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Motorsport

 

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Der internationale Dachverband der Autoproduzenten, Autofahrer und Autoenthusiasten heißt FIA (Fédération Internationale de l’Automobile). Er ist verantwortlich für die Motor-„Sport“-Aktivitäten bzw. Autorennen wie die Formel 1. Seit Dezember 2011 ist die FIA von IOC-Präsident Jacques Rogge persönlich anerkannt (suedkurier 11.1.2012) als “Mitglied der Olympischen Familie”. Auch die Autoraser sind also nun olympisch. Von daher hat der Motorsport ein Stichwort im Kritischen Olympischen Lexikon bekommen. Er ist die hochmotorisierte Version der olympischen Bewegung.

Warum noch Motorsport?
Der Motor-”Sport” ist kein Körpersport, sondern lediglich ein Wettrennen mit Hochgeschwindigkeitsmaschinen. Der Zweck ist: Geld. Die Vermarkter wie Bernie Ecclestone (Formel 1) leben vom Verkauf der Rennen, der Fernsehrechte und den Sponsoren und senden ein verhängnisvolles Signal in die Welt: Geschwindigkeit ist toll, und Rennfahrer sind Heldentypen und Ikonen. Autorasen wird verherrlicht. Rasen als Opium für das zuschauende Volk: „Die gesamte Werbewirtschaft profitiert davon, dass Milliarden von Zuschauern auf den Moment warten, in dem einer der modernen Gladiatoren in seinem PS-Geschoss gegen die Wand fährt“ (Büschemann 16.11.2010).
Kraftstoffverschwendung und Umwelt, Zukunft und Sinnfrage sind dagegen unerheblich. Jugendliche und Erwachsene werden zu Geschwindigkeitsrennen und Autorasen auf öffentlichen Straßen animiert. Tempolimit und sparsame Fahrzeuge: Fehlanzeige. Motorsport in Zeiten des Klimaerwärmung und zu Ende gehender fossiler Rohstoffe: ein so fatales wie falsches Zeichen!
Aber inzwischen hat jede Rennsportabteilung ihren Umweltbeauftragten. Und vermutlich gibt es ja wieder ein Institut, das die Rennen ähnlich wie bei Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften CO2-frei berechnet, vergleiche WBA-Institute und Greenwashing.

Da es unzählige Motor-”Sport”-Veranstaltungen gibt, soll hier vor allem die Formel 1 vorgestellt werden.

Vorgeschichte
Seit 1950 wird die Formel-1-Weltmeisterschaft ausgetragen. Anfangs gab es weniger als zehn Rennen. Dann wurde die Zahl der Rennen erhöht und die  Rennserie erst richtig zur Geldmaschine: Von 1958 bis 1972 wurden neun bis 13  Rennen pro Saison ausgetragen, ab 1973 gab es 14 bis 19, und 2012 werden 20 Rennen ausgetragen.

Wem gehört die Formel 1?
Die kommerziellen Vermarktungsrechte an der Rennsportserie wurden von der FIA 1999 für 100 Jahre an die Formula One Administration Ltd. (FOA) vergeben, welche diese Rechte durch die Formula One Management Ltd. (FOM) ausüben lässt. FOA und FOM werden von Bernie Ecclestone kontrolliert. Dieser hat außerdem noch hohe Einnahmen durch TV-Produktion, TV-Werbung, TV-Rechte, Streckenwerbung etc.
Derzeit gehören 63,4 Prozent der Formel 1 dem Finanzinvestor CVC Capital Partners, Ecclestone direkt 5,3 Prozent und über die Familienholding Bambino weitere 8,5 Prozent. Vermutlich wird die Formel 1 noch 2012 an die Börse gebracht; der Börsengang wird von Goldman Sachs vorbereitet. Der Wert der Formel 1 soll bei zehn Milliarden Dollar liegen (Fromm 22.3.2012); eine asiatische Investmentbank kam vor dem geplanten Börsengang im Frühjahr 2012 auuf 13 Milliarden Euro (Fromm et al 7.7.2012).
Eccelestone verschachtelte bewusst sein Imperium: „Ein offiziell bestätigtes Organigramm des Firmengeflechts gibt es bis heute nicht“ (Ebenda). – „Die mächtigen Rennställe bekommen mehr Geld, die nicht so mächtigen weniger. Den genauen Schlüssel bei der Verteilung kennt niemand außer Ecclestone“ (Hamann 5.8.2014). Das Vermögen von Ecclestone wird auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt (Ebenda).
Vergleiche Formel-1-Gelder

Bernie Ecclestone
Der ehemalige Gebrauchtwagenhändler ist Chefvermarkter der Formel 1 und dadurch Milliardär. Seit 40 Jahren ist er im Formel-1-Geschäft. Das Formel-1-System funktioniert nach Aussage eines Insiders so: „Es gibt hier keine Freundschaften. Nicht einmal Feindschaften. Es gibt nur Abhängigkeiten. Und Angst“ (Fromm et al 7.7.2012) Seine Körpergröße von 1,58 Meter lässt ihn napoleonische Züge entwickeln; so fährt er gern mit Polizeieskorten vor.
Ecclestone hält offenbar wenig von demokratischen Gepflogenheiten und einiges von Adolf Hitler. In einem Interview mit der Times äußerte er: „Wenn man sich die Demokratie ansieht, dann hat sie nicht viel Gutes für viele Länder gebracht, dieses (Großbritannien) eingeschlossen.“ Das erklärt auch Ecclestones Engagement für diktatorische Regimes in Bahrain und anderswo.
Vergleiche zur Affinität des Sports mit autoritären Staatsformen: IOC und Diktaturen

Seine rechte Gesinnung bringt er in seinen Hitler-Zitaten deutlich zum Ausdruck. Unbestritten sei, dass Hitler „eine Menge von Leuten kommandieren“ und auf diese Weise „Dinge erledigen“ konnte. „Er wurde überredet, Dinge zu tun, von denen ich nicht weiß, ob er sie überhaupt wollte oder nicht… Am Ende hat (Hitler) sich so verirrt, dass er kein sehr guter Diktator mehr war. Entweder wusste er, was geschah und bestand weiter darauf, oder er ließ alles gewähren – aber in beiden Fällen war er kein Diktator“ (Alle Zitate: Koydl 6.7.2009). Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, nannte Ecclestones Äußerungen „bestürzend und gefährlich“ und forderte seinen Rücktritt von der Formel 1. Ecclestone „entschuldigte“ sich später für seine Äußerungen und brachte gleich ein weiteres Lob für Hitler: „Zwischen 1933 und 1938 hat er aus einem bankrotten Land eine ziemlich starke Kraft in Europa gemacht“ (SZ 8.7.2009).

Zu Ecclestones rechter Gesinnung passt, dass Ecclestones enger Freund Max Mosley ein Sohn des britischen Faschistenführers Oswald Mosley (1896 – 1980) ist. Mosley organisierte 2008 eine Sexorgie mit Prostituierten in Naziuniformen. Er war von 1993 bis 2009 FIA-Präsident und verkaufte 1999 die Rechte an der Formal 1 für 100 Jahre an Ecclestone. Ecclestone bedauerte im Oktober 2011, dass die Formel 1 im Gegensatz nach der Präsidentschaft von Mosley zu demokratisch geworden sei: „Max und ich konnten anstehende Fragen und Probleme zumeist sehr schnell lösen“ (freiepresse.de 27.10.2011).

Zum Beispiel konnte Max an Bernie die Rechte an der Formel 1 verkaufen. Ecclestone profitierte mit geschätzten 1,3 Milliarden Dollar Einnahmen,

 

 

 

 

Sitz der FIA an der Place de la Concorde, Paris / Frankreich, 17.4.2013 ©goef-grosse

„Hergegeben hat die FIA die Rechte einst für 386 Millionen Dollar. Gemessen an der Laufzeit von hundert Jahren ein geradezu lächerlicher Preis“ (Hofmann 7.5.2011).

„Ecclestone besteht darauf, dass die Rennstrecke ‚weiß’ übergeben wird. Das heißt, es darf keinerlei Werbung zu sehen sein. Die Werbeflächen rund um die Kurse verkauft eine von Ecclestone geführte Firma. Selbst an den Landegebühren für Helikopter soll der Brite mancherorts beteiligt sein. Den Streckenbetreibern bleiben lediglich die Einnahmen aus den Ticketverkäufen“ (Hofmann 8.7.2009).
Die totale Werbungsvermarktung im Motorsport ist eine Parallele zu den Olympischen Spielen des IOC. Auch Ecclestone hat den Knochen komplett abgenagt. Ein 81 Jahre alter Greis herrscht über den Motorsport wie ein Despot, kassiert ab und lässt weltweit rasen.
Zur Familie
Ecclestone siehe Artikel von Michaela Schiessl im Spiegel 20/2012. The Hunger Games lassen grüßen!

