Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ist 2006 hervorgegangen aus der Fusion des DSB (Deutscher Sportbund) und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK). Der Widerstand von DSV-Chef Fritz Wagnerberger sowie sechs weiterer Wintersportverbände und des ehemaligen NOK-Präsidenten Walther Tröger gegen die Fusion blieb erfolglos (Gernandt, Michael: Kerniger Wortführer, in SZ 15.5.2010; Ein Mann von Welt, in SZ 15.5.2010).
DOSB-Präsident ist Thomas Bach, gleichzeitig IOC-Vizepräsident, seit September 2013 IOC-Präsident. Generalsekretär wurde Michael Vesper, dessen Fünfjahresvertrag im Frühjahr 2011 verlängert wurde.
Im DOSB sind etwa 90 000 Vereine mit 27 Millionen Mitgliedern organisiert. Grund für den Zusammenschluss waren angeblich schlechte Leistungen deutscher Athleten bei den Olympischen Sommerspielen 1996, 2000 und 2004. Mit der Gründung des DOSB wurden praktisch alle Sportaktivitäten der meisten Verbände dem Primat des IOC untergeordnet, und Sport ist nun fast immer olympisch. Ein geschickter Schachzug, denn eine autonome Sportbewegung ohne die Überorganisation IOC ist damit organisatorisch fast nicht mehr machbar. Einen unabhängigen Sport ohne den olympischen Kontext gibt es nur noch in Randbereichen: Alles wurde olympisch unterwandert, übernommen und angepasst!
Der DOSB ist quasi die SED des Sports (Sport-Einheitspartei Deutschland) – und ein Monopol-Konzern.
„Richtig ist aber auch, dass eine Selbstreflexion des Sportbetriebs, die unter den Vorgängerorganisationen DSB und NOK noch geduldet war, im DOSB als Nestbeschmutzung gilt.“ Inzwischen ist der DOSB zu einem Verband geworden, „den Vesper und sein Präsident Thomas Bach mit harter Hand regieren (Catuogno, Claudio, Werte als Sperrgepäck, in SZ 9.10.2010). Der ehemalige Vorsitzende der Stiftung Deutsche Sporthilfe, Hans-Wilhelm Gäb, über die Entwicklung im DOSB: „Der DOSB bestimmt letztlich über die Mittelvergabe an die Verbände. Daraus allein entsteht ein stilles Gefühl der Abhängigkeit. Man mag den Consensus nicht stören, und darüber hinaus sind Stratege Thomas Bach und sein exekutierender Kollege Michael Vesper (DOSB-Vorstand/d. Red.), die hier schon vor Hörmann die Linie fixiert haben, starke Persönlichkeiten, die zudem viel von Machtpolitik verstehen und auf dem Weg zum Ziel notfalls auch mal auf diplomatische Mittel verzichten“ (Hecker, Anno, „Der Sport vergisst seine Stärke“, in faz.net 16.12.2015).
Vesper war DOSB-Generaldirektor und ist inzwischen – unter oder über DOSB-Präsident Alfons Hörmann – DOSB-Vorstandsvorsitzender. Und Bach ist seit September 2013 IOC-Präsident.
– DOSB und Doping
Hierzu gibt es unzählige Beispiele, wie der Bach-Vesper-DOSB die Straffreiheit von „geringen Mengen an Dopingmitteln“ verteidigt. Aber auch Dopingfälle im Radsport bleiben durch den DOSB folgenlos. So hatte der frühere Radrennfahrer Erik Zabel im Juni 2007 gestanden, im Jahr 1996 einige Tage Epo genommen zu haben. Daraufhin hatte Zabel (mit Kollegen Rolf Aldag) ein Gespräch mit DOSB-Präsident Bach und DOSB-Generaldirektor Vesper, nach dem groß eine “Anti-Doping-Kampagne” angekündigt wurde, die nie stattfand (Erste Konsequenzen, in SZ 27.7.2013). Bei der Doping-Untersuchung des französischen Senats wurde Zabel erneut schwer belastet und gestand im Juli 2013, dass er 2007 gelogen hatte und in Wirklichkeit jahrelang gedopt hatte. Er trat daraufhin aus dem Profi-Beirat des Weltradsportverbandes UCI aus und als Sportlicher Direktor des übel beleumdeten russischen Katjuscha-Rennstalls zurück (Aumüller, J., Burkert, A., Zabel spürt die Konsequenzen, in SZ 30.7.2013).
Dazu schrieb Thomas Kistner im SZ-Kommentar: „Während von Skandinavien über Österreich bis Italien Anti-Doping-Gesetze in Kraft sind, verteidigt der Deutsche Olympische Sportbund mit Klauen und Zähnen seine Minimalregelung. Sie besteht aus einem Appendix am Arzneimittelgesetz, der gar als Aufforderung zum Dopen gelesen werden kann: Dem Staatsanwalt sind Ermittlungen erst ab einer exorbitanten Menge an Dopingfunden erlaubt. Ungefähr so, als würde die Latte für Trunkenheit am Steuer auf 2,5 Promille gelegt. Wer steuerte da nicht ganz entspannt die Bar an? (…) Nun dürfen chronisch Ahnungslose wie Bach und Vesper wieder sehr bestürzt reagieren. Im Herbst übrigens kürt das Internationale Olympische Komitee den neuen Präsidenten. Was den Favoriten und langjährigen Musterfunktionär Bach angeht, weiß der Sport, was er kriegt und was nicht. In rauen Zeiten mag das hilfreich sein für eine Gesellschaft, die sich trotz aller Affären wohlfühlt, so wie sie ist” (Kistner, Thomas, Wo Lügenbarone protegiert werden, in sueddeutsche.de 25.7.2013; Hervorhebung WZ).
– Das Jahr 2013
„2013 setzte es für den DOSB teils empfindliche Niederlagen. Die sicherlich bitterste: Der Bürgerentscheid über die Olympischen Spiele in München 2022 geht krachend verloren. Alle vier Abstimmungen in Garmisch-Partenkirchen, den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land sowie in der Stadt München enden negativ. Ein in dieser Deutlichkeit unerwartetes Ergebnis. Daran änderte auch eine riesige Plakataktion nichts. Olympische Winterspiele in Deutschland dürften mit dem Ergebnis für lange Zeit vom Tisch sein. Thomas Bach ließ daraufhin vom IOC-Thron wissen, dass in München die Mutlosen gesiegt hätten. Der neue DOSB-Präsident Alfons Hörmann witterte in einer TV-Sendung gar Verschwörung: ‚Es wird Fundamentalopposition gegen den Sport gemacht, dass sich die gleichen Gegner gegen Olympia hier in München warmlaufen gegen die Fußball-Europameisterschaft 2024′“ (Kempe, Robert, Verpasste Chance, in deutschlandfunk.de 29.12.2013).
Hinzu kam die weitere Niederlage am 29.11.2015 bei der Bewerbung von Hamburg um Olympische Sommerspiele 2024.
– Doping-Opfer interessieren den DOSB nicht
„Die Bundesregierung hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der neue finanzielle Hilfen für Doping- opfer der DDR vorsieht. Dies teilte das Bundesinnenministerium in Berlin mit. Demnach soll ein Fonds aufgelegt werden, der mit insgesamt 10,5 Millionen Euro ausgestattet werden soll. Damit könnte Dopingopfern des DDR-Leistungssports, die zum Teil als Minderjährige und ohne ihr Wissen leistungssteigernde Mittel verabreicht bekommen hatten, „bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen jeweils 10 500 Euro als einmalige Hilfe“ ausgezahlt werden. (…) ‚Angesichts des schweren Schicksals vieler DDR-Dopingopfer und ihres sehr schlechten Gesundheitszustandes ist Eile geboten. Ich bin zuversichtlich, dass es uns nun gelingen wird, das zweite Doping- Opfer-Hilfegesetz als gesetzliche Grund- lage für den neuen Fonds bis zum Sommer dieses Jahres zu verabschieden und bereits in der zweiten Jahreshälfte Zahlungen zu ermöglichen‘, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. (…) Auf Granit biss der Minister bei dem Versuch, auch den organisierten deutschen Sport zu einer Beteiligung zu bewegen. Noch im Dezember hatte de Maizière eine derartige Beteiligung als ‚gesellschaftliches Anliegen‘ bezeichnet, dem sich der organisierte Sport nicht verschließen sollte. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ging darauf aber nicht ein. (…) Die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins, die ehemalige DDR-Sprinterin Ines Geipel, nannte es „aufschlussreich“, dass es vom DOSB „keinen Cent und kein Wort“ gegeben habe. ‚Ich bedaure das‘, sagte de Maizière, dessen Ministerium in der Regierung für den Sport zuständig ist“ (Cáceres, Javier, Neue Hilfe für Dopingopfer, in SZ 10.3.2016).
