden der Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville die Umweltvorsorge als dritte Säule der Olympischen Bewegung nach Sport und Kunst.
Nach Kyoto und Albertville war der internationalen Sportpolitik klar, dass angesichts Klimaerwärmung und knapperer Ressourcen den Sport-Großereignissen wie Olympische Spiele und Weltmeisterschaften ein schärferer politischer Wind wehen würde. Deshalb inszenierten die Sportverbände die vordergründige Sorge um die Umwelt, um weiterhin und in immer noch größerem Rahmen globale Sportereignisse veranstalten zu können. Dieses Pseudo-Engagement im Bereich der Umwelt soll die Sport-Großereignisse legitimieren, aber auch den Möglichkeitsraum für künftige Sportstätten erweitern helfen – und seien sie auch in besonders geschützten Gebieten geplant.
Der DSB gründete 1995 den „Bundesausschuss Umwelt“. DNR und DSB führten 1996 den Kongress „Leitbilder eines natur- und landschaftsverträglichen Sports“ durch. Das BMU gründet 2000 einen Beirat „Sport und Umwelt“. 2002 wurde in einer Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes der Schutz der Natur und die Nutzung durch Sport „zu einem neuen Ausgleich gebracht“ unter der Überschrift: „Integrativer Naturschutz und Nachhaltige Nutzung“. Im selben Jahr beginnt die Kongressreihe „Umwelt, Naturschutz und Sport im Dialog“.
Das Bundesamt für Naturschutz gab seit 2002 das „NaturSportInfo“ heraus, ein „Natursport-Informationssystem für Naturschutz und Natursport“. 2004 begann eine fünfjährige Kooperation von DSB und DBU zum Thema „Sport und Umwelt“. 2007 gaben BMU und DOSB „Green Champions für Sport und Umwelt“ heraus, der nicht von ungefähr 2009 den IOC-Umweltpreis gewann.
„Green Champions“ ist ein „Leitfaden für umweltfreundliche Sportgroßveranstaltungen“: Nomen est omen! Es werden Großsportereignisse nicht etwa infrage gestellt, sondern sie sollen auf immer größerem Niveau (und damit auch immer höherem Einnahmen-Niveau) in ökologisch zunehmend schwierigerer Zukunft ermöglicht werden: Ein grünes Mäntelchen von peripheren Maßnahmen soll sie als umweltverträglich deklarieren und damit ihre Durchführbarkeit sichern.
Ein Ergebnis ist hier unter anderem die „grüne“ und „nachhaltige“ Bewerbung München 2018, die mit vielen Tricks und viel zu niedrig angegebenen CO2-Emissionen auf ökologisch korrekt getrimmt wird: Greenwashing pur! Wir haben auf unserer Website www.nolympia.de die geplanten Naturzerstörungen durch die geplanten Olympischen Winterspiele München 2018 in Garmisch-Partenkirchen, Schwaiganger und München manifest gemacht.
Ein weiteres skandalöses Ergebnis für Sportgroßereignisse ist die Anfang Dezember 2010 erfolgte Vergabe der Fifa-WM nach Katar. Bei Außentemperaturen von 45 Grad Celsius und mehr werden zwölf Stadien aufgebaut, für die Spiele auf 27 °C heruntergekühlt und nach der WM wieder abgerissen. Das Ganze soll CO2-frei und klimaneutral erfolgen, selbstverständlich nachhaltig und umweltverträglich: auch dies Greenwashing pur!
2) Die Natursport-Ideologie
Diese frei erfundene Umweltverträglichkeit von Sportgroßereignissen ist den ökologischen Rechenkünsten der globalen Internationalen Sportverbände zu verdanken. Die Übernahme von Begrifflichkeiten wie Nachhaltigkeit und die Deutungshoheit von Naturschutz und Umweltfreundlichkeit etc. gingen damit einher. Auffallend ist auch die Tendenz, den Begriff „Sport“ durch „Natursport“ zu ersetzen, wie es auch im Aufsatz „Sport und Naturschutz“ von Georg Fritz und Andreas Klages geschieht. Der Aufsatz erschien nicht von ungefähr in der Zeitschrift Natur und Landschaft des Bundesamtes für Naturschutz. (Fritz ist Umweltberater bei Sport- und Tourismusorganisationen; Klages ist Sportfunktionär beim DOSB.)
