Olympisches Coca-Cola
Seit 1928 ist Coca-Cola als Sponsor das „offizielle Getränk der Olympischen Spiele“ – bis heute und noch länger. Die aktuellen Verträge laufen derzeit bis zum Jahr 2020. Und Mitte der Siebziger Jahre startete Coca-Cola die Kooperation mit der Fifa – mit einem Vertrag mit 25 Jahren Laufzeit. „Umgekehrt konnte die Getränkefirma endlich ihr obskures Image als Symbol der ausbeuterischen Groißmacht USA abstreifen – Coca-Cola bringt jetzt etwas Großzügiges zu den Menschen, den Sport“ (Kistner 2012, S. 55).
Coca-Cola beeinflusste auch die Wahl des Austragungsortes der „Jahrhundertspiele 1996“ massiv: Dadurch wurde es Atlanta, der Firmensitz von Coca-Cola. Eine Viertelmilliarde Dollar hat sich der Konzern die Spiele an seinem Stammsitz angeblich kosten lassen. Der olympische Fackellauf hieß dann auch „Coca-Cola Olympic Torch Relay“: Coca-Cola wählte 2500 der 10 000 Fackelträger selbst aus. Der Fernsehsender NBC sendete für 60 Millionen Dollar Coca-Cola-Werbespots – damit nicht die von Pepsi ins Programm kamen.
Christoph Dieckmann schrieb dazu 1996 in der Zeit: „Aber endgültig gestorben ist Olympia für mich erst am 18. September 1990. Zufällig war ich in Atlanta, als das IOC die Jubiläumsspiele 1996 nicht nach Athen vergab. Diese antigeschichtliche Korruptheit fanden die Amis ganz, ganz great cause money rules“ (Dieckmann 19.7.1996).
Jean-Claude Killy, ehemaliger Skirennfahrer und IOC-Mitglied seit 1995, ist Chef von Coca-Cola Frankreich; auch andere IOC-Mitglieder üben in ihren Ländern Funktionen bei Coca-Cola aus.
Konzerngröße
„Der Umsatz lag im Jahre 2010 bei 35,1 Milliarden Dollar bei einem Nettoergebnis von 11,8 Milliarden Dollar und einer Gesamtabfüllmenge von etwa 130 Milliarden Liter“ (Wikipedia). Laut Aufstellung der weltweit wertvollsten Marken lag Coca-Cola 2011 auf Platz 1 mit einem Markenwert von 71,9 Milliarden Dollar (SZ 24.8.3012).
Pappsüß
Der Zusammenhang von Coca-Cola und Olympischen Spielen erschließt sich nicht über den gesundheitlichen Nutzen des Süßgetränks – ganz im Gegenteil –, sondern über finanzielle Transaktionen an das IOC gegen Werbeflächen bei Olympischen Spielen und die Olympischen Ringe auf einem Getränk, das für jeden Sportmediziner eine Zumutung sein müsste.
Gesundheitliche Schäden entstehen durch das Zusammenwirken des Säuerungsmittels Phosphorsäure, Kohlensäure und Zitronensäure (der pH-Wert liegt bei 3) und dem hohen Zuckergehalt: Ein Liter Coca-Cola enthält den Zuckergehalt von etwa 36 Stück Würfelzucker. Das Süßgetränk kann zu Übergewicht, Zahnschäden und Osteoporose führen (Wikipedia).
Gesundheitsschäden
In Deutschland sind 20 Prozent der Fünf- bis 17-Jährigen übergewichtig, in Frankreich 21 Prozent und in den USA 35 Prozent. In den USA entstanden 2010 diverse Pläne zur Besteuerung der Süßgetränke wie Coca-Cola. Die Lobby der Süßgetränke-Hersteller investierte im Jahr 2009 die stolze Summe von 18,9 Millionen Dollar für die Lobbyarbeit gegen eine solche Steuer (Piper 8.6.2010).
Als Frankreich eine Steuer auf zuckerhaltige Erfrischungsgetränke (die „Cola-Steuer“) einführen wollte, reagierte der Konzern (und damit auch IOC-Mitglied Jean-Claude Killy) mit einem Investitionsstopp: Es werden keine 17 Millionen Euro in ein neues Werk bei Marseille investiert (SZ 9.9.2011).
Frankreich führte 2012 eine „Cola-Steuer“ ein, um die Verbraucher vom Süßgetränk und damit von Dickmachern abzuhalten, Die 1,5-Liter-Flasche soll um elf Cent teurer werden. „Cola und Co „gelten als Dickmacher. Zum Beweis führt das Gesundheitsministerium ärztliche Studien an“ (Kläsgen 30.12.2011).
Kampagnen in den USA
Mehr als ein Drittel der US-Amerikaner sind übergewichtig, darunter zwölf Millionen Kinder. Hieraus resultieren jährlich geschätzte 215 Milliarden Dollar Schäden durch Gesundheitsausgaben, Produktivitätseinbußen etc.
in New York und anderen Großstädten. zehn Prozent aller New Yorker leiden an Diabetes; tausende Amputationen pro Jahr sind die Folge. Deshalb liefen Anfang 2012 Kampagnen gegen die Süßgetränk-Konzerne Coca-Cola und Pepsi – auch vor dem Hintergrund zunehmend größerer verkaufter Einheiten: „Nach offiziellen Angaben sind die Pappbecher heute viermal größer als vor 50 Jahren“ (Koch 25.1.2012).
Coca-Cola und Pepsico protestierten wütend gegen die Kampagnen, die auf Kosten der Steuerzahler nur „irreführende Propaganda“ verbreiten würden (Ebenda).
Richtig ist dagegen, dass die Steuerzahler und die Allgemeinheit die gesundheitlichen Schäden zu bezahlen haben, die von den Süßstoffgetränken hervorgerufen werden.
Als Transportmittel für die süßlichen Dickmacher dient ausgerechnet der olympische Sport – gegen viele Millionen des IOC-TOP-Sponsors von Coca-Cola!
Konsequent betreibt Coca-Cola Werbung bei Sportveranstaltungen wie z.B. der Super Bowl im American Football: für vier Millionen Dollar 30 Sekunden Werbefilm in der Halbzeitpause (Slavik 5.2.2013).
Coca-Cola lässt bespitzeln
Der IOC-TOP-Sponsor Coca Cola ließ – wie auch Dow Chemical – über das US-Spionageunternemen Stratfor Gegner bespitzeln: nämlich vor den Olympischen Winterspielen Vancouver 2010 die Tierschutzorganisation Peta, die dem Süßgetränkekonzern Tierversuche vorwarf. Der Konzern wollte wissen, welche Methoden Peta anwenden würde, wie die Unterstützung in Kanada für Peta aussah und ob Verbindungen zu Anarchistengruppen bestünden (Kreuzer 2.3.2012).