– DOSB-Führung gegen Sportverbände
„Ein Streit auf höchster Ebene stellt den deutschen Spitzensport fünf Wochen vor Olympia vor eine Zerreißprobe. Die FAZ dokumentiert anhand von Mail-Auszügen ein Zerwürfnis zwischen DOSB-Präsident Alfons Hörmann und Siegfried Kaidel, Sprecher der Spitzenverbände. Hörmann habe dabei die Vertrauensfrage gestellt. Der Streit sei nach einem Versuch Kaidels entbrannt, ein Treffen zwischen Funktionären und Innenministerium ohne DOSB-Spitze abzuhalten – formaler Anlass soll aber nicht die Reform, sondern die Finanzierung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) gewesen sein. Laut FAZ hatte Hörmann darauf bei Innenminister Thomas de Maizière interveniert, der eine Teilnahme seines Abteilungsleiters an dem Treffen untersagte“ (SID, „Hinterhältig“, in SZ 1.7.2016; Hervorhebung WZ). Hörmann stellte in einer Rundmail infrage, ob der Sport seine Führungsrolle verantwortungsbewusst umsetze. „Ruderchef Kaidel warf er ‚Verhinderungsstrategien‘ bezüglich der Reform vor und sprach von ‚hinterhältigen Spielchen‘. Kaidel wies dies zurück und erklärte, ‚ich unterliege nicht der Inquisition’“ (Ebenda).
Anno Hecker in faz.net zum Konflikt zwischen der DOSB-Spitze und den Sportverbänden: „Die Auseinandersetzung ist so heftig, dass der DOSB-Chef Hörmann von neuen ‚Allianzen‘ innerhalb seines Verbandes schreibt und die ‚Führungsrolle‘ des DOSB bei der Entwicklung des Spitzensportkonzeptes (zusammen mit dem Bundesinnenministerium) in Frage stellt… Hörmann kündigt an, Bundesinnenminister Thomas de Maizière über die ’nur noch bedingt stabile Aufstellung im Sport‘ zu unterrichten. (…) In der Mail an Kaidel wirft der DOSB-Präsident dem Vertreter der Fachverbände vor, mit einigen Verbänden ein ‚Geheimtreffen‘ ohne die Führung des DOSB mit dem Abteilungsleiter Sport des BMI, Böhm, für Anfang Juli verabredet zu haben, um „erste Verhinderungsstrategien“ zu erarbeiten. (…) De Maizière untersagte nach einem Telefonat mit Hörmann seinem Abteilungsleiter Böhm die Teilnahme an der Besprechung. (…) In mühevoller und teilweise nervtötender Arbeit hätten sie daran gearbeitet, Sportdeutschland voranzubringen. (…) Kaidel nimmt die Attacke in seiner Antwort vom vergangenen Montag auf. Er halte die ‚Schilderung und Empfindlichkeiten‘ Hörmanns, schreibt er in einer Mail an einen ähnlichen Verteiler, für ‚mehr als unangemessen‘. Als Sprecher der Verbände sei er diesen zwar verantwortlich. Aber sie alle handelten im Interesse des deutschen Sports. Der Ruder-Präsident wies den Vorwurf, neue Allianzen gegründet sowie eigene Konzepte und damit eine Verhinderungsstrategie erarbeitet zu haben, als ‚bodenlose und substanzlose‘ Unterstellung zurück. Dies gelte auch für die Behauptung Hörmanns, es habe ein Geheimtreffen geben sollen mit dem Thema Nada-Finanzierung als Alibi. Kaidel verweist auf sein Recht, mit Funktionsträgern zu sprechen, wenn dies geboten sei. ‚Im übrigen unterliege ich nicht der Inquisition oder lasse mir vorwerfen, nicht die ,Wahrheit‘ zu sagen.‘ Es gebe keine ‚hinterhältigen Spielchen‘, aber es gebe die Redefreiheit. Dieses Recht könne auch der DOSB den Spitzenverbänden nicht nehmen. Kaidel spielt in seiner Mail auf den Versuch einer Spaltung der Fachverbände an: ‚Dies wird nicht gelingen.‘ Die Spitzenverbände entschieden, wie und von wem sie sich vertreten ließen. (…) Nachdem die DOSB-Führung beim letzten Treffen der Spitzenverbände die Streichung von 50 der etwa 200 Bundesstützpunkte vorgestellt hatte, klagen manche Verbände über eine ungenügende Aufklärung. Demnach soll der DOSB zur Begründung schulterzuckend auf eine Direktive der Länder hingewiesen haben. Sie sind an der Finanzierung entscheidend beteiligt. Nach Recherchen des Deutschen Schwimmverbandes habe es eine solche Entscheidung der Sportministerkonferenz der Länder aber gar nicht gegeben“ (Hecker, Anno, Der Präsident stellt die Vertrauensfrage, in faz.net 30.6.2016).
Dazu Michael Ashelm in einem Kommentar in der faz.net: „Das erste Opfer jedenfalls scheint der Mann an der Spitze zu werden: Alfons Hörmann, seit bald drei Jahren Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Eine Gruppe von Fachverbandspräsidenten hatte sich diskret an denjenigen gewandt, der zahlt und deshalb das Sagen hat: an den Sportchef im Innenministerium. Schließlich geht es um fünfzig von mehr als zweihundert Bundesstützpunkten; sie könnten geschlossen werden. (…) Statt zu klären und zu erklären, statt sich wie der Aufsichtsrat zu verhalten, der er qua Amt ist, will Hörmann eine Machtprobe. Es sei zu entscheiden, schreibt er, wer in welcher Rolle künftig Verantwortung tragen soll. Da er nicht über das Schicksal von Verbandspräsidenten bestimmt, spricht er offenbar von sich selbst. (…) Damit stellt sich in der Tat, vier Wochen vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, die Frage nach Vertrauen und Verantwortung. Hörmann ist durch die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber angeschlagen. Das Verhältnis zwischen DOSB und Ministerium ist auf Arbeitsebene zerrüttet, namentlich zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Vesper und Abteilungsleiter Böhm. Statt um Inhalte kämpfen Sport und Staat um Macht. Und nun verliert Hörmann die Contenance. Er beschuldigt den Sprecher der Fachverbände, Ruder-Präsident Kaidel, eine Opposition gegen die Reform und damit gegen ihn persönlich anzuführen. Wenn man den rüden Ton Hörmanns als bayerische Eigenheit durchgehen lassen wollte, müsste man auch das heimliche Treffen als Folklore der Verbandspolitik betrachten können. Doch für Hörmann ist dies keine Kleinigkeit. Er zerschlägt Porzellan wie ein Berserker. Die Neuordnung der Verantwortlichkeit, wie er sie fordert, könnte der Anfang vom Ende seiner Amtszeit sein“ (Ashelm, Michael, Hörmanns Stunde der Wahrheit, in faz.net 1.7.2016).
