Thomas Kistner über Thomas Bach nach dessen Wahl zum IOC-Präsidenten am 10.9.2013: „Er war stets ein Mann des Systems, das er nun verkörpert“ (Kistner 31.12.2013).
Thomas Bach (*1953) ist promovierter Jurist, FDP-Mitglied, Wirtschaftsanwalt, multifunktionaler Sportfunktionär, Präsident des DOSB, IOC-Mitglied seit 1991 und Vize-Präsident des IOC von 2000 bis 2004 und wieder ab 2006; Präsident des Revisions-Schiedsgerichts am Internationalen Sportgerichtshof (> CAS); Präsident der juristischen Kommission und der Kommission Sport und Recht; Mitglied der Marketing-Kommission des IOC und seit 10. September 2013 IOC-Präsident.
Bach ist Aufsichtsratsvorsitzender der Michael Weinig und der Weinig International AG: Bei ihr vertritt die „Kölner Hohenstaufen Vierundneunzigste Vermögensverwaltungs GmbH die Interessen der kuwaitischen Großaktionäre – nur noch fünf Prozent der AG befinden sich noch in Streubesitz (handelsblatt.com 21.8.2000). Bach war auch Mitglied im Verwaltungsrat der Siemens Schweiz AG und ist seit 2006 Präsident der Ghorfa, einer Vereinigung zur Förderung deutsch-arabischer Wirtschaftskontakte (Effern, Riedel, Ruhland 17.1.2012; siehe unten).
Er erhielt 2004 das Große Bundesverdienstkreuz und durfte am 30. Juni 2010 für die FDP den Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) mitwählen.
Bach und Horst Dassler
Nachdem 1981 IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch Bach persönlich in die IOC-Athletenkommission berufen hatte, machte ihn im Herbst 1985 Horst Dassler von Adidas in Herzogenaurach zum Direktor für internationale Promotion, wo er spezielle Projekte für Dassler bearbeitete. Bach verließ Adidas im Dezember 1987, neun Monate nach Dasslers Tod. Horst Dassler „war ein Urheber der systematischen Korruption im Weltsport“ (Kistner, Gertz 9.9.2013).
Bach und Samaranch
Bei Dassler war auch zunächst Sepp Blatter tätig: „Was Dasslers dunkle Seite anging, haben Blatter und Bach stets jedes Wissen bestritten, Auch m Operettenregime des früheren IOC-Chefs Samaranch hat Bach nie viel mitgekriegt. Bei ihm leistete er 1991 den Fahneneid und rückte fünf Jahre später in den Vorstand. Samaranch, ein Vertrauter des spanischen Diktators Francisco Franco, hatte das IOC in den Sumpf des Salt-Lake-City-Skandals geführt. Die Spiele waren durch Bestechung in den Mormonenstaat gekommen. Seiner IOC-internen Säuberungskommission gehörte auch Bach an, obwohl der Chef der Prüfkommission für Salt Lake City gewesen war und in der Rolle nichts mitgekriegt hatte von korrupten Bewerberpraktiken“ (Kistner, Gertz 9.9.2013).
Samaranch war Bachs väterlicher Freund, wie Thomas Kistner und Jens Weinreich in Der olympische Sumpf schreiben: „Hingegen ficht kaum ein zweites wichtiges IOC-Mitglied so für den greisen IOC-Paten wie Bach… Zweieinhalb Jahre später verteidigte er auf dem Olympischen Kongress in Paris sogar ein IOC-Diktum, demzufolge die Wortbeiträge Monate vorher in Lausanne vorzulegen waren“ (Kistner, Weinreich 2000, S. 253).
Bach unterstützte Samaranch tatkräftig bis zum Ende der Amtszeit im Jahr 2001. So sollte 1995 bei der IOC-Tagung in Budapest auf Antrag von Bach die Altersgrenze von 75 auf 80 Jahre erhöht werden, da der 1920 geborene Samaranch sonst für keine weitere Amtszeit hätte kandidieren können. Der erste Abstimmungsversuch dafür scheiterte. Als die ersten Delegierten abgereist waren, ließ Samaranch erneut abstimmen – und diesmal war der Vorstoß erfolgreich.
1999 wurde dann das Alterslimit auf öffentlichen Druck auf 70 Jahre gesenkt – erneut auf Vorschlag von Bach. Samaranch wäre 2001 über 80 Jahre alt gewesen und hätte sowieso nicht mehr antreten können.
Der Spiegel berichtete im Dezember 1998, dass Sachverständige die IOC-Mitglieder in drei Gruppen einteilten: Zur Gruppe eins gehörten anständige Menschen mit festem Glauben an das Gute des Sports; Gruppe zwei „beheimatet solche, die ohne Unterlass den obersten Fürsten Samaranch umschwirren; der deutsche Thomas Bach, 44, gilt hier als richtungweisend“. In der dritten Gruppe, der größten, sind Sitte und Anstand „eine Frage von Angebot und Nachfrage“. (Brinkbäumer, Geyer, Wulzinger 21.12.1998)
Bach und die Karriere
Bach war unter anderem Mannschaftsolympiasieger im Florett bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal. Er sollte im Folgenden ein bedingungsloser Vertreter der offiziellen IOC-Politik werden.