Coca-Cola erklärte dazu ganz ungeniert, es sei „gute Geschäftspraxis, bei jedem Großereignis, das wir sponsorn, nach Protestaktivitäten Ausschau zu halten, die unsere Partner, Kunden, Konsumenten und Mitarbeiter betreffen könnten“ (Kistner 2012, S. 251).
Reaktion in Brasilien
Wie in den USA nimmt die Entwicklung zur Fettleibigkeit auch in Brasilien zu – verursacht durch Süßgetränke, aber auch durch McDonald’s, ebenfalls TOP-Sponsor des olympischen IOC-Sports:
„Hintergrund der Sorgen ist, dass Brasilianer zunehmend übergewichtig sind. Das hat nicht unwesentlich mit ihren Essgewohnheiten zu tun, mit fettigem Fastfood und zuckrigen Softdrinks. Laut Studien haben sich die Probleme mit Fettleibigkeit bei brasilianischen Kindern und Jugendlichen in den vergangenen 20 Jahren verfünffacht, inzwischen wiegen zehn bis 15 Prozent der Minderjährigen zu viel. Bluthochdruck und Diabetes sind oft die Folge“ (Burghardt 8.12.2011).
An den jahrzehntelangen Geschäftsbeziehungen der TOP-Sponsoren Coca-Cola und McDonald’s zum IOC erkennt man die Verlogenheit eines „gesunden olympischen Sports“. Es geht dem IOC nur um die hunderte von Millionen Euro.
Fazit des UN-Experten für das Recht auf Nahrungsmittel, Olivier de Schutter:
„Während in armen Ländern der Kampf gegen den Hunger kaum Erfolge bringe, sorgten in den reichen Staaten aus dem Ruder gelaufene Systeme von Subventionen mit dafür, dass Millionen von Menschen viel zu viel und zugleich zu viel Ungesundes essen. Rund eine Milliarde Menschen leide Hunger, etwa 1,4 Milliarden seien übergewichtig durch falsche Ernährung“ (spiegelonline 6.3.2012).
Nachtrag 1:
Das New England Journal of Medicine hatte im September 2012 drei Studien vorgestellt, die einen klaren Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Süßgetränken feststellten. Der Kinderarzt an der Universität Ulm, Martin Wabitsch, äußerte dazu: „Mit diesen Studien ist klar: Zuckerhaltige Getränke sind gewichtsstreibend, und sie führen zu einer Erhöhung der Körperfettmasse“ (Burger 2.10.2012).
Unter dem Stichwort „Supersizing“ hatten die Getränkehersteller in den letzten Jahren laufend die Großmengen ihrer Softdrinks erhöht. In New York wollte Bürgermeister Bloomberg seit Oktober 2012 Süßgetränke wie Coca-Cola auf maximal bis zu 16 Unzen (0,47 Liter) pro Einheit begrenzen (Richter 6.10.2012). Diese Maßnahme lief unter dem Motto „Kampf gegen die Fettleibigkeit“ (Burger 2.10.2012). „Er ist allerdings am Widerstand der Menschen gescheitert, die sich gegängelt fühlten. Bislang haben sich die Unternehmen (Coca-Cola, Pepsi und Dr. Pepper Snapple; WZ) gegen jede Regulierung gewehrt. Ihre PR-wirksame Selbstverpflichtung wird von einer unabhängigen Prüffirma beobachtet. Ein Bruch hat allerdings keine Konsequenzen“ (Werner, Kathrin, Figurproblem, in SZ 25.9.2014).
Nachtrag 2: Mexiko
Dier Mexikaner trinken durchschnittlich 163 Liter Süßgetränke: „Ein früherer Manager von Coca-Cola brachte es in Mexiko sogar mal zum Präsidenten: Vincente Fox“ (Burghardt 4.11.2013). 70 Prozent der Bevölkerung sind zu dick, darunter jedes dritte Kind. „2012 starben 80.000 Mexikaner an den Folgen von Diabetes, jeder zehnte Erwachsene leidet an dieser Krankheit… Am Freitag wurde im mexikanischen Parlament ein Gesetz erlassen, das für die Dickmacher Sonderabgaben verlangt“ (Ebenda).
Nachtrag 3: Kaufstudien
Cola und Co. „gelten als schädlich, sie sind insbesondere als Dickmacher verschrien. Ob das aber wirklich so ist, das scheint nicht ganz gewiss. Manche Studien identifizieren den Konsum von Limonaden als wichtigen Faktor, der Übergewicht oder gar Fettleibigkeit begünstigt“ (Herrmann, Sebastian, Gekauft? in SZ 3.1.2014). Forscher untersuchten nun diesbezügliche Studien und stellten fest, dass das Ergebnis von der Finanzierung durch die Lebensmittelindustrie abhängig ist. „Mehr als 80 Prozent dieser Arbeiten kamen zu dem Ergebnis, dass stark zuckerhaltige Getränke kein besonderes Problem darstellten. Gaben die Autoren der nun ausgewerteten Arbeiten hingegen keinen Interessenkonflikt an, ergab sich ein beinahe spiegelverkehrtes Bild. Ebenfalls mehr als 80 Prozent dieser Studien kamen zu dem Ergebnis, dass ein hoher Konsum von stark gezuckerten Getränken direkt mit einer Gewichtszunahme oder Übergewicht in Zusammenhang steht“ (Ebenda).
Nachtrag 4: WHO halbiert Zuckerdosis-Empfehlung
Gemäß einer geplanten Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO soll Zucker idealerweise maximal fünf Prozent der täglichen Kalorien liefern. „Statt wie bisher 50 Gramm sollten sie nun pro Tag maximal 25 Gramm Zucker konsumieren, das entspricht sechs Teelöffel voll. Bei süßen Getränken und Lebensmitteln ist dieser Wert sehr schnell erreicht. Denn bereits eine Dose Cola enthält mehr Zucker als die WHO als tägliche Gesamtmenge empfiehlt – nämlich 35 Gramm. (…) Nach Angaben des Overseas Development Institute (ODI) ist jeder dritte Erwachsene auf der Welt zu dick, in Deutschland ist es sogar jeder zweite“ (Falck, Marianne, Diätprogramm aus Genf, in SZ 7.3.2014).