Und aus einem Kommentar von Johannes Aumüller in der SZ: „Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) beansprucht die klare Führungsrolle, manche Spitzenverbände und das Innenministerium als Geldgeber sehen das etwas anders. Als Thema ist das konfliktträchtig genug, aber Grundsätzliches kommt dazu. Bei vielen Verbänden gibt es inzwischen eine tiefe Ablehnung gegen die DOSB-Spitze aus Präsident Alfons Hörmann und Vorstandschef Michael Vesper. Bilanz und Auftreten dieses Duos in jüngster Zeit lesen sich in der Tat verheerend. Da war die am Bürger-Votum gescheiterte Olympia-Bewerbung Hamburgs und der verblüffende Umgang damit: Wir haben uns nichts vorzuwerfen, folgerte Hörmann. Da waren auch die Themen, die aus Hörmanns Berufsleben in den Sport hinein lappten. (…) Zugleich wurde der Vertrag des ohnehin schon lange umstrittenen Vorstandschefs Michael Vesper verlängert. Die Umstände waren besonders merkwürdig, weil der Good-Governance-Beauftragte Jürgen Thumann wegen Vorwürfen gegen Vesper aktiv geworden war“ (Aumüller, Johannes, Ärger über das Führungsduo, in SZ 1.7.2016). Thumann war der Meinung, dass Vesper kein Verstoß nachzuweisen sei: „Allerdings wird sein Verhalten, so wie es von Hinweisgeberinnen geschildert worden ist, teilweise nicht dem Amt des Vorstandsvorsitzenden gerecht. Das Präsidium sollte ihn an seine hervorgehobene Stellung und an seine Vorbildfunktion erinnern“ (Ebenda). In vielen Bereichen fühlen sich Verbandsvertreter seit Längerem ignoriert und bevormundet, mäßig informiert und schlecht repräsentiert. Es geht gerade um eine Reform des Spitzensports – aber der deutsche Sport muss sich auch fragen, wer ihn in Zukunft führen soll“ (Ebenda).
Falls der DOSB sich auflösen sollte – was leider wenig wahrscheinlich ist -, könnte man sagen: Er wurde vollständig ersetzt durch die Lücke, die er hinterließ.
– Krisentreffen in Berlin
„In Berlin trafen sich am Mittwoch die Spitzen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Präsident Alfons Hörmann und Vorstandschef Michael Vesper, mit den Sprechern der Spitzenverbände und der Landessportbünde, Siegfried Kaidel und Andreas Silbersack, zu einem Krisengipfel. Danach hieß es, die zuletzt entstandenen Missverständnisse seien ausgeräumt worden. Anlass des Streits waren das Verhalten und die Haltung der Beteiligten in der angedachten Strukturreform des Spitzensports.(…) Die geplante Neuordnung dürfte jedoch bald wieder für Aufregung sorgen. Am Mittwoch kam es in Berlin auch zum Treffen des sogenannten Beratungsgremiums, dem unter anderem Minister Thomas de Maizière (CDU), Hörmann sowie weitere Vertreter des Ministeriums und des Sports angehören. Ein grobes Reform-Konzept steht zwar. Demnach soll es künftig ein mehrstufiges Verfahren geben, das die einzelnen Disziplinen in drei verschiedene und unterschiedlich stark zu fördernde Gruppen einteilt – von Kandidaten mit klarem Medaillenpotenzial bis zu Kandidaten nahezu ohne Erfolgspotenzial. Finale Entscheidungen fallen aber erst beim nächsten Treffen der Runde, das für September geplant ist. Zentraler Knackpunkt ist dem Vernehmen nach noch immer, wer in dem Verfahren das letzte Wort hat und ob der Minister den organisierten Sport im Zweifel überstimmen kann“ (Krisengipfel in Berlin, in SZ 7.7.2016).
– Olympische Sommerspiele Rio 2016 – der DOSB zu Thomas Bach in unverbrüchlicher Treue
Russisches System-Doping, Ticketskandal um Pat Hickey, Korruption im Umfeld der olympischen Bauaufträge: „Vom DOSB ist in dieser Hinsicht wenig zu hören gewesen. Über die unverbrüchliche Treue, die DOSB-Präsident Alfons Hörmann und der Vorstandsvorsitzende Michael Vesper Bach entgegenbringen, wird wohl weiter diskutiert werden – und ob diese Haltung wirklich im Sinne der deutschen Sportler ist. Eine deutlichere Reaktion der DOSB-Spitze zu den IOC-Beschlüssen, Russland trotz des Staatsdopings nicht komplett auszuschließen, hätte man sich gewünscht“ (Weinreich, Jens, Bachs Blütenträume, in spiegelonline 21.8.2016).
– Spitzensportförderung à la DOSB
Im September 2016 legten das Bundesministerium des Innern (BMI) und der DOSB ein Eckpunktepapier für die Reform des olympischen Hochleistungssports vor. Es wurde am 28.9.2016 „hinter verschlossenen Türen im Sportausschuss des Bundestags“ vorgestellt (Weinreich, Jens, So ändert sich die Sportförderung in Deutschland, in spiegelonline 27.9.2016). Zu den Einzelheiten schrieb Jens Weinreich: „Zu den Kernpunkten des neuen Fördersystems zählen eine Aufwertung der Rolle des DOSB gegenüber den Fachverbänden, die Reduzierung der Olympiastützpunkte (von 19 auf 13), der Bundesstützpunkte (von 204 auf etwa 160) und die Einrichtung zwei neuer zentraler Gremien, die der ‚potenzialorientierten Fördersystematik‘ gerecht werden sollen. Momentan erhalten 33 Sportverbände Bundesmittel für die Projektförderung. Bezuschusst werden aktuell 103 Disziplingruppen im Sommer- und 27 im Wintersport. Das wird sich spätestens ab 2018 deutlich ändern. Ab Mitte Oktober soll das Konzept mit den Spitzenverbänden noch einmal im Sportausschuss und auch mit der Sportministerkonferenz der Bundesländer diskutiert werden. Die DOSB-Mitgliederversammlung Anfang Dezember in Magdeburg wird die Pläne absegnen. (…) Entscheidende Einwände der mehr als 60 olympischen und nichtolympischen Fachverbänden sind kaum zu erwarten. (…) Die sogenannte Potas-Kommission, besetzt etwa mit Vertretern des DOSB, des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, der Trainerakademie (Köln) und des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT, Leipzig) soll künftig aus dem umfangreichen Datenmaterial alle Sportarten und Disziplingruppen in drei Bereiche einteilen, die Cluster genannt werden“ (Ebenda).
Die Sportwissenschaftler, die Trainer, die Trainingswissenschaftler sind alle vom DOSB auf Gedeih und Verderb abhängig. Mit diesen DOSB-hörigen Institutionen hat der DOSB in dieser Kommission das Sagen – und das BMI kann noch mehr Geld bereitstellen.
Im Eckpunktepapier werden vorgestellt
das „Exzellenzcluster“: „Hier werden sich gut aufgestellte Sportarten/Disziplinen mit konkretem Medaillenpotenzial wiederfinden. Sie sollen möglichst optimal, also mit grundsätzlich 100 Prozent des geprüften Bedarfs gefördert werden. Der Mitteleinsatz wird in Individualvereinbarungen konkretisiert und durch jährliches Controlling begleitet“ (Ebenda).
das Potenzialcluster: „Hier zugeordnete Disziplinen bewegen sich im Mittelfeld der Bewertungen. Im Rahmen einer Individualvereinbarung wird für sie festgelegt, in welchem Bereich und in welcher Höhe gefördert wird. Es können sowohl Mittel für einzelne Athleten (Individualförderung) und/oder für Nachwuchsmaßnahmen (Aufbauförderung) als auch für Strukturverbesserungen (Strukturförderung) festgelegt werden“ (Ebenda) sowie
„Cluster mit wenig oder keinem Potenzial: Hier zugeordnete Disziplinen können grundsätzlich nicht mit einer Spitzenförderung rechnen. Gegebenenfalls erforderliche Einzelfallbetrachtungen können Ausnahmen begründen“ (Ebenda). – „Die sich der Potas-Auswertung anschließenden Strukturgespräche laufen ebenfalls unter der Hoheit des in die Kritik geratenen DOSB und sollen besser als bisher individuelle Fördermaßnahmen mit infrastrukturellen Maßnahmen verbinden. Sämtliche Planungen sollen schließlich von einem zweiten neuen Gremium festgelegt und abgesegnet werden: der Förderkommission, in der neben DOSB und BMI gelegentlich Vertreter der Bundesländer und deren Sportministerkonferenz mitdiskutieren dürfen, sofern deren Mitwirkung mit einem finanziellen Beitrag unterlegt ist“ (Ebenda).