Aufgrund der wirtschaftlichen Flaute und dem Facebook-Debakel musste Ecclestone Ende Mai 2012 den Börsengang der Formel 1 verschieben. Dieser sollte dem vielfachem Milliardär die nächsten drei Milliarden US-Dollar einbringen (Ecclestone verschiebt Börsenstart der Formel 1, in spiegelonline 1.6.2012).

Im Juni 2012 wurde klar, dass Ecclestone mit 44 Millionen Dollar einen Bayern-LB-Banker bestochen hat. Im Prozess gegen den früheren Vorstand Gerhard Gribkowsky hat dieser im Juni 2012 erstmals zugegeben, dass er vom Formel-1-Chef Bernie Ecclestone bestochen wurde. „Er sagte, er werde mir jetzt mal erklären, wie das Leben ist“ (Ott, Richter 21.6.2012). Gribkowsky leitete 2006 den Verkauf der Anteile an den Ecclestone genehmen Finanzinvestor CVC ein und erhielt dafür 44 Millionen Dollar von diesem, die Gribkowsky nach Österreich umleitete und nicht in Deutschland versteuerte. Ecclestone erhielt im Gegenzug als “Vermittlungsprovision” von der Landesbank 66 Millionen Dollar. Interessant wird, ob nun Ecclestone vor einem Münchner Gericht wegen Bestechung angeklagt wird (Früherer BayernLB-Vorstand bricht sein Schweigen, in spiegelonline 20.6.2012; Gribkowsky belastet Formel-1-Chef Ecclestone, in spiegelonline 20.6.2012). Gribkowsky wurde im Juni 2012 zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Anteile der Bayern LB an der Formel 1 haben vorher dem 2011 verstorbenen Medienhändler Leo Kirch gehört, der zu Lebzeiten stets behauptete, die Bayern LB habe diese Anteile verschleudert: „In London läuft eine Klage gegen Ecclestone (und Gribkowsky), vorläufig beziffert auf 171 Millionen Euro. Das kann noch mehr werden. Viel mehr sogar“ (Ott 13.6.2012).
Die Münchner Staatsanwaltschaft bereitete im Juli 2012 eine Anklage gegen Ecclestone vor. Gribkowsky wird aussagen (spiegelonline 19.7.2012). Ein Daimler-Chef äußerte: „Wir machen keine Geschäfte mit Straftättern“ (Fromm, Hägler, Ott 27.6.2012).
Da darf man gespannt sein. Außerdem könnte ein Prozess gegen Ecclestone den Börsengang und die weiteren Geschäfte beeinträchtigen.

Anmerkung 1: Die BayernLB forderte im Oktober 2012 von Ecclestone über 400 Millionen Dollar Schadenersatz, da die Anteile an der Formel 1 durch die Bestechung Gribkowskys zu niedrig bewertet worden waren. „Ecclestone hatte nicht nur den Käufer gebracht, sondern auch den Kaufpreis vorgegeben“ (Ott 25.10.2012). Ecclestone hat bereits im April und November 2011 bei der Münchner Staatsanwaltschaft ausgesagt. “Beide Male hat er sich vorher zusichern lassen,  Deutschland wieder verlassen zu dürfen, also nicht festgesetzt zu werden” (Ott 26.10.2012).

Anmerkung 2: Die Investmentgesellschaft Bluewaters reichte Ende 2012 eine Schadensersatzklage gegen Ecclestone ein und legte neues Beweismaterial vor. „Darunter eine E-Mail vom Herbst 2005 an Gribkowsky. Die Mail besagte, Bluewaters sei bereit gewesen, auf jedes ‚echte und redliche  Angebot‘ anderer Interessenten für die Formel-1-Anteile der BayernLB zehn Prozent draufzulegen“ (Schonfrist für Bernie, in SZ 24.1.2013; Ott, Klaus, Piper, Nikolaus, Ecclestone schwört, in SZ 7.2.2013).
Lasten für die Austragungsorte
Alle Rennplätze müssen ein „Antrittsgeld“ an  den Chefvermarkter Ecclestone entrichten; dieses liegt zwischen einer niedrigen zweistelligen Millionensumme und kann wie in Melbourne bis zu umgerechnet 24 Millionen Euro und mehr kosten (Brümmer 26.3.2009).
Wieso bezahlen Betreiber solche Millionenbeträge? „Wer nicht zahlt, fliegt – so einfach geht das bei Ecclestone. Im Doppelpass-Spiel mit seinem Freund Max Mosley, der an der Spitze des Automobilweltverbandes steht, ist es ihm ein Leichtes, den Kalender nach seinem Gutdünken zu gestalten. Seit Jahrzehnten funktioniert das Spiel so“ (Hofmann 8.7.2009).
Die so genannte „Promotion Fee“ steigt immer weiter: „2005 zahlte ein Rennstreckenbetreiber durchschnittlich 15,6 Millionen Dollar pro Veranstaltung. In diesem Jahr sind es bereits 28,9 Millionen Dollar, 2013 sollen es schon 33 Millionen Dollar sein“ (Ott .7.2012).
Ein weiterer Trick: Ecclestone hat viele Länder dazu gebracht, Grand-Prix-Strecken zu bauen – vor allem in jüngster Zeit finanzkräftige Staaten wie Abu Dhabi, Südkorea, Bahrain, Malaysia, China, Türkei, Russland etc.: Dort wird der Grand Prix vom Staat hoch subventioniert. Und 16 der 20 Formel-1-Rennen werden inzwischen staatlich gefördert. „Falls einer der Betreiber nicht mehr mitmachen wolle, weil ihm das Spektakel zu teuer werde – kein Problem“ (Ebenda).
Deswegen kann Ecclestone die Austragungsorte gegeneinander ausspielen. 2012 stehen für 20 Grand Prix-Rennen weltweit insgesamt 68 bereits gebaute Formel-1-Rennstrecken zur Verfügung (Wikipedia). Und wie die Wettkampfstätten bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften etc. müssen alle Rennstrecken ständig modernisiert und in sie investiert werden.
Einige Beispiele:
In Hockenheim (Deutschland) wurden im Jahr 2002 66 Millionen Euro investiert, wovon das Land 15 Millionen übernahm. Die Schulden verblieben bei der städtischen Betreibergesellschaft. Der Grand Prix hinterließ 2008 fast sechs Millionen Euro Verlust im Haushalt der Stadt. Ecclestone soll mindestens 15 Millionen Euro Antrittsgeld gefordert haben (Hofmann 8.7.2009). „Mit jedem Jahr sollen sich die Lizenzgebühren um weitere zehn Prozent erhöhen“ (Dörries 25.5.2009).
Der Nürburgring (Deutschland) wurde mit tatkräftiger Hilfe der Landesregierung in Rheinland-Pfalz eine Investitionsruine. 2012 lagen die Umbaukosten bei 330 Millionen Euro Steuergelder – Tendenz steigend (Widmann 8.2.2012). Im Juli 2012 meldete der Nürburgring Konkurs an (Hofmann 20.7.2012; Neudecker 20.7.2012). Im März 2014 übernahm der Autozulieferer Capricorn für 100 Millionen Euro den Nürburgring. Der ADAC war zunächst ebenfalls Interessent: Als bekannt wurde, dass dieser nicht nur die Verleihung des „Goldenen Lenkrades“, sondern auch die Besucherzahlen der Autorennen auf dem Nürburgring manipuliert hat, winkte der Insolvenzverwalter des Nürburgrings ab (Freiberger 12.3.2014).
In Abu Dhabi stehen neben der 5,5 Kilometer langen Rennstrecke sieben Luxushotels, ein VIP-Turm und ein Ferrari-Themenpark. Kostenpunkt: bis zu einer Milliarde Dollar (Avenarius 31.10.2009). Die „Ferrari-World“ umfasst 20 Hektar. Zum Formel-1-Rennen kommen hier 45.000 Besucher pro Tag, die Ticketpreise beginnen bei 200 Dollar (Müssig 31.10.2012).
Für die indische Rennstrecke Buddh International Circuit wurden hunderte Bauern von der Regierung enteignet, die dann den Boden billig dem großen Baukonzern Jaypee überließ. Der baute die Rennstrecke mit Autobahnanschluss für 400 Millionen Dollar plus eine 165 Kilometer lange Autobahn dorthin. Er  erhofft sich steigende Immobilienpreise. Der Supreme Court stoppte weitere Enteignungen in umliegenden Dörfern.
Für die enteigneten Bauern kam der Richterspruch zu spät: Im Herbst 2011 fand der erste Grand Prix von Indien auf ihren ehemaligen Feldern statt (Hacke, Rao 43/2011). Fast 40 Prozent der indischen Bevölkerung fallen unter die Armutsgrenze von weniger als einem Dollar pro Tag: Die günstigsten Karten für den Grand Prix kosten 60 Dollar (Matern 26.10.2011).
Gegen die Steuerbefreiung für das Formel 1-Rennen wurde ebenfalls vor dem obersten Gericht geklagt (Ebenda; vergleiche hier die vom IOC als Voraussetzung genommene Steuerbefreiung für Olympische Spiele!). „Die Formel 1 wurde in Indien nicht als Sport eingestuft“ (Hofmann 25.10.2013). Konsequenz: Ein Gericht verurteilte die Jaypee Sports International Limited, ein Viertel der Ticket-Einnahmen als Luxussteuer abzuführen. Dazu schwächelt die indische Grand-Prix-Veranstaltung: 2011 kamen rund 100.000 Zuschauer, 2012 kamen nur noch 60.000 (Ebenda). Und 2013 waren es noch weniger.  „2014 ist das Rennen erstmal raus aus dem Rennkalender, nach nur drei Auflagen. Das hat nichts mit den leeren Tribünen zu tun, die sind den Mondpreisen der Veranstalter geschuldet“ (Brümmer 28.10.2013) .

