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Host Broadcasting Services (HBS)

Das Uefa-Fifa-IOC-Weltbild

Intro zur Fußball-WM 2014
TV-Brot-und-Spiele funktioniert bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien augenscheinlich. Die Zuschauerzahlen sind ganz oben – auch und gerade in Deutschland. Die sauberen TV-Bilder überzeugen. Glückliche, verzweifelte, jubelnde Zuschauer – je nach dem. Und alles wird zeitversetzt gesendet, damit der Protest ausgeblendet werden kann. Schöne neue Medien-Welt: so falsch wie verlogen. „Flitzer werden ausgeblendet, Fans die Plakate weggenommen, Demonstranten rausgeschnitten: Die Fifa zeichnet als Herrin über die WM-Aufnahmen das Bild eines fröhlichen Turniers. Nicht immer stimmt das“ (Gartenschläger, Röhn 13.7.2014).

Die globale TV-Fußball-Firma
Eine hundertprozentige Tochterfirma der Sportrechte-Agentur Infront ist Host Broadcasting Service (HBS), die zentrale Medienproduktion für internationale Groß-Sportevents, die z.B. für die Fifa-WM 2002 bis 2018 und die Uefa Euro 2008 und 2012 die Bilder liefert (Wikipedia). „HBS hat seitdem die Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea produziert und war auch für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland verantwortlich. Grund ist, dass der Rechtehändler Leo Kirch ursprünglich die weltweiten TV-Rechte an den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 erworben hatte. In diesem Zusammenhang hatte Kirch sich gleichzeitig ausbedungen, die Fernsehübertragung selbst zu produzieren. Nach der Insolvenz von Kirch Media gingen diese Rechte auf Infront über“ (Wikipedia, Host Broadcasting Services). Präsident von Infront ist Philippe Blatter, der Neffe von Sepp Blatter. Von daher ist es wenig verwunderlich, dass HBS bis zur Fußball-WM 2018 in Russland und vermutlich auch darüber hinaus überträgt (www.hbs.tv 1.3.2012).
CEO von HBS ist Francis Tellier, der schon Managing Director von TVRS 98 war, dem Host Broadcaster bei der Fußball-WM 1998 in Frankreich und damit eine Art Vorläufer des HBS. Tellier ist auch CEO von International Games Broadcast Services (IGBS). IGBS ist ein Joint Venture mit IMG Media und war der Host Broadcaster der 15. Asia Games in Doha 2006 und der 7. Winter Asia Games in Astana/Almaty 2011 (www.infrontsports.com).
2008 ließ die Uefa für die EM in Österreich und der Schweiz erstmals das so genannte Weltbild, an das Vertragspartner wie ARD und ZDF angeschlossen sind, durch die Events SA organisieren” (Keil 20.6.2012). ARD und ZDF kaufen von der Uefa (und von der Fifa oder dem IOC) einen konfektionierten Übertragungsstandard, genannt “Weltbild” (Keil 16.6.2012). „Das Material, das sie (die 30 Kameras) liefern, wird im Internationalen Sendezentrum in Warschau geschnitten und, quasi als Fertigprodukt, an die TV-Sender weitergereicht… ARD und ZDF haben die Möglichkeit, den Einheitsbrei mit eigenen Bildern anzureichern“ (Hofmann 15.6.2012). Da dies zusätzlichen Aufwand bedeutet und auch die eigenen Bilder von der Uefa festgelegt sind, wird davon kaum Gebrauch gemacht: „Die  ARD übernahm während aller EM-Spiele das Weltbild bisher komplett, das ZDF bis auf wenige Ausnahmen“ (Ebenda). Auch der Hinweis der Fifa/Uefa, dass jedes Land selbst Bilder vor Ort aufnehmen kann, ist irreführend: Gerade kleinere Staaten können es sich gar nicht leisten, neben den teuren Uefa-Bildern noch eigene TV-Teams vor Ort zu entsenden.
Dazu kommt die Zeitversetzung der HBS-Übertragung: Zwischen dem Torschrei im deutschen Radio und dem Torschrei im deutschen Fernsehen liegen ziemlich genau sechs Sekunden. Damit hat die HBS ein Quasi-Monopol auf die Berichterstattung: Unliebsames wird nicht gesendet. Das passierte dann auch: “Politische Plakate oder leere Ränge und Ehrentribünen wurden ebenso ausgeblendet wie Pyrotechnik oder Flitzer auf dem Rasen” (Kistner, Riehl 30.6.2012; siehe auch unten).
Fifa und Uefa setzen pro Spiel und Stadium 30 TV-Kameras und mehr ein: Da kann man Proteste durch das fast unbegrenzte TV-Material auch „live mit Zeitversetzung“ ganz leicht ausblenden.
Die Uefa will nach eigenen Angaben in Zukunft auf solche Zeitversetzungen bei unliebsamen Bildern wie Protesten etc. verzichten (spiegelonline 19.6.2012). Das bleibt abzuwarten.