Johannes Aumüller schreibt zum neuen Förderkonzept in der SZ: „De Maizière und Hörmann glauben, dass sie mit ihrem Konzept den deutschen Sport wieder erfolgreicher machen können. ‚Mein Ziel ist es, dass Deutschland als Sportnation wieder ganz vorne mitspielt‘, sagt der Minister. Noch filigraner und professioneller solle die Förderung künftig ablaufen, mit dem Athleten im Fokus, ergänzt Hörmann. BMI und DOSB erwecken nicht den Eindruck, als könnte sich an ihrem Konzept noch viel ändern. Aber sowohl aus dem deutschen Sport wie aus der Politik ist viel Ärger und Unverständnis zu hören. …) Die finanzielle Unterstützung des Spitzensports durch die Politik ist enorm. Die Bundesministerien und die Länder geben pro Jahr mehrere Hundert Millionen Euro dafür aus. Bei der vorgestellten Reform geht es vor allem darum, wie der Topf des BMI (nach aktuellem Stand zirka 163 Millionen Euro) als größtem Zuwendungsgeber zu verteilen ist. Dafür haben sich die Verantwortlichen ein kompliziertes und mehrstufiges Modell namens „Potas“ (Potenzialanalysesystem) ausgedacht. Im Kern soll es nicht mehr Erfolge der Vergangenheit, sondern künftige Erfolgsaussichten honorieren – und stärker auf das Potenzial eines einzelnen Athleten als auf einen Verband zielen. Und zumindest auf den ersten Blick sieht es objektiv aus und reduziert es den Einfluss des DOSB. (…) Allerdings ist mit dieser Clusterung der Förderprozess nicht abgeschlossen. Auf die Arbeit von Potas folgen die Strukturgespräche unter Leitung des DOSB, und schließlich steht der Entscheid der Förderkommission an, in der BMI, DOSB sowie je nach Fall auch die Länder sitzen. Nur wenn alle Beteiligten die Förderung goutieren, fließt das Geld. Der Minister hat ein Veto-Recht. In diesen Schritten wird die Frage sein, wie verbindlich die Beteiligten und insbesondere der DOSB die objektiv ermittelte Grundlage tatsächlich nehmen – und wie viel Handlungsspielraum sie sich herausnehmen“ (Aumüller, Johannes, Medaillen, Medaillen, Medaillen, in SZ 29.9.2016).
Und aus einem Kommentar von Thomas Kistner in der SZ: „Gewiss, der deutsche Leistungssport mit seiner sperrigen Struktur von A- bis D-Kadern gehört längst reformiert. Das geschieht nun; das neue Förderkonzept fokussiert nicht mehr auf Platz, sondern auf Sieg. Es propagiert die Hinwendung zum Medaillen-Spektakel. Podiumsplätze, Hymnen und Fahnen sollen die zuletzt ja deutlich erlahmte patriotische Energie im Publikum wiederbeleben. Dumm nur, dass Politik und Sport ihr klares Signal in eine globale Sportlandschaft senden, die selbst gerade einen dramatischen Wandel durchläuft. Unpassender könnte der Zeitpunkt nicht sein: Nach dem rauen Erweckungserlebnis, das die korruptionsverseuchte Funktionärsclique um den Fußball-Weltverband Fifa breiten Teilen der Gesellschaft bescherte, ist das Internationale Olympische Komitee ähnlich tief in die Glaubwürdigkeitskrise geschlittert. Das IOC, die oberste Sportinstanz, betreibt eine den Betrug und potenzielle Betrüger de facto abschützende Politik, von der sich andere Spitzenorgane (von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada über den Behinderten- bis zum Leichtathletik-Weltverband) entsetzt abwenden. Skrupelloser denn je vertritt das IOC selbst den Systemzwang, dass all die pharmazeutischen Helfer dazugehören, die nicht oder fast nicht aufzuspüren sind; die oft auch gar nicht aufgespürt werden sollen. Olympias Gloria gründet auf Doping. Während dieser verlotterte globale Spitzensport, gelenkt vom deutschen Wirtschaftsanwalt Thomas Bach, immer tiefer ins Zwielicht gerät und viele seiner Topleute in den Fokus staatlicher Ermittlungen in Brasilien, Frankreich und der Schweiz rücken, beschließt der deutsche Sport: Hier mischen wir jetzt richtig mit! In diesem Sport sollen unsere Athleten künftig ihre Titel- und Medaillenausbeute markant erhöhen. Oder aufhören“ (Kistner, Thomas, Mitmischen bei den Falschen, in SZ 29.9.2016).
Und Jens Weinreich in spiegelonline: „Andererseits fehlen wichtige Kriterien. So ist der Kampf gegen Doping bislang kein Parameter des Potas-Systems. (…) Am Attributsystem verwundert zudem, dass sich nur wenige Kategorien mit den Postulaten von DOSB und BMI decken, die Förderung solle sich mehr auf Sportler und deren Umfeld konzentrieren. Es überwiegen Kategorien, die eher der Verbandspolitik zugeordnet werden müssen“ (Weinreich, Jens, Erfolg wird überbewertet, Doping spielt keine Rolle, in spiegelonline 7.10.2016). Der Sportsoziologe Prof. Eike Emrich äußerte, dass allen zentralen Macht- und Lenkungsansprüche und Phantasien der letzten Jahre in die Attribute gepackt wurden: Letztlich bilde das Papier das ab, „was der DOSB schon immer wollte und für richtig und erfolgsträchtig hielt“ (Ebenda). – „Der Wissenschaftler spricht von einer ‚Utopie einer sich als zentrale Lenkungsbehörde verstehenden Einrichtung‘ und bezieht das BMI in sein Urteil ein. Schon vor Jahren hatte er die Beziehung von Sportorganisationen und der alimentierenden Sportbehörde BMI als feudales Verhältnis mit höfischen Regeln kritisiert: Wer gut bedacht werden wolle, müsse der gutachterlichen Behörde seine Aufwartung machen. Im neuen Konzept würden ‚Verbände über den Faktor der zugewiesenen Geldmenge gezwungen, bestimmte Strukturen einzuführen, wenn sie viel Fördergeld wollen‘, sagt Emrich. Dies sei ein ‚durch Ressourcensteuerung erzwungener Eingriff in die internen Verbandsbelange ohne zu wissen, ob dadurch überhaupt die Erfolgswahrscheinlichkeiten steigen‘. Deutlich wird hier die Handschrift des BMI, das zunächst in Medien und im vergangenen Jahr auch vom Bundesrechnungshof wegen eklatanter Mängel eines intransparenten Fördersystems unter Druck geriet. Das Ministerium erhöht nun selbst den Druck auf die Verbände“ (Ebenda).