Deshalb ist der Dickmacher Coca-Cola TOP-Sponsor der Olympischen Spiele – um einen vermeintlich sportlichen Anstrich zu bekommen.
Nachtrag 5: Etikettenschwindel
„Wie viel Granatapfelsaft muss in einem Granatapfelsaft-Getränk sein? Wegen dieser Frage steht der amerikanische Getränkeriese Coca-Cola seit Montag vor dem Obersten Gerichtshof der USA. Die Konkurrenzfirma Pom Wonderful, die reinen Granatapfelsaft verkauft, stört sich daran, dass ein Fruchtsaft der Coca-Cola-Marke Minute Maid „Granatapfel-Blaubeere“ heißt – obwohl er nur zu 0,5 Prozent aus Säften der beiden Früchte besteht. 99,4 Prozent des Getränks entstammen Trauben und herkömmlichen Äpfeln. Die Verbraucher würden irregeführt, und das auf Kosten von Pom Wonderful, erklärte der Anwalt der klagenden Firma. Das Minute-Maid-Produkt besteht vor allem aus Apfel- und Traubensaft. (…) Die obersten Richter ließen im Gegensatz dazu nun zu Prozessbeginn durchblicken, dass sie im Sinne von Pom Wonderful entscheiden könnten. Er frage sich, ob Coca-Cola der Ansicht sei, dass die ’nationale Einheitlichkeit‘ der Kennzeichnung darin bestehe, ‚Verbraucher wie in diesem Fall zu täuschen‘, sagte Richter Anthony Kennedy.
Sein Kollege Samuel Alito wies darauf hin, dass Verbraucher das Getränk möglicherweise wegen der gesunden Wirkungen von Granatapfelsaft kauften“ (Verdünnter Granatapfelsaft bringt Coca-Cola vor Gericht, in sueddeutsche.de 22.4.2014).
Nachtrag 6: Greenwashing
„Die Londoner Regierung hat der Zuckerindustrie den Kampf angesagt, besonders den Softdrink-Herstellern. Und weil Coca-Cola eine Zuckersteuer um jeden Preis verhindern will, hat sich der US-Konzern verpflichtet, den durchschnittlichen Kaloriengehalt seiner Produkte bis Ende 2014 um fünf Prozent zu senken. (…) Die Umsätze mit zuckerhaltigen Getränken sinken weltweit schon im dritten Jahr in Folge. Und jetzt Coke Life. Der grüne Anstrich wirkt wie der verzweifelte Versuch einer Marke, sich dem Zeitgeist anzupassen. Doch wie soll das gehen? Was bei McDonald’s schon nicht funktionierte, soll nun ausgerechnet bei Coca-Cola klappen? (…) Coca-Cola ist ein Konzern, der Angst hat. Angst vor der Politik. Die Softdrink-Industrie fürchtet, dass es ihr so ergeht wie der Tabakbranche. Dass sie verbannt wird aus den Büros. Dass sie keine Werbung machen darf; dass der Cola-Light-Mann das gleiche Schicksal erleidet wie der Marlboro-Mann. (…) Doch wer soll es dem Zuckerwasser-Konzern abnehmen, dass ausgerechnet er auf der grünen Welle surft? Das Greenwashing, wie jetzt mit Coke Life, ist ein Experiment, an dem sich die Autoindustrie seit Jahren versucht – ohne Erfolg“ (Mühlauer, Alexander, Die Cola-Krise, in SZ 6.9.2014).
Nachtrag 7: Coca-Colas Ideenklau
„Die in Nantes angesiedelte französische Theatertruppe Royal de Luxe, die mit ihren Riesenmarionetten Straßen und Plätze rund um die Welt in eine Märchenkulisse verwandelt, hat eine Gerichtsklage gegen den Konzern Coca-Cola eingereicht“ (Haniman, Joseph, Wem gehört der Nikolaus? in SZ 9.9.2014). Coca-Cola setzte einen überdimensionierte Weihnachtsmann in einem Werbespot von 2012 ein. „Die Puppenmechanik, das besondere Augenzwinkern und die ganze ‚Liturgie‘ – das plötzliche Auftreten der Figur in einer fremden Stadt – seien eindeutige Wesensmerkmale der Kreationen aus der Werkstatt des seit 1979 bestehenden Royal de Luxe, erklärte der Anwalt der Truppe in Paris. (…) Was auf den ersten Blick wie ein übermütiger Schlag ans Schienbein eines Giganten aussieht, erweist sich nach den Durchsuchungen bei Coca-Cola France als etwas solider. Der Konzern hatte der Truppe zuvor angeboten, bei seinem Werbefilm mitzuwirken, was diese ablehnte. Vor der Produktion des Spots schrieb dann eine Juristin von Coca-Cola laut der Zeitung Le Figaro an einen Kollegen, die Truppe aus Nantes habe zwar kein Patentrecht auf die Puppenmechanik. Da dieser Typ von Marionetten aber mittlerweile eindeutig zum Erscheinungsbild von Royal de Luxe gehöre, würde sie dringend raten, entweder die Truppe ausdrücklich als Vorbild zu erwähnen oder aber die Puppenmechanik im Film so verschieden wie möglich zu gestalten, andernfalls wäre mit dem Risiko eines Prozesses auf ‚Parasitism‘ zu rechnen, mit schlechten Aussichten für Coca-Cola“ (Ebenda).
Nachtrag 8: Coca-Cola muss sparen
Der nächste Süßgetränk-Produzent – und IOC-TOP-Sponsor – in Nöten: „Beim amerikanischen Getränkekonzern Coca-Cola laufen die Geschäfte schleppend – nun will der Vorstand mit Einsparungen gegensteuern. (…) Den Getränkekonzern belastet vor allem die sinkende Beliebtheit von zuckerlastigen Softdrinks“ (Sparprogramm bei Coca-Cola, in SZ 22.10.2014).
Wäre doch zu schade, wenn Coca-Cola sein finanzielles Engagement beim IOC – wie alle anderen zwölf TOP-Sponsoren mit etwa 100 Millionen Dollar in zehn Jahren – einstellen müsste!
Nachtrag 9: Einstieg in Energydrinks
Coca-Cola stieg im August 2014 beim Drinkhersteller Monster mit 2,15 Milliarden Dollar ein und erhielt 16,7 Prozent der Anteile. „Mit der Vereinbarung expandiert Coca-Cola auf dem boomenden Markt mit Energiesdrinks (Reuters, Coca-Cola greift nach Monster, in SZ 16.8.2014).