Sportsfreunde unter sich bei der Fußball-EM 2012!
Nirgendwo in der EU darf er einreisen, der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko: Aber am Endspieltag der EM, dem 1.7.2012, hat ihn der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch zu einem Gespräch getroffen und zum Endspiel mitgenommen. Eine Sprecherin von Janukowitsch sagte, “wenn Lukaschenko das Spiel anschaue, sei das ein rein privater Besuch” (spiegelonline 1.7.2012).
DOSB-Präsident Thomas Bach kam zum Endspiel mit seinem ukrainischen IOC-Kollegen und Freund Sergej Bubka (siehe Juni 2012). Ob sie wohl next to Janukowitsch und Lukaschenko sitzen durften? Leider darf durch die Regeln des Fifa/Uefa-Weltbildes auch die Promi-Bühne mit den „Ehrengästen“ nicht gefilmt werden.
Eigentlich schade, dass die Intimitäten zwischen den Sport-Paten und den Polit-Paten von HBS nicht übertragen werden.

Kritik
Viele Journalisten kommentierten kritisch. “Die Uefa führt Regie… Die Preise für TV-Rechte stiegen enorm, Fußball-Turniere wie eine EM oder WM werden wie Olympische Spiele in pseudopolitischen Wahlen vergeben, nationale Bewerbungskomitees dabei von echten Regierungen unterstützt. Die Funktionäre haben daraus abgeleitet, dass sie eine Bedeutung wie Staatsmänner haben. Sie fühlen sich inzwischen so mächtig, dass sie ein Live-Spiel frisieren” (Keil 16.6.2012). Thomas Kistner schrieb in der SZ: “Mit objektiver Berichterstattung hat diese vom Fußball gesteuerte Selbstinszenierung im Quotenparadies nichts zu tun. Sie ist nur der Trailer zur Euro-Werbemesse, einer Privatveranstaltung der Uefa. Die zeigt selbst die Fans lieber kontrolliert” (Kistner 2.7.2012).
Die damalige Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon (Bündnis 90/Die Grünen), die auch Mitglied im Sportausschuss ist, hatte mit Rebecca Harms (Grüne, Europaparlament) eine Nachfrage zu den Korruptionsvorgängen in der Ukraine in Zusammenhang mit der EM 2012 gestellt. Sie äußerte zum Fifa/Uefa-„Weltbild“: „Es kann zum Beispiel nicht sein, dass ARD und ZDF alle Bilder zeigen müssen, die ihnen vorgesetzt werden. Wir bezahlen unsere GEZ-Gebühren nicht dafür, dass wir Orwellsche Bilder nach Gusto der Uefa bekommen. Die großen demokratischen Nationen müssen aufstehen und sagen: Das lassen wir uns nicht mehr bieten!“ (Herrmann 4.7.2012).
Der Journalist Christopher Keil fragte in der SZ den Regisseur Volker Weicker: „Kommt denn inzwischen das gesamte Bildangebot vom sogenannten Host Broadcaster, dem ‚gastgebenden Produzenten“, also der HBS – ohne dass die Sendeanstalten darauf Einfluss nehmen können?“ Weicker antwortete: „So ist es, aber die Sender dürfen noch zusätzlich vier, fünf eigene Kameras benutzen, im Wesentlichen, um nationale Prominenz zu zeigen“ (Keil 11.5.2010).