– de Maizière: Dopingsportarten nicht mehr fördern
„Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat in der Debatte um die zukünftige Finanzierung des deutschen Spitzensports bei anhaltenden Manipulationen einen Verzicht auf komplette Sportarten nicht mehr ausgeschlossen. (…) Gewichtheber und Ringer haben sich bereits skeptisch zu den Plänen des Ministers geäußert. ‚Wenn eine Sportart ‚verseucht‘ ist, dann liegt es auch daran, dass unsere Bundesregierung bislang nichts getan hat, um dies zu verhindern bzw. die bekannten Probleme zu bearbeiten und zu lösen‘, schrieb Christian Baumgartner am Freitag an DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber sei ‚erstaunt über so ein hohes Maß an Unkenntnis und Dickfelligkeit‘. (…) Kopfschütteln hat der Bundesinnenminister auch bei den Sportlern ausgelöst. ‚Wir deutsche Gewichtheber sind sauber. Wir werden im Wettkampf beschissen, weil wir gegen die Gedopten keine Chance haben. Jetzt will man uns doppelt und dreifach bestrafen und uns auch noch die Förderung wegnehmen‘ klagte Almir Velagic, Olympia-Neunter in Rio“ (De Maizière will Doping-Sportarten Förderung streichen, in spiegelonline 30.9.2016). – „… auch in der Anhörung des Bundestages gab es durch einige Sachverständige Kritik an Analysesystem und Attributen. Aber die Mitgliederversammlung des DOSB soll im Dezember dem Konzept zustimmen – sonst gibt es keine Reform. Und daher ist interessant zu sehen, wie seine Spitzenvertreter heikle Teile des Konzeptes auf ihre Art darstellen und aufweichen. (…) Das Signal der DOSB-Oberen: Potas gibt es künftig halt, aber entscheidend sind weiter die Strukturgespräche. Auffallend oft spricht Hörmann in diesen Tagen davon, dass sich so viel doch gar nicht ändere. …) Ähnlich abwiegelnd äußert sich die DOSB-Spitze bei den Folgen der Clusterung. Die Verbände sind verunsichert, was beim Absturz in Gruppe III passiert. Gemäß Konzept gibt es kein Geld mehr. (…) Potas und Clusterung lassen sich vielfältig kritisieren. Falls sie am Ende aber kaum konkrete Konsequenzen haben, stellt sich die Frage, warum so ein arger Aufwand betrieben wird und 130 Disziplingruppen nach 59 Unterattributen bewertet werden. Und warum für Personal und Geschäftsstelle von Potas eine halbe Million Euro aufgewendet werden soll“ (Aumüller, Johannes, Kompliziertes Zahlenwerk, in SZ 20.10.2016).
Dazu ein Kommentar von René Hofmann in der SZ:
„Nach fast zwei Jahren des Mauschelns haben sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und das Bundesinnenministerium (BMI) endlich aus der Deckung gewagt und das Konzept präsentiert, wie die Förderung des Spitzensports künftig organisiert werden soll. (…) BMI und DOSB haben ein bürokratisches Monster namens ‚Potas‘ kreiert. Anhand des Potenzialanalysesystems soll hochgerechnet werden, welche Medaillenchancen einzelne Athleten und ganze Disziplinen bei kommenden Olympischen Spielen haben werden. Der Computer wird mit Daten gefüttert, anhand seiner Hochrechnung werden die Sportarten dann in Fördergruppen eingeteilt. Weil man der Rechenmaschine aber doch nicht so ganz traut, werden die Ergebnisse in sogenannten Strukturgesprächen mit vielen Beteiligten sowie in einer finalen Förderkommission aus BMI und DOSB noch einmal erörtert und gewichtet. Ein komplizierteres Prozedere lässt sich kaum denken. (…) Das überlebenswichtige Schwimmen, die Bewegungsvielfalt der Leichtathletik und die Körperschule des Turnens etwa wären sicher auch ohne jede olympische Medaillenchance förderungswürdig. (…) Die Frage, welchen Sport dieses Land will, welche Sportarten es sich wirklich leisten möchte – die wurde nie gestellt, weil Sportminister Thomas de Maizière die Antwort früh vorgegeben hatte: Lieb und teuer ist uns alles, was Medaillenglanz verspricht! 30 Prozent mehr olympisches Edelmetall soll Potas bringen. Die Kalkulation ist verwegen“ (Hofmann, René, De Maizières Monster, in SZ 22.10.2016).
– Athleten-Gewerkschaft?
„Deutschlands Spitzenathleten wollen sich unabhängiger vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) machen und planen die Gründung einer Gewerkschaft. Die Athletenvertreter der Spitzensportverbände wollen bei ihrer Vollversammlung in Bonn am Sonntag den Antrag stellen, die ‚Voraussetzungen für eine eigenständige Organisation der Athletenvertretung in Deutschland zu prüfen‘. (…) ‚Wir würden gerne professioneller, aber auch freier und unabhängiger vom DOSB die Athleten unterstützen‘, erläuterte einer der bisherigen Athletensprecher, der Fechter Max Hartung. Der DOSB reagierte gelassen“ (SID, Sportlerrevolution, in SZ 29.10.2016).
Der DOSB reagierte gelassen – nach außen…
– Zu wenig Geld: keine DOSB-Musik
2017 bekommt der Sport – über den DOSB verteilt! – 167,1 Millionen Euro vom Bundesministerium des Innern, elf Millionen Euro weniger als im Olympiajahr 2016. Die Nachzahlung für die Anschubfinanzierung der sogenannten DOSB-Reform liegt bei 5,2 Millionen Euro. Dazu DOSB-Präsident Alfons Hörmann: „Unsere Vorstellung lag beim Dreifachen… Dadurch wird der Start der Reform erschwert“ (SID, 167Millionen für den Sport, in SZ 12.11.2016).
Dazu Johannes Aumüller in der SZ: „Am Freitag mussten die Funktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zur Kenntnis nehmen, dass in der üblichen Bereinigungssitzung für den Bundeshaushalt 2017 die Mittel für den Sport nicht wie gewünscht erhöht wurden. Nur fünf statt fast 15 Millionen Euro mehr, das passte DOSB-Präsident Alfons Hörmann gar nicht. (…) Nach der Veröffentlichung eines Eckpunktepapiers vor sechs Wochen gab es viel Kritik in der Öffentlichkeit und in den Verbänden, vor allem an drei Punkten. Erstens an der Medaillenfixiertheit des Konzepts – zumal in Zeiten eines globalen Dopingproblems. Zweitens an einem nach Bürokratie klingenden Instrument namens „Potas“, mit dessen Hilfe mehr Objektivität in die Sportförderung kommen soll. Und drittens an dem Plan, dass Disziplinen mit geringer Erfolgsperspektive künftig gar keine Mittel mehr aus dem Etat des Ministeriums erhalten sollen. (…) Die Skepsis über die Reform ist in vielen Verbänden groß. Und welche konkreten finanziellen Auswirkungen diese hat, können die Funktionäre aus den Fachsparten bestenfalls ahnen, vor allem die aus den schwächeren. Andererseits wissen sie, dass sie bei der Mitgliederversammlung in Magdeburg am 3. Dezember das Konzept nicht ablehnen dürfen, weil es ansonsten gar keine Mittelerhöhung gibt. So viel revolutionärer Geist wäre zwar ohnehin ungewöhnlich für den Sport, der unangenehme Dinge eher selten auf offener Bühne austrägt. Aber weil so viele so unmittelbar betroffen sind, könnte das hier anders sein“ (Aumüller, Johannes, Erst die Reform, dann mehr Geld, in SZ 14.11.2016).