Nachtrag 10: Noch mehr Einwegflaschen
Coca-Cola will die 0,5- und 1,5-Liter-Abfüllungen nur noch in Einwegflaschen anbieten. Diese stellen ein Viertel des gesamten Angebots dar. Coca-Cola hatte 2014 einen Mehrweganteil von über 50 Prozent. 2013 verkaufte der Konzern über 3,8 Milliarden Liter in Deutschland (Iser, Jurik Caspar, Flasche leer, in SZ 19.2.2015). Die „Verpackungsversordnung“ von Ende der Neunziger Jahre schreibt eine Mehrwegquote von 80 Prozent vor – derzeit liegt sie bei 46 Prozent. „Im Supermarkt stecken die Deutschen heute Einweg- und Mehrwegflaschen in dieselben Pfandautomaten, nur wird die eine Flasche zermalmt und die andere nicht. (…) Eins aber ist geblieben: der Vorteil der klassischen Pfandflasche. Bis zu 40-mal befüllbar, spart sie Material und Energie“ (Bauchmüller, Michael, Jetzt auch noch Coca-Cola, in SZ 21.2.2015).
„Nach Recherchen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sucht der Vorstandsvorsitzende der Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG Ulrik Nehammer offensiv nach weiteren Verbündeten in der Getränkeindustrie ‚für einen Ausweg aus Mehrweg‘. Einem Bericht im Fachblatt ‚Rundschau für den Lebensmittelhandel‘ zufolge erklärte Nehammer Ende Januar 2015 in Kitzbühel auf einer Branchentagung der Getränkeindustrie, man müsse gemeinsame Lösungen finden, ’sonst bleiben wir bis Ende des Jahrhunderts in Mehrweg. (…) Der Coca-Cola Deutschland-Chef Nehammer hat seiner Ankündigung zur Abschaffung von Mehrwegflaschen bereits Taten folgen lassen. Die 1,5 Liter PET-Mehrwegflasche ist aus den meisten Verkaufsregalen verschwunden. Die 0,5 Liter PET-Mehrwegflasche soll dieses Jahr folgen. Der DUH liegen Informationen aus dem Unternehmen vor, nach denen die verbleibende 1,0 Liter Mehrwegflasche in etwa zwei Jahren folgen soll“ (PM DUH, Coca-Cola erklärt Mehrweg-Ausstieg zur Unternehmensstrategie, duh.de 13.3.2015).
Nachtrag 11: Der Coca-Cola-Konzern: Coca-Cola macht nicht fett
Coca-Cola ist einer der Hauptsponsoren von Fifa und IOC. Der hohe Zuckergehalt ist zweifelsfrei zuständig für die Fettleibigkeit vieler Jugendlicher und Erwachsener. „Wohl deshalb betreibt der Konzern in den USA jetzt eine neue Strategie, um seine Klientel bei Trinklaune zu halten: Statt bloß die Marke zu pflegen, sponsert das Unternehmen ein Forschungsgremium. Es heißt Global Energy Balance Network. Und wie es der Zufall will, propagieren die honorigen Experten des Forschungsverbundes eine brausefreundliche Botschaft: Nicht die Limo macht nämlich dick, sondern der Bewegungsmangel. Wer würde das nicht gerne glauben? Viele Leute möchten guten Gewissens ihr Fast Food futtern und ihre Coke trinken, die je Liter immerhin 420 Kilokalorien liefert. Aus purem Zucker. Dafür müssen sich diese Menschen halt etwas mehr bewegen. Schon stimmt die Energiebilanz“ (Zinkant, Kathrin, Klebrige Argumente, in SZ 11.8.2015) Der Professor am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam, Matthias Schulze: „Wer abnehmen will, dem kann Bewegung zwar helfen. Aber es funktioniert vor allem, wenn auch die zugeführte Energiemenge reduziert wird“ (Ebenda). Auch die Professorin und Ernährungsforscherin Marion Nestle hält Sport zur Reduzierung einer übermäßigen Energiezufuhr für nicht ausreichend: „Normaler Sport ist nicht genug, um eine übermäßige Energiezufuhr auszugleichen“ (Ebenda). – „Nicht zuletzt zeigen das Studien, in denen Übergewichtige durch Sport versuchten abzunehmen. Vergeblich. Und dass zuckerlastige Getränke dick machen, haben gerade jene Untersuchungen belegt, die nicht von der Industrie finanziert waren“ (Ebenda).
Nachtrag 12: Coca Cola – Die Fifa unter den Sponsoren
Der Süßgetränke-Konzern hat in den letzten fünf Jahren fast 120 Millionen Dollar ausgegeben, um in pseudo-akademischer Gesundheitsforschung, in Partnerschaft mit Medizinergruppen und Fitnessprogrammen von Gemeinschaften die Diskussion um die epidemische Fettsucht zu entschärfen. Hunderte Zuschüsse wurden an diverse Organisationen gezahlt. So erhielten das American College of Cardiology 3,1 Millionen Dollar, die American Academy of Family Physicians über 3,5 Millionen Dollar, die American Academy of Pediatrics fast 3 Millionen Dollar, die American Cancer Society 2 Millionen Dollar und die Academy of Nutrition and Dietetics etwa 1,7 Millionen Dollar. Sandy Douglas, der Präsident von Coca-Cola Nordamerika, betonte, dass die philanthropischen Anstrengungen des Konzerns zum Wohl der Allgemeinheit geschehen würden (O’Connor, Anahad, Coke Discloses Millions in Grants for Health Research and Community Programs, in nytimes.com 22.9.2015). Dagegen stellte die Ernährungswissenschaftlerin Marion Nestle, Professorin an der New York University, fest, sie kennen keine anderen Lebensmittelkonzern, der so tief und weit iin so viele öffentliche Organisationen eingedrungen ist. Nestle ist Autorin des Buches „Soda Politics“, das den Kampf des früheren New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg gegen die Süßgetränkkonzerne beschreibt. Sein Kampf für eine stadtweite Verbannung scheiterte – die „Soda Initiative“ wurde abgelehnt. Nestle stellte fest, dass keine Organisation, egal wie klein sie auch ist, ohne Zuwendungen von Coca-Cola blieb (Ebenda; Coca-Cola’s funding of health research and partnerships, in thelancet.com 3.10.2015).