Seine Lieblingsthese lautet, dass die fünf Ringe weltweit bekannter seien als das christliche Kreuz. Sein deutscher IOC-Kollege Walther Tröger beschrieb ihn einmal so: „Ein typischer Fechter, der fintiert und zusticht, wenn niemand damit rechnet“ (Thomas Kistner, Der Strippenzieher).
Bach berichtet auch oft von den zwei Lebenslügen des Sports: „Erstens, Sport habe nichts mit Wirtschaft und Geld zu tun. Und zweitens: Sport habe nichts mit Politik zu tun.“ Der Berliner Philosoph Gunter Gebauer konterte daraufhin: „Das Schlimmste ist, wenn man Lebenslügen abschafft und sich nicht mehr daran erinnern kann, warum man mit einer Lebenslüge angefangen hat“ (zitiert nach Weinreich 2.8.2008).
Die Reklame-Orgie bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta wurde von den europäischen Nationalen Olympischen Komitees (NOKs) als „billig und unwürdig“ bezeichnet. Bach dagegen kommentierte: „Die kontrollierte Kommerzialisierung des IOC ist auf einem guten Weg.“ Firmen, die ohne Sponsorenverträge mit dem IOC mit Olympischen Spielen warben, nannte er „Parasiten, die versuchen, die Olympischen Spiele auszusaugen, ohne wirklich etwas dafür zu geben“ (Weinreich 22.4.1997).
Vor dem Verein Frankfurter Sportpresse äußerte er: „Wer schon bei der Bewerbung rechnet, was das alles kosten könnte, sollte gar nicht erst kandidieren“ (Kistner, Weinreich 2000, S. 256). Wer nachrechnet, könnte nämlich auf den Gedanken kommen, dass das Ganze unbezahlbar sein wird bzw. er es sich gar nicht leisten kann, die olympischen Heuschrecken einzuladen.
Im IOC pflegte Bach merkwürdige Beziehungen. Er war 2001 bei der Wahl des IOC-Präsidenten einer von drei Bürgen für den südkoreanischen Geheimdienstmann der Militärjunta und IOC-Vizepräsident > Kim Un Yong, der gegen Jacques Rogge kandidierte und 2004 in Südkorea wegen Bestechlichkeit verurteilt wurde. Auch das indonesische IOC-Mitglied > Mohamad Bob Hasan, der Hauptverantwortliche für die Vernichtung des dortigen Tropenwaldes, pflegte mit Bach engeren Umgang: Bei der IOC-Session im Juni 1999 in Seoul „schlenderte er Arm in Arm mit Sportfreund Thomas Bach durch das Shilla-Hotel“ (Kistner, Weinreich 2000, S. 216).
Im deutschen Nationalen Olympischen Komitee (NOK) hatte Bach zunächst wenig Einfluss. Also bemühte er sich, dort über den Deutschen Sportbund (DSB) Einfluss zu gewinnen. Der damalige Präsident des NOK, Walther Tröger verbat sich bei der Generalversammlung des NOKs im Oktober 1996 in Chemnitz „die unfreundliche Übernahme“ durch den DSB. Tröger trat 2002 zurück, und im Mai 2006 hatte Bach sein Ziel erreicht: DSB und NOK wurden zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vereinigt – mit Thomas Bach als Präsidenten.
Bach und Doping
Wie Samaranch hatte Bach stets Bedenken gegen eine harte Linie im Kampf gegen Doping. Bei der Weltkonferenz gegen Doping Anfang Februar 1999 in Lausanne erklärte Bach, es sei eine „juristische Realität“, dass eine zweijährige Mindeststrafe für Doping-Erstsünder nicht durchsetzbar sei. Dagegen urteilte der renommierte Sportrechtler Björn Ziegler: „Für Bachs Ansicht fehlen die Beweise… Warum muss eigentlich für die ganze Welt gelten, was der deutsche Jurist Bach rechtlich empfindet und empfiehlt?“ (Kistner, Weinreich 2000, S. 257).
Bei dieser Weltkonferenz hatten DSB und NOK die Zweijahresfrist bei Doping gemeinsam befürwortet. Das deutsche IOC-Exekutivmitglied Bach äußerte dagegen verfassungsrechtliche Bedenken: „Hier sind sich doch alle einig, dass Sportler auch Menschenrechte haben. Eine strikte Strafregelung entspricht nicht den rechtlichen Gegebenheiten“ (Kreuzer 4.2.1999) Die automatische Zwei-Jahres-Sperre wurde schließlich durch das IOC, durch > Sepp Blatter von der > FIFA und Hein Verbruggen vom Welt-Radsportverband UCI erfolgreich verhindert.