Kosten für die Renn-Teams
2008 betrugen die Gesamtkosten für die Rennteams 2,8 Milliarden Euro: „um an 18 Sonntagen 20 Autos kreisen zu lassen“ (Brümmer 26.3.2009). Mercedes kostete 2007 allein das Engagement bei McLaren 2007 die Summe von 200 Millionen Euro. Die Teams beschäftigten zu der Zeit bis zu 1000 Mitarbeiter (Hacke 48/2009). Zwischen 250 und 500 Millionen Euro kosteten den Autoherstellern 2009 ihre Renn-Teams (Büschemann 16.11.2010).
Die Rückwirkungen bzw. Synergieeffekte für die laufende Serienproduktion von Autos gehen gegen Null – bei immensen Kosten. Ferdinand Piech urteile als damaliger VW-Chef vor Jahren: „Zu teuer und zu weit weg von der Serie“ (Reichle 14.5.2009). BMW, Honda und Renault sind nicht zuletzt deswegen aus der Formel 1 ausgestiegen. BMW sparte dadurch 200 Millionen Euro pro Jahr und nannte als einen Grund die Entwicklung umweltfreundlicherer Autos (Büschemann 30.7.2009).

Der Rennstrecken-Architekt
Der ehemalige Tourenwagen-Rennfahrer Hermann Tilke, natürlich ein enger Vertrauter von Ecclestone, entwarf oder modernisierte mit weltweit 350 Mitarbeitern u. a. folgende Rennstreckenkurse für die Formel 1: A1 Ring, Bahrain International Circuit, Buddh International Circuit, Circuit de Catalunya, Circuit of the Americas, Circuit Park Zandvoort, Circuito  les Coves-Castellon, El Espacio Del Motor, Fuji International Speedway, Hockenheimring, Istanbul Park, Kazakhstan Motorcity, Korean International Circuit, La Ciudad del Motor de Aragón, Moscow Raceway, Motorsportspark Beto Carrero, Nürburgring, Paul Ricard HTTT, Rudskogen Motorpark, Sachsenring, Sepang F1 Circuit, Shanghai International Circuit, Yas Marina Circuit (www.tilke.de; Avenarius 31.10.2009; Heublein 11.11.2010; Hofmann 12.11.2011; Wikipedia).
Der Schanghai-Kurs entstand auf einer 5,3 Quadratkilometer großen Sumpflandschaft. 40 bis 80 Meter lange Pfähle wurden in den Boden gerammt; dazu wurden bis zu 14 Meter hoch Styropor-Platten geschichtet, auf denen die Erde und der Asphalt aufgebracht wurden. (Heublein 11.11.2010). „Dafür haben wir fast die komplette Jahresproduktion der chinesischen Styropor-Industrie benötigt“, sagte der Streckenarchitekt im Interview stolz (Hofmann 12.11.2011).
Von Abu Dhabi berichtete er: „Dort konnten wir viele unserer Ideen umsetzen. Das Land, das für die Strecke ausgesucht wurde, war unberührt. Nur das Meer war in der Nähe. Da kam uns die Idee: warum nicht einen Yacht-Hafen direkt an die Strecke legen. Das wurde getan. Genauso lief es mit der Idee, die Rennstrecke unter einem Hotel durchzuführen, das zum Teil auf dem Land gebaut ist und zum Teil ins Meer ragt. Solche Ideen zu entwickeln, sie umzusetzen und dann zu sehen, das funktioniert – das ist toll“ (Ebenda).
Sein Tun sieht er ungetrübt: „Sicher wird irgendwann einmal das Öl ausgehen, aber auch da bin ich gelassen. Ich glaube, das letzte Auto wird ein Rennwagen sein“ (Ebenda).

Formel 1 und Umwelt
Ein Formel 1-Rennwagen verbraucht 100 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer; er emittiert pro Kilometer zwei Kilogramm CO2 (Strassmann 25.9.2008). Das ist aber nicht alles.

Die Schauplätze der Formel 1 im Jahr 2012: Australien/Melbourne 18.3., Malaysia/Sepang 25.3., China/Shanghai 15.4., Bahrain/Manama 22.4., Spanien/Barcelona 13.5., Monaco/Monte Carlo 27.5., Kanada/Montreal 10.6., Spanien/Valencia 24.6., Großbritannien/Silverstone 8.7., Deutschland/Hockenheim 22.7., Ungarn/Budapest 29.7., Belgien/Spa-Francorchamps 2.9., Italien/Monza 9.9., Singapur/Singapur 23.9., Japan/Suzuka 7.10., Südkorea/Yeongam 14.10., Indien/Noida 28.10., Abu Dhabi/Abu Dhabi 4.11., USA/Austin 18.11., Brasilien/Sao Paulo 25.11.

Wie man an diesen aufgeführten Grand-Prix-Stätten sehen kann, werden mindestens je zwei Fahrzeuge der zwölf Renn-Teams (verharmlosend Rennställe genannt) mehrmals um den ganzen Globus zu den 20 Rennstrecken transportiert – und zwar per Luftfracht! Dazu kommen Ersatzfahrzeuge, Ersatzteile, eine Unmenge Reifen und Hunderte von Boxenmechanikern, Logistikern, Streckenpersonal etc. “An einem regulären Boxenstopp sind 18 Teammitglieder (Mechaniker) beteiligt” (Wikipedia). Der SZ-Journalist René Hofmann schrieb 2011: „Je kostbarer Energie wird, desto fragwürdiger wird es, wenn alle zwei Wochen 24 Männer nicht wenig davon in mehr als 700 PS starken Autos bei einem sportlichen Wettstreit verfeuern, von dem kaum jemand profitiert“ (Hofmann 23.3.2011).
Der „kaum jemand“ (Ecclestone) profitiert aber recht satt, siehe oben.

Formel-1 -Motto: Wir zerstören die Welt.2012 wurden erstmals 20 Rennen der Formel 1 ausgetragen. „Das bedeutet: Die Autos kommen zwischen zwei Rennen nicht mehr in die Fabriken“ (Brümmer 27.10.2012). Das Restprogramm für 2012: Japan 7.10., Südkorea 14.10., Indien 28.10., Abu Dhabi 4.11., USA 18.11., Brasilien 25.11. „Der Wanderzirkus besteht aus etwa 2000 Menschen, 700 Tonnen Material müssen bewegt werden, was sechs Jumbo-Jets füllt. Zehn Tonnen Fracht hat jeder der zwölf Rennställe frei. Für alles, was darüber hinaus geht, verlangt das von Bernie Ecclestone gesteuerte Formula One Management etwa 30 Euro pro Kilogramm. Die meisten Rennställe kommen locker auf 20 Tonnen Übergepäck. Die Route liest sich wie das Ticket einer Weltreise: Tokio – Seoul – Neu-Delhi – Abu Dhabi – Houston – São Paulo. Mehr als 50 000 Kilometer kommen fürs große Finale zusammen. Und das alles für 2200 Kilometer Rennen“ (Ebenda).
Was für eine grandiose Verschwendung für was für ein stupides Geschehen!

Sponsoring
Auf dem Rennanzug von Michael Schumacher stehen: Deutsche Vermögensberatung, PETRONAS, Mercedes-Benz, Autonomy, Navyboot, E@POSTBRIEF, aabar, Allianz, Pirelli, MIG Bank (SZ 21.4.2012). Die Boliden sind ähnlich beklebt – fernsehtauglich. Der Schriftzug auf der Kappe des Ex-Rennfahrers Niki Lauda kostete vor 25 Jahren etwa 200.000 Euro pro Jahr; inzwischen liegt er bei etwa 1,2 Millionen Euro (SZ 9.7.2010). Alle Rennautos sind mit Logos zahlreicher Sponsoren fernsehtauglich vollgeklebt. Aber auch die Namen der meisten Renn-Teams werben:
Red Bull Racing (Süßgetränk), Vodafone McLaren Mercedes (Mobiltelefon-Konzern, Autokonzern), Scuderia Ferrari (Autokonzern), Mercedes GP Petronas F1 Team (Autokonzern, Erdölkonzern), Lotus F 1 Team (Autofirma), Sahara Force India F 1 Team (Mischkonzern, Indien), Sauber F 1 Team, AT&T Williams (Telefonkonzern), Caterham F 1 Team, HRT F 1 Team (), Marussia F 1 Team (Autohersteller).