Anfang Dezember 2015 kündigte Coca-Cola Europe an, auch hier Transparenz über die „Gesundheitspartnerschaften“ zu schaffen, ohne mitzuteilen, wie und wann. „Die anhaltende Debatte über den Zusammenhang zwischen einem hohen Zuckerkonsum, Übergewicht und steigenden Zahlen von Diabetes-Erkrankungen bringt die Hersteller von Süßgetränken zunehmend in Erklärungsnot. Vor allem seit die New York Times die finanziellen Verstrickungen von Coca-Cola mit der US-Forschungseinrichtung Global Energy Balance Network aufgedeckt hat, die den Ursachen von Übergewicht auf den Grund gehen sollte. Coca-Cola sicherte mit 1,5 Millionen Dollar den finanziellen Start der Einrichtung. Eine Million Dollar ging als Spende an die University of Colorado Foundation, der Rest an die University of South Carolina. Geleitet wurde die Gruppe von James Hill, Professor an der University of Colorado und bekannter Experte auf dem Gebiet der Ursachenforschung von Übergewicht. Coca-Cola reagierte inzwischen auf die Vorwürfe. Ende September veröffentlichte der Konzern eine Liste, auf der alle Einrichtungen stehen, die von 2010 bis 2015 finanziert wurden. Laut Firmenangaben flossen insgesamt knapp 120 Millionen Dollar in sogenannte Gesundheitspartnerschaften, davon 22 Millionen Dollar in wissenschaftliche Forschung“ (Liebrich, Silvia, Coca-Cola will es besser machen, in SZ 4.12.2015).
Nachtrag 13: „Roter Teufelstein 2015“ für unsinnige Transporte an Coca-Cola
„Das Unternehmen Coca-Cola lässt seine Getränkedosen in Italien abfüllen und per Lastwagen durch den Gotthard in die Schweiz fahren. Dies, obwohl Coca-Cola die gleichen Getränke auch in der Schweiz herstellt und nach eigenen Angaben viel Wert auf Nachhaltigkeit legt. Unnötige Transporte belasten Mensch und Umwelt sowie die Straßeninfrastruktur. Deshalb verleiht die Alpen-Initiative dem Unternehmen den ‚Roten Teufelstein 2015‘ für unsinnige Transporte. (…) ‚Seit dem Jahr 2000 hat sich der Verkauf von Büchsen in der Schweiz verfünffacht, trotzdem kann es sich eine Firma wie Coca-Cola leisten, die gesamte Produktion 450 Kilometer per Lastwagen via Gotthard in die Schweiz zu fahren‘, sagt Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative“ (Roter Teufelstein für Coca-Cola: Die Büchsen im Gotthard, in alpeninitiative.ch 9.2016). Natürlich betont Coca-Cola Schweiz auf seiner Website die Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit ist der rote Faden unseres unternehmerischen Handelns. Unsere Aktivitäten … sollen von positivem sozialen Nutzen sein und dabei gleichzeitig die von uns verursachten Auswirkungen auf die Umwelt reduzieren“ (Ebenda).
Nachtrag 14: Coca-Cola in Großbritannien
Eine Mehrheit der Briten unterstützt inzwischen eine Strafsteuer auf ungesundes Essen und Trinken. Premier David Cameron lehnt dies ab. Im Juli 2015 sollte ein 48-seitiger Report der Gesundheitsbehörde Public Health England veröffentlicht werden: Der Gesundheitsminister Jeremy Hunt verhinderte dies zunächst. Nun erschien der Report im Oktober 2015. Er schlägt eine Steuer von zehn bis zwanzig Prozent u. a. auf Süßgetränke vor. Starkoch Jamie Oliver gründete eine Kampagne für die Zuckersteuer und erhöhte die Preise in seinen Restaurants: Die zusätzlichen Einnahmen spendet er. Krankenhäuser folgten seinem Beispiel. in Deutschland gilt der Steuersatz von sieben Prozent auf Lebensmittel: „Zuckerbomben könnten von diesem Privileg ausgenommen werden“ (Finke, Björn, Im Zuckerrausch, in SZ 26.10.2015).
Nachtrag 15: Coca-Cola „wissenschaftlich“ auch in Deutschland aktiv
Der Coca-Cola-Konzern und seine Stiftung hat in den letzten Jahren „in Deutschland wissenschaftliche Forschung und Projekte im Bereich Gesundheit, Ernährung und Bewegung mit rund 7,5 Millionen Euro gefördert. Das geht aus einer umfassenden Liste über Coca-Colas sogenannte ‚Gesundheitspatenschaften‘ hervor, die der Konzern nach Aufforderung der Organisation Foodwatch veröffentlicht hat. Allein 1,4 Millionen Euro flossen in die Forschung. Etwa solche zur Herzgesundheit. Dabei können auch Produkte des Konzerns zum Gesundheitsproblem werden. Denn der Konsum zuckerhaltiger Getränke fördert die Entstehung von Diabetes Typ II und ist zudem mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte assoziiert. Schätzungen der Harvard School of Public Health zufolge gehen 180 000 Todesfälle pro Jahr auf das Konto solcher Getränke. (…) Der Weltmarktführer für Zuckergetränke sei maßgeblich mitverantwortlich für den weltweiten Anstieg von Übergewicht, Diabetes und Herzkrankheiten“ (Balser, Markus, Ritzer, Uwe, Klebrige Kontakte, in SZ 3.2.2016). Coca-Cola wies den Vorwurf der versuchten Einflussnahme zurück. „… eine Million Euro des Sponsorings flossen im Rahmen der Coca-Cola-Initiative ‚Hör auf dein Herz‘ an die Berliner Charité, genauer das Institut für Geschlechterforschung in der Medizin, das etwa die Herzgesundheit bei Frauen untersucht und Stress als Problem ausmacht. Weitere 280 000 Euro flossen für eine Studie zur Bewegungsförderung an die Universität Paderborn“ (Ebenda). Coca-Cola will diesen Weg anscheinend weitergehen, um vom Zusammenhang der Dickmacher-Getränke und dem Dickwerden abzulenken. Coca-Cola-Geschäftsführerin Bianca Bourbon im Internet: „Wir sind stolz auf unsere Partnerschaften und schätzen die Anregungen durch externe Experten sehr. Deshalb möchte Coca-Cola Deutschland die Kooperationen auch in Zukunft fortführen“ (Ebenda).