TV-Täuschungen bei der EM 2012
Erster Fall: Deutschland gegen Niederlande: Während des Spiels schlug Bundestrainer Löw plötzlich einem Balljungen den Ball aus der Hand. So sahen das zumindest 27 Millionen deutsche Fernsehzuschauer. Was sie nicht sahen: Dies geschah vor dem Anpfiff. Die Sequenz wurde eingespielt, um die Protestplakate gegen den ukrainischen Ministerpräsidenten ausblenden zu können.
“Die Grünen-Politiker Rebecca Harms und Werner Schulz hatten im Stadion im ukrainischen Charkiw Transparente ausgerollt. Sie wiesen auf die heikle Situation der Opposition in der Ukraine hin: ‚Fairplay in football and politics‘ sowie ‚Release all political prisoners‘ hätten TV-Zuschauer auf den Plakaten lesen können. Wenn sie gezeigt worden wären” (Buschmann, Dörting 30.6.2012). Lediglich der ZDF-Kommentator konnte – ohne Bilder – die Situation verbal beschreiben: Denn die ZDF-eigenen Kameras durften die Ehrentribünen nicht filmen.
Grünen-Politikerin Rebecca Harms fand dies vor allem angesichts der hohen Zahlungen von ARD und ZDF an die Uefa “skandalös”. Für die Übertragungsrechte EM 2012 sollen 120 Millionen Euro geflossen sein; die Fernsehrechte für die EM 2016 sollen sogar 160 Millionen Euro kosten (Ebenda). Harms: “Wenn das vertraglich so geregelt ist, dann akzeptieren ZDF und ARD damit Zensur, wie bei der Aktion in Charkiw” (Ebenda).
Zweiter bekannt gewordener Fall: Die Uefa-Bilder zeigten am 28.6.2012 nach den zwei italienischen Toren im Viertelfinale eine weinende deutsche Zuschauerin: Die Frau hatte Tränen der Rührung in den Augen – allerdings bei der Präsentation der Mannschaften vor dem Spiel (spiegelonline 30.6.2012; Gartenschläger, Röhn 13.7.2014).

HBS bei der Fußball-WM 2014
“Einen Großteil der Bilder und Töne für ihre Berichterstattung erhalten ARD und ZDF — wie seit vielen Jahren üblich — von HBS, dem Host-Broadcaster der WM. HBS hat die Produktion der Fußball-Weltmeisterschaften über die Jahre immer weiter perfektioniert und liefert den Lizenznehmern, die beim Fußballverband Fifa die entsprechenden Rechte gekauft haben, Programm-Feeds und –Pakete auf höchstem Qualitätsniveau. Rein rechtlich läuft das so, dass die Fifa den Dienstleister HBS mit den Aufgaben eines Host-Broadcasters betraut. Dazu gehört es, die fernsehtechnische Infrastruktur für die TV-Übertragung der WM aufzubauen und dann während des laufenden Events die Lizenznehmer mit Bildern und Tönen zu beliefern und verschiedene Services bereitzustellen” (Gebhard, Voigt-Müller 24.6.2014).
Die unerbittliche Bildregie von HBS hat Folgen: Es gab und gibt keine Bilder von Protesten, Aktionen – auch nicht von Blitzern. “Bereits mehrfach waren bei den WM-Spielen in Brasilien Flitzer auf den Platz gestürmt; mehr oder weniger gründlich verhinderte die Fifa die Ausstrahlung dieser Bilder” (spiegelonline 29.6.2014). Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga, Andreas Rettig, bezeichnete dies als Zensur: “Wenn ein Spiel unterbrochen wird und eine Szene Einfluss auf das Spiel hat, muss das im TV zu sehen sein” (Ebenda). Und Thomas Kistner äußerte im Deutschlandfunk: „Das Recht auf freie und umfassende Berichterstattung wird beschnitten. Flitzer, Randalierer, kritische Protestler werden ausgeblendet. Sie haben keinen Platz in der FIFA-Welt und kommen nur über Amateurvideos ins Internet“ (Rawohl  13.7.2014).
Die ganze Bildregie von FifaHBS (und dem IOC-Bildlieferanten OBS) ist Zensur: Gezeigt werden aseptische, cleane Bilder – für saubere und gesäuberte BROT UND SPIELE.

