– Intro
Vom 12. bis 28. Juni fanden die European Games 2015 in der Diktatur Aserbaidschan statt und haben in den westlichen Medien viel Kritik erfahren. Keine Kritik gab es im übertragende TV-Sender Sport 1, wie Peter Ahrens in spiegelonline schrieb: “Die Europaspiele in Aserbaidschan sind ein Fest, zumindest für Alleinherrscher Aliyev – und für Sport1. Der deutsche TV-Sender hält sich mit Kritik sehr zurück. Olympiafunktionäre schwärmen gar von der tollen Atmosphäre in Baku” (Ahrens 27.6.2015). Für den dauerübertragenden TV-Sender Sport1 sind die gravierende Verletzungen der Menschenrechte in Aserbaidschan kein Thema: “Man werde das Thema Menschenrechte aber auch nicht aktiv journalistisch besetzen” (Ebenda; Link Aserbaidschan).
Da Sport-Großereignisse zunehmend an totalitäre Staaten vergeben werden (Fußball-WM 2018 in Russland, 2022 in Katar; Olympische Winterspiele 2014 in Russland, 2022 in China bzw. Kasachstan etc. – vgl. Totalitärer Sport-Terminkalender), sind die internationalen Sportverbände daran interessiert, dass die Sportereignisse so voluminös wie kritiklos übertragen werden. Auch deshalb hatte IOC-Präsident Thomas Bach die Idee des „Olympic Channels“ auf die IOC-Agenda 2020 gesetzt: ein TV-Sportkanal, der nur Sport überträgt. Dies ist auch im Sinn der politischen Machthaber – und der Sponsoren von Sport-Großereignissen. Ein Beispiel:
– Nationalfeiertag mit Tissot und European Games.
„Am vergangenen Montag war Feiertag in Aserbaidschan, der ‚Tag der nationalen Rettung. Damit wird die Machtübernahme von Haydar Alijew, des Vaters des jetzigen Präsidenten, im Jahr 1993 begangen“ (Lennartz 22.6.2015). Im Fernsehen wurde dazu ein Propagandafilm gezeigt. „Während des gesamten Films ziert eine aserbaidschanische Flagge, in die Heydar Alijevs Porträt geschnitten ist, die rechte obere Bildecke. Am unteren Bildrand sind mittig ständig zwei Logos eingeblendet: das des Uhrenherstellers Tissot, eines Sponsors der Europa-Spiele, und das Logo der Europa-Spiele selbst“ (Ebenda).
– Discovery Communications
Ende Juni 2015 gab das IOC bekannt, dass Eurosport, ein Tochterunternehmen des amerikanischen Medienkonzerns Discovery Communications, die europäischen TV-Rechte der Olympischen Spiele von 2018 bis 2024 für 1,3 Milliarden Euro bekommt. Die bisher übertragenden Öffentlich-Rechtlichen Sender ARD und ZDF gaben sich überrascht.
Der Medienkonzern wurde 1985 in Maryland/USA gegründet. Die Leitung haben David Zaslav und Gründer John S. Hendricks. Discovery Communications ist ein Tochterunternehmen der Discovery Holding Company, früher Teil von Liberty Global, dem größten Kabelnetzbetreiber außerhalb der USA. Der CEO und Chairman der Discovery Holding Company, John C. Malone, ist auch Chairman von Liberty Global. Seit August 1996 sendet Discovery Channel auch in Deutschland: Bis zur Insolvenz der Kirch PayTV hielten beide Unternehmen 50 Prozent von Discovery Communications Deutschland (Wikipedia).
Der strategische Kopf und Netzwerker ist David Zaslav – Jahreseinkommen 2014: über 156 Millionen Dollar (Schmieder 1.7.2015). Bereits bei den French Open 2015 stellte er die Strategie seines Medienunternehmens vor: In Europa gäbe es nur ein Medienunternehmen, das den kompletten Kontinent erreichen könne. „Er sprach natürlich von seinem Konzern, der sich vor einem Jahr für 345 Millionen Dollar die Mehrheit an der Sendergruppe Eurosport und dessen Reichweite von etwa 130 Millionen Haushalten gesichert hat. Zum Konzern gehört neben dem Flaggschiff Discovery Channel auch DMax… alleine der Discovery Channel erreicht mehr als 700 Millionen Menschen in 190 Ländern. Weltweit erreicht das Unternehmen knapp drei Milliarden Menschen. Der Umsatz stieg 2014 um 13 Prozent auf 6,26 Milliarden Dollar, der Gewinn lag bei 250 Millionen Dollar“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
– Eurosport
„Der TV-Sender wurde 1989 unter Mitwirkung von einzelnen Sendern der europäischen Rundfunkunion (EBU) gegründet (…) Betreiber war zu diesem Zeitpunkt der britische private Satellitensender SKY des Medienunternehmers Rupert Murdoch“ (Wikipedia). Bis 2012 war der französische Privatsender TF1 alleiniger Gesellschafter. Ab Dezember 2012 war Discovery Communications mit 20 Prozent, ab Januar 2014 mit 51 Prozent beteiligt: Der Kaufpreis betrug 345 Millionen Dollar (spiegelonline 29.6.2015).
Im Mai 1991 musste Eurosport für zwei Wochen den Betrieb einstellen: Die EU hatte eine Frist gesetzt, den Zusammenschluss der 17 Mitgliedsfirmen aufzulösen. „Der Grund: Das Eurosport-Konsortium habe sich eine unlautere Vorrangstellung verschafft und verdränge andere Anbieter von Sportsendungen vom Markt. (…) Eurosport sendet heute in 59 Ländern Europas, des Nahen Ostens sowie Nordafrikas und kann nach eigenen Angaben zufolge von rund 120 Millionen TV-Haushalten empfangen werden. (…) „Mit Ausnahme der deutschen Ausgabe ist der Empfang kostenpflichtig“ (Wikipedia). „Hierzulande ist solch ein kostenloses Angebot vorgeschrieben: durch den Rundfunkstaatsvertrag, der freies Zuschauen für ‚Großereignisse’ in Paragraf 4 zur Regel macht. Eurosport ist in Deutschland per Internet-Fernsehen, Kabel, Satellit und teilweise per Antenne empfangbar“ (Hägler 30.6.2015).
Eurosport berichtet u. a. über Olympische Spiele, Radsport, Fußball, Tennis, Leichtathletik, Handball, Tischtennis, Schwimmsport etc., dazu die X-Games. „Eurosport gewann den Deutschen Fernsehpreis 2008 in der Kategorie ‚Beste Sportsendung’ für seine Berichterstattung von den Olympischen Spielen 2008 in Peking“ (Wikipedia). Neben Eurosport umfasst die Sendergruppe u. a. Eurosport 2, Eurosport Player, Eurosport HD, Eurosport 360 HD, Eurosport 3D.
– Eurosport sendet olympisch 2018 bis 2024
Das IOC und Discovery Communications gaben am 29.6.2015 am IOC-Sitz in Lausanne bekannt, dass für die vier Olympischen Spiele 2018 bis 2024 Discovery Communications die TV- und die Multi-Plattformrechte für 1,3 Milliarden Euro für 50 Länder und Gebieten in Europa – mit Ausnahme der russischen Föderation – erhält. Discovery wird mindestens 200 Stunden von Sommer- und 100 Stunden von Winterspielen übertragen. Discovery wird nicht nur alle zwei Jahre von Olympischen Spielen berichten, „sondern jedes Jahr und das ganze Jahr über“ (Ebenda; die Stundenzahlen waren eine Bedingung des IOC).
In Europa wird diese Rechte die Discovery-Tochter Eurosport ausüben: Über 700 Millionen Zuschauer werden erreicht, es soll mehr Sportübertragungen als je zuvor im Free-TV, Pay-TV, online und auf Mobilgeräten geben und Eurosport wird als Europas Sportsender Nummer eins gestärkt (Eurosport 29.6.2015). Aus der PM von Discovery: „Fast die Hälfte des momentanen Programms von Eurosport ist olympischen Sportarten gewidmet. Indem nun zur längst bestehenden Tradition der Übertragung von Wintersport, Radfahren, Tennis und Leichtathletik die Olympischen Spiele hinzukommen, sorgen Discovery und Eurosport dafür, dass die leidenschaftlichen Fans diese wichtigen Sportarten 365 Tage im Jahr genießen können. Discovery und Eurosport erhalten Zugriff auf die olympischen Embleme und das umfangreiche olympische Videoarchiv. Damit kann Eurosport seine Position als gesamteuropäische Heimat der olympischen Sportarten ausbauen“ (Discovery Networks 29.6.2015; Hervorhebung WZ). – „Außerdem werden künftig im Direktkundengeschäft à la iTunes oder Netflix und im Geschäft mit dem gigantischen TV-Archiv des IOC neue Einnahmequellen erschlossen, über deren Höhe nur spekuliert werden kann“ (Weinreich 29.7.2015).