Bezeichnenderweise definieren die Autoren an keiner Stelle den Begriff „Natursport“. Der Begriff Natursport wird bewusst eingesetzt, um Umweltfreundlichkeit, Nähe zur Natur und ökologische Harmlosigkeit zu suggerieren. Dabei ist der DOSB ein Agglomerat verschiedenster Sport-Interessen, die mit Naturschutz meist wenig zu tun haben: So zählt zu den DOSB-Fachverbänden auch der „Fachverband Motorsport“.
Aber auch wenn Sport in freier Natur ausgeübt wird (das ist längst nicht bei jeder Sportart der Fall!), ist er noch lange kein „Natursport“: Man denke nur an den Bedarf an unzähligen Gerätschaften, Vorrichtungen und Maschinen – und deren Transportmittel. Darunter fallen vor allem im DOSB organisierte Sportler und Sportwettbewerbe. Und selbst Wandern und Klettern fallen nicht unbedingt unter die Kategorie Natursportler, da zum Beispiel deutsche Wanderer und Kletterer zu 80 Prozent mit dem Auto anreisen.
Die Autoren sehen zwischen Naturschutz und „Natursport“ eine neue Dimension: „Natursport und Naturschutz haben eine über hundertjährige gemeinsame Geschichte“ (S. 369). Die Koalitionen, neue Partnerschaften und vielfältige Zusammenarbeit in jüngerer Zeit brächten Vorteile für beide Seiten, nicht zuletzt „Perspektiven für eine zukunftsorientierte Kooperation zwischen Sport und Naturschutz“ (369).
Dass diese Kooperation stets zu Lasten des Naturschutzes geht, wird nicht thematisiert.
In den 1960er bis 1980er Jahren führte nach Fritz und Klages das wenig verbreitete ökologische Bewusstsein zu einem „überzogenen Naturschutz“, der dann über die Strategie des „ökologischen Ansatzes“ innovative Instrumente entwickelte (S. 372).
Der „Natursport“ wurde zunächst nicht nach seiner Bedeutung berücksichtigt. Das Bundesnaturschutzgesetz von 1976 führte zur Frage des Vorrangs von Sport- bzw. Naturschutzansprüchen. Der Natursport berief sich auf die Artikel des Grundgesetzes zu „freier Entfaltung“ und „körperlicher Unversehrtheit“. Im ehrenamtlichen Naturschutz „überdauerte zuweilen die romantische, kulturkonservative Geisteshaltung, die schon ihrem Begründer Ernst Rudorff „als elitär und tendenziell menschenverachtend angekreidet worden war“ (372).
Die Autoren stellen hier den traditionellen Naturschutz als reaktionär und gegen Menschen gerichtet dar und versuchen so, den Begriff aufzuweichen und mit einem konsum- und sportfreundlicheren Verhalten zu identifizieren.
Fritz und Klages kommen damit zu der Frage: „Naturschutz für oder gegen den Menschen“ und erwähnen die Nivellierung des Bundesnaturschutzgesetzes von 2002, in dem eingefügt wird, dass zur Erholung „auch natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigungen in der freien Natur“ gehören (S. 373). Für die Autoren brachte dies vier positive Ergebnisse: a) Pragmatisch wurden Konflikte zwischen Natursport und Naturschutz beigelegt. b) Natursport sei in den Strategiewechsel des Naturschutzes einbezogen. c) Die „integrative Nutzung“ kann so ausgelegt werden: „Unter dem Leitbild der Nachhaltigkeit unterstützt der Naturschutz den Sport… bei dessen Bemühungen und in seinem Recht auf Selbstverwirklichung. Der Sport unterstützt die Umsetzung von Naturschutzzielen“ (S. 373f). Und d) kam es „zu einer Absicherung bzw. Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Sportorganisationen“ (374).
Damit ergibt sich ein Paradigmenwechsel beim Naturschutz zugunsten des Sports: Der Naturschutz wird eingeschränkt und hat dem Sport zu dienen, letzterer kann sich einigermaßen schrankenlos ausbreiten und ausleben.
Die Partnerschaften zwischen Natursport und Naturschutz sind ständig herausgefordert, um trotz Finanzkrise, demographischen Wandel, Klimawandel etc. „einen Rückfall in überwundene Konflikte zu verhindern“; erwähnt wird explizit der Leitfaden für umweltfreundliche Sportgroßveranstaltungen „Green Champions“.
Schon der Titel ist natürlich purer Euphemismus und Greenwashing: Sportgroßveranstaltungen können per definitionem nie umweltfreundlich sein.