TV-Täuschungen bei der Fußball-WM 2014
1) „Zwölf schwarze Buchstaben hat Werá Jeguaka Mirim auf sein Plakat gemalt: ‚DEMARCAÇÃO JÁ‘. ‚Grenzziehung jetzt‘. Stumm hält es der 13-Jährige auf dem Rasen des Corinthians-Stadions in São Paulo in die Höhe – ein leiser Protest für die territorialen Rechte der Guaraní-Indios vor 60 000 Stadionzuschauern, vor der Weltpresse, vor FIFA-Präsident Sepp Blatter. (…) Werá stammt aus dem Dorf Krukutu, zwei Autostunden südlich von São Paulo, seine Leute kämpfen gegen Armut, die Agrarlobby, politische Willkür. Das Plakat hatte er in seiner Hose versteckt. Doch die hunderte Millionen Fernsehzuschauer in aller Welt sahen von seinem Protest: nichts. Noch bevor er den Rasen verließ, nahmen FIFA-Sicherheitsleute ihm das Transparent ab. Die globale TV-Regie schnitt die Szene aus der Übertragung. Und wieder: Ausgrenzung. Das FIFA-TV-Team sendet mit Zeitverzögerung – wirklich ‚live‘ ist eine Fußball-WM schon lange nicht mehr“ (Grimm 30.6.2014).
2) „Für die FIFA war Werás Plakat nur ein kleiner medialer Betriebsunfall. Ansonsten hat der Weltfußballverband die Kontrolle über die Bilder vom größten Sportereignis der Welt perfektioniert. Keimfrei, seltsam steril, komplett auf die Bedürfnisse der Sponsoren zugeschnitten ist das sogenannte TV-‚Weltbild‘ aus Brasilien. Es wird im Auftrag der FIFA von der Firma Infront Sports & Media produziert und an alle Vertragspartner – auch ARD und ZDF – weiterleitet“ (Ebenda).
3) „In Brasilien geht die FIFA-Weltregie voll auf Nummer sicher. Und produziert ein antiseptisches Konsensbild, das gleichermaßen die Werbekundschaft, muslimische Sittenwächter und Sportfunktionäre befriedigen soll: mit vielen Totalen – soll heißen: viel Bandenwerbung – und wenig emotionaler Nähe zu den Fans. Außer einzelnen Ego-Jublern, die – unabhängig vom Spielstand – in Ekstase ausbrechen, sobald sie sich auf der Videowand im Stadion entdecken, sind praktisch keine Fanbilder zu sehen. Inszenierter Jubel also im doppelten Sinne“ (Ebenda).
4) Imre Grimm berichtete von weiteren HBS-Korrekturen: Im Spiel Deutschland gegen Ghana wurden Plakate deutscher Fans entfernt. „Minutenlang hallten ‚Fifa raus!‘-Rufe durchs Stadion, natürlich war nichts davon zu sehen und zu hören.“ – Im Spiel Kroatien gegen Mexiko wurden unerwünschte kroatische Gesänge wegzensiert, indem der Stadionton (Crowd feed) heruntergedreht wurde. Im Spiel Brasilien gegen Kroatien riefen kroatische Fans aufgrund der Benachteiligung ihrer Mannschaft „Fifa Mafia!“ – der HBS blendete dies aus (Ebenda).

TV-Brot-und-Spiele – ohne Echtzeit
Der Host-Broadcaster der WM, HBS, “hat die Produktion der Fußball-Weltmeisterschaften über die Jahre immer weiter perfektioniert und liefert den Lizenznehmern, die beim Fußballverband Fifa die entsprechenden Rechte gekauft haben, Programm-Feeds und -Pakete auf höchstem Qualitätsniveau” (Gebhard, Voigt-Müller 24.6.2014). Bei ARD und ZDF sind alle 64 Spiele der WM zu sehen. Pro Spiel sind bis zu 34 Kameras im Einsatz, auch Spezialkameras: “Neben den klassischen Kameras, die fix auf den Rängen und am Spielfeldrand platziert sind oder mobil auf Steadicam-Systemen genutzt werden, kommen auch zahlreiche Spezialkameras zum Einsatz. So ist etwa jedes der zwölf Stadien mit einer an Seilen aufgehängten, beweglichen Spidercam und zwei Krankameras ausgerüstet. Weiter gibt es neben normalen Broadcast-Slomo-Kameras auch jeweils zwei Ultra-Motion-Kameras, die noch höhere Bildraten schaffen, sowie Torkameras, Tunnel-Cams, Beauty- und Player-Cams — und natürlich auch Hubschrauber-Kameras” (Ebenda).
Ein Großteil des Equipments lieferten ARD und ZDF in 40 Containern von den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi nach Brasilien. Im “International Broadcasting Center” westlich von Rio belegten ARD und ZDF 2.250 Quadratmeter. “Die 64 Spiele der Weltmeisterschaft werden in 220 Länder weltweit übertragen, und der Host Broadcaster wird während der WM rund 5.000 Stunden an Material für die Broadcaster in aller Welt produzieren” (Ebenda).