Jens Weinreich schrieb zur Medienpolitik des IOC: „Das IOC ist ein Monopolist. Der Olympiakonzern aus Lausanne bestimmt allein die Regeln über die Austragung und Gestaltung Olympischer Spiele – und eben auch über deren TV-Vermarktung. Wenn das IOC eine Ausschreibung macht, Angebote sammelt (ARD und ZDF sollen ihres Mitte Juni übermittelt haben), dann aber ohne Ankündigung und Rücksprache mit den Interessenten entscheidet, in keine finale Bieterrunde zu gehen, auf Einzelpakete für 50 europäische Länder zu verzichten, sondern einen Partner mit der kontinentalen Gesamtvermarktung zu betrauen, wie in dieser Woche geschehen, dann ist das allein Sache des IOC. Das kann man kritisieren. Es ist aber nicht zu ändern“ (Weinreich 2.7.2015; Hervorhebung WZ).
IOC-Präsident Thomas Bach erklärte: „Zwischen Discovery und dem IOC wurde ein wichtiger Vertrag geschlossen, und wir freuen uns, dass Eurosport der neue Partner des olympischen Sports ist“ (Eurosport 29.6.2015). Bach teilte auch in Richtung ARD und ZDF aus: Mit dem neuen Vertrag könne das IOC die Jugend auf jenen Plattformen erreichen, „die von der Jugend genutzt werden“ (Weinreich 29.7.2015). Dazu Jens Weinreich: „…eine flächendeckende Berieselung von 700 Millionen Europäern ist dem IOC aber extrem wichtig. Denn gerade in europäischen olympischen Kernmärkten wie Deutschland vergreist die TV-Kundschaft. Europa ist der olympische Problem-Kontinent. Das wurde erstmals 2004 bei der Analyse der Einschaltquoten der Sommerspiele in Athen in erschreckender Weise dokumentiert. In sogenannten Kernsportarten wie Leichtathletik oder Schwimmen gingen die Quoten um dreißig Prozent zurück. Die Jugend war nicht mehr an den Spielen interessiert. Das IOC veröffentlicht seither keine Quoten mehr zu Olympiaübertragungen, sondern nur Jubelmeldungen über akkumulierte Zuschauerzahlen und Zugriffe auf Online-Angebote“ (Weinreich 2.7.2015).
Und Bach empfahl: „Wer im Rennen sein möchte, kann sich jederzeit an Discovery wenden“ (faz.net 29.6.201). – „Bachs Bürochef (Head of the Executive Office) Jochen Färber, (war) rein zufälliger Weise zwei Jahrzehnte lang Mitarbeiter des neuen Olympiasenders Eurosport“ (Weinreich 2.7.2015).
Discovery muss die 1,3 Milliarden Euro wieder hereinbekommen und Unterlizenzen verkaufen. „Eventuell könnten ARD und ZDF aber doch noch eine Übertragungsmöglichkeit bekommen, denn einen Teil der Rechte will Discovery sublizenzieren“ (spiegelonline 29.6.2015). – „Und über die Sublizenzen wird sich die Rechtesumme von 1,3 Milliarden beträchtlich erhöhen. Das IOC wird selbstverständlich von diesen Sublizenzen profitieren. So ist das immer. Alles ist vertraglich geregelt. Dass diese Vertragsdetails nicht öffentlich gemacht werden, versteht sich von selbst“ (Weinreich 2.7.2015).
Die Sublizenzen werden sehr wahrscheinlich genauso teuer wie vorher die direkten Lizenzen.
Der CEO von Discovery, David Zaslav, äußerte: „Mit Stolz können wir die olympischen Ringe dem Angebotsportfolio von Discovery Communications hinzufügen. Das langfristige Programm-Engagement mit Präsident Bach und dem IOC bekräftigt die Position von Eurosport als europäischem Marktführer in Sachen Sportfernsehen und wird die Präsenz von Eurosport auf allen Plattformen erheblich erweitern“ (Ebenda).
Das für die europäischen Übertragungsrechte zuständige IOC-Mitglied Juan Antonio Samaranch sagte: „Discovery und Eurosport werden dafür sorgen, dass die Olympischen Spiele über ihre eigenen TV-Sender und Medienplattformen übertragen werden und in einzelnen Gebieten (durch Sublizenzierung) gegebenenfalls auch durch andere Rundfunkanstalten“ (Ebenda).
Jörg Ukrow, stellvertretender Direktor der Landesmedienanstalt Saarland und Vorstandsmitglied des Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR), hält den IOC-Deal in Deutschland für „wettbewerbsrechtlich und auch medienrechtlich angreifbar“ (Hägler 4.7.2015). Discovery hat sich zur freien Empfangbarkeit von mindestens 200 Stunden Sommer-Olympiade über Eurosport verpflichtet. „Der Rest dürfte kostenpflichtig per Pay-TV zu sehen sein. Doch Eurosport ist nach EMR-Erkenntnissen nicht in mindestens zwei Dritteln der deutschen Haushalte empfangbar. Das jedoch, die „allgemeine Zugänglichkeit“, ist im Rundfunkstaatsvertrag vorgeschrieben bei der Ausstrahlung von „Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“. (…) Letztlich könnte der Fall auch vor den Verwaltungsgerichten landen, wenn etwa ARD und ZDF klagen, dass die staatliche Medienaufsicht nicht auf Einhaltung dieser Gesetzeskriterien poche“ (Ebenda).(ProSiebenSat.1 übernimmt Sportdeutschland.tv, in spiegelonline 22.7.2015).
Übrigens ist auch Katar mit involviert – das katarische Medienunternehmen beIN Sports hat die Rechte für Nordafrika und den Nahen Osten bekommen: „Man darf gespannt sein, wie eng die Verzahnung zwischen dem IOC-Kanal und den Medienpartnern Eurosport und beIN Sports sein wird. Durch den aktuellen Deal ist das Olympische Komitee fester denn je in Katar verankert. Der Katarer Nasser Ghanim Al-Khelaïfi leitet das Medienunternehmen, das global agiert. Al-Khelaïfi ist zudem Präsident des Fußballklubs Paris St. Germain, der wiederum Qatar Sports Investments gehört“ (Völker 27.7.2015).
– Die deutschen Öffentlich-Rechtlichen Sportsender ARD und ZDF sind belegt
„Das IOC setzt in seiner ‚Strategie 2020’ auf einen eigenen olympischen TV-Kanal, dies stand in der Ausschreibung: wer bietet, möge das mitbedenken. ARD und ZDF konnten dazu nichts liefern, genauso wie der Senderzusammenschluss EBU“ (Hägler 1.7.2015). Bei ARD und ZDF hieß es, „man nehme die Entscheidung des IOC zur Kenntnis“ (spiegelonline 29.6.2015). – „ARD und ZDF hatten ein angemessenes Angebot abgegeben“ (n-tv 29.6.2015). Beide Sender hätten bislang kontinuierlich auch außerhalb der Spiele über olympische Sportarten berichtet. Der ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky stellte fest, dass nur zwei Wochen nach Ablauf der Abgabefrist die Entscheidung gefallen ist (Rossmann 30.6.2015).
Diese Entscheidung war sicher schon vor der Abgabe gefallen.
Balkausky kündigte an, dass ARD und ZDF bisher „Olympia-Sender“ gewesen sei – ein Grund, „den olympischen Kernsportarten auch in der Zeit zwischen den Spielen ein massenattraktives Programmumfeld anzubieten. Ob dies auch in Zukunft sinnvoll erscheint, werden wir in den kommenden Monaten prüfen müssen. Insbesondere die aufwendigen Fernsehproduktionen nationaler Sportevents sind in Zeiten immer knapper werdenden Etats zu überdenken“ (Ebenda). – „Dass Olympia nicht mehr als entscheidend eingestuft wird, das hatte das IOC bei seiner Entscheidung sicher nicht erwartet“ (Aumüller 1.7.2015). Auch ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz deutete Einschränkungen an: „Viele sind sich der Konsequenzen, die diese Entscheidung haben kann, gar nicht bewusst. Zuschauer und Athleten müssen sich im Klaren sein, dass sich ohne ARD und ZDF etwas ändert. Es ist nicht davon auszugehen, dass es beim Live-Angebot von Eurosport ein Programm mit dem Fokus auf die deutschen Sportler geben wird, also ein national ausgerichtetes Programm. Ich befürchte, dass die deutschen Zuschauer und Athleten die Leidtragenden sein werden. Wir sind ja bisher immer mit eigener Technik dabei gewesen, getragen von der Philosophie, dass wir bei parallel laufenden Wettbewerben deutschen Sportlern eine Priorität geben wollen“ (zdfsport.de 21.7.2015).