Der neue Trend: Die Fahrer müssen Sponsorengelder mitbringen – sonst werden sie rausgeworfen. Der deutsche Rennfahrer Nico Hülkenberg „wurde durch Pastor Maldonado ersetzt, weil der Venezolaner viele Millionen von der staatlichen Ölgesellschaft seines Heimatlandes mitbringe und so das Überleben des Teams sichere…  Bei Caterham zum Beispiel ist es der Niederländer Giedo van der Garde, 27. Sein Schwiegervater besitzt Anteile am Modeunternehmen McGregor, dessen Logos nun auf den Rennwagen prangen. Marussia setzt den Engländer Max Chilton, 21, ins Auto, Sohn eines Vizepräsidenten der Aon-Versicherungsgruppe. Für den Platz im zweiten Marussia war Luiz Razia, 23, vorgesehen. Doch als die Sponsoren des Brasilianers eine Zahlungsfrist verstreichen ließen, wurde Razia sofort wieder gefeuert, noch bevor er überhaupt ein Rennen gefahren war. Kürzer kann eine Formel-1-Karriere nicht verlaufen“ (Hacke, Detlef, Die zweite Chance, in Der Spiegel 11/11.3.2013).

Motorisierte Klassengesellschaft
Wie beim Leistungssport üblich: Vorn oder in den VIP-Logen sitzen die Betuchten, hinten oder ganz oben das Volk, siehe zum Beispiel das Formel-1-Rennen in Monaco. Stehempfänge auf Yachten, Uhrenpräsentationen mit Rennfahrern – und die Fashion-Show am Hafen: „Sie haben dort eine große Bühne am Wasser aufgebaut, drum herum mehrere Stuhlreihen für all die Berühmtheiten, Models und Millionäre, aufgeteilt in die Blöcke A bis F. In Block A sitzen Fürst Albert und seine Gattin, in Block B sitzt Boris Becker, in Block F sitzt niemand mehr, den man kennt“ (Neudecker Michael, Reifen und Risotto, in SZ 25.5.2012).

Ersatzlos streichen
Es kann im 21. Jahrhundert nur ein sinnvolles Signal geben: die umgehende Einstellung dieser die Umwelt und die Zukunft gefährdenden Hochgeschwindigkeits-Raserei. Aber die Geschäfte von Ecclestone & Co. laufen wie geschmiert. Und so werden die im Kreis fahrenden Boliden-Helden vermutlich bis zum letzten Tropfen Erdöl im Kreis weiter rasen.

Nachtrag 1: Ecclestone-Dämmerung?
Ecclestone wird nun vermutlich Anfang 20013 in München wegen der Gribkowsky-Bestechung angeklagt. In dem Fall forderte Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo wie schon der Autokonzern Daimler seinen Rücktritt
Wenn der Formel-1-Greis Ecclestone (* 1930) zurücktritt, ändert das natürlich nichts am Wahnsinn des Motorsports: Dieser würde auch wirtschaftlich höchstens um ein Jota sauberer.

 

 

 

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Nachtrag 2, April 2013: Ecclestone bekommt wieder nichts mit
Vor dem Formel-1-Rennen am 21.4.2013 in Bahrain äußerte Ecclestone: “Was ist passiert, sie demonstrieren? Davon weiß ich nichts. Niemand demonstriert dort” (“Niemand demonstriert in Bahrain”, in spiegelonline 15.42013). –
“In der Nacht auf Freitag war die Polizei mit Tränengas gegen einige Hundert Demonstranten vorgegangen. ‘Euer Rennen ist ein Verbrechen’, skandierten die Protestierenden und warfen mit Molotow-Cocktails auf die Vertreter des Staatsmacht. Unter der Woche hatte Human Rights Watch bereits berichtet, dass die Polizei 20 Regierungsgegner in den Städten nahe des Sakhir Circuits verhaftet hatte. Die größtenteils schiitische Opposition ruft im Vorfeld des Rennens unter dem Motto “Demokratie ist unser Recht” zu gewaltfreien Protesten auf” (Ebenda). “80 Menschen sind in dem kleinen Land seit dem Ausbruch des arabischen Frühlings Anfang 2011 ums Leben gekommen. Allein in diesem Monat sollen bisher rund 100 Aktivisten eingesperrt und 30 verletzt worden sein” (Ecclestone vollzieht Kehrtwendung, in spiegelonline 16.4.2013). Sodann verstieg sich Ecclestone kurz vor dem Rennen in einem Brief an Menschenrechtsorganisationen zu der Behauptung: “Es ist eine große Schande, dass ich davon nicht schon vor September 2012 erfahren habe, als der Formel-1-Kalender erstellt wurde. Jetzt ist es zu spät, noch Änderungen vorzunehmen” (“Vulkan des Zorns”, in SZ 19.4.2013).
Das ist eine mehr als dreiste Lüge: Ecclestone können die Proteste vom April 2012 überhaupt nicht entgangen sein – er war vor Ort.
– Bahrainer protestieren. “Zuletzt zogen Hunderte Menschen durch die Straßen und skandierten Parolen wie ‘Nein zur Diktatur’  und ‘Nein zur Formel 1′… Doch die Verantwortlichen tun so, alls ginge sie der Konflikt nichts an. ‘Wir sollten nicht in politische Belange hineingezogen werden. Wir sollten dorthin fahren, das Rennen absolvieren und konzentriert sein’, sagte etwa Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost. Die Formel 1 sei Unterhaltung… Allein in diesem Monat sollen rund 100 Aktivisten eingesperrt und 30 verletzt worden sein” (Ausschreitungen vor Formel-1-Rennen, in SZ 17.4.2013). – “Die Demokratiebewegung in Bahrain ist nicht wirklich vorangekommen. Die Berichte über Menschenrechtsverletzungen halten an. Das Rennen ist weiter in den Händen des Herrscher-Clans, der sich entschlossen an die Macht klammert und das einzige Sportereignis von internationalem Rang des Landes nutzt, um der Welt seine anhaltende Potenz zu demonstrieren” (Hofmann, René, Das Schweigen der Lärmer, in SZ 18.4.2013). Die Demonstranten skandierten “Nein zur  Blut-Formel-1″ und “Euer Rennen ist ein Verbrechen”. Für den 19.4. war eine Demonstration angekündigt mit dem Motto: “Vulkan des Zorns” (“Vulkan des Zorns”, in SZ 19.4.2013). Der Präsident der FIA, Jean Todt, wiegelte in einem Brief an das Bahrain Youth Center for Human Rights und andere Menschenrechtsorganisationen ab, dass “die Formel 1 einen positiven und heilenden Effekt in Situationen haben kann, in denen Konflikte, soziale Unruhen und Spannungen Leid verursachen” (Ebenda).
Todt behauptet hier das selbe wie der “Olympische Gedanke”: Dabei verschärfen FIA und IOC die sozialen Spannungen weiter.

– Parlamentarier protestieren. Eine Gruppe britischer Parlamentsabgeordneter forderte in einem offenen Brief Teams, Fahrer, Sponsoren und die übertragenden Fernsehsender auf, das Rennen abzusagen. Der  Vorsitzende der “All Party Parliamentary Group for Democracy in Bahrain”, Andy Slaughter, schrieb: “Ich denke, die meisten demokratisch gesinnten Menschen wären entsetzt, wenn Sie (Ecclestone) Bahrain trotz grausamster Menschenrechtsverletzungen erlauben würden, Teil der Formel-1-WM zu sein” (Brief aus dem Parlament, in SZ 18.4.2013). MdB Viola von Cramon, sportpolitische Sprecherin und Volker Beck, Sprecher für Menschenrechtspolitik
von Bündnis 90/Die Grünen, forderten: “Der Glanz von Sportgroßveranstaltungen darf  nicht über die wahren Zustände hinwegtäuschen” (Ebenda). Sie forderten, dass diese nur der austragen dürfe, der Menschenrechte einhält. “Zum Thema ‘Menschen- und Bürgerrechte bei Sportgroßveranstaltungen stärker berücksichtigen’ haben sie einen Antrag gestellt, der am 15. Mai in einer öffentlichen Anhörung im Sportausschuss behandelt wird” (Ebenda). – Amnesty International forderte die Beteiligten zum Protest auf.