Von Selbstkritik keine Spur
Der ZDF-Chefredakteur Peter Frey schrieb einen selbstgerechtenn, von keinerlei Zweifel getrübten Beitrag in spiegelonline: „Kein Zweifel: Auch für das deutsche Fernsehen war das eine herausragende Weltmeisterschaft. (…) Dem Fußball gelingt, woran Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und auch öffentlich-rechtliche Anstalten hart arbeiten müssen: Er nimmt auch die Jungen mit, scheinbar mühelos. (…) Neue Technologien führen zu einer noch größeren Intensität. Close-ups und Zeitlupen schaffen, mitten im Drama des laufenden Spiels, eine unerhörte Nähe zu den Spielern. Man blickt in ihre Gesichter, auf ihre Körper, in ihr Zusammenspiel und sieht alle Varianten menschlicher Gefühle: Triumph, Schmerz, Jubel, Zorn – Teamgeist. (…) Mit aller Hochachtung vor den Spielern, die ihre Knochen hingehalten haben, sage ich: Auch wir haben eine gute WM gespielt“ (Frey 13.7.2014).

HBS-RegiefehlerBlatter lebt
“Der Schweizer schien untergetaucht zu sein, er war verschwunden, wurde vermisst. Da tauchte er wieder auf – im Stadion von Recife, beim Achtelfinale zwischen Costa Rica und Griechenland. Auf der Videowand kam er zum Vorschein… Der 78 Jahre alte Blatter will in Brasilien eigentlich nicht gesehen werden, weil ihn die Leute immer gleich auspfeifen. Offenbar gab’s eine Order, sein Bild nicht auf die Anzeigetafeln zu projizieren. In Recife pfiffen die Zuschauer ja erwartungsgemäß sofort los, als sie Blatter erblickten, und der schreckte auf ob der Störung seines Sinnierens, sichtbar ärgerlich. Dabei hatte der unbekannte Mitarbeiter im Kontrollraum ja nur so eine Art Videobeweis erbracht: Blatter lebt” (SZ 1.7.2014). Ansonsten funktionierte die HBS-Regie: Blatter saß auch neben dem deutschen Innenminister Thomas de Maizière beim deutschen Achtelfinale in Porto Alegre. “Im Stadion hat das niemand mitbekommen, was wohl besser war, weil es sonst Aufruhr gegeben hätte. (…) Joseph S. Blatter war auch in Rio de Janeiro, in Recife und in Sao Paulo bei Achtelfinal-Spielen anwesend. Er twitterte das später stolz” (Hummel 2.7.2014).

– Tendenziöse Fernsehbilder der Deutschen Fußball-Liga
„Die ‚Deutsche Fußball Liga‘ brüstet sich gerne mit spektakulären technischen Neuerungen. Die Bilder von der Bundesliga werden mit immer größerem Aufwand produziert, es gibt Hochgeschwindigkeitskameras für extreme Zeitlupen und spektakuläre Luftaufnahmen von den Spielen. Jedes Tor kann aus einem Dutzend Blickwinkeln betrachtet werden, kein Foul, keine Schiedsrichterentscheidung bleibt unbeleuchtet. Das Produkt strahlt, allerdings hat diese Entwicklung eine Schattenseite. Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen Selbstinszenierung und Journalismus. Die Bilder von den Spielen der ersten und zweiten Liga werden nicht mehr von unabhängigen Berichterstattern produziert, sondern von der Firma Sportcast, einer einhundertprozentigen Tochter der Deutschen Fußball Liga“ (Theweleit, Daniel, Kontrolle über die Bilder, in deutschlandfunk.de 6.12.2015).