Und Thomas Kistner in der SZ: „Die Strukturreform: Sie wurde nötig, weil im DOSB seit Jahren mäßig gewirtschaftet wird, nicht nur strukturell. Sondern auch personell und organisatorisch – das hat eine Beratungsfirma jüngst eruiert. (…) Die Zukunft des nationalen Sports bündelt sich seit den Nullerjahren in einem schlichten Plan: Wir holen die Spiele nach Deutschland, dann lassen Staat und Wirtschaft Milch und Honig fließen. (…) Leider hat der Sport selbst diesen famosen Plan zerschossen. Er buhlte mit München um die Winterspiele 2018, wissend, dass es aussichtslos war. Die Sommerspiele 2020 hingegen waren leichter denn je zu ergattern; aber bei der entscheidenden Session 2013 sollte das IOC ja lieber einen anderen deutschen Kandidaten küren: Präsident Bach. Nach dem München-Bluff durchschauten die Bürger das Spiel. Für 2022 winkten sie ab, Hamburg folgte, als es um eine Bewerbung für 2024 ging. Seitdem steht der Sport ohne Orientierung da, ohne Plan B. (…) In Zeiten, in denen die Giga-Show des Sports zunehmend kritisch gesehen und das Ausmaß des Dopings immer deutlicher wird, drängt sich ja eine Grundsatzfrage auf: Welchen Sport, welche Athleten will die Gesellschaft in Zukunft; was erscheint ihr als förderungswürdig? Doch solche Fragen kümmerten nicht. Installiert wird ein Computerprogramm. Und im Kern der Reform steht nicht der Athlet, sondern Metall; 30 Prozent mehr Medaillen sollen es künftig sein. Um diesen Fetisch herum wird eine Effizienz-Maschine gebaut. (…) Dass mehr Geld mehr Medaillen brächte, ist ja nachweislich Unfug. Funktionäre, die heute behaupten, mehr Medaillen und sauberer Sport seien eine reine Frage der Trainingslehre, haben aus dem russischen Staatsdoping so wenig gelernt wie aus dem der DDR. …) Wer, wie der Bundesinnenminister, 30 Prozent mehr Medaillen will, ohne klare Formeln, wie solche Leistungssprünge seriös zu erzielen sind, der redet Doping das Wort“ (Kistner, Thomas, Gold aus dem Computer, in SZ 14.11.2016).
– Wie Hörmann einen Trägervereins-Vorstand entlässt
Der DOSB will seinen für Leistungssport zuständigen DOSB-Vorstand Dirk Schimmelpfennig als neuen Leiter der Trainerakademie in Köln inthronisieren – als Vorsitzender des Trägervereins. Die Kosten der „Trainerakademie des DOSB“ trägt natürlich nicht der DOSB selbst, sondern vornehmlich der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen den Etat der Akademie: „… der DOSB wiederum hat seine eh nicht üppigen Zuwendungen gerade von 37 000 Euro um 5000 Euro jährlich gekürzt. Ohne jede Vorwarnung“ (Catuogno, Claudio, Auf den Felsen geschleudert, in SZ 18.11.2016). Die Ablösung des bisherigen Trägervereins-Vorstand hat sich DOSB-Präsident Alfons Hörmann so ausgedacht: „Er hat Thomas Weikert, dem bisherigen Trägerverein-Vorstand, einen knappen Brief mit den neuen Personalien geschrieben: ‚Ich darf Sie bitten, diese Personalien auf Ihrer Mitgliederversammlung am 24. November zu bestätigen.‘ Ungeschickter geht es kaum. Weikert ist als Präsident des Tischtennis-Weltverbands ITTF einer der letzten international profilierten deutschen Sportfunktionäre. Weist man so einen schriftlich an, gefälligst seine eigene Abwahl zu organisieren? Weikert wehrt sich nun. Nicht, weil er an dem Stuhl klebt, den er 2008 erst auf Drängen des damaligen DOSB-Chefs Thomas Bach übernahm. Sondern, weil er die Vorgehensweise als ‚des DOSB nicht würdig‘ empfindet“ (Ebenda).
Der DOSB und Würde? Eine Contradictio in Adjecto…
– Der DDR-DOSB
Johannes Aumüller verwies in der SZ auf die brachiale Durchsetzungsstrategie von DOSB-Präsident Alfons Hörmann (siehe oben) – gleichzeitig gibt sich der DOSB führungsschwach und unzuständig, wenn es um die Einstellung stasi- und dopingbehafteter Sportfunktionäre aus den ehemaligen DDR-Sportkadern geht: „Derzeit drängen sie auf eine Umbesetzung an der Spitze der Kölner Trainerakademie. Aber manchmal nehmen Steuerungs- und Führungsmöglichkeiten des Deutschen Olympischen Sportbundes offenkundig ein abruptes Ende – etwa dann, wenn es um die Einstellung eines schwer belasteten DDR-Mannes geht. Da verweist der mächtige Dachverband auf die Autonomie der untergeordneten Strukturen. Am 1. Dezember soll Ulrich Wehling, 64, seine Arbeit als Geschäftsführer des Thüringer Ski-Landesverbandes beginnen. Wehling ist dreimaliger Olympiasieger (1972/1976/1980) in der Nordischen Kombination. Aber er ist vor allem ein Mann mit tiefer DDR-Sportsystem-Vergangenheit. Gemäß einer Bewertung der Chemnitzer Außenstelle der Stasiunterlagen-Behörde arbeitete Wehling ‚willentlich und wissentlich‘ mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammen. (…) Daneben war Wehling über viele Jahre im staatsdopinggesteuerten DDR-Skiverband für den Leistungssport zuständig; Anti-Doping-Kämpfer wie der frühere DDR-Langlauf-Trainer Henner Misersky berichteten schon früh und aus eigener Erfahrung, wie Wehling Repressionen gegen Trainer und Sportler mittrug, die sich dem Dopingsystem verweigerten. (…) Den neuen Job soll Ulrich Wehling trotzdem kriegen, und Wilfried Hocke kann daran auch nichts Anstößiges finden. Er ist der Vizepräsident des Thüringer Ski-Landesverbandes. Der bisherige Geschäftsführer gehe aus privaten Gründen, und weil nun Eile geboten gewesen sei und Wehling sich früher schon einmal um den Posten beworben habe, hätten sie ihn jetzt verpflichtet. Zum Doping-Thema befindet Hocke, da sei nichts bewiesen. Und zur Stasi-Vergangenheit sagt er, das könne er nicht so genau beurteilen, aber in jedem Fall sei es nun 30 Jahre später, da müsse doch einmal Schluss sein“ (Aumüller, Johannes, Plötzliche Führungsschwäche, in SZ 22.11.2016; Hervorhebung WZ).
Das erinnert irgendwie an die Vergangenheitsbewältigung der Zeit von 1933 bis 1945, die bitte auch einmal abgeschlossen zu sein hat!
“ Es ist ja nicht so, dass Wehling ein Einzelfall wäre. Rolf Beilschmidt als Hauptgeschäftsführer des Thüringer Landessportbundes, der Skisport-Funktionär Thomas Pfüller, der Langlauf- und Biathlontrainer Frank Ullrich oder der Diskuswurf- Bundestrainer Werner Goldmann: alle ins DDR-System eingebunden – und alle bis heute (oder bis vor Kurzem) in wichtigen Funktionen des Sports aktiv. Die Liste ließe sich auch noch fortsetzen. (…) Entsprechend kritisch müsste der Vorgang eigentlich an der Spitze des Sports aufgenommen werden. Der deutsche Dachverband DOSB teilt auch mit, dass er wegen Wehlings Benennung durchaus Bedenken hat. ‚Auch wenn ein Geschäftsführer eines Landesskiverbandes nichts mit der Betreuung von Olympiakandidaten zu tun hat, halten wir die Entscheidung vor dem Hintergrund des Anti-Doping-Kampfes für nicht glücklich‘, sagt der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper der SZ. Aber, so betont er, die Landesverbände in Deutschland seien eben unabhängig und träfen ihre Personalentscheidungen eigenständig. Nahezu wortgleich äußert sich der Deutsche Skiverband – und betont ob des Hinweises auf Wehlings künftige Disziplinaraufsicht gegenüber den Thüringer Nachwuchstrainern, dass die Fachaufsicht bei ihm selbst liege“ (Ebenda).
Richtiger ist: Der DOSB-Sport lässt sich von niemanden hineinreden – erst recht nicht von Doping- und Stasi-Kritikern.
– Der Bundes-Sportinnenminister spuckt mehr Geld aus
„Thomas de Maizière stellt im Bundeshaushalt 2017 für den Spitzensport 167 Millionen Euro zur Verfügung“ (Mehr Reformen, mehr Millionen, in SZ 25.11.2016).