Nachtrag 16: Aktivitäten der Zucker-Lobby
Aus einem Beitrag von Astrid Viciano in der SZ: „Was dicken Menschen fehle, sei vor allem die Bewegung. So oder so ähnlich verkündete es das Global Energy Balance Network nach seiner Gründung im Dezember 2014 in den USA. Und gelobte, fortan Sportmediziner und weitere Experten finanziell zu fördern, um die Forschung dazu voranzubringen und die Öffentlichkeit über die neuen Erkenntnisse zu informieren. Fast revolutionär kam die Botschaft daher. Von nun an sollte vor allem der Sport fürs Abnehmen entscheidend sein, nicht das Zählen von Kalorien. Und vermutlich sollten die Menschen vor allem weiter Limonade trinken. Sponsor des vermeintlich wegweisenden neuen Netzwerks war nämlich der Limo-Gigant Coca-Cola. „Der Fall hat hohe Wellen geschlagen“, erinnert sich Michael Siegel, Professor an der School of Public Health der Boston University. (…) Siegel beschloss daher, systematisch zu untersuchen, wie weit diese Taktiken verbreitet sind. (…) Gemeinsam mit seinem Co-Autor Daniel Aaron fand Siegel heraus, dass allein in den Jahren 2011 bis 2015 Coca-Cola 96 bereits bestehende Gesundheitsorganisationen und Gesundheitsinstitute in den USA gesponsert hat, der Konkurrent Pepsico immerhin 13. Das berichten die Wissenschaftler im American Journal of Preventive Medicine“ (Viciano, Astrid, Die Limo-Lobby, in SZ 22.10.2016). Die Süßgetränk-Hersteller versuchen zu suggerieren, dass fehlender Sport entscheidend ist für Dickleibigkeit – eine bewusste Irreführung: „Beim Tanzen zum Beispiel verbraucht ein 60 Kilogramm schwerer Mensch etwa 200 Kalorien, beim langsamen Joggen mit acht Kilometer pro Stunde rund 450 Kalorien pro Stunde. Um eine Tafel Milchschokolade zu verbrennen, müsste sich an die Schlemmerei ein Tanzabend von fast drei Stunden anschließen oder eine Laufrunde von mehr als einer Stunde. (…) Dabei wissen Mediziner längst, dass der Konsum gezuckerter Süßgetränke die Entstehung von Übergewicht massiv fördert. Ein Fünftel der Gewichtszunahme in der amerikanischen Bevölkerung von 1977 bis 2007 ist Schätzungen zufolge den Limos zuzuschreiben. ‚Die Getränke enthalten nur Zucker, aber keinen nennenswerten Nährwert‘, sagt Marion Nestle, Professorin für Ernährung, Ernährungsstudien und Public Health an der New York University. (…) Unter Jugendlichen machen gezuckerte Süßgetränke – darunter fielen in dieser Studie auch Energy Drinks und Sportlimos – heute die größte Quelle der täglichen Kalorienzufuhr aus, mehr noch als Pizza“ (Ebenda).
Notfalls schreckte man auch nicht vor massiven finanziellen Zuwendungen zurück. „So setzte sich die Organisation Save the Children (Rettet die Kinder) zunächst dafür ein, Limonaden mit einer Steuer zu belegen. Im Jahr 2010 allerdings endete der engagierte Einsatz plötzlich. ‚Die Organisation hatte ein Jahr zuvor mehr als fünf Millionen Dollar von Coca-Cola und Pepsico erhalten‘, erklärt Siegel in seiner Auswertung. (…) Allein 29 Gesetzesinitiativen entstanden in den vergangenen fünf Jahren in den USA, um den Konsum von Brause zu reduzieren, auf landesweiter Ebene oder regional. Mal ging es um eine Einschränkung der Werbung für die Produkte, mal um die Größe der Behälter, mal um eine Besteuerung der Limonaden. Siegel und Aaron stellten fest, dass Coca-Cola alle 29 Entwürfe direkt oder indirekt bekämpft hat, Pepsico 26 davon. (…) In den Jahren 2011 bis 2014 hat Coca-Cola mehr als sechs Millionen Dollar für Lobby-Aktivitäten ausgegeben, Pepsico mehr als drei Millionen. Im Jahr 2009 gaben Coca-Cola, Pepsico sowie die für die Getränke-Industrie zuständige Handelsorganisation American Beverage Association sogar insgesamt 38 Millionen Dollar aus, um gegen eine landesweite Besteuerung der Limonaden anzugehen“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Ein kleiner Erfolg: „So haben zum Beispiel vier große Fachgesellschaften in den USA ihre ausgelaufenen Sponsoring-Verträge mit Coca-Cola nicht erneuert, darunter die Akademie für Ernährung und Diätetik. Auch das auf Fitness fixierte Global Energy Balance Network stellte Ende 2015 seine Arbeit ein“ (Ebenda).
Nachtrag 17: Neues von der US-Zuckerindustrie
Die University of California veröffentlichte in der Medizinzeitschrift Journal of the American Medical Association Aufschlussreiches über die amerikanische Stiftung für Zuckerforschung, aus der später der amerikanische Verband der Zuckerindustrie hervorging. Die Autoren werteten über 300 Dokumente aus, die den Zusammenhang zwischen dem amerikanischen Verband der Zuckerindustrie und den Autoren eines Überblicksartikels der Harvard University lieferte: „Demnach hat die amerikanische Stiftung für Zuckerforschung Anfang der Sechzigerjahre ein Projekt in Auftrag gegeben, das nur ein einziges Ziel hatte: Den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und tödlichen Herzerkrankungen herunterzuspielen und so zu verhindern, dass die Amerikaner weniger Zucker zu sich nehmen“ (Timmler, Vivien, Süße Manipulation, in SZ 14.9.2016). Die amerikanische Stiftung für Zuckerforschung gründete 1965 das „Projekt 226“. „Dessen Ergebnis war ein wissenschaftlicher Überblicksartikel, der den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Herzerkrankungen relativierte. Als Gegenleistung flossen 50 000 Dollar an Forscher der Harvard University. Zudem wurde im gleichen Jahr der Vorsitzende des Lehrstuhls für Ernährung der Universität, Fredrick Stare, Ad-hoc-Mitglied der Stiftung, die das Projekt in Auftrag gegeben hatte. Dass diese der Auftraggeber des Artikels war, wurde damals an keiner Stelle transparent gemacht. Die Zuckerindustrie schaffte es mithilfe des pseudowissenschaftlichen Beitrags nicht nur, die negativen Nebenwirkungen übermäßigen Zuckerkonsums herunterzuspielen. Es gelang ihr auch, stattdessen Fette und Cholesterine als Ursache für tödliche Herzerkrankungen in der öffentlichen Wahrnehmung zu etablieren“ (Ebenda).