Nachtrag 3 vom Juli 2013: Bad News for Bernie
Im Juli 2013 bekam Formel-1-Chef Bernie Ecclestone von der Münchner Staatsanwaltschaft die 223 Seiten starke Anklageschrift – in englisch. Eccelestone wird Bestechung und Anstiftung zur Untreue vorgeworfen. Er hat dem früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky 44 Millionen Dollar überwiesen, damit die BayernLB ihre Anteile an der Formel 1 an die Investmentgesellschaft CVC verkaufte und Ecclestone deren Geschäftsführer bleiben konnte. Ecclestone besaß die Chuzpe, sich von der BayernLB 41,4 Millionen Dollar als „Provision“ für die Vermittlung von CVC zurückzuholen. Die BayernLB will ihrerseits 400 Millionen Dollar Schadensersatz, weil der damalige CVC-Kaufpreis von 814 Millionen Dollar zu niedrig gewesen sei.
Gribkowsky wurde 2012 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Für Eccelestone besteht eine weitere Gefahr, weil die BayernLB im Staatsbesitz ist: Damit hätte er quasi Beamte bestochen (Deckstein, Dinah, Hacke, Detlef, Wulzinger, Michaela, 39 Zeugen, in Der Spiegel 30/22.7.2013). „Der Chef eines der größten und profitabelsten globalen Sportereignisse wegen Bestechung auf der Anklagebank, das wäre ein Novum im Weltsport“ (Ott, Klaus, Anklage auf Englisch, in SZ 18.7.2013). Die bei der Formel 1 startenden Autofirmen begehren ihrerseits langsam auf, weil sich Industriekonzerne nach den diversen Schmiergeldskandalen – siehe Siemens – zumindest offiziell strenge Compliance-Regeln gegeben haben (Neudecker, Michael, Im Sinne der Schlagzeile, in SZ  18.7.2013).
Die britische Zeitschrift Indipendent berichtete, dass 2011 die Formel 1 rund 1,5 Milliarden Dollar Einnahmen und 470 Millionen Dollar Gewinn gemacht hat: Dafür wurden aufgrund eines Steuervermeidungsmodells gerade einmal 1,5 Millionen Dollar Steuern gezahlt (Ott, Klaus, Steuersparmodell Formel 1, in SZ 26.7.2013). Die Investmentgesellschaft CVC als Hauptaktionär äußerte sich nicht dazu. Geäußert hat sich dagegen Weltmeister Sebastian Vettel – zu Ecclestone: „Es ist einfach schön zu sehen, wie ein Mensch alleine so viel bewegen kann über eine so lange Zeit, mit der Liebe zum Sport“ (Baden in Bernie-Land, in SZ 2.8.2013).
Klaus Ott warf nicht nur den Sport-Sponsoren versagen vor, sondern auch der Wirtschaft und nennt als Beispiel „die Daimler AG, die mit Mercedes im Rennsport dabei ist. Im Fall Ecclestone laviert Daimler auf peinliche Art und Weise“ (Ott, Klaus, Kultur des Wegguckens, in SZ 30.7.2013). Ecclestone hat mit 44 Millionen Dollar einen Staatsbanker bestochen: „Mal angenommen, Daimler-Chef Dieter Zetsche hätte so agiert: heimliche Millionentransfers an einen Geschäftspartner über Briefkastenfirmen in der Karibik und im Indischen Ozean. Zetsche wäre seinen Job sofort los“ (Ebenda).

Nachtrag 4: Formel 1 ist zu teuer. Elf Formel-1-Teams gibt es derzeit: “Bis auf die Top-Rennställe Red Bull, Ferrari und Mercedes haben alle Teams  heftige finanzielle Sorgen” (Brümmer, Elmar, Ein zu teurer Spaß, in SZ 25.9.2013). Der Eigentümer von Benetton-Renault ist inzwischen ein Luxemburger Investor. Dessen Repräsentant Eric Boullier: “Die Formel 1 ist zu teuer, und wer vorn sein will, muss immer mehr ausgeben. wer nicht vorn ist, bekommt keine Sponsoren” (Ebenda). Kimi Räikkönnen bekam von Lotus nur schleppend sein Gehalt und geht zu Ferrari – für 20 kolportierte Millionen Euro Jahresgehalt. Die meisten Teams müssen inzwischen “Paydriver” beschäftigen, die noch Geld fürs Cockpit mitbringen (Ebenda).
Und Bernie kassiert nach wie vor ab.

Nachtrag 5: Geld wird knapper – für die Kleinen. Ecclestone hat mit fast allen Rennteams die Verträge verlängert. Die Topteams erhalten Bonuszahlungen: „Red Bull kassiert allein fürs Zustimmen angeblich 60 Millionen Euro, kleinere Rennställe bekommen kaum etwas.“ (Hacke, Detlev, Zwei Welten, in Der Spiegel 38/16.9.2013). (…) Dazu hat die Mehrheit der elf Teams Schwierigkeiten, Sponsoren zu finden, während gleichzeitig die Kosten steigen. „Unter 70 Millionen Euro im Jahr lässt sich kein Rennstall mehr betreiben“ (Ebenda). Der Etat von Red Bull liegt bei rund 230 Millionen Euro, während z.B. Lotus mit 120 Millionen Euro verschuldet sein soll (Ebenda).

Nachtrag 6: Ecclestone lässt noch häufiger fahren. Der vorläufige Formel-1-Kalender 2014:  16. März: Melbourne; 30. März: Sepang/Malaysia; 06. April: Manama/Bahrain; 20. April: Shanghai; 27. April: Yeongam/Südkorea (provisorisch); 11. Mai: Barcelona; 25. Mai: Monte Carlo; 01. Juni New Jersey/USA (provisorisch); 08. Juni: Montréal 22. Juni: Spielberg/Österreich; 06. Juli: Silverstone; 20. Juli Hockenheimring; 27. Juli: Budapest; 24. August: Spa/Belgien; 07. September: Monza; 21. September: Singapur; 05. Oktober: Sotschi/Russland; 12. Oktober: Suzuka/Japan; 26. Oktober: Abu Dhabi; 09. November: Austin/Texas; 16. November: Mexiko City (provisorisch); 30. November: São Paulo. Das bedeutet den Transport der Formel 1 mit sechs Jumbojets nach: Australien-Malaysia-China-Südkorea-Spanien-Frankreich-USA-Kanada-Österreich-England-Deutschland-Ungarn-Belgien-Italien-Singapur-Russland-Japan-Abu Dhabi-USA-Mexiko-Brasilien.
Die Erweiterung auf 22 Rennen sei laut Red-Bull-Teamchef Christian Horner eine zu große Belastung für Mitarbeiter und Beschäftigte der Formel 1 (Red-Bull-Teamchef kritisiert geplanten Rekord-Kalender, in spiegelonline 4.10.2013).
Von der ungeheuren Belastung für die Umwelt reden die Formel-1-Leute nicht!

Nachtrag 7: Dicke Auto-Luft in Sotschi. Im früheren Luftkurort Sotschi donnern ab Oktober 2014 – bis 2020 – die Boliden der Formel 1. Die 40.000 Hotelbetten nach den Olympischen Winterspielen 2014 sollen mit Motorsport-Fans weitergenutzt werden. Der Formel-1-Kurs schlängelt sich um die Olympiabauten. Hermann Tilke, Rennstrecken-Architekt, über das „fahrerische Highlight“ der zweiten Kurve: „Da wird mit mehr als 200 km/h reingefahren, raus geht es mit mehr als 300 km/h. Die wird immer schneller. So eine gibt es glaube ich noch nicht“ (Eberts, Carsten, Sightseeing bei 300 km/h, in sueddeutsche.de 5.12.2013).

Nachtrag 8: Ecclestone will zum Diktator. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone (83) will 2015, spätestens 2016 in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, einen Grand Prix durchführen. Das diktatorische Regime von Ilham Aliyev missachtet Menschenrechte und schaltet politische Gegner brutal aus. Ecclestone Anfang März 20124: “Wir gehen nach Aserbaidschan” (Ecclestone erwägt Rennen in Aserbaidschan, in spiegelonline 5.3.2014).
Auch der Motorsport ist selbstverständlich “unpolitisch”.