Es ist kaum vorstellbar, dass das IOC dies nicht billigend in Kauf genommen hat – im Hinblick auf die Möglichkeit, Kritik auszuschalten, Multi-Plattform-Nutzungen einzugehen etc.
Viele Sportjournalisten werden demnächst auf Wanderschaft sein: „Etliche Dutzend, vielleicht gar Hundertschaften von ARD- und ZDF-Mitarbeitern, die 2016 in Rio de Janeiro vorerst zum letzten Male die Olympiaübertragungen produzieren, werden danach im Reich von Discovery/Eurosport anheuern. Man kennt das aus verwandten Sphären, etwa dem Profifußball, wo die Rechte seit Ende der 1980er Jahre oft wechselten: Viele Reporter und Moderatoren sind Nomaden, sie wandern von Arbeitgeber zu Arbeitgeber und folgen den TV-Rechten“ (Weinreich 2.7.2015).
Diese Ankündigungen lösten bei den deutschen Sportverbänden Sorge aus. DLV-Präsident Clemens Prokop: „Für den deutschen Sport würde eine sehr schwierige Situation entstehen. Deshalb muss alles getan werden, um eine vernünftige Lösung zu finden“ (zeit.de 30.6.2015a). Prokop: „Wenn die Entwicklung dazu führt, dass ARD und ZDF ihr Programm reduzieren, wäre das der worst case“ (Aumüller 1.7.2015).
Christa Thiel, Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes, forderte ARD und ZDF auf, „ihrem Sendeauftrag nachzukommen“ (Ebenda). Der Präsident des deutschen Ruder-Verbandes, Siegfried Kaidel, sieht die Bewerbung Hamburgs um die Ruder-WM 2019 gefährdet, da Fernsehgarantien Bestandteil der Bewerbung sind: „Ich habe mit dem ARD-Koordinator Balkausky telefoniert. Er konnte keine Auskunft geben, wie es weitergeht. Wir sind jetzt etwas ratlos“ (Ebenda). Kaidel: „Ich weiß nicht, wie die FISA reagieren wird, wenn wir diese Garantien nicht vorweisen können. Die WM-Mitbewerber werden diese Garantien alle vorlegen. Wenn wir es nicht können, haben wir ein Riesenproblem“ (zeit.de 30.6.2015b).
Auch die Behindertensportverbände befürchten, dass die Übertragung ihrer Sportveranstaltungen bei ARD und ZDF zurückgefahren werden. Von der paralympischen Schwimm-WM im Juli 2015 in Glasgow berichteten noch Sportschau, Sportstudio und Sportreportage. Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, Julius Beucher, appellierte umgehend an die künftigen Vertragspartner, „dass sich alle ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für eine frei zugängliche Berichterstattung über den paralympischen Sport bewusst sind“ (Kamp 21.7.2015). ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz nannte auch einen konkreten Grund für künftige Einschränkungen bei der Übertragung von Paralympischen Spielen: „Wir müssen in Zukunft über Umfang und Ausmaß der Berichterstattung nachdenken. Bisher haben wir uns sehr engagiert, auch weil wir Olympia und Paralympics immer als eine Einheit gesehen haben. Und die technische Ausstattung von Olympia konnten wir bei den Paralympics weiter nutzen. Diese müssten wir nun eigens aufbauen. Dadurch würden die Produktionskosten erheblich steigen“ (zdfsport.de 21.7.2015).
Vielleicht ist das Konzept des von Bach konzipierten Olympic Channel mit Discovery/Eurosport auch das Eingeständnis, dass selbst der globale Sport-Multi IOC es nicht schafft, in Eigenregie einen TV-Sender weltweit auf die Beine zu stellen – siehe die Aufgabe von sportdeutschland.tv durch den DOSB:
– Sportdeutschland wird Pro-Sieben-Sat-1-Deutschland
In der Mai-Chronologie stehen Details zum im August 2014 gegründeten TV-Sender des DOSB: Sportdeutschland.tv. Nun hat der DOSB 57,5 Prozent an die ProSiebenSat.1-Gruppe abgegeben und hält nur noch 27,5 Prozent. Der DOSB konnte das TV-Geschäft augenscheinlich nicht allein managen und “erhofft sich durch den Verkauf wachsende Nutzerzahlen, einziehen” en Ausbau der Berichterstattung und eine bessere Vermarktung des Portals” (spiegelonline 22.7.2015). DOSB-Vizepräsident Stephan Abel betonte, das Projekt sei “nur mit einem professionellen Partner langfristig durchzuziehen” (Ebenda). – Der DOSB habe festgestellt, “dass wir kein Produzent sind” (Eisenberger 22.7.2015).
– Der Olympic Channel
Bereits in der IOC-Agenda 2020 wurde Bachs Olympic Channel als wichtiger Baustein dargestellt. „Vor allem der US-amerikanische TV-Vertrag über 7,75 Milliarden Dollar mit NBCUniversal über sämtliche Spiele von 2022 bis 2032 verschaffte Bach die Option, seine unausgegorene Vision des eigenen TV-Kanals durchzuziehen“ (Weinreich 29.6.2015). Der Lieblingsplan von IOC-Präsident Bach soll nunmehr über die Kooperation mit Eurosport verwirklicht werden. Bach: „Discovery und Eurosport haben sich zudem verpflichtet, gemeinsam mit dem IOC einen neuen Olympia-Kanal für den europäischen Raum zu entwickeln“ (eurosport 29.6.2015). – „Die Partner haben außerdem vereinbart, beim Roll-out des Olympia-Kanals des IOC eng zusammen zu arbeiten und dabei Eurosport.com als Nummer eins im Online-Sport und den Eurosport-Player als führenden OTT-Service auszubauen“ (Discovery Networks 29.7.2015). – „Das Unternehmen plant den Ausbau eines eigenen Olympia-Senders, der im kommenden April kurz vor den Sommerspielen in Rio starten soll“ (spiegelonline 29.6.2015).
Bach stützte sich nun wieder auf Richard Pound, der 1995 die IOC-TV-Verträge mit NBC aushandelte. Dort war der von 1989 bis 2011 amtierende NBC-Sportchef Dick Ebersol zuständig. „Jener Ebersol, den die Branche nur ‚Mr. Olympics’ nennt, war auch beim neuen Deal wieder an Bord: als angeblich unbezahlter Berater von Discovery-CEO Zaslav. Ohne Ebersol wäre der Vertrag nie zustande gekommen, sagte Zaslav in Lausanne. Auch das olympische TV-Geschäft bleibt also ein Family Business“ (Weinreich 29.6.2015). Der Olympic Channel soll das TV-Business des IOC verändern: „Für den Olympic Channel hat die IOC-Session im Dezember 2014 Investitionen von 600 Millionen Dollar genehmigt. In Europa wird dieser Olympic Channel nun mit Discovery/Eurosport verschmelzen (oder umgekehrt, je nach Sichtweise). Bach hat einen Partner an Bord, der über reichhaltige Erfahrungen verfügt in der Multivermarktung von Inhalten. Und es geht ja beileibe nicht nur um die Aufbereitung und Übertragung der olympischen Wettbewerbe 2018 bis 2024. Es geht auch darum, wie das unvergleichliche Bewegtbild-Archiv des IOC künftig genutzt und vermarktet werden kann. Es wird eine Art Olympic iTunes geben“ (Weinreich 2.7.2015; Hervorhebung WZ). Bach: Der Olympic Channel „soll den olympischen Sportarten 365 Tage im Jahr eine Bühne bieten“ (faz.net 3.7.2015). Es wird eine grenzenlose Berieselungskampagne mit olympischem Sport: „Gerade Europa soll und muss zu einem Test für seinen Plan des olympischen TV-Kanals werden. Olympia soll künftig nonstop zu sehen sein: 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, linear und nicht-linear, auf allen Plattformen, vor allem mobil. Jederzeit. Überall“ (Ebenda).
Dazu Markus Völker in der taz: „Es geht dem IOC um mediale Dauerpräsenz, 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche – und sicherlich auch um die Steuerung von Inhalten, um Deutungshoheit und die Verbreitung der eigenen Sicht der Dinge. Verantwortlich für die Installierung des Olympiakanals ist Olympic Broadcasting Services. OBS mit Sitz in Madrid wurde 2001 gegründet, wird vom Griechen Yiannis Exarchos geführt und sorgt jetzt schon während der Olympischen Spiele für Bild und Ton, das sogenannte Welt-Signal.