„Die Sportorganisationen haben ihr Umweltprofil in den letzten zehn bis zwanzig Jahren deutlich ausgebaut“, bescheinigen Fritz und Klages ihrer Klientel, um diese Entwicklung dem Naturschutz indirekt umgehend abzusprechen: „Es stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Umwelt- und Naturschutzverbände sich Engagement und Expertise im Bereich des Sports bewahrt und weiterentwickelt haben und sich in der Lage sehen oder es sogar als Chance betrachten, den Wandel des Sports entsprechend mitzugestalten“ (S. 384).
Die Autoren stellen die Sportverbände also implizit als die besseren Naturschutzverbände dar, während den Naturschutzverbänden die Qualität einer umgekehrten Einmischung mangels Weiterentwicklung im Sportbereich eher abgesprochen wird.
Sport und Naturschutz haben im Handlungsfeld Gesundheit „gleichgerichtete Interessen und Ziele“; außerdem ist „Sport in der Natur ein ideales Medium für Prävention, Stressabbau und Wohlbefinden“ (S. 374). Konklusion: „Es bedarf daher einer neuen und stärker angebotsorientierten gemeinsamen Handlungsstrategie“ zwischen Natursport und Naturschutz (S. 374; Hervorhebung W.Z.)
Im Klartext: noch mehr Funparks und Freizeiteinrichtungen, noch mehr Alpspix und Karwendel-Fernrohre, noch mehr Pisten und Klettersteige, noch mehr Mountainbikes und Biathlon-Loipen – und alles vom Naturschutz absegnet.
Die Autoren erwähnen nicht ohne Hintergedanken eine Allensbach-Untersuchung von 2008, in der festgestellt wird, dass Umweltthemen angeblich an Interesse in der Bevölkerung verlieren. „Um hier entgegenzuwirken, kann ein umwelt- und naturschutzfreundlicher Sport Partner sein. Ein auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Sport macht den Umwelt- und Naturschutz anschlussfähiger für breite Bevölkerungskreise. Der DOSB und der Naturschutz haben vielfältige übereinstimmende programmatische Ziele“; es gilt, „Impulse für eine gesellschaftliche Modernisierung zu entwickeln“ (S. 374).
Ohne die im DOSB organisierten 27,5 Millionen Sportler stünden die paar Naturschützer mitsamt dem Naturschutz auf verlorenem Posten. Und die Modernisierung betrifft natürlich nicht den Sport, sondern den Naturschutz, der gründlich an moderne Zeiten anzupassen wäre: damit den Sportstätten in freier Natur nichts mehr im Weg steht, schon gar nicht der Naturschutz.
3) Konklusion: Sport als Möglichkeit der Naturzerstörung
Die deutschen Sportorganisationen arbeiteten inzwischen mit allen im Naturschutz relevanten Institutionen zusammen: BMU, BMI (offiziell für Sport zuständig), DBU, DNR, UBA und BfN. Und DOSB und andere Sportverbände erhalten Geld von ihnen, nicht wenig übrigens.
Wer nun denkt, mit Sport und Umwelt sei durch die vielfältige Kooperation alles zum Besten bestellt, liegt grundlegend falsch. Alle diese Institutionalisierungen haben zum Ziel, die weitere Zerstörung der Natur durch Sport und Sportstättenbau zu legitimieren. Der Naturschutz wurde aufgeweicht, „integrativ“ umgestaltet und den Zwecken des Sports untergeordnet.
So liegt das neue Ruhpoldinger Biathlon-Stadion mit verbreiteter Strecke nicht nur in einem Naturschutzgebiet, sondern in einem Wasserschutzgebiet: Der örtliche Naturschutz hat dem Ausbau nur „unter Bauchschmerzen“ zugestimmt (Effern 29.11.2010). Und beim Ausbau der Kandahar in Garmisch.-Partenkirchen mit großflächiger Rodung von unter strengem Schutz stehenden Bergwald äußerte der lokale Vertreter einer staatlichen Umweltinstitution, angesichts der im Vorfeld gelaufenen Gespräche möchte er sich hier nicht mehr äußern.
Natur hat dem Menschen vulgo dem „Natursportler“ zu dienen. Bis hin zu der dürftigen These: Menschenschutz vor Naturschutz. Und dann können alle Dämme brechen.