– Nachtrag 9: Formel-1-Kurse als White Elephants. “Das Rennen in Baku könnte möglicherweise langfristig den Grand Prix in Sotschi ersetzen. In der Olympiastadt gastiert die Formel 1in dieser Saison erstmals (12. Oktober). In den vergangenen Jahren hat Ecclestone die Globalisierung der Formel 1 weiter vorangetrieben. Seit 2004 wurde auf zehn neuen Kursen gefahren, davon lagen nur zwei in Europa. Vier dieser Grand Prix (Europa, Türkei, Indien und Korea) sind allerdings bereits wieder aus dem Rennkalender gestrichen worden. In Indien soll 2015 wieder gefahren werden, dann sind auch zusätzliche Veranstaltungen in New Jersey, Mexiko und Österreich geplant” (Ebenda).
Je mehr Formel-1-Kurse es weltweit gibt, umso mehr kann Herr Ecclestone die Bedingungen diktieren. Antrittsgelder von 30, 40 Millionen Euro seitens der Austragungsorte sind inzwischen Usus. Und wer rechnet schon nach, wie viel der globalen Formel-1-Kurse inzwischen White Elephants sind – nicht mehr gefragt, nicht mehr benutzt…

Nachtrag 10: Ecclestone will zum nächsten Diktator
Formel-1-Chef Bernie Ecclestone (83) will 2015, spätestens 2016 in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, einen Grand Prix durchführen. Das diktatorische Regime von Ilham Aliyev missachtet Menschenrechte und schaltet politische Gegner brutal aus. Ecclestone Anfang März 20124: „Wir gehen nach Aserbaidschan“ (Ecclestone erwägt Rennen in Aserbaidschan, in spiegelonline 5.3.2014).
Auch der Motorsport ist selbstverständlich „unpolitisch“.
Ecclestone tourt mit seinem umweltschädlichen Motorsport-Zirkus schon am 12.10.2014 auf einem neuen Formel-1-Kurs in Sotschi. Kommentar von Christoph Becker in der FAZ: „Bernie Ecclestone darf sich auf den nächsten Kreisverkehr bei einem Autokraten freuen. Mit Wladimir Putin läuft es ja bestens. (…) Die im ‚Organized Crime and Corruption Reporting Project‘ (OCCRP) zusammen geschlossenen investigativen Journalisten aus Mittel- und Osteuropa wählten Alijew 2012 angesichts seiner vielfältigen, vor allem für seine Familienmitglieder förderlichen Geschäfte zu ihrem ‚Mann des Jahres‘. Alijew war der erste, dem der Titel verliehen wurde(Becker, Christoph, Brennstoff aus Baku, in faz.net 5.3.2014).

Nachtrag 11: Formel-1-Kurse als White Elephants
„Das Rennen in Baku könnte möglicherweise langfristig den Grand Prix in Sotschi ersetzen. In der Olympiastadt gastiert die Formel 1in dieser Saison erstmals (12. Oktober). In den vergangenen Jahren hat Ecclestone die Globalisierung der Formel 1 weiter vorangetrieben. Seit 2004 wurde auf zehn neuen Kursen gefahren, davon lagen nur zwei in Europa. Vier dieser Grand Prix (Europa, Türkei, Indien und Korea) sind allerdings bereits wieder aus dem Rennkalender gestrichen worden. In Indien soll 2015 wieder gefahren werden, dann sind auch zusätzliche Veranstaltungen in New Jersey, Mexiko und Österreich geplant“ (Ebenda).
Je mehr Formel-1-Kurse es weltweit gibt, umso mehr kann Herr Ecclestone die Bedingungen diktieren. Antrittsgelder von 30, 40 Millionen Euro seitens der Austragungsorte sind inzwischen Usus. Und wer rechnet schon nach, wie viel der globalen Formel-1-Kurse inzwischen White Elephants sind – nicht mehr gefragt, nicht mehr benutzt…

Nachtrag 12: Auch 2014 zigmal um die Welt
Der Formel-1-Kalender 2014:  16. März: Melbourne/Australien; 30. März: Sepang/Malaysia; 6. April: Manama/Bahrain; 20. April: Shanghai/China; 11. Mai: Barcelona/Spanien; 25. Mai: Monte Carlo/Monaco; 8. Juni: Montréal/Kanada; 22. Juni: Spielberg/Österreich; 6. Juli: Silverstone/Großbritannien; 20. Juli Hockenheimring/Deutschland; 27. Juli: Budapest/Ungarn; 24. August: Spa/Belgien; 7. September: Monza/Italien; 21. September: Singapur; 5.10. Suzuka/Japan; 12. Oktober: Sotschi/Russland; 2.11. Austin/Texas; 9.11. Sao Paulo/Brasilien; 23. November: Abu Dhabi.
Das bedeutet den Transport der Formel 1 mit sechs Jumbojets nach: Australien-Malaysia-Bahrain-China-Spanien-Monaco-Kanada-Österreich-England-Deutschland-Ungarn-Belgien-Italien-Singapur-Japan-Russland-USA-Brasilien-Abu Dhabi.

Nachtrag 13: Der Red Bulle. Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz, geschätztes Privatvermögen 2013 rund 7,5 Milliarden Euro, enger Freund von Bernie Ecclestone, hat zwei Formel-1-Teams: Red Bull und Toro Rosso. Der 69jährige wandte sich im österreichischen Kurier gegen Versuche, die Formel 1 spritsparender zu gestalten: „Die Formel 1 wieder zu dem zu machen, was sie immer war: die Königsdisziplin. Sie ist weder dazu da, neue Rekorde im Benzinverbrauch aufzustellen, noch dass man sich im Flüsterton während eines Rennens unterhalten kann, das Lauteste der Boxenfunk und das höchste der Gefühle ein quietschender Reifen ist. Ich halte es für ebenso absurd, dass wir um Sekunden langsamer fahren als voriges Jahr und dass die Nachwuchsserie GP2 teilweise schon mehr Motorsport und Kampf bietet und fast gleich schnelle Zeiten fährt wie die Formel 1 bei einem Bruchteil an Budget“ (Albrechtsberger, Philipp, „Öffentliche Präsenz? Die Zeit ist mir zu schade“, in kurier.at 23.3.2014).

Nachtrag 14: Wegwerfartikel Formel-1-Kurs. Auf dem „International Circuit“ in Südkorea wurden gerade einmal vier Formel-1-Rennen durchgeführt. Nun entschied Bernie Ecclestone, dass 2015 ein neuer Kurs in Baku/Aserbaidschan die zweifelhafte Formel-1-Ehre erhält. Ecclestone: „Es wird 2015 losgehen und Südkorea ersetzen“ (Baku statt Mokpo, in SZ 9.5.2014).
Vermutlich zahlt der Diktator in Aserbaidschan ein höheres Antrittsgeld!

Nachtrag 15: Stand Juni 2014
– Heizdecken erwärmen die Reifen auf 80 Grad, um die Haftung zu erhöhen. „Alle Teams besitzen die Reifenwärmer seit Jahren, den Strom bezahlen meistens die  Veranstalter“ (Brümmer 25.6.2014). – „Auf etwa 1,7 Milliarden Euro belaufen sich die Etats der elf Teams, damit diese 19 Rennen im Jahr bestreiten können“ (Ebenda). – „Sechs der elf Teams haben Geldprobleme“ (Ebenda). „Prinzipiell scheinen die Großen inzwischen bereit zu sein, einen ausgehungerten kleinen Rennstall über die Klinge springen zu lassen. Um trotzdem auf die  den Veranstaltern garantierten 20 Rennwagen im Starterfeld zu kommen, könnten die Werksrennställe selbst ein drittes Auto einsetzen oder ihre Gebrauchtwagen an kleinere Rennställe leasen- wie es derzeit schon mit den Motoren geschieht“ (Ebenda). – „Jeder Probekilometer Formel 1 beläuft sich auf geschätzte 1000 Euro“ (Ebenda).

Nachtrag 16: The Show must go on
Am 12.7.2014 verunglückte der Seitenwagenfahrer Enrico Becker am Sachsenring tödlich. Der Veranstalter gab kurz danach eine Mitteilung heraus: „‚Auf Wunsch der Familie und des Seitenwagen-Starterfeldes‘ aber werde das Rennen wie geplant ausgetragen, am Sonntagnachmittag, 16.35. (…) Nach den Rennen konnte man im Fernsehen vorwiegend sehen, was man immer nach Motorsportrennen sieht: Zusammenschnitte der  spektakulärsten Stürze, von denen es auch diesmal wieder einige gab, sektspritzende Sportler, jubelnde Menschen, enttäuschte Gesichter auch“ (Neudecker, Michael, Unglück in der Nische, in SZ 14.7.2014).