100 Millionen Dollar und mehr soll das IOC pro Jahr für den Aufbau des Olympiakanals zurückgestellt haben, für die ersten sieben Jahre insgesamt 490 Millionen Euro. Das Geld stammt aus dem opulenten Deal mit NBC. Der US-Sender hat sich für 7,75 Milliarden Dollar die Rechte an den Olympischen Spielen bis 2030 gesichert“ (Völker 27.7.2015).
– Sportsendungen ohne Kritik
Schon eingangs wurde der TV-Sender Sport1 erwähnt, der kritiklos von den European Games 2015 in der Diktatur Aserbaidschan berichtete. Es ist im Interesse des IOC, propere kritiklose Bilder aus dem Sport zu senden, um Sponsoren nicht abzuschrecken – noch dazu, wo Sport-Großereignisse zunehmend in totalitären Staaten stattfinden (vgl. Totalitärer Sport-Terminkalender).
Bach kündigte im Dezember 2014 auf der IOC-Tagung zur Agenda 2020 im Hinblick auf den Olympic Channel nicht nur Sportereignisse und Interviews live an, sondern auch IOC-PR: „… wir werden aber auch über das Engagement des IOC und der Olympischen Bewegung zum Beispiel in humanitären Fragen berichten“ (ndr.de 1.7.2015). Hier deutet sich auch ein so konzipierter und beabsichtigter IOC-Propagandasender an. „Das klingt nach PR für das IOC. Eine solche ‚Dauerwerbesendung’ wäre mit ARD und ZDF wohl nicht zu verwirklichen gewesen“ (Ebenda).
Der Olympic Channel als IOC-Propagandasender: Hier kann man dann über ein kleines soziales Unterstützungsprogramm berichten, während tausende von Sportlern zu Olympischen Spielen in Diktaturen reisen.
– Pressestimmen
Jens Weinreich in krautreporter: „Dass dieser Olympic Channel im Übrigen kritische Berichterstattung ausblenden wird, davon darf man ausgehen. Das Olympic Television Archive Bureau (OTAB) etwa führt schon seit Jahrzehnten Passagen in seinen Verträgen, wonach sich Lizenznehmer zu zurückhaltender Berichterstattung verpflichten. Da war bislang vieles zu umgehen. Künftig macht das IOC mit seinen Partnern noch mehr in Eigenregie und übernimmt in nicht allzu ferner Zeit gänzlich das Kommando. Auch diese Aspekte müssen in den kommenden Jahren beobachtet und gründlich beschrieben werden“ (Weinreich 2.7.2015).
Max Hägler stellte dazu in der SZ einen Zusammenhang her: „Und trotz der Sportbegeisterung bei den Öffentlich-Rechtlichen – mittlerweile spielen dort auch kritische Aspekte eine Rolle, egal ob bei Olympia oder der Fußball-WM: die Armut in Südafrika, das mögliche Doping bei Gewinnern, Menschenrechtsverletzungen in Gastgeberländern. In der Presse und in ARD und ZDF wird darüber berichtet. Können Discovery und Eurosport das leisten? Und falls nicht: Ist das dem IOC vielleicht ganz recht?“ (Hägler 30.6.2015).
Peter Ahrens schrieb in spiegelonline: „Was das Sportpolitische rund ums IOC angeht, darf man skeptisch sein, dass Eurosport hier auch vollumfänglich informiert, einordnet, analysiert. Das ist nie die Stärke des Senders gewesen. Eurosport überträgt gerne auch wochenlang die Tour de France und erwähnt das Dopingthema nur am Rande. Da IOC-Chef Thomas Bach von einem eigenen Olympia-TV träumt und Eurosport dafür ein möglicher Partner wäre, ist nicht zu erwarten, dass der Sender übermäßig kritisch auf das schaut, was im Internationalen Olympischen Komitee möglicherweise schiefläuft. (…) Kritisches, Investigatives über die Ausrichterländer darf man nicht erwarten. Hier haben ARD und ZDF auch ihre Chance, sich zu profilieren“ (Ahrens 30.6.2015).
Michael Reinsch in der FAZ: „Doch was ist mit der Rundum-Versorgung, was ist mit dem Fernsehen? Auch das wird in neun Jahren Eintrittsgeld verlangen für die attraktivsten Entscheidungen der Spiele. Das ist nicht schwer zu prognostizieren nach dem Verkauf der Übertragungsrechte von den Winterspielen 2018 in Pyeongchang an bis zu den Sommerspielen sechs Jahre später. Selbst wenn das amerikanische Unternehmen Discovery Communications für 1,45 Milliarden Dollar im Vergleich zu den Kosten für die Rechte in Amerika ein Schnäppchen gemacht hat, muss es die Ausgabe doch refinanzieren“ (Reinsch 1.7.2015).
Michel Hanfeld in der FAZ: „Thomas Bach setzt sich mit diesem Deal in Sepp-Blatter-Manier von den einstmals großmächtigen öffentlich-rechtlichen Sendern ab. Er legt das Fundament für einen Olympia-Kanal, den das IOC in eigener Regie gemeinsam mit Discovery entwickelt, und er wählt mit dem amerikanischen Medienkonzern einen Partner, der sein Programm dem Sport vollständig verschrieben hat, mit Eurosport im sogenannten freien und mit Eurosport 2 im Abo-Fernsehen und – was für die Zukunft immer wichtiger wird – im Internet: Sport pur von morgens bis abends. (…) Fußball bei Eurosport und Bodenturnen bei den Öffentlich-Rechtlichen werde es nicht geben. Dann lieber Olympische Spiele kurz und knapp in den Sportnachrichten. So markiert der Vertrag zwischen IOC und Discovery tatsächlich eine Zäsur: Das europäische Gebührenfernsehen hat gegenüber dem amerikanischen Bezahlprinzip das Nachsehen. Die Zuschauer bezahlen für das eine wie für das andere. Wobei man nach dem Olympia-Deal sagen muss: Sie zahlen für das eine und für das andere. Und für den olympischen Sport, den es in Deutschland ohne öffentliche Förderung nicht gäbe, kommen sie als Steuerzahler selbstverständlich auch auf“ (Hanfeld 1.7.2015).
Die Samstagsfrage im Spiegel: „Olympia wird endgültig zum Produkt, Interessant ist nur seine Vermarktung. Und so greift eins ins andere: Konzerne, die im Olympia-Jubel Bier, Schokoriegel oder Autos vermarkten, wollen, möchten keine kritischen Berichte, die einen hässlichen Fleck auf der strahlenden Marke Olympia hinterlassen. Das Olympische Komitee ohnehin nicht. Und Eurosport ist ein reiner Sportkanal… Aber Reportagen und Dokus über die Sklavenarbeit auf olympischen Baustellen, soziale Konflikte in den Austragungsländern, über Dopingskandale, Korruption und das Geflecht aus Sport, Macht und Geld werden Zuschauer bei Eurosport wohl kaum zu sehen bekommen. Politische und gesellschaftliche Aspekte des Großereignisses werden künftig unterbelichtet bleiben. Die Idee Olympia schrumpft zur Marke mit fünf Ringen“ (Der Spiegel 28/4.7.2015).
– Fazit
– Das IOC hat das Monopol an den Übertragungsrechten im olympischen Sport.
– Der Olympic Channel soll 365 Tage sein Publikum mit „Brot und Spiele“ bei Laune halten.
– Das IOC baut seine Macht aus: Kritik am Sport und den Sportfunktionären kann mit Discovery Channel und Eurosport komplett ausgeblendet werden.
– Schon heute haben bei Olympischen Spielen der Olympic Broadcasting Services und bei Fußballübertragungen Fifa bzw. Uefa mit Weltbild die Bildregie übernommen; die Bilder werden selbst produziert und zeitversetzt ausgesendet, um Proteste ausblenden zu können: vgl. Weltbild von Fifa/Uefa
– Ein IOC-Propagandasender stellt angebliche Wohltaten des globalen Sportkonzerns in den Vordergrund und verschweigt die negativen Hintergründe.
– Kurzfristig nimmt das IOC weniger an TV-Gebühren ein, langfristig über die Beteiligung an Sublizenzen mehr.
– Multiplattform-Übertragungsrechte sind für das IOC interessanter als herkömmliche TV-Programme – wie bei ARD und ZDF mit älterem Publikum.
– Und nicht zuletzt: Die gesamte Struktur der Sport-Übertragung wird sich langfristig ändern – und vermutlich trotz Rundfunkvertrages auch in Deutschland hin zum Pay-TV.