– Hörmanns Erzählungen (I): Athleten-Befragung zur Leistungssportreform
Bei der Sitzung mit dem Bundes-Sportinnenminister (siehe oben) erzählte DOSB-Präsident Alfons Hörmann die Geschichte vom Pferd… Angeblich wurden zur umstrittenen Leistungssportreform 500 Athleten befragt, darunter zwölf als kritisch bekannte. „Hörmann trug überdies vor, dass der DOSB rund 500 Athleten einbezogen habe und etwa ein Fünftel davon ’sehr umfangreich‘ zu Zielstellungen, Motiven, Sorgen und Bedenken befragt hätte, darunter zwölf Topathleten, die dem DOSB besonders kritisch gegenüberstehen würden. Die Namen behielt Hörmann allerdings für sich. Hörmann zufolge habe sich die Olympiamannschaft in einem ‚Manifest‘ positioniert, das eine überwältigende Mehrheit für die Reform, nämlich eine ‚Zustimmung von über 95 Prozent‘ signalisiere. Das Manifest solle alsbald öffentlich gemacht werden, sagte Hörmann“ (Mehr Reformen, mehr Millionen, in SZ 25.11.2016). – „Vergangenen Donnerstag saß dieser neben dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin, um das Konzept für die Leistungssportreform vorzustellen. Er sprach über die Eckpunkte dieser Reform, und dort baute er auch eine Passage ein, die seitdem für viel öffentliches Kopfschütteln und ebenso viel Unmut bei den Athleten sorgt. (…) Der DOSB-Chef trug nämlich zwischen seinen Anmerkungen zur Reform vor, dass der Verband rund 500 Athleten einbezogen und etwa ein Fünftel davon sehr umfangreich zu Zielstellungen, Motiven, Sorgen und Bedenken befragt habe. Und er ergänzte, dass ein frisch vorliegendes „Manifest“ des Olympia-Teams eine ‚Zustimmung von über 95 Prozent‘ signalisiere. Zusammengefasst klang das so, als hätten 95 Prozent von 500 Athleten gesagt: Ja, wir finden die kritisierte Reform gut. (…) Inzwischen hält der DOSB fest, dass die besagte Befragung nicht Teil der Leistungssportreform gewesen, sondern ‚parallel im Zuge eines üblichen Markenprozesses‘ abgelaufen sei. Dafür seien zunächst ‚Interviews mit Athleten, Verbandsvertretern und vielen Sportinteressierten in Deutschland‘ geführt worden. Konkrete Nachfragen zu diesem Punkt beantwortet der DOSB nicht, etwa wie viele Athleten genau in diese Interviews involviert waren“ (Aumüller, Johannes, Der lange Weg zu den 95 Prozent, in SZ 29.11.2016).
In Wahrheit fand die Befragung also zu einem ganz anderen Thema statt. Dazu Johannes Aumüller in einem Kommentar in der SZ: „Eine Athleten-Umfrage konkret zur Reform gab es nie; die Zahl bezog sich auf eine Umfrage zur Stärkung der Marke ‚Olympiamannschaft‘. Drei Jahre ist Alfons Hörmann nun im Amt, und solche Episoden passen ins Bild. (…) Aber die Zahl von Fehlern, fragwürdigen Auftritten und Langstrumpfschen Wirklichkeitsdeutungen ist immens. Und die Frage ist, ob es außer dem Sport noch einen Bereich gibt, in dem sich jemand mit einer derartigen Bilanz so lang im Amt halten kann. (…) Die Leistungssportreform war das Lieblingsprojekt des DOSB-Bosses. Es ist inhaltlich ein fragwürdiges Gebilde herausgekommen, weil die künftige Förderung trotz globaler Dopingauswüchse viel zu stark auf Medaillen abzielen soll. Das rief viel Kritik hervor, nicht zuletzt von den Athleten – denen Hörmann nun vorgaukelte, als seien sie fast geschlossen für die Reform“ (Aumüller, Johannes, Alfons Langstrumpf, in SZ 29.11.2016; Hervorhebung WZ).
Dazu Michael Reinsch in der FAZ: Hörmann erklärte „sich zum Sachwalter der Athleten, von denen rund fünfhundert in die Diskussion ‚rund um das neue Konzept‘ einbezogen worden seien. Mit mehr als hundert von ihnen sei sehr umfangreich gesprochen und mit zwölf besonders Kritischen intensiv diskutiert worden… Ergebnis dieser umfangreichen Befragung sei ein Manifest, behauptete Hörmann, welches ‚die Zustimmung von 95 Prozent der Athleten recht gut wiedergibt‘. (…) Da er auf Nachfrage lediglich ankündigte, dass die Umfrage 2017 veröffentlicht werde, sich aber weigerte, die Namen der Verfasser des geradezu poetischen Textes zu nennen, bat ihn am Freitag der Sportausschuss des Deutschen Bundestages um Auskunft. (…) Da können sie lange warten, ist man versucht zu sagen. Denn Olympiateilnehmer erinnern sich, zwar nicht vom DOSB zur Reform, wohl aber von der Deutschen Sport Marketing zu einer Reihe von Formulierungen befragt worden zu sein, die ihre Haltung zum Wettkampf wiedergeben sollen. Es geht dabei um die Entwicklung der Marke Olympiamannschaft. Aus dem Okay zu Marketing-Slogans hat Hörmann offenbar die Zustimmung zum Projekt Spitzensportreform abgeleitet“ (Reinsch, Michael, Phantastische Zustimmung, in FAZ 26.11.2016).
– Hörmanns Erzählungen (II):
Anno Hecker in der FAZ: Alfons Hörmann hatte in einem Brief vom 8.11.2016 den Vorstandsvorsitzenden der DOSB-Trainerakademie in Köln, Thomas Weikert, zum Rücktritt aufgefordert. Weikert weigerte sich, weil die Aufforderung „ohne jede vorherige Rücksprache“ erfolgt war und beklagte „Stillosigkeit, Unhöflichkeit und rechtliche Fragwürdigkeit“, „zumal Hörmann den Präsidenten des internationalen Tischtennis-Bundes heftig persönlich angriff, ihm eine ‚Selbstinszenierung‘ zum Schaden von ‚Sportdeutschland‘ unterstellte. Weikert habe eindrucksvoll ‚die Maske fallen lassen“ (Hecker, Anno, Präsident im Scherbenhaufen, in FAZ 3.12.2016). Weikert forderte eine Entschuldigung. Hörmann erklärte, dass es im Sommer 2016 Gespräche über die Ablösung Weikerts in großer Runde zusammen mit dem Leiter der Trainerakademie, Lutz Nordmann, gegeben habe. Weikert präsentierte eine akribische Aufstellung, dass es einen Austausch gegeben habe; Nordmann bestätigte dies. Weikert: „Es ist schlicht erlogen“ (Ebenda; Hervorhebung WZ). Hecker: „Hörmann wird nicht zum ersten Mal in seiner Amtszeit bezichtigt, die Unwahrheit gesagt zu haben“ und erwähnte das Beispiel des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins (Ebenda).
– Hörmanns Erzählungen (III): DOSB unterstützte Dopingopfer „vom ersten Tag bis heute stets aktiv“
Die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins, Ines Geipel, kritisierte Alfons Hörmann bei der Verleihung des DOH-Preises in Berlin: „Geipel legte nun bei der Verleihung des DOH-Preises in Berlin eine pikante Mail-Korrespondenz mit DOSB-Präsident Alfons Hörmann aus dem vergangenen Jahr vor. Hörmann hatte die finanzielle Hilfe für Dopingopfer damals gerade zur ‚Chefsache‘ erklärt. Am 30. August schrieb er dann: Man müsse das Thema ‚möglichst emotionslos und sachorientiert mit nennenswerten finanziellen Mitteln zu einem Konzept entwickeln, das dann zumindest etwas Hilfe in angemessener Form bringt. Ich sage Ihnen zu, das weiterhin als klares Priorität-1-Thema zu bearbeiten.‘ Vier Tage später teilte der DOSB dem Bund plötzlich schriftlich mit, dass er keine finanziellen Mittel für die Dopingopfer freigeben werde. Geipel hakte bei Hörmann nach. Keine Antwort. Als Hörmann ein halbes Jahr später dem Bund für die neuen Millionen an die Dopingopfer dankte, sagte er: ‚Der DOSB hat diese Aktivitäten vom ersten Tag bis heute stets aktiv unterstützt.‘ Aktiv unterstützt? ‚Notorische Lügen‘, sagte Geipel in Berlin. Man habe sie um ein Konzept gebeten, und als sie darin dann um Geld vom Sport bat, habe sich der DOSB ‚wider alle Absprachen aus jeder Verantwortung gezogen’“ (Knuth, Johannes, „Notorische Lügen“, in SZ 8.12.2016).