– fcb.tv
Auch der FC Bayern produziert sein eigenes TV-Bild. „Die Medienabteilung des Vereins ist längt in der Lage, eigene Bilder zu produzieren. So machen das auch die internationalen Verbände, Fifa und Uefa stellen das Sendesignal von Welt- und Europameisterschaften längst selbst her, die übertragenden Sender übernehmen es. Sie zahlen dafür viel Geld, können aber den eigenen technischen Aufwand klein halten. Der Gezeigt wird allerdings nur, was der Verband will. Randale auf den Rängen, Flitzer auf dem Spielfeld oder kritische Plakate: So etwas sieht der TV-Zuschauer eher nicht. Auch der FC Bayern produziert und vertreibt seine eigenen Bilder, über fcb.tv. Das Material verbreitet er etwa über die eigene Homepage, via Facebook oder einen eigenen Kanal bei Youtube. Auch Fernsehsender können die Dienste des Klubs in Anspruch nehmen, Sport 1 filmte die Pokal-Feier auf dem Marienplatz nicht selbst, sondern übernahm die Bayern-Bewegtbilder made by Bayern. Ausschnitte liefen in der Tagesschau, im ZDF und auch im BR. Im Grunde war das: PR-Material. (…) Der FC Bayern ist inzwischen eine Medien-Macht, die einen unschätzbaren Vorteil für sich nutzt: Den exklusivsten Zugang zum FC Bayern hat der FC Bayern selbst. Er liegt damit im Trend der Bundesliga, die an vielen Standorten darum bemüht ist, Bilder und Nachrichten nicht mehr der sofortigen kritischen Prüfung von Journalisten zu überlassen, sondern selbst zu verbreiten – fertig verpackt und dekoriert. So kreieren vereinsinterne Nachrichtenkanäle News zu Spielertransfers, Sponsorenabschlüssen oder Verletzen-Bulletins selbst und exklusiv, bevor andere Medien informiert werden – die dann Stimmen dazu oft von den Nachrichtenportalen der Vereine abschreiben müssen. Der Zugang zu Vereins-Banketten, Mannschaftshotels oder Flugzeugen, mit denen die Spieler unterwegs sind – früher üblich – sind weitgehend abgeschafft worden. Bilder aus jenen Räumen, in denen die Protagonisten des Fußballs noch einigermaßen authentisch sein dürften, vertreiben viele Vereine ebenfalls exklusiv. Sie bestimmen damit das Gesamtbild, das entstehen soll“ (Wiegand, Ralf, Unter Bayern, in SZ 24.5.2016).

Das olympische Gegenstück zum HBS heißt Olympic Broadcasting Services (OBS). Die Arbeitsweise ist nahezu ähnlich.
Vergleiche auch: Die öffentlich-rechtlichen Sportsender

Quellen:
Buschmann, Rafael, Dörting, Thorsten, Das falsche Spiel der Uefa, in spiegelonline 30.6.2012
Der Knöpfchendrücker, in SZ 1.7.2014
DFL-Chef Rettig beklagt Zensur von Flitzern, in spiegelonline 29.6.2014
Francis Tellier, in www.infrontsports.com
Frey, Peter, Das Dilemma des Kommentators, in spiegelonline 13.7.2014
Gartenschläger, Lars, Röhn, Tim, Diese  Bilder wollte die Fifa Ihnen vorenthalten, in welt.de 13.7.2014
Gebhard, Christine, Voigt-Müller, Gerd, Fußball-Fest im Zuckerhut-Land: So übertragen ARD und ZDF die WM 2014 aus Brasilien, in www.film-tv-video.de 24.6.2014
Grimm, Imre, Bitte nicht stören! in haz.de 30.6.2014
HBS Ceo Francis Tellier: „Talent comes  first“, in www.hbs.tv.news 1.3.2012
Herrmann, Boris, „Völkerverständigung kann man billiger organisieren“, in SZ 4.7.2012
Hofmann, René, Lästiges ins Abseits, in SZ 15.6.2012
Hummel, Thomas, Göttliche Allmacht Fifa, in sueddeutsche.de 2.7.2014
Keil, Christopher
– Das Drama findet nicht statt, in sueddeutsche.de 11.5.2010
– ”Wir arbeiten mit ihr gut zusammen”, in SZ 16.6.2012
– Fußballstaatsmänner, in SZ 16.6.201
– Team-Europa, in SZ 20.6.2012
Kistner, Thomas, Realitäten zum Ein- und Ausblenden, in SZ 2.7.2012
Kistner, Thomas, Riehl, Katharina, Montierte Tränen, in SZ 30.6.2012
Proteste gegen Lukaschenko-Einladung, in spiegelonline 1.7.2012
Rawohl, Astrid, Gespräch mit Thomas Kistner, in deutschlandfunk.de 13.7.201
Uefa will auf Live-Mogelei verzichten, in spiegelonline 19.6.2012
Uefa zeigt falsche Tränen nach Balotelli-Tor, in spiegelonline 30.6.2012
Wikipedia