Die CO2-Rechenkünstler in ihren Instituten bewirken Wunder: Alles kann klimaneutral und CO2-frei gerechnet werden, und jede noch so sinnlose Anlage wird emissionsfrei gezaubert. Beteiligte Rechenkünstler sind die von mir so genannten > WBA-Institute vulgo Wir Berechnen Alles-Institute – natürlich gegen Geld. Und schon ist eine der größten Verschwendungen von Energie und Rohstoffen nachhaltig: die Olympischen Winterspiele!
Natürlich sollen laut Bewerbungsgesellschaft auch die Olympischen Winterspiele 2018 in München samt Vor- und Nachbereitung CO2-neutral ablaufen. Ein paar zusätzliche Millionen Euro in diverse deutsche Fotovoltaikanlagen und Solarkocher für die Sahelzone etc. investiert, und schon wird alles umweltfreundlich. Leider fließen in solchen Fällen maßgebliche Bestandteile nicht in die Gesamtrechnung ein. In Vancouver kam die Olympia-kritische Umweltgruppe 2010Watch auf etwa die zehnfache CO2-Menge im Vergleich zur offiziellen Zahl: Damit wäre eine wirkliche Kompensierung natürlich deutlich schwerer gefallen.
Und natürlich wird auch CO2-frei geflogen: Der Umweltdirektor der International Air Transport Association (IATA) sieht durch Biosprit den Flugsektor CO2-neutral wachsen und langfristig völlig ohne CO2-Ausstoß auskommen: Dafür wird in Indonesien und anderswo der Regenwald abgeholzt für Palmölplantagen.
Die industriell-ökologische Wunderwelt kommt erst noch richtig auf Touren. Man kommt dabei ganz schön ins Grübeln, was der dominantere Effekt ist: Ignoranz, Unwissen oder bewusste Täuschung.
Ein Beispiel: Wie Prinz Albert von Monaco CO2 spart
Prinz Albert von Monaco hat sich ein neues Verkehrsmittel geleistet. Das Flugzeug vom Typ Falcon 7X ist 23 Meter lang und kann11.000 Kilometer ohne Tankstopp zurücklegen. Kostenpunkt: 40 Millionen Euro. Albert II: „Das Flugzeug sei umweltfreundlich und ein wertvolles Hilfsmittel für seine Arbeit als Staatschef“ (Busse, Caspar, Ach wie schön ist Palau, in SZ 7.3.2013). Der Fürst lässt jedes Jahr eine CO2-Bilanz seiner Flüge erstellen: Der Ausstoß wird mit dem Kauf Von CO2-Zertifikaten „kompensiert“. „Den Jungfernflug als offizielle Fürstenmaschine hat der Falcon-Jet bereits an diesem Dienstag. Dann reist Albert II zu einem Staatsbesuch in das Südseeparadies Palau“ (Fürst Alberts neues Spielzeug, in spiegelonline 5.3.2013).
Palau: „Das Klima wird als tropisch beschrieben, die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 27 Grad. 27 Grad! Die Gewässer rund um die Insel gelten als eine der besten Tauchgebiete der Welt… Zum Jungfernflug hebt die Maschine bereits in dieser Woche ab. Albert II. muss zu einem dringenden Staatsbesuch reisen. Wohin? In die Südsee nach Palau“ (Busse, Caspar, Ach wie schön ist Palau, in SZ 7.3.2013).
Beispiel Sotschi 2014
„Die russische Umweltorganisation CEI (Zentrum Ökologischer Innovationen) schätzt den CO2-Fußabdruck der Olympischen Spiele in Sotschi auf fünf Millionen Tonnen. 56 Prozent davon würden auf den Bau der Infrastruktur entfallen, der Rest auf Emissionen, die beim Transport und Aufenthalt von Sportlern und Zuschauern entstehen. Nach Angaben des CEI ist bisher auch noch nicht sicher, dass dieser CO2-Ausstoß vollständig kompensiert wird. Bislang könnten die Organisatoren erst den Ausgleich von fünf bis 15 Prozent der Emissionen gewährleisten“ (Meister, Lea, Russland unterdrückt den Umweltschutz, in klimaretter.info 29.1.2014).
Beispiel Winterberg
Vom 23.2. bis 8.3.2014 wird auf der Bobbahn in Winterberg (668 m. ü. N.) im Hochsauerlandkreis die Bob- und Skeleton-WM ausgetragen. Der Aufwand ist beträchtlich. Die 1,6 Kilometer lange Strecke ist in 46 Segmente eingeteilt; die Kältetechnik regelt jedes Segment separat. Die Kühlung erfolgt mit 40 Tonnen Ammoniak: Pro Saison werden 1.100.000 Kilowattstunden Strom benötigt (Heße, Christina, Winterberg bereitet sich auf Bob- und Skeleton-WM 2015 vor, in derwesten.de 24.4.2014).
Nicht vergessen: Von weltweit gerade einmal 17 Bob- und Rodelbahnen gibt es allein in Deutschland vier: Bobbahn Altenberg, Kombinierte Kunsteisbahn am Königssee, Rennrodelbahn Oberhof und Bobbahn Winterberg.
Nachtrag August 2014: Kompensation von Klimaschäden? Spiegelonline-Autor Benedikt Laubert hat sich mit der Kompensation von Kohlendioxid beschäftigt. „Gegner beschimpfen Kompensationen als Ablasshandel. Und tatsächlich lassen sich durch derlei Angebote weitere Umweltschäden lediglich minimieren, aber nicht verhindern. Befürworter hingegen sagen: besser als nichts! (Laubert, Benedikt, In Luft aufgelöst, in spiegelonline 15.8.2015). Bei Myclimate zahlt man sechs Euro für die Kompensation eines Fluges von Frankfurt nach Barcelona; nach Sydney kostet es 82 Euro. Inzwischen kann man auch Busreisen, Notebooks, Blumensträuße kompensieren (Ebenda). Myclimate unterstützt z. B. eine Organisation in Madagaskar, die Solarkocher produziert oder Windparks in der Türkei. „Tatsächlich fallen bei der Herstellung der als ‚klimaneutral‘ gekennzeichneten Produkte meistens durchaus hohe CO2- und andere Treibhausgas-Emissionen an. Das Adjektiv sagt lediglich aus, dass diese Emissionen ausgeglichen werden, in der Regel mithilfe der Kompensationsagenturen. Jedoch rechnen viele Unternehmen neben dem eigenen CO2-Ausstoß nur sogenannte Vorleistungen in die Klimabilanz der Herstellung ein (Ebenda). Der Konsument kauft sich das Gefühl, dass er quasi keine Kohlendioxid-Emissionen verursacht – was natürlich nicht stimmt. „Die Rechnung ist verführerisch: Solange ich alle Emissionen kompensiere, kann ich so viel fliegen und so viel konsumieren, wie ich will. Die CO2-Kompensation ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass immer noch deutlich zu viele Treibhausgase in die Luft gelangen. Weniger fliegen und konsumieren, das wäre also das richtige Mittel“ (Ebenda).