Und dazu Kathrin Zinkant in der SZ: „Es kommt nicht häufig vor, dass ein 50 Jahre alter Artikel aus der Forschung Schockwellen auslöst. Doch als die amerikanische Wissenschaftlerin Cristin Kearns vor wenigen Tagen ihre Erkenntnisse über ein wissenschaftliches Papier aus dem Jahr 1967 vorstellte, war der Effekt genau dieser: Entsetzen darüber, wie lange die Zuckerindustrie tatsächlich schon die Wahrheit zu ihren Gunsten manipuliert. Und wie weit der Einfluss reicht. Denn der Artikel, um den es geht, stammt aus der Feder dreier Eliteforscher, die damals an der Harvard University bei Boston lehrten. Es ging um die Frage, ob Zuckerkonsum und Herz-Kreislauf-Erkrankungen miteinander in Zusammenhang stehen. Die Autoren meinten: Nein. Und zeigten stattdessen aufs Fett als den Hauptschuldigen für Herzinfarkt und Schlaganfall. Kearns hat nun belegt, dass sich zwei der Experten für diese Aussage von der Zuckerlobby bezahlen ließen. Deren Nachfolgeorganisation, die amerikanische Sugar Association, wies umgehend jede Verantwortung zurück. Man könne schlecht etwas kommentieren, das 50 Jahre zurückliege. Dennoch kritisiert der Zuckerverband Kearns’ ‚fortgesetzten Versuch, geschichtliche Ereignisse umzudeuten und dem Anti-Zucker-Narrativ anzupassen‘. (…) Finanzielle Beteiligungen werden heute in fast allen wissenschaftlichen Publikationen deklariert. Es ist also meist sichtbar, ob eine Studie von Mars, Coca-Cola oder einem anderen Konzern bezahlt wurde. (…) Immer wieder erscheinen Artikel in Fachjournalen, die den tatsächlichen Erkenntnisstand konterkarieren und der Lebensmittelindustrie einen gewissen Rückhalt für ihre Marktstrategien geben. Bei Getränken bedeutet das meist, die Produkte noch stärker zu süßen. Das ist keinesfalls nur in den USA so, aber noch lässt sich die Lage mit der in Deutschland nicht ganz vergleichen. Amerikanische Limonadenkonzerne frisieren ihre Softdrinks mit High-Fructose-Corn-Syrup. Der Sirup enthält bis zu 90 Prozent Fruchtzucker und süßt sehr stark. (…) In anderen Ländern und manchen amerikanischen Städten ist man mit Maßnahmen gegen zuckrige Getränke wesentlich offensiver. Die US-Städte Berkeley und Philadelphia, sowie Frankreich, Mexiko und Großbritannien haben Zuckersteuern auf Softdrinks eingeführt“ (Zinkant, Kathrin, Süß schmeckt der Profit, in SZ 17.9.2016).
Nachtrag 18: Sponsor Coca-Cola
In einem Dossier „Wissen“ zeigen die Autorinnen Astrid Viciano und Elisabeth Gamperl, wie Coca-Cola mittels „Studien“ und Lobbyarbeit nach wie vor den Auslöser Zucker für Fettleibigkeit herunterzuspielen versucht – und mit Sport wirbt, der die Bewegungsarmut – nach Coca-Cola Hauptgrund für diese Fettleibigkeit – bekämpfen soll (Viciano, Astrid, Gamperl, Elisabeth, Zucker fürs Volk, in SZ 11.2.2017). Coke TV verbindet Sport mit dem Süßgetränk. Die Coca-Cola-Stiftung hat in Deutschland 2016 über eine Million Euro in Sportprojekte investiert – in 100 Projekte von 256 Organisationen. Oliver Huizinga von Foodwatch: „Wenn alle Welt darüber redet, wie wichtig die Bewegung für die Gesundheit ist, wird der schädlichen Wirkung von Zuckergetränken weniger Beachtung geschenkt“ (Ebenda). Aber um die 420 Kalorien in einem Liter Coca-Cola zu verbrennen, müsste ein 68 Kilogramm schwerer Mensch 57 Minuten Tennis spielen, 48 Minuten schwimmen, 63 Minuten Fahrrad fahren oder 30 Minuten schnell joggen (Ebenda). Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft und ihr Geschäftsführer Dietrich Garlichs warnen vor der Verharmlosung des Faktors Zucker durch Coca-Cola. „Insgesamt gelten 15 Prozent der Kinder in Deutschland als übergewichtig, zwei Drittel der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen. Sechs Millionen Menschen leiden an Typ-2-Diabetes, meist als Folge der überflüssigen Pfunde. Mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt, Erkrankungen der Netzhaut und Amputationen der Füße. ‚Typ-2-Diabetes ist inzwischen ein Massenphänomen‘, sagt Garlichs. Und gezuckerte Süßgetränke tragen besonders stark dazu bei, so Garlichs“ (Ebenda). – „Fast vier Milliarden Liter seiner Süßgetränke verkauft Coca-Cola pro Jahr in Deutschland, der Konsum von zuckrigen Cola- und Cola-Misch-Getränken – nicht nur von Coca-Cola – ist von 2010 bis 2015 um 13,6 Prozent gestiegen. Überhaupt ist gezuckerte Limonade besonders beliebt, Deutschland liegt weltweit an zwölfter Stelle von 80 Ländern, ergab eine Auswertung von Euromonitor International“ (Ebenda). Die von der „Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreier Getränke“ (WAFG) finanzierten Studien kamen laut einer Untersuchung aus Spanien und dem Potsdamer Professor am Deutschen Institut für Ernährungsforschung, Matthias Schulze „fünfmal so häufig zu dem Schluss, dass gezuckerte Süßgetränke eher nicht zu Übergewicht führen, wie die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungsarbeiten. (…) Die Ergebnisse erinnern an ähnliche Taktiken, mit denen die Tabakindustrie einst die gesundheitlichen Folgen von Zigaretten zu verschleiern versuchte. ‚Getränkeunternehmen finanzieren gezielt Studien, die die Schädlichkeit ihrer Produkte verharmlosen‘, sagt Oliver Huizinga von Foodwatch. Und rücken dann andere Risikofaktoren für Krankheiten in den Vordergrund, etwa den Bewegungsmangel“ (Ebenda). Deshalb sponsert Coca-Cola die Oliver-Kahn-Stiftung, die Deutsche Sportjugend im DOSB und Streetfootballworld, Olympische Spiele und Uefa und Fifa. „Wie sich so ein Engagement auswirken kann, zeigt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich im vergangenen Jahr. Das deutsche Sommermärchen von 2006 sollte im Nachbarland wieder aufleben, mit all seiner Euphorie, mit deutschen Fahnen und ganz viel Gemeinschaftsgefühl. Und mit Coca-Cola als Hauptsponsor mittendrin, neben Ferrero und McDonald’s. Zur EM waren prompt auch Fotos der 24 deutschen Nationalspieler auf Cola-Dosen zu haben. In der Dosen-Kollektion verbargen sich laut Foodwatch insgesamt 280 Zuckerwürfel oder 840 Gramm Zucker. ‚Die Signale, die von den aktuellen Werbebotschaften des Deutschen Fußballbunds ausgehen, sind gesundheitsgefährdend‘, kritisierte Garlichs im vergangenen Jahr die Werbeaktion. (…) Besonders ansprechend für Teenager sind beliebte Sportarten wie der Fußball, daher sind die Kinderärzte besorgt. Gerade der Sport, der nicht nur für Kinder und Jugendliche eine große Vorbildfunktion hat, werde so missbraucht, sagt Hermann Josef Kahl vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. ‚Mithilfe der Fußballidole wird suggeriert, dass Coca-Cola, Nutella und McDonald’s Fitness fördern und Höchstleistungen ermöglichen – das ist nicht nur eine falsche, sondern eine gesundheitsschädliche Botschaft‘, sagt Dietrich Garlichs von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft“ (Ebenda).