Weitere Beispiele für die Unterordnung des Naturschutzes unter den Primat des Sports liefert Maik Adomßent mit seinem Aufsatz „Sport und Naturschutz – 10 Thesen zur Optimierung der gemeinsamen Kommunikation“, ebenfalls in Natur und Landschaft. „Sport … trägt wie kaum ein anderes soziales Handlungsfeld – Naturschutz eingeschlossen! – zur Integration der Individuen in der Gesellschaft bei“ (S. 425), schreibt der Autor.
An dieser Stelle wäre dringend die Kontroverse zwischen Spitzensport, besser Elitensport und Breitensport zu führen: Der Elitensport wird mit Geld überschwemmt, während der Breitensport ausblutet. Und Elitensport eignet sich gerade nicht zur Integration, wobei Integration durch Sport an sich schon ein falsches Paradigma darstellt.
Adomßent erwähnt lobend die DOSB-Broschüre „Sport schützt Umwelt“ (! W.Z.) und liefert dann seine zehn Thesen ab, die grundsätzlich den Naturschutz entweder angreifen oder als dringend zu verändernd darstellen. „Inhalte werden häufig eindimensional, primär aus Naturschutzsicht und somit nicht ausreichend zielgruppenadäquat kommuniziert“ urteilt Adomßent in These 1 und fährt in These 3 fort: „Die Kooperation zwischen den Verbänden von Sport und Naturschutz ist sinnvoll, sie sollte jedoch stärker als bisher auf ergebnisorientierten Zielsetzungen basieren“ (S. 426).
In These 4 wird die „nachhaltige Sportausübung“ angesprochen. Das BMU erwähnte in der Broschüre „Natur bewegt – Natursport in Deutschland“ (2006) den Trias von „Erlebnis, Gesundheit, Wohlbefinden“. „Zur Beantwortung der Frage, wie dieser Dreiklang in sensiblen, womöglich geschützten Arealen umzusetzen wäre, ist von Naturschutzseite allerdings im Detail noch einiges an Initiative, Kreativität und Ausdauer zu investieren“ (S. 427).
Sport in geschützten Arealen? Kein Problem mit ein bisschen „Kreativität“ im Umgang damit!
Adomßent zitiert aus einer Schrift von Eckhard Meinberg aus dem Jahr 1991, dass nämlich im Rahmen einer umweltbezogenen Sportethik „dem Prinzip der Bewahrung und Erhaltung der natürlichen Umwelt das der Entwicklung und Gestaltung zur Seite“ gestellt werden soll (S. 427). „Vor diesem Hintergrund könnte ein schlagkräftiges Konsortium von Partnerinstitutionen (beispielsweise von DNR, DOSB und BfN) gemeinsam nach Wegen suchen, Sport Treibende mit naturschutzbezogenen Informationen auch auf massenmedialen Kommunikationskanälen zu erreichen“ (S. 428f).
So soll die Unterwanderung der Naturschutzbewegung durch die Sportbewegung, pardon Natursportbewegung, endgültig gelingen.
Bis heute werden permanent die folgenden „Argumente“ wiederholt, wie zum Beispiel bei Stratmann: Der Sport „versteht sich längst als verlässlicher und dauerhafter Partner des Naturschutzes“. „Spätestens seit Vancouver 2010 ist das Prädikat ‚grün‘ möglichst weiße Winterspiele kein ungewöhnliches Bild mehr, sondern ein Muss.“ Der Sport hat „ein geradezu natürliches Interesse daran (.), zusammenhängende und vielfältige Naturräume zu erhalten.“ (Alle Zitate: Stratmann 3.3.2011)
Alles unrichtig!
4) Keine Naturzerstörung ohne Umweltabteilung
Logischerweise müssen globale Sportorganisationen wie IOC, Fifa, Uefa heute einigermaßen respektable Umweltabteilungen haben, um sich als Umweltschützer gerieren zu können: Ohne Umweltabteilung und ohne Umweltreferenten, ohne Fachkommission Umwelt (siehe München 2018) und ohne Umweltscreening ist keine Umweltzerstörung zu machen. Und selbstverständlich hat auch der Deutsche Skiverband einen „Beirat für Umwelt und nachhaltige Skisportentwicklung“.
Deshalb ist der Deutsche Alpenverein (DAV) als Naturschutzverband für den DOSB für die Legitimation so wichtig. München 2018 sollen laut DAV „Grüne Winterspiele“ werden, und der DAV „ist überzeugt, dass langfristig die Natur davon sogar profitieren kann“ (Urban, Scheuermann, DAV 6/2010). Nach DAV-Hauptgeschäftsführer Urban „wird die Natur nach den Spielen besser dastehen als vorher“ (DAV Home-Services-Olympia 2010). Der DAV-Hauptgeschäftsführer bestätigte der Bewerbung München 2018 „internationale Maßstäbe für die naturverträgliche und nachhaltige Durchführung von Winterspielen“ (Etscheid, Georg, Quo vadis Alpenverein? in taz.de 29.10.2010).