Nachtrag 1: Geoblocking
„Mit dieser Technik können Anbieter ihre Inhalte sperren, wenn der Nutzer nicht aus einem bestimmten Territorium zugreift. Das soll verhindern, dass überall auf dem europäischen TV-Markt bestimmte Sendungen oder komplette Programme frei empfangen oder abonniert werden. Wer etwa in Deutschland Netflix oder eben Sky abonniert hat, kann deren Inhalte nicht automatisch auf dem mitgebrachten Tablet am Strand von Capri oder im Madrider Hotel schauen. Je nach Land ist der Zugang blockiert. (…) Über diese Blockade sichern sich Medienunternehmen territoriale Lizenzen. Denn die Sender handeln die Rechte für Filme, TV-Serien oder Sportübertragungen meist nicht EU-weit aus, sondern für bestimmte Regionen. Oft sind das solche mit einer gemeinsamen Sprache, etwa Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Filmstudios und TV-Rechteinhaber vergeben also Lizenzen für das Ausstrahlen von Filmen an jeweils ein Land oder eine Sprachregion. Je öfter sie eine Sendelizenz separat verkaufen, desto besser verdienen sie. Auf diese Weise refinanzieren sie ihre Produktionskosten“ (Schenz, Viola, Blockiert, in SZ 29.7.2015).
Nachtrag 2: Olympic Channel, IOS-Session 128, Kuala Lumpur
IOC-Präsident Thomas Bach lässt für seinen Olympic Channel werben -mit Martin Sorrell, 70, Vorstandsvorsitzender von WPP, dem weltgrößten Unternehmen für Werbung und Marketing. Das IOC müsse der Generation Internet entgegenkommen: „Sie müssen überall dort sein, wo die Konsumenten sind. Und das bedeutet online, zugänglich über die Geräte, die sie benutzen, in den Formaten, die sie wollen, und an den Orten, wo sie ihre Zeit verbringen. (…) Es ist überlebenswichtig für das IOC, eine Stimme zu finden auch zwischen den Spielen“ (Simeoni, Evi, Olympia – immer und überall, in faz.net 4.8.2015). 490 Millionen Euro will das IOC in den nächsten sieben Jahren in den Olympic Channel investieren; 120 Mitarbeiter sollen am Hauptsitz Madrid arbeiten (Ebenda).
Nachtrag 3: ARD will schon wieder mehr Geld – für Sport
8,4 Milliarden Euro im Jahr 2014 für die Öffentlich-Rechtlichen Sportsender reichen nicht mehr. ARD-Vorsitzender Lutz Marmor äußert Finanzwünsche, u. a. für Sport – mit der Begründung der Bewerbung Hamburg 2024: „Beim Sport muss man aber sagen: Bestimmte Rechte hätten wir gerne weiterhin, dazu bekenne ich mich. An Sublizenzen für Olympia haben wir durchaus Interesse. Wie das aussehen könnte, ist offen, vom neuen Rechteinhaber Discovery gibt es noch keine Angebote oder Gespräche. Und wir können nicht jeden Preis zahlen, das ist klar. Aber stellen Sie sich mal vor, die Olympischen Spiele kämen wirklich nach Hamburg, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk stünde vor der Tür. Das fände ich im Interesse unserer Zuschauer keine sehr wünschenswerte Vorstellung“ (Tieschky, Claudia, Die Reseren sind aufgebraucht, in SZ 29.8.2015).
Nachtrag 4: Bemerkenswertes Interiew mit einem Fußball-Lobbyisten
In der SZ gab der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, u. a. folgendes von sich: „… ab der Saison 2016/217 werden die Engländer aus Fernsehgeldern 2,3 Milliarden jährlich einnehmen – das ist exorbitant, verglichen mit den aktuell 500 Millionen in Deutschland. (…) Es gibt drei große Einnahmequellen für die Klubs. Bei Sponsoring und Merchandising behaupte ich, dass der FC Bayern nicht schlechter ist als Manchester United, Manchester City oder der FC Chelsea. Aber die dritte Säule ist eben das Fernsehgeld. Und da werden die Engländer nächste Saison etwa fünfmal so viel einnehmen wie die Bundesliga“ (Hoeltzenbein, Klaus, Kneer, Christoph, „Rahmt es euch ein!“ in SZ 4.9.2015; Hervorhebung WZ). Daraus folgert Rummenigge: „Die Bundesliga muss beim neuen Fernsehvertrag auf wesentlich bessere Zahlen kommen als aktuell“ (Ebenda). Laut Rummenigge zahlen englische Topklubs schon bis zu einer Million für 14-, 15-Jährige. Zur Zahlungsbereitschaft der Öffentlich-Rechtlichen Sportsender angesichts von z. B. Discovery Communications (hat gerade die olympischen Rechte gekauft), meinte Rumenigge: „Die ARD hat es sich ja erlaubt, die Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft und die olympischen Rechte zu verlieren – ich kann mir nicht vorstellen, dass sie auch noch die Sportschau verlieren wollen. (…) Nach dem Verlust von Nationalelf und Olympia hat die ARD doch Gelder frei“ (Ebenda).
Nachtrag 5: Öffentlich-Rechtliche Sportsender maulen
„Kurt Beck, nach eigenem Verständnis immer noch der führende Medienpolitiker Deutschlands, pocht auf das Recht der Gesellschaft, den Sport, den sie bezahlt, auch im Fernsehen erleben zu dürfen“ (Reinsch, Michael, Auf dem Weg zu „Gladiatorenspielen“, in faz.net 18.11.2015). Beck ist Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Ebert-Stiftung, welche die Tagung in Berlin organisierte – und gleichzeitig Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates. Der Kölner Medienrechtler Dieter Frey äußerte: „Es geht in diesem Geschäft um Säcke von Geld, und diese Säcke will der Sport haben“ (Ebenda). – „Noch sitzen ARD und ZDF auf dem hohen Ross. Doch mittlerweile haben auch sie erkannt, dass sie für die sogenannten Sublizenzen mit Discovery gut verhandeln müssen“ (Treusch, Wolf-Sören, Gold in der Glotze nur gegen Cash? in deutschlandradiokultur.de 22.11.2015). Der Sportsoziologe Henk Erik Meier stellte die Prognose, dass 2018 in Pyeongchang die Biathlon-Rennen im Free-TV übertragen werden. „Ich würde sagen, die sehen Sie bei ARD und ZDF, aber Sie bezahlen dafür bei der nächsten Gebührenerhöhung“ (Ebenda).
Nachtrag 6: 228 Stunden Wintersport 2015/2016
„Eurosport sendet 228 Stunden auf seinem frei empfangbaren Kanal“ (Romanczk, Martin, Wintersportler laufen in Dauerschleife, in nwzonline.de 26.11.2016).
Nachtrag 7: Bundesliga zu Sky – und Eurosport?
Das Bundeskartellamt drängt auf die „No-Single-Buyer-Regel“ bei den Bundesliga-Übertragungsrechten. Also soll nicht mehr allein Sky zum Zug kommen – mit seinem Slogan „Alle Spiele, Alle Tore“. „Als Favorit wird vor allem John Malone gehandelt, dem über seine Discovery-Gruppe neuerdings auch der Spartensender Eurosport gehört. Discovery hat sich bereits die Fernsehrechte an den Olympischen Spielen 2018 bis 2024 gesichert. Zudem gehört Malone das Kabelunternehmen Unity Media, das in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg aktiv ist“ (Busse, Caspar, Spielverlagerung, in SZ 29.1.2016).
Nachtrag 8: ARD und ZDF draußen?
„Die olympische Zukunft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist ab den Winterspielen 2018 ungewiss. ARD und ZDF befinden sich weiter in Verhandlungen mit dem Rechteinhaber Discovery – eine Einigung ist noch nicht in Sicht. …) Jean-Briac Perrette, Chef bei Discovery für das internationale Geschäft, hatte zuvor angedroht, dass der Konzern die Spiele auch allein übertragen könne. ARD und ZDF unterstellte er in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ mangelndes Interesse an der Olympia-Berichterstattung. (…) Das US-Unternehmen Discovery hatte sich im vergangenen Sommer die TV-Rechte der Olympischen Spiele für den europäischen Markt gesichert. Der Vertrag gilt von 2018 bis 2024. Discovery zahlt für das exklusive Rechtepaket 1,3 Milliarden Euro an das Internationale Olympische Komitee(IOC). Discovery sendet in Deutschland unter anderem über seine Tochter Eurosport. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz hatte sich zuvor enttäuscht über die Aussagen von Perrette gezeigt. ‚Fakt ist, dass die Verhandlungen über Sublizenzrechte weiterhin geführt werden‘, sagte er.“ (ARD und ZDF droht das Aus, in spiegelonline 3.8.2016).