– DOSB-Mitgliederversammlung 2. und 3.12.2016 in Magdeburg
Dazu Johannes Aumüller in der SZ: „Noch selten ist ein DOSB-Präsident so angeschlagen in eine Mitgliederversammlung gegangen wie nun Hörmann. Im deutschen Sport gärt und grummelt es immens, und inzwischen hat die Unzufriedenheit über Hörmann bei vielen einen Grad erreicht, an dem sie sich zunehmend Gedanken über personelle Alternativen machen. Der Präsident selbst ist sichtbar gereizt. (…) Hörmann fiel seit der Amtsübernahme 2013 mit persönlichen Fehlern (etwa der Umgang mit seiner Geldbuße, die er als Ex-Chef eines Dachziegelherstellers vom Kartellamt erhielt) und merkwürdigen Auftritten (etwa rund um Hamburgs gescheiterte Olympia-Bewerbung 2015) auf. Aber zuletzt bündelten sich die Irritationen so stark wie nie. Zuvorderst geht es um die Reform des Leistungssports, die in Magdeburg beschlossen werden soll. Der DOSB und das Bundesinnenministerium (BMI) als größter Geldgeber entwickelten ein Konzept, das einem Grundsatz folgt: Künftig sollen vor allem Disziplinen mit großem Medaillenpotenzial unterstützt werden, schwache Sportarten nur noch minimal. Die Vorbehalte richten sich gegen den Inhalt, aber auch gegen das Vorgehen. Erst am Donnerstag entwickelte das Präsidium den Antragstext für die Beschlussvorlage, am Freitag sollen ihn alle Verbände erhalten. Auf die Frage, ob es darin konkrete Änderungswünsche gegenüber dem vorliegenden Konzept gebe, sagte Hörmann: ‚Da können Sie weder Ja noch Nein sagen.‘ (…) Ungewöhnlich offen wird ob all dieser Vorgänge Kritik formuliert. ‚Ich glaube, er hat seinem Ansehen schweren Schaden zugefügt‘, sagte Leichtathletik-Chef Clemens Prokop dem sid. Und Judo-Präsident Peter Frese meint: ‚Alfons Hörmann hat gerade einen schweren Stand, auch weil er unnötige Stockfehler begangen hat’“ (Aumüller, Johannes, Gegrummel in Magdeburg, in SZ 2.12.2016).
– DOSB-Spitzensportreform – 433 mal Ja, eine Gegenstimme
DOSB-Mitgliederversammlung 2. und 3.12.2016 in Magdeburg: Es geht u. a. um die umstrittene Reform des Spitzensports. „Es ist die Frage, wie umfänglich sich der Unmut über Hörmann in Magdeburg dokumentiert. Der DOSB-Boss weiß aber, ebenso wie seine Kritiker: Wirkliche personelle Alternativen sind kaum in Sicht. Und zudem kann er darauf hoffen, dass das Reformkonzept trotz aller Kritik eine hohe Zustimmung erfährt. Denn die Delegierten müssen bei einem Nein befürchten, dass das BMI die Mittel nicht erhöht. Nur bei einem Ja soll das Gesamtbudget steigen“ (Aumüller, Johannes, Gegrummel in Magdeburg, in SZ 2.12.2016). Und so funktioniert es dann auch: „Die Spitzensportreform ist auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) mit deutlicher Mehrheit verabschiedet worden. Auf der Sitzung in Magdeburg gab es bei 439 Stimmberechtigten nur eine Gegenstimme und fünf Enthaltungen“ (DOSB-Mitglieder stimmen Spitzensportreform zu, in spiegelonline 3.12.2016). – „Der Förderverein Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG), dessen Aufgabe es ist, sich ‚für die Verbreitung des Olympischen Gedankens in Sport und Gesellschaft‘ einzusetzen, lieferte die Gegenstimme in Magdeburg“ (DOSB-Miotglieder beschließen Spitzensportreform, in www.sportschau.de 3.12.2016).
– „Wenig Begeisterung für Hörmanns Auftritt: DOSB-Präsident Alfons Hörmann hatte am Freitag nach den zahlreichen Unstimmigkeiten in den vergangenen Wochen ein persönliches Wort des Bedauerns oder eine Bitte um Entschuldigung in seiner Rede vermieden. Im Gegenteil forderte Hörmann die Delegierten auf, ‚eine Fehlerkultur zuzulassen‘. (…) Für seine Rede erhielt er nur spärlichen Applaus. Unter anderem für missverständliche Äußerungen bei der Vorstellung der Spitzensportreform war Hörmann zuletzt ebenso scharf kritisiert worden wie für seine unglückliche Kommunikation mit Thomas Weikert, dem Präsidenten des Tischtennis-Weltverbandes ITTF“ (DOSB-Mitglieder beschließen Spitzensportreform, in www.sportschau.de 3.12.2016).
Johannes Aumüller berichtete in der SZ: „… ausdauernd betont DOSB-Boss Alfons Hörmann in diesen Tagen, wie wichtig bei der anstehenden Reform des Leistungssports die Trainer sind. Doch das passt nicht so recht zum Umgang des Sportdachverbandes mit der Akademie. Zum einen zwang Hörmann deren Vorsitzenden Thomas Weikert zum Rückzug, was nicht nur dieser als wenig stilvoll empfand. Und parallel dazu geht es um die Finanzierung der Institution“ (Aumüller, Johannes, Sparen an den Trainern, in SZ 9.12.2016). Die Trainerakademie hat einen Haushalt von 643.000 Euro. „60 Prozent des Etats übernimmt das Bundesinnenministerium (BMI), 32 Prozent das Land Nordrhein-Westfalen und acht Prozent der DOSB. Zuletzt kam der Sportdachverband gar mit einem Betrag davon, der unter seinem eigentlichen Anteil lag. Aber gemessen am Verteilerschlüssel ergibt sich für den DOSB nun eine Summe von etwas mehr als 50 000 Euro. Doch er ist weit davon entfernt, diese zu bezahlen“ (Ebenda). Der DOSB hat seinen realen Zuschuss von bisher 38.500 Euro auf der Mitgliederversammlung in Magdeburg am 3.12.2016 auf 33.500 Euro reduziert. Für Aumüller ist das ein Zeichen, „wie offenkundig angespannt die finanzielle Situation beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) derzeit ist“ (Ebenda).
Vielleicht sollte der DOSB besser am Gehalt seines Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper sparen – das mit rund 300.000 Euro zu Buche schlägt.
– DOSB will 34 Prozent mehr vom BMI
Mit 98,6 Prozent – wie in der Sportdemokratur üblich – wurde die Reform angenommen. „Mit der Aussicht auf mehr finanzielle Unterstützung aus dem BMI (bisher 160 Millionen Euro) wurden die Verbände gelockt – oder erpresst, wie es manche formulieren. Zwar betragen die Zuwendungen aus dem Bund zirka 300 Millionen Euro, aber das Innenministerium ist der Hauptgeldgeber. Und bei einem Nein zum Konzept hätte es sicher keine Erhöhung des Budgets gegeben. (…) Hinter den Kulissen machte die Runde, dass eine aktuelle interne Auflistung einen Mehrbedarf von 55 Millionen Euro ergeben habe. (…) Unabhängig von der konkreten Summe geht es um etwas Grundsätzliches. Zwar stellte de Maizière substanziell mehr Geld in Aussicht, aber wann genau das fließen soll, dar