Vergleiche zu den politischen und moralischen Folgen des scheinbar unpolitischen Sports: Motorsport in der Bahrain-Diktatur
Und im Kritischen Olympischen Lexikon: Red Bull

Nachtrag 17: Bernies Millionen.
Ecclestone stand geraume Zeit in München wegen Bestechung des Bayern-LB-Bankers Gerhard Gribkowsky mit 44 Millionen Dollar im Jahr 2006 vor Gericht und kaufte sich am 5.8.2014 frei. Der “Deal” sah vor, dass Ecclestone 100 Millionen Dollar bezahlt und der Prozess beendet wird (Ott, Klaus, Ecclestone bietet Gericht 100 Millionen, in SZ 2.8.2014). Für Ecclestone “dürfte die Rechnung ‘Geld gegen Lebenszeit’ lauten. (…) 100 Millionen Dollar ist exakt die Summe, die ihm seine geschiedene Frau, der er sein Vermögen in einer Stiftung übertragen hat, als Unterhalt zahlt – pro Jahr” (Lacotta, Beate, Die  Wahrheit bleibt auf der Strecke, in spiegelonline 5.8.2014). Ecclestone selbst sagte zu dem Urteil: „Eigentlich finde ich dieses kapitalistische System gut“ („Ich finde dieses kapitalistische System gut“, in spiegelonline 6.8.2014).
Heribert Prantl bezeichnete in der SZ den “Deal” als “eine ziemlich perverse Nummer” und “eine Art Waschanlage… gewaschen wird nicht ein Rennwagen, sondern der Chef vom Rennzirkus. (…) Das Verfahren ist kein ordentliches Strafverfahren mehr, es ist ein rechtlicher Zirkus: Ecclestone kann sich gegen ungeheuer viel Geld freikaufen” (Prantl, Heribert, Formel Frechheit, in SZ 2.8.2014).
Damit kann Ecclestone Formel-1-Chef bleiben, er, der “wie derzeit keinerlei Diskussionen über das geplante Rennen im Oktober in Sotschi zulässt, die politische Lage in Russland ignorierend. (…) Und 2016 soll die Formel 1 auch in Baku fahren, wie Aserbaidschans Sportminister neulich mitteilte” (Hofmann, R., Neudecker, M., Nur der Profit zählt, in SZ 2.8.2014).
Kein sympathischer Zeitgenosse!

Nachtrag 18: Kritik an Sotschi-Rennen
Auswirkung des Russland-Krieges in der Ostukraine: „Ari Vatanen, ein hoher Funktionär des Internationalen Automobilverbandes FIA, hat erstmals die Absage des Großen Preises von Russland in Sotschi gefordert. ‚Es wird oft gesagt, dass die Formel 1 Politik und Sport nicht vermischen soll, aber das russische Regime vermischt bereits Politik und Sport auf eine krasse Art, weshalb wir reagieren müssen‘, sagte Vatanen der Zeitung The Telegraph“ (Kritik an Rennen in Sotschi, in SU 5.9.2014).

Nachtrag 19: Formel-1-Rennen in Putin-Russland
Fünfzig Millionen Dollar soll der Veranstalter im Auftrag von Russlands Präsidenten Wladimir Putin für die Vergabe des Rennens nach Sotschi an Ecclestone bezahlt haben. Der Kurs selbst soll angeblich 260 Millionen Euro gekostet haben (Brümmer, Elmar, Im Osten viel Neues, in sueddeutsche.de 9.10.2014). Ecclestones Hausarchitekt für Formel-1-Rennstrecken, Hermann Tilke, Bauingenieur aus Aachen: „Ich freue mich tierisch drauf“ (Becker, Christoph, Die Formel 1 am Hof des Zaren, in faz.net 9.10.2014). – „Das Marschland in der Imeretinskajabucht war einst Naturschutzgebiet. (…) Der Umweltschützer Jewgeni Witischko, der gegen den Bau der Olympiastätten in einzigartiger Ökosphäre protestiert hatte, war während der Olympischen Spiele unter dem Vorwand, er habe in der Öffentlichkeit geflucht, verhaftet worden und muss seither eine zuvor gegen Bewährung ausgesetzte dreijährige Lagerhaft verbüßen. Witischko saß in einer Gefangenenkolonie in der Oblast Tambow ein, vor zwei Wochen wurde ein weiterer Einspruch mit der Begründung verworfen, er habe seine Nahrungsmittel nicht ordnungsgemäß gelagert und zu verbotenen Zeiten auf seinem Bett gesessen, schreibt ein Mitglied von Witischkos Organisation „Ökologische Wacht im Nordkaukasus“. Am Mittwoch twitterte EWNC, dass Witischko verlegt werde – in eine noch striktere Strafkolonie“ (Ebenda). – „Im November soll ein Prozess gegen Memorial in Moskau geführt werden. Zugleich wurden wie zu Olympia während des Formel-1-Auftritts kritische, selbstbewusste Bürger Sotschis von Geheimdienst und Polizei rundum überwacht“ (Becker, Christoph, Formel 1 im Putin-Land: Der Skandal von Sotschi, in faz.net 13.10.2014).
„Auf einmal scheint vieles vergessen: Die Annektierung der Krim durch Putin, prorussische Rebellen im Osten der Ukraine, die der Präsident mit Waffen unterstützte, der Abschuss eines Verkehrsflugzeuges der Malaysian Airlines, woraufhin 298 Menschen ihr Leben ließen“ (Wittershagen, Michael, Putins Rennen, in faz.net 8.10.2014). Bemerkenswert sind dazu die Aussagen von zwei Rennstall-Leitern. Der Teamchef von Red Bull, Christian Horner, Ende Juli: „Wir konzentrieren uns nur auf Negatives, und es muss mal gesagt werden, dass das langweilig wird für uns, hier zu sitzen und diese Fragen beantworten zu müssen“ (Ebenda). Und Toto Wolff, Motorsportchef des derzeitigen Branchenprimus Mercedes, Anfang September: „Es ist immer gefährlich, die Nachrichten zu lesen und sich eine Meinung zu bilden, weil diese Meinung in Bezug auf das, was wirklich passiert, falsch sein kann.“
Also Rennfahrer, Fans, Motorsportenthusiasten: bloß keine Zeitung lesen!
„An eine Absage aufgrund der Ukraine-Krise wurde in Formel-1-Kreisen nie gedacht… Ecclestone stützt Putins Prestigeobjekt: ‚Wir werden unseren Vertrag zu 100 Prozent einhalten. Ich sehe kein Problem, wir haben mit Politik nichts zu tun'“ (Brümmer 9.10.2014).
Putin muss den Motorsport nicht missbrauchen: Der Motorsport ist der Missbrauch. Ecclestones Formel 1 ist ein Wanderbordell – inzwischen bevorzugt in Diktaturen wie Russland, Bahrain, Abu Dhabi, China, Aserbaidschan…
Vergleiche hierzu unter „Aktuelles“: Formel-1-Rennen in Putin-Russland

Nachtrag 20: Kosten ohne Ende
„Nach Caterham hat auch das Formel-1-Team Marussia ein Insolvenzverfahren eröffnet und wird nicht am nächsten Grand Prix in den USA teilnehmen. Dies teilte am Montag der Insolvenzverwalter des britisch-russischen Rennstalls mit“ (dpa, Marussia steigt aus, in SZ 28.10.2014). Die  beiden Teams haben die Kosten für ein Formel-1-Team mit 120 Millionen Dollar angegeben, davon ein Drittel für die Motoren. Die Top-Teams bekommen von den jährlich zu verteilenden 800 Millionen Dollar die meisten Boni, die kleineren nur wenig: Der geaue Verteilungsschlüssel  ist unbekannt. Das liegt auch am Großinvestor CVC, der die Anteile von der Bayerischen Landesbank übernommen hat. „Mehr als acht Milliarden Dollar Gewinn soll das Finanzkonglomerat CVC seit seinem Einstieg 2006 aus der Formel 1 gezogen haben, re-investiert wurde nur wenig“ (Brümmer, Elmar, Wer soll das bezahlen? in SZ 31.10.2014). Die drei großen Rennställe, Mercedes, Red Bull und Ferrari sollen jährliche Budgets von geschätzten 250 Millionen Euro haben (Zu viel Geld, schlecht verteilt, in spiegelonline 2.11.2014).

Nachtrag 21: Russischer Nürburgring
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) befreite sich Anfang November 2014 von den SPD-Altlasten des Nürburgrings. Finanzminister Carsten Kühl und SPD-Fraktionschef Hendrik Hering verloren ihre Posten. “Dreyer selbst war als Sozialministerin im Kabinett Beck inhaltlich nicht mit dem Rennstreckenprojekt befasst, das die Steuerzahler etwa 500 Millionen Euro kostete. Weil aber die EU-Kommission unlängst das Vorgehen der Beck-Regierungen scharf rügte sowie die Millionen-Subventionen für rechtswidrig erklärte, und der Landesrechnungshof scharfe Kritik am misslungenen Versuch zur Rettung des Rings übte, wurde sie in diesen für die SPD schier endlosen Affärenstrudel gerissen und fand mitsamt ihrer Regierung kaum noch Gehör für andere, politische Themen. Auch Dreyers Hoffnung, dass sich die Nürburgring-Aufregung legen würde, erfüllte sich nicht. Erst am Wochenende hatte es neue, bizarre Nachrichten von der Rennstrecke gegeben, die pleitegegangen und im Frühjahr von unabhängigen Insolvenzverwaltern in einem Bieterverfahren verkauft worden war. Einer der Käufer, der Inhaber des Düsseldorfer Autozulieferers Capricorn, geriet aber alsbald in finanzielle Schwierigkeiten und konnte fällige Raten nicht mehr bezahlen. Überraschend übernahm nun der russische Pharma-Unternehmer und Multimillionär Viktor Charitonin die Mehrheit der Capricorn-Anteile an der Nürburgring Besitz GmbH, der ein Motorsportfan sein soll. Der Betrieb an der Strecke ist damit vorerst gesichert, allerdings wurde Kritik an dem Engagement eines russischen Magnaten laut. ‘Der Nürburgring war Volkseigentum, jetzt haben wir einen russischen Oligarchen dort’, sagte Oppositionschefin Klöckner” (Höll, Susanne, Mainzer Notbremsung, in SZ 5.11.2014).