Nachtrag 9: Die Rache des IOC: ARD und ZDF draußen
„ARD und ZDF werden nicht von den Olympischen Spielen 2018 bis 2024 berichten können. Das US-Unternehmen Discovery und die öffentlich-rechtlichen Sender konnten sich nicht auf den Verkauf von Sublizenzen einigen. Das Discovery-Tochterunternehmen Eurosport wird nach eigenen Angaben in Deutschland exklusiv live Wettkämpfe übertragen. Die langwierigen Verhandlungen sind damit gescheitert. ARD und ZDF sollen für die Sublizenzen der Winterspiele 2018 in Pyeongchang und der Sommerspiele 2020 in Tokio maximal 100 Millionen Euro geboten haben. Das US-Unternehmen Discovery soll geschätzte 150 Millionen Euro verlangen. Offizielle Bestätigungen dieser Zahlen gibt es nicht“ (Kein Olympia bei ARD und ZDF, in spiegelonline 28.11.2016; Hervorhebung WZ). – „Discovery wollte angeblich 150 Millionen Euro für die Übertragungsrechte der Spiele in Peyongchang (2018) und Tokio (2020), die deutschen TV-Sender waren jedoch nicht bereit, mehr als 100 Millionen Euro zu bezahlen. Eine offizielle Bestätigung dieser Summen gab es nicht. Allerdings teilte Ulrich Wilhelm, Sportrechte-Intendant der ARD, mit: ‚Wir müssen erkennen, dass die Forderungen von Discovery bei Weitem über dem liegen, was von uns verantwortet werden kann. Wir sind zu wirtschaftlichem Umgang mit Beitragsgeldern verpflichtet.‘ Mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Österreichs und Großbritanniens (ORF und BBC) hatte sich Discovery hingegen einigen können“ (Knaack, Benjamin, Wo kann ich jetzt noch Olympia gucken? in spiegelonline 28.11.2016; Hervorhebung WZ).
Das würde mich doch sehr wundern, wenn das keine Retourkutsche des IOC-Präsidenten Thomas Bach ist: wegen der Aufdeckung des russischen Dopingskandals durch die ARD…
Befürchtete Auswirkungen auf die Sponsoren: „Durch den Wegfall der ARD- und ZDF-Liveübertragungen erfahren die Olympischen Spiele in Deutschland zwangsläufig weniger Aufmerksamkeit. Diese zieht das Nachlassen des Sponsoreninteresses nach sich, das hat dann wiederum weniger Geld für die Verbände zur Folge. (…) DOSB-Vertreter wandten sich nach Informationen des ‚manager magazin‘ während der Verhandlungen an den deutschen IOC-Präsident Thomas Bach, damit dieser Druck auf Discovery mache. Doch Bach lehnte ab, schließlich spielt ihm das Vorgehen des US-Konzerns in die Karten. Er bastelt an seinem Olympia-TV-Kanal, der olympische Sportarten ’24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – auf allen Plattformen‘ zeigt. Eurosport könnte da ein willkommener Partner sein“ (Ebenda).
Dazu aus einem Kommentar von Peter Ahrens in spiegelonline: „Und es ist zudem eine Entscheidung, zu der man ARD und ZDF nur beglückwünschen kann. Der Katzenjammer der Öffentlich-Rechtlichen ist komplett fehl am Platze. Die Olympischen Spiele sind nie das fröhliche Sportfest gewesen, als das sie über Jahrzehnte verkauft wurden. Sie sind zwar immer noch eine Sportveranstaltung, die ihresgleichen sucht und die bei jeder Neuauflage tolle sportliche Geschichten liefert. Aber sie sind gleichermaßen knallhart durchkommerzialisierte Großevents, politisch instrumentalisiert, mit irren Kosten verbunden, ebenso mit Verdrängung von Bevölkerung, mit Umweltzerstörung, nicht zuletzt mit Doping. Immer mehr Menschen empfinden dieses Unbehagen. Es ist auch ein Unbehagen daran, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Millionenbeträge dafür ausgeben. Sender, die immer noch den Auftrag haben, das gesellschaftliche und politische Geschehen dieser Welt kritisch und aufklärerisch zu begleiten. Ein Auftrag, der unbestritten schwerer fällt, sofern man selbst Beteiligter an dem großen Spiel ist. ARD und ZDF haben es zuletzt bei den Spielen in Sotschi und Rio schon versucht, sich davon ein Stück freizumachen, haben über die offensichtlichen Missstände ausführlicher berichtet als sonst. Die Aufdeckung des Dopings russischer Sportler im Vorfeld der Sommerspiele ist zum Gutteil auch der ARD zu verdanken gewesen. (…) Der Ausstieg von ARD und ZDF aus dem Millionenpoker um Olympia ist nun eine gewaltige Chance. Die Sender sind jetzt ungebunden in ihrer Berichterstattung. Jetzt können sie ohne Zwänge das tun, wofür sie vom Gebührenzahler finanziert werden: Sie können genau und kritisch hinschauen, wenn Wintersportler zum Beispiel 2022 ihren Job in Peking zu tun haben, unter einem autoritären Regime und in einer Stadt, in der 2008 noch Sommerspiele stattgefunden haben. (…) Es ist die Stunde der kritischen Geister, es ist die Stunde der Journalisten. ARD und ZDF haben genug Potenzial, sie haben auch die Leute dafür, von Hajo Seppelt bis Jessy Wellmer, von Markus Harm bis Jochen Breyer. Es müssen herrliche Zeiten für sie anbrechen. Und die anderen, die Jubelperser, die es natürlich auch gibt, bekommen die großartige Chance, sich noch einmal die Frage zu stellen, warum sie damals bei einem öffentlich-rechtlichen Sender angefangen haben“ (Ahrens, Peter, Darüber berichten ist alles, in spiegelonline 28.11.2016). –
„Über ein Jahr zogen sich die Verhandlungen. Zäh war es, sagen beide Seiten. So zäh, dass nun Discovery die Verhandlungen beendet hat und selbst sendet. (…) Schlechte Stimmung indes bei den Öffentlich-Rechtlichen: ‚Wir müssen erkennen‘, erklärte ARD-Sportintendant Ulrich Wilhelm, ‚dass die Forderungen von Discovery bei Weitem über dem liegen, was von uns verantwortet werden kann.‘ Sein ZDF-Kollege Thomas Bellut erklärte, man sei Discovery ‚bis an unsere Schmerzgrenze‘ entgegengekommen. (…) Wohl recht klar sagten die Deutschen seit dem Sommer: 100 Millionen, das ist die Schmerzgrenze für zwei Olympiaden. Es geht um das Geld der Gebührenzahler und wir werden jetzt nicht wegen Olympia Kultursendungen einsparen. Discovery war das egal. Die Manager wollten 150 Millionen Euro für die Spiele 2018 und 2020. Wobei in diesem kostspieligen Paket aber nicht alle Rechte enthalten gewesen wären: Gerade die digitale Übertragung etwa wäre beschnitten gewesen – und dies bei Spielen, die in einer fernen Zeitzone laufen, also wohl oft im Nachhinein per Mediathek angeschaut werden. (…) Bei ARD und ZDF hoffen sie, dass die Anstrengungen bei Eurosport nicht reichen, um die deutschen Zuschauer zu überzeugen – und man doch ins Geschäft kommt. Die Olympiade in Rio verfolgten im Schnitt 2,91 Millionen Zuschauer, ein Marktanteil von 22,5 Prozent. Vielleicht seien das 2018 so viel weniger, dass Sponsoren und IOC wieder nach ARD und ZDF rufen“ (Hägler, Max, Nur dabei statt mittendrin, in SZ 29.11.2016).
Johannes Knuth in der SZ: „Jürgen Fornoff trug bis zuletzt diese Hoffnung in sich, vielleicht, dachte er, würde es ja doch noch klappen mit einer Einigung. Aber insgeheim ahnte der Generalsekretär des Deutschen Schwimm-Verbands schon, wie die Geschichte ausgehen würde. Die Kunde, dass die Olympischen Spiele ab 2018 in Deutschland in voller Länge von Eurosport übertragen werden, hat im deutschen Sport nicht gerade Begeisterung hervorgerufen. Die bisherigen Rechteinhaber ARD und ZDF hatten versucht, von Eurosport zumindest Sublizenzen zu erwerben. Dieser Versuch wurde am Montag für gescheitert erklärt. Weshalb der deutsche Sport nun von einem neuen Gefühl gepackt wird: der Unsicherheit. ‚Sportsender wie Eurosport sind Klientelsender, die sprechen weniger das allgemeine Publikum an‘, sagt Fornoff. Entsprechend geringer sei die Quote. Viele Sportarten befürchten nun einen Reichweitenverlust bei Olympia, das ist die eine Geschichte. Die andere Frage ist die, was nun in den Zwischenjahren passiert. ARD und ZDF hatten zuletzt verkündet, dass sie prüfen werden, ob sie kleinere Sportveranstaltungen noch übertragen wollen, sollten sie beim Rechtepoker mit Eurosport leer ausgehen“ (Knuth, Johannes, Unsichtbar, in SZ 29.11.2016).