Nachtrag 19: 1 Liter Schul-Cola
„Ein Liter Cola enthält 106 Gramm Zucker, also 36 Stück Würfelzucker, und gilt nicht gerade als gesundheitsfördernd. Dennoch kann man Cola in Münchner Schulen nur mehr literweise kaufen, weil die Mehrheit der Kioskbetreiber Halbliter-Flaschen ablehnt. (…) Seit einiger Zeit schon vertreibt Coca Cola nur mehr die Ein-Liter-Flaschen als Mehrwegflaschen. 1,5 Liter und 0,5 Liter gibt es nur noch im Einwegformat. (…) Deshalb seien viele Kioskbesitzer umgestiegen: von der Halbliter- auf die Ein-Liter-Variante, die im praktischen Mehrwegbehältnis geblieben ist. Die Schüler sind quasi gezwungen, statt einem schon nicht allzu gesunden halben Liter Cola oder Spezi jetzt das Doppelte zu trinken. Macht statt 53 Gramm Zucker 106 Gramm Zucker – die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, nicht mehr als 25 bis 30 Gramm Zucker pro Tag zu vertilgen“ (Staudinger, Melanie, Zitrone statt Zucker, in SZ 17.6.2017).
Nachtrag 20: Umstrittener Coca-Cola-Christmas-Truck
„Der rote Lastwagen und sein Anhänger sind 13 Tonnen schwer und 16,5 Meter lang. 372 Lampen sowie Lichterketten mit 8772 Birnen lassen ihn erstrahlen, wenn er vor Einkaufszentren und auf Plätzen steht. An den Seiten des Anhängers ist groß ‚Coca-Cola‘ zu lesen, neben einem Weihnachtsmann mit Cola-Flaschen in den Händen. Dieser ‚Coca-Cola Christmas Truck‘ tourt seit November durchs Vereinigte Königreich. Bei seinen 42 Stopps verteilen Mitarbeiter kostenlos Cola-Dosen an Passanten. Mit diesen Trucks, bekannt aus Fernsehspots, wirbt der US-Konzern auch in anderen Ländern für seine zuckrige Brause, etwa in Deutschland. Doch in Großbritannien regt sich nun Widerstand von Ernährungsexperten und Politikern. Duncan Selbie, Chef der Gesundheitsbehörde Public Health England, ruft Rathäuser dazu auf, die Werbeaktionen mit dem Lkw nicht zu erlauben. (…) Grund für die Aufregung sind beunruhigende Zahlen. Studien zufolge verlässt ein Drittel der jungen Untertanen Ihrer Majestät die Grundschule mit Übergewicht. Kinder aus armen Familien sind davon besonders betroffen. Und den meisten Zucker nehmen junge Briten über Limonaden wie Coca-Cola zu sich. Wer schon als Jugendlicher Speckrollen hat, wird diese später nicht so leicht los und hat ein höheres Risiko für Krankheiten wie Diabetes. Außerdem schadet der Zucker den Zähnen der Kinder. Das alles kostet den klammen staatlichen Gesundheitsdienst NHS Milliarden. Politiker und Fachleute sprechen bereits von der britischen ‚Übergewichts-Krise‘. (…) Die Regierung hofft aber, dass ihre neue Zuckersteuer weiterhilft. So eine Abgabe – von der Industrie heftig bekämpft – fordern auch in Deutschland immer wieder Experten. Im Königreich müssen Getränkehersteller von April an diese Extra-Steuer zahlen, wenn ihre Produkte zu süß sind. Enthält ein Getränk mindestens acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter, werden für diese 100 Milliliter 2,4 Pence Strafe fällig. Wer klassische Coca-Cola trinkt, schluckt gut zehn Gramm Zucker pro 100 Milliliter“ (Finke, Björn, Alarmstufe Rot, in SZ 1.12.2017).
Quellen:
Burger, Kathrin, Flüssige Gefahr, in SZ 2.10.2012
Burghardt, Peter
– Kein Kater im Happy Meal, in SZ 8.12.2011
– Sause mit Brause, in SZ 4.11.2013
Cola-Werk auf Eis gelegt, in SZ 9.9.2011
Dieckmann, Christoph, Ariersilber, Negergold, in Die Zeit 19.7.1996
Die wertvollsten Marken, in SZ 23.8.2012
Faster, fatter, in ft.com 9.7.2012
IOC Marketing: Media Guide Vancouver 2010
Jennings, Andrew, Das Olympia-Kartell, Reinbek 1996
Kläsgen, Michael, Teurer Zuckertrank, in SZ 30.12.2011
Kistner, Thomas, Fifa Mafia. Die schmutzigen Geschäfte im Weltfußball, München 2012
Koch, Moritz, Der Cola-Krieg, in SZ 25.1.2012
Kreuzer, Heinz Peter, Olympiasponsoren im Zwielicht, in dradio.de 2.3.2012
Liebrich, Silvia, Sponsoren, die dick machen, in SZ 10.7.2012
Piper, Nikolaus, Süße Steuer, in SZ 8.6.2010
Richter, Peter, Geh, süßer Tod, in SZ 6.10.2012
Slavik, Angelika, Autsch! in SZ 6.2.2013
Uno-Experte fordert Steuer auf Cola und Junk Food, in spiegelonline 6.3.2012
Weinreich, Jens, Der olympische Geist versteckt sich in der Flasche, in Berliner Zeitung 17.7.1997
Wikipedia
www.coca–cola.com