Nachtrag 22: Formel 1 in Katar?
Zuerst hatte Bahrain einen Formel-1-Kurs – und sich von Bernie Ecclestone ein Vetorecht für weitere Kurse in der Nachbarschaft einräumen lassen. Dann verständigte sich Bahrain mit Abu Dhabi auf einen weiteren Formel-1-Grand Prix in der Gegend. Nun will – natürlich – auch Katar einen Formel-1-Kurs bauen. Im Dezember 2014 scheiterte dies am Veto Bahrains – zum Bedauern von Ecclestone (dpa, Bahrein und Abu Dhabi gegen Qatar, in faz.net 12.12.2014).
Wie viele überflüssige und ausgemusterte Formel-1-Kurse gibt es eigentlich weltweit schon?

Nachtrag 23: Aus für Südkorea
Da wollte doch Ecclestone tatsächlich die Formel-1-Rennsaison 2015 von 20 auf 21 Wettbewerbe weiter aufblähen. Am 3.5.2015 sollte in Südkorea ein Rennen stattfinden. Ecclestone musste Südkorea wieder absagen. Die dortigen Veranstalter haben zwischen 2010 und 2013 einen Verlust von rund 170 Millionen Euro gemacht (SID, Grand Prix gestrichen, in SZ 8.1.2015).

Nachtrag 24: 1200 PS
Kurzer Ausflug in die nicht so ganz brachiale Motorwelt: Nach Hybridtechnik, leiseren Fahrzeugen und PS-Begrenzung wünscht sich Bernie Ecclestone angesichts rückläufiger Besucherzahlen der Formel 1 lautere Autos, die „aggressiver“ aussehen. Der Aufsichtsratschef vom Mercedes-Formel-1-Team, Niki Lauda, will 1200-PS-Rennwagen, damit sich die jungen Fahrer „wieder fast in die Hosen machen“ (Hofmann, René, Vollgas rückwärts, in SZ 19.2.2015).

Nachtrag 25: Formel 1 in der Krise?
„Die Macher in der Formel 1 wollen das Problem totschweigen, doch es ist offensichtlich: Die Rennserie steckt in der Krise, Ticketverkäufe und TV-Quoten sind rückläufig. Selbst drastische Preissenkungen ändern daran nichts“ (Sturm, Karin, Zuschauer wenden sich von Formel 1 ab, in spiegelonline 19.6.2015). Die Veranstalter des Rennens in Silverstone bieten jetzt Tickets für das in zwei Wochen stattfindende Rennen mit 44 Prozent Rabatt an. Beim Rennen am österreichischen Red-Bull-Ring kosten die billigsten Wochenend-Tickets 250 Euro – die Nachfrage lässt zu wünschen übrig (Ebenda).

Nachtrag 26: Steigt Katar in Formel 1 ein?
Der Fonds Qatar Sports Investments soll zusammen mit dem Sportkonzern RSE Ventures für die Formel-1-Anteile von CVC Capital Partners, der noch 35,5 Prozent Anteile hält, bieten. “Der katarische Fonds wolle die Formel 1 langfristig komplett übernehmen, heißt es. Bislang gelang es dem Emirat nicht, ein Rennen nach Katar zu holen. Stattdessen drehen die Fahrer beim Rivalen Bahrain ihre Runden” (Finke, Björn, Pole-Position für die Scheichs, in SZ 25.6.2015). – “Die Rennserie braucht einen Neuanfang: eine neue Strategie – und einen neuen Chef” (Finke, Björn, Bye-bye Bernie, in SZ 26.6.2015).
Dann doch lieber gleich diese grandiose Umweltverschmutzung Formel 1 ganz abschaffen!

Nachtrag 27: „Schieb ihn raus!“
Red Bull-Ring, Spielberg, 2.8.2015: Mercedes-Fahrer Robert Wickens führt bei der Deutschen Tourenwagen Masters. Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich funkte seinem Fahrer Timo Scheider: „Timo, schieb ihn raus“ („Schieb ihn raus“ – Mercedes fordert Strafe für Audi, in spiegelonline 3.8.2015). Scheider schob Wickens plus Mercedes-Fahrer Pascal Wehrlein ins Kiesbett. Ullrich „hatte sich in Spielberg zunächst mit der Ausflucht zu retten versucht, von ihm könne der Funkspruch gar nicht gekommen sein, weil er während der Fahrt nie direkt mit den Fahrern rede. Scheider hatte behauptet, er habe überhaupt keinen Funkspruch empfangen. Beide Aussagen aber wurden durch die Live-Bilder und -Töne der TV-Übertragung widerlegt“ (Hofmann, René, Der Chef muss draußen bleiben, in SZ 28.8.2015). Am 26.8.2015 entschied das Sportgericht des Deutschen Motorsport-Bundes, dass Audi 200.000 Euro Strafe zahlen muss. Die 62 Punkte von Spielberg werden gestrichen. Wolfgang Ullrich darf bis zum Saisonende nicht mehr in die Boxengasse und an den Teamfunk. Timo Scheider darf nicht Ende August 2015 in Moskau starten (Audi muss  Rekordstrafe zahlen, in spiegelonline 26.8.2015).

Nachtrag 28: Ecclestone-TV
Beim Formel-1-Rennen in Japan im September 2015 führte der Gewinner Lewis Hamilton über weite Strecken – und war ziemlich allein unterwegs. Die TV-Regie zeigte das Mittelfeld. Die TV-Regie liegt bei FOM, Formula One Management Ltd., die wiederum zur Formula One Group gehört, die wiederum für die Werbung und kommerzielle Verwertung der Formel 1 verantwortlich ist – und unter maßgeblichem Einfluss von Bernie Ecclestone steht (Wikipedia, Formula One Group). – „Alle Live-Bilder vom Rennverlauf werden von einer Firmsa produziert, an deren Spitze Bernie Ecclestone steht, der Vermarkter der ganzen Rennserie. Ecclestone ist machtbewusst und trickreich. Die  Vermutung, dass er die TV-Regie nutzen könnte,, um diejenigen zu ärgern, die ihn geärgert haben, liegt deshalb nahe“ (Hofmann, René, Die  Falschen an den Knöpfen. in SZ 28.9.2015). Der Grund für Hamiltons Nicht-TV-Präsenz: Sein Rennstall Mercedes weigerte sich, Red Bull und Toro Rosso Motoren zur Verfügung zu stellen. Deren Ausstieg aus der Formel 1 wird dadurch wahrscheinlicher (Sturm, Karin, Alles wie immer – nur die TV-Bilder nicht, in spiegelonline 27.9.2015).

Nachtrag 29: Krise in der Formel 1
Zuschauerzahlen und TV-Einschaltquoten in der Formel 1 gehen zurück. Gründe sind: hohe Eintrittspreise, leise Triebwerke, zu teure Rennautos, zu teure Budgets. „Die Spitzenställe geben um die 300 Millionen Euro im Jahr aus. Die Kleinen hingegen haben massive Probleme, ein Budget auf die Beine zu stellen, das gerade mal einem Drittel davon entspricht. (…) Allein die Motoren, die früher maximal  acht Millionen Euro pro Saison kosten durften, schlagen heute für die Kundenteams mit knapp 20 Millionen Euro zu Buche“ (Sturm, Karin, Formel Krise, in spiegelonline 26.10.2015). Dazu wandert die Formel 1  aus Europa aus, weil die totalitären Staaten Russland, Aserbaidschan, Bahrain höhere Antrittsgelder zwischen 25 und 35 (Sotschi sogar 50) Millionen Dollar bezahlen können. Das englische Silverstone hat finanzielle Probleme – wie der Grand Prix von Deutschland (Ebenda).

Nachtrag 30: Formel 1 in Aserbaidschan
„Ein Monaco des Ostens möchte die Metropole am Kaspischen Meer werden, dafür hat Bernie Ecclestones deutscher Hausarchitekt Hermann Tilke eine sechs Kilometer lange Piste durch die Altstadt gebaut. (…) Eine weniger als acht Meter breite Engstelle an der Stadtmauer soll dazu das schmalste Stück Strecke im Kalender sein, der durch das 32. Gastgeberland der Formel-1-Geschichte auf 21 WM-Läufe aufgebläht wurde. Was selbst bei den Logistikern der Formel-1-Teams für Adrenalinschübe sorgt, obwohl die ein sehr hohes Stresslevel gewohnt sind. Denn bei sechs Weltmeisterschaftsläufen innerhalb von sieben Wochen finden die wahren Rennen zwischen den Rennen statt. Am vergangenen Sonntag gegen 22 Uhr war der Gro