René Hofmann in der SZ: „Die Hoffnung stirbt wirklich erst im Moment des Abpfiffs. Der kam an diesem Montag, als die öffentlich-rechtlichen Sender mitteilten, dass sie vom Discovery-Konzern keine Sublizenzen für Rechte an den Olympischen Spielen von 2018 bis 2024 erwerben werden. Konkret heißt das: Von den Winterspielen 2018 in Pyeongchang/ Südkorea und 2022 in Peking sowie von den Sommerwettbewerben 2020 in Tokio und dem noch nicht ausgeguckten Ort, an dem die Sommerspiele 2024 stattfinden, wird es keine Livebilder bei ARD und ZDF geben. (…) Egal, wie Olympia auf den Discovery-Kanälen letztlich genau aussieht, eines werden die Spartensender nicht ersetzen können: den von ARD und ZDF vermittelten Eindruck, dass der Sport fest verankert ist in der öffentlich-rechtlichen Umgebung, dass er quasi ein nationales Kulturgut ist, dessen Betrachtung sich per se und jenseits jeden Spektakelgehalts lohnt. Das ist tatsächlich eine Zeitenwende. Die olympischen Sportarten werden sich in vielem umstellen müssen. Für sie ändert sich weit mehr als für die Menschen an der Fernbedienung“ (Hofmann, René, Zeit zum Umschalten, in SZ 30.11.2016).
Und Thomas Kistner in der SZ: „Olympische Spiele wandern in den Privatsender Eurosport ab? Was dramatisch klingt, ist eigentlich kaum noch ein Problem. Denn die Spiele sind eh nur mehr Momentaufnahme, eine Illusion fürs Publikum: In Zeiten massivsten Dopings durch einzelne Athleten und ganze Staaten steht erst Jahre später fest, wer welche Medaille gewonnen hat“ (Kistner, Thomas, In der Nische, in SZ 29.11.2016). Kistner erwähnt die Hochsprung-Siebte von Peking 2008, Ariane Friedrich, die inzwischen auf Rang vier steht – drei vor ihr liegende Frauen flogen bei Dopingtests durch. „All das schreckt die Leute ab. Es passt nicht zu den schönen Bildern. Wie der Fußball rudert Olympia im Sumpf aus Betrug und Korruption; Strafbehörden in aller Welt ermitteln. (…) Dass das opulente olympische Märchen in der Realität damit nichts mehr zu tun hat, das merkt nun auch das Publikum. Immer weniger Menschen wollen das Sportfest noch in der eigenen Stadt haben. Wenn die Olympischen Spiele gerade jetzt im Spartensender landen, wird das ihren Bedeutungsverlust hierzulande nur beschleunigen“ (Ebenda).
Nachtrag 10: Die Trennung als Chance
Holger Gertz sieht in der SZ auch positive Möglichkeiten durch die Absage von Discovery: „Die Verbindung von ARD und ZDF zum olympischen Betrieb dagegen ist schon länger belastet. Und die Trennung jetzt mag schmerzhaft sein, eine Zäsur. Aber sie ist folgerichtig, sie kann eine Befreiung sein für die Öffentlich-Rechtlichen. Vor allem: Sie klärt die Verhältnisse. Wer als Journalist bei Olympischen Spielen ist, muss immer zweigleisig unterwegs sein. Von Sportergebnissen berichten und gleichzeitig davon, wie sie zustande kommen. Inszenierungen beschreiben und manchmal auch bestaunen, aber dabei im Blick haben, wem sie dienen, was sie kosten, wen sie täuschen. (…) Im ZDF-Sportstudio gab es neulich, moderiert von Jochen Breyer, eine Diskussionsrunde zum sperrigen Thema Sportförderung. Und am Ende der Olympischen Spiele in Rio hämmerte Peter Frey, Chefredakteur des ZDF, den Olympiabossen einen Kommentar an die Schlosstür, dessen letzte Sätze gern im Ganzen zitiert werden sollen: ‚Olympia steht kurz davor, sich selbst zu zerstören. Durch halbherzigen Anti-Doping-Kampf, Korruption bis in den innersten Machtzirkel des IOC, Überforderung der Gastgeber. Betrug an Sportkollegen und Betrug an den Fans und Zuschauern. Das macht die Idee kaputt.‘ Keine ganz neue Erkenntnis, trotzdem bemerkenswert klar formuliert vom Chef eines Senders, der die Rechte noch hatte. Das richtig schwere Brett war die Recherche eines anderen Mitarbeiters der Öffentlich-Rechtlichen. Hajo Seppelt legte mit der ARD-Dopingredaktion das System des russischen Staatsdopings frei. Wegen Seppelts inzwischen preisgekrönten Recherchen erst kamen bei Olympia in Rio all die Debatten auf, und die massive Kritik an Bach und dem IOC: Warum dürfen so viele Russen starten? Warum aber nicht die Whistleblowerin Stepanowa, die Seppelt vom staatlich gelenkten Dopingsystem berichtet hatte? Welche Nähe der Olympier zu Putin gibt es eigentlich? (…) Um dem Sport gerecht zu werden, braucht man Distanz zum Sport, die die öffentlich-rechtlichen Sender ganz am Ende ja teilweise hatten. Sie werden nichts mehr von Olympia bringen, aktuell haben sie offenbar nicht mal Rechte für Kurzberichte in den Nachrichten. (…) Die Distanz der Öffentlich-Rechtlichen zu Olympia wird in Zukunft sehr groß sein, aber Sport findet nicht nur bei den zwei Wochen Olympia statt. ARD und ZDF werden weiter Sport zeigen, und was Olympia angeht: Zu Korruption, Doping und anderen Verstrickungen werden sie weiter recherchieren, sie müssen erst recht keine Rücksichten mehr nehmen. Das ist eine Chance für den Sportjournalismus“ (Gertz, Holger, Games over, in SZ 3.12.2016 Hervorhebung WZ).
Nachtrag 11: Eurosport „Heimat der Olympischen Spiele“
Rupert Sommer in der SZ: „Seit Anfang Januar darf der Sportkanal den vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) verliehenen Namenszusatz ‚Home of the Olympic Games‘ tragen, denn der kleine Sender hat im Fernsehjahr 2016 für eine der größten Überraschungen gesorgt: Ausgerechnet die Senderfamilie rund um den Nischenkanal Eurosport, den selbst treue Anhänger von ‚Tour de France‘-Übertragungen oder Motorradrennen der MotoGP-Serie oft in den Tiefen ihrer Senderliste mit der Fernbedienung suchen müssen, erhielt den Zuschlag für die Ausstrahlung der weltweit wichtigsten Sportereignisse der nächsten Jahre. Eurosport wird bei den kommenden vier Olympischen Spielen exklusiv die Livebilder in deutsche Wohnzimmer liefern. Und ARD und ZDF, die Olympia-Sender der vergangenen Jahrzehnte, konnten sich nicht einmal die erhofften Sublizenzen sichern. (…) Der bereits im Februar 1989 ursprünglich als Gemeinschaftsunternehmen einiger europäischer Fernsehhäuser gegründete Sender hat seinen Hauptsitz in Paris, die Deutschlandzentrale ist in München. Bei den deutschen Zuschauern ist er nie wirklich in die erste Liga aufgestiegen. Der Marktanteil von Eurosport war lange im unteren einstelligen Bereich. Die relative Bedeutungslosigkeit für viele Zuschauer lag auch daran, dass die hierzulande entscheidenden Programmrechte – etwa für die Fußball-Bundesliga – bislang fehlten. Seit vor zwei Jahren der US-Konzern Discovery Communications die Eurosport-Gruppe übernahm, gehört der Sender zu einem der größten Medienunternehmen der Welt. Discovery hat Geld und ist gewillt, es auch auszugeben. (…) Immerhin muss Discovery die teueren Rechte-Investitionen – anders als die gebührenfinanzierten Sender ARD und ZDF – im großen Stil durch Werbung und eine zumindest zu unterstellende Nähe zu namhaften Programmsponsoren finanzieren. Ganz grundsätzlich steht die Frage im Raum, ob Eurosport seinen Zuschauern lediglich Hochglanz-Jubelprogramm bietet – und wie viel Raum für kritische Distanz bleibt“ (Sommer, Rupert, Fertig, los! in SZ 3.1.2017).