„Grünes Erbe“ Olympischer Spiele, Nachhaltigkeit, Naturverträglichkeit, Klimaneutralität, CO2-frei – die Sportorganisationen ergehen sich in ökologischen Plattitüden. Auch die angebliche und ausschließliche Nutzung regenerativer Energien für Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften ist ein Irrweg: Man kann jede Einheit regenerativer Energie nur einmal nutzen, und hierfür gibt es sinnvollere Zwecke, als globale Gladiatorenspiele.
Der reale Ablauf von Sportgroßereignissen zeigt dann in kurzer Zeit die fatalen Folgen. Die Umweltschäden durch den Ausbau der Biathlonanlagen in Ruhpolding, die brutalen Zerstörungen in Garmisch-Partenkirchen für die Ski-WM im Januar 2011, die weiteren Zerstörungen dort für Olympische Winterspiele 2018, die geplante Überbauung der nacheiszeitlichen Landschaft in Schwaiganger für Biathlon und Langlauf im Rahmen München 2018, die Zerstörung des Bundeswehr-Parks durch ein „Olympisches Dorf“ bedeuten: Naturzerstörung durch Sport.
Gleichzeitig läuft die Legitimationswelle: CDU, SPD, FDP, CSU und Freie Wähler in Bayern, der Bundesvorstand der Grünen (nicht die Partei!), weitere staatliche und städtische Organisationen treten vehement FÜR München 2018 ein. Die Propaganda scheint zu funktionieren, dass selbst Sportgroßereignisse umweltfreundlich und die Sportverbände naturbewusst sind. Dazu passt auch der derzeitige Versuch des DOSB, Sport als Grundrecht im Grundsgesetz zu verankern. (Und natürlich der Versuch von IOC und Fifa, den Friedensnobelpreis zu bekommen.)
5) Fazit
Die kritischen und wachsamen Naturschutzorganisationen und Naturschützer sollten sich vor einem Schulterschluss mit der Sportmacht hüten. Das bedeutet auch Schluss mit dem „integrativen Naturschutz“, der nur ein permanentes weiteres Aufweichen der Naturschutz-Präambeln und die Unterordnung von Natur unter das Primat des Sportes bedeutet. Natur ist gerade in der heutigen Zeit zu wertvoll, um sie dem Deutschen Olympischen Sportbund und seinen 90.000 Sportvereinen zu überlassen.
Quellen:
Adomßent, Maik, Sport und Naturschutz – 10 Thesen zur Optimierung der gemeinsamen Kommunikation, in Natur und Landschaft 9/10 2010
Bundesamt für Naturschutz, Neues Schwerpunktheft von Natur und Landschaft erschienen, Pressemitteilung Bonn 3.9.2010
DAV Home-Services-Olympia 2010, Interview mit Josef Klenner und Thomas Urban, Der Aufwand lohnt sich
DAV-Naturschutztagung: Vielfalt bewahren, in DAV-Panorama 6/2010
Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Natursport und Ökologie, Wir über uns, Stand Februar 2011
DOSB, Naturschutz, Sport und Tourismus – Neue Kooperationen fördern, 29.1.2009
Effern, Heiner, Ein Biathlonstadion auf der Überholspur, in SZ 29.11.2010
Fritz, Georg, Klages, Andreas, Sport und Naturschutz, in Natur und Landschaft 9/10 2010
Stratmann, Jörg, DOSB, Grüner Sport, Kommentar 3.3.2011
Universität Bielefeld, Programm Konferenz Naturschutz und Gesundheit, 26.-27.5.2009
Urban, Thomas, Scheuermann, Manfred, Grüne Winterspiele, in DAV-Panorama 6/2010
Abkürzungen:
BfN Bundesamt für Naturschutz
BMI Bundesministerium des Inneren
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
DAV Deutscher Alpenverein
DBU Deutsche Bundesstiftung Umwelt
DNR Deutschen Naturschutzring
DOSB Deutscher Olympischer Sportbund
DSB Deutscher Sportbund
DSHS Deutsche Sporthochschule Köln
IOC International Olympic Committee
BA Umweltbundesamt