Nachtrag 12: Discovery-Eigner John Malone übernimmt die Formel 1
Der US-Milliardär John Malone hat den Konzern Liberty Media aufgebaut, zu dem der TV-Sender Discovery gehört – mit den Senderechten für die Olympischen Spiele von 2018 bis 2024. Im Herbst 2016 übernahm Malone für vier Milliarden Euro von CVC die Mehrheit an der Formel 1 (Busse, Caspar, Letzte Runde, in SZ 25.1.2017).
Nachtrag 13: Zwei Medienmogule, zwei alte Männer…
Ende Februar 2017 informierete der US-Konzern Discovery seine Zuschauer, „dass sie möglicherweise von Februar an die vier Sender Eurosport 2 HD, Eurosport 1 HD, Eurosport 360 HD und Discovery Channel nicht mehr bei Sky sehen können“ (Busse, Caspar, Spiel der Giganten, in SZ 31.1.2017). Angeblich will Sky keinen fairen preis für die Einspeisung zahlen. „Es geht nicht nur um die vier Sender in Deutschland, sondern um weitere zwölf Discovery-Kanäle, die Sky in Großbritannien verbereitet. Der Sky-Konzern in London teilte mit, es handle sich insgesamt um eine Summe von bis zu einer Milliarde Pfund, die Discovery fordere. Diese Vorstellung sei ‚komplett unrealistisch‘. Die Attraktivität der Discovery-Sender und der Zuschauerzuspruch nehme seit Längerem ab. Sky habe deshalb einige Hundert Millionen Pfund angeboten. (…) Discovery will die Spiele nun alleine zeigen, sowohl beim frei empfangbaren Sender Eurosport 1 als auch beim kostenpflichtigen Angebot Eurosport 2, das bisher auch bei Sky zu empfangen ist. Discovery gegen Sky: Im Hintergrund steht auch die tiefe Rivalität zwischen den amerikanischen Medienunternehmern John Malone, 75, und Rupert Murdoch, 85. Beide sind für ihren rustikalen Stil bekannt – und sie belauern sich seit Langem. (…) Die Mitteilung von Discovery über einen möglich Ausstieg kam in der vergangenen Woche kurz vor der Veröffentlichung der Sky-Zahlen – die auch noch durchwachsen ausfielen. So stieg in den vergangenen sechs Monaten zwar der Umsatz um sechs Prozent. Der operative Gewinn ging aber zurück, weil die Kosten für die Fußballrechte der britischen Premier League gestiegen sind. Discovery hatte Sky im vergangenen Jahr bei der Vergabe der Fernsehrechte der Bundesliga Konkurrenz gemacht. Sky konnte wegen kartellrechtlicher Auflagen nicht alle Live-Rechte erwerben. So sind insgesamt 45 Spiele an Discovery gegangen, 40 Bundesligapartien am Freitag, am Sonntag und am Montag, sowie die Partien um die Bundesligarelegation und den Supercup. Diese sollen nun von der Saison 2017/18 an bei Eurosport 2 gezeigt werden“ (Ebenda). Am 1.2.2017 einigten sich die Konzerne der beiden Mogule dann doch: „Auch künftig sind die Discovery-Sender Eurosport 1 HD, Eurosport 2 HD, Eurosport 360 HD und Discovery Channel im Sky-Angebot enthalten. In der Nacht wäre der Vertrag ausgelaufen, der nun doch noch verlängert wurde. Auch für insgesamt zwölf Discovery-Sender in Großbritannien gab es eine Einigung“ (Busse, Caspar, Wenn alle Sieger sind, in SZ 2.2.2017).
Nachtrag 14: Discovery in Deutschland
„In Deutschland betreibt Discovery diverse Fernsehsender, den Männer-Kanal DMAX, den Frauensender TLC oder den Discovery Channel, keine Kanäle, die hierzulande allzu oft die Aufmerksamkeitsschwelle überschreiten. (…) Bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang werden nun Snowboard, Shorttrack, Eiskunstlauf und Eishockey (ohne deutsche Beteiligung und ohne Finalspiele) live und exklusiv beim Discovery-Sender Eurosport zu sehen sein. Die Mehrheit an Eurosport und dessen Reichweite von mehr als 130 Millionen europäischen Haushalten übrigens hat sich Discovery erst 2014 für 345 Millionen Dollar gesichert. (…) John Malone möchte mit Discovery ein Pay-TV-Imperium erschaffen, und damit die Zuschauer bezahlen, braucht es exklusive Inhalte, und Übertragungsrechte von Sportereignissen sind derzeit die Filetstücke, von denen sich Malone über seine andere Firma Liberty Media und Zaslav mit Discovery einige gesichert haben: Olympia, Fußball-Bundesliga, Tennisturniere, Formel 1. Es heißt, dass Discovery Ende des Jahres auch um die Rechte der englischen Premier League bieten könnte. Wie aggressiv Discovery derzeit mit verschiedenen Plattformen und Geschäftsmodellen experimentiert, zeigt auch ein weiterer Zukauf Ende Juli. Für 14,6 Milliarden Dollar hat das Unternehmen den Medienkonzern Scripps Networks Interactive gekauft, der Anfang kommenden Jahres durchgeführt werden soll. Discovery erhält dadurch Zugriff auf die Kanäle Travel Channel und Food Network und kann seinen Marktanteil besonders bei den werberelevanten Frauen ausbauen. Bereits vor dem Scripps-Deal erreichte Discovery weltweit mehr als drei Milliarden Menschen. Reichweite ist für die US-Kabelsender ein wichtiges Gut im Konkurrenzkampf gegen die immer mächtiger werdenden Streamingdienste. Viele Amerikaner kündigen ihre Kabelanschlüsse und wenden sich von den klassischen Sendern, wie Discovery sie betreibt, ab“ (Schmieder, Jürgen, Endlich Haifisch, in SZ 19.8.2017). Die sender von Eurosport erreichen 231 Millionen Haushalte in 95 Ländern und mit 21 Sprachen (Ebenda).
Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Host Broadcasting Service (HBS); National Broadcasting Company (NBC); Olympic Broadcasting Services (OBS); Sky TV; Sportjournalisten; Sportsender ARD/ZDF; „Weltbild“ von Fifa/Uefa
Quellen:
Ahrens, Peter
– Alles so schön hier! (Nur nicht die Sache mit den Menschenrechten), in spiegelonline 27.6.2015
– Viel Sport, wenig Hintergrund, in spiegelonline 30.6.2015
ARD und ZDF droht Olympia-Aus, in n-tv.de 29.6.2015
Aumüller, Johannes, „Große Verunsicherung“, in SZ 1.7.2015
Chance zum Nachbessern nicht genutzt, in faz.net 3.7.2015
Discovery Networks Deutschland, IOC vergibt sämtliche TV- und Multiplattform-Übertragungsrechte in Europa für die Olympischen Spiele 2018 bis 2024 an Discovery und Eurosport, PM, www.presseportal.de 29.6.2015
DPA
– Olympia-Deal des IOC: Große Sorge bei den Sportverbänden, in zeit.de 30.6.2015a
– Olympia-Fernsehdeal gefährdet Hamburger Ruder-WM-Bewerbung, in zeit.de 30.6.2015b
Eisenberger, Korbinian, Noch mehr Bälle, in sueddeutsche.de 22.7.2015
Eurosport, Eurosport sichert sich die Olympia-Übertragungsrechte von 2018 bis 2024 in Europa, PM eurosport.de 29.6.2015
Eurosport-Konzern schnappt sich Olympia-Rechte, in spiegelonline 29.6.2015
Eurosport schnappt ARD und ZDF Olympia-Rechte weg, in faz.net 29.6.2015
Hägler, Max
– Olympia im Sparten-TV, in SZ 30.6.2015
– Verdächtige Stille, in SZ 1.7.2015
– Brot und Spiele, in SZ 4.7.2015
Hanfeld, Michael, ARD und ZDF wollen nicht bloß am Boden turnen, in faz.net 1.7.2015
IOC vergibt sämtliche TV- und Multiplattform-Übertragungsrechte in Europa für die olympischen Spiele 2018 bis 2024 an Dicscovery und Eurosport, PM Discovery Deutschland 29.6.2015
Kamp, Christian, Angst vor dem Verschwinden, in faz.net 21.7.2015
Lennartz, Michael, Europaspiele und die Chancen auf Olympia, in fnp.de 22.6.2015
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