Zu dieser Konferenz waren auch Politiker eingeladen, die eine harte Linie gegen Doping befürworteten. Sie mussten nach drei Tagen abreisen und fehlten dann am vierten Tag, als die endgültige Resolution zur Abstimmung stand. Bach kommentierte: „Sie waren ja für drei Tage eingeladen“ (Ebenda).
Als der frühere Bundesinnenminister Otto Schily sich ebenfalls für schärfere Maßnahmen beim Thema Doping aussprach, sandte Bach am 17. Februar 1999 über seine Kanzlei ein „streng vertrauliches“ Fax an Zeitungsredaktionen mit der Stellungnahme des Karlsruher Verfassungsrichters Udo Steiner, der angeblich die von Schily verfochtene Zweijahresfrist für juristisch nicht korrekt erachtete. Am 18. Februar 1999 war die Meldung in ganz Deutschland zu lesen. An diesem Vormittag rief Bach bei Steiner an und erklärte, dass es da wohl ein Missverständnis in der Presse gegeben habe. Steiners Text stammte nämlich bereits aus dem Jahr 1991 und war laut Steiner im Jahr 1999 überholt (Vgl. Kistner, Weinreich, S. 257f).
Bis heute konnte das IOC die automatische Zwei-Jahres-Sperre bei Dopingüberführung verhindern. In den IOC Anti-Doping Rules für Peking 2008 steht auf S. 15 lediglich, dass die Disziplinarische Kommission des IOC Executive Board einen Athleten zeitlich oder dauerhaft von den Spielen ausschließen kann. Dopingexperte Prof. Werner Franke äußerte zum am 10.9.2013 neu gewählten IOC-Präsidenten Bach: „Der hat noch nie effektiv etwas gegen Doping unternommen, da bin ich jahrelanger Zeitzeuge“ (Bohnensteffen, Marcel, Doping bei Olympia: Experten kritisieren IOC für lasche Kontrollen vor Sotschi, in huffingtonpost.de 10.1.2014).
Bach und Salt Lake City
Der > Salt Lake City-Skandal wurde 1998 publik. „Thomas Bach ist der Leidtragende der Filzokratie“, schrieben Thomas Kistner und Jens Weinreich in Der olympische Sumpf:
„Ungezählte Male hat er seine Verwunderung zum Ausdruck gebracht über Dinge, die in all den Jahren fehl gelaufen sind, und von denen er nie etwas mitbekommen hat… Zweimal wurde er zum Chef der IOC-Prüfungskommission für Kandidatenstädte ernannt: für die Winterspiele 2002, die an Salt Lake City gingen, und für die Sommerspiele 2004, die Athen gewann. Da hat Bach mit seinen Kolonnen sämtliche Bewerber besucht, ist umjubelt, gefilmt, bedrängt und umgarnt worden – aber unsittliche Angebote an und von IOC-Mitgliedern, noch dazu solche, die wirklich angenommen wurden? Davon erfuhr er erst Jahre später, im Dezember 1998“ (Kistner, Weinreich 2000, S. 228).
Im Fall Salt Lake City wurde gegen 13 IOC-Mitglieder ermittelt. Es ergab sich, dass 632.000 Dollar an IOC-Mitglieder und Verwandte bezahlt wurden, dazu Flugtickets, Jobs, Arztbehandlungen. Der Spiegel schrieb dazu im Dezember 1998:
„Zwei Wochen lang versuchte IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch, 78, seine Firma verschwiegen zu halten. Dann war es soweit. Am vergangenen Wochenende lief dem Schweizer Marc Hodler, 80, in Lausanne der Mund über… Agenten würden durch die Welt fliegen und Stimmen von IOC-Mitgliedern anbieten – zwischen ‚500.000 und einer Million Dollar für einen Stimmblock’ würden die Makler verlangen.“
Da Bach als Verantwortlicher nichts bemerkt hatte, durfte er dann auch zur Aufklärung beitragen und wurde – als ehemaliger Chef der Prüfungskommission – Mitglied in dem von Samaranch einberufenen Untersuchungsausschuss. Er äußerte zu den Korruptionsvorwürfen, dass im „juristischen Sinne“ von Korruption keine Rede sein könne, da der Begriff Korruption immer einen Austausch („Geld gegen Stimme oder gegen Leistung“) sowie einen Vertrag voraussetze. Kistner und Weinreich fragten an dieser Stelle: „Wer, bitteschön … hat je einen olympischen Korruptionsvertrag vorgelegt?“
Bach und Sponsoren
„Im Sport gilt Bach als Mann der Wirtschaft, in Industrie und Politikerkreisen jedoch als Mann des Sports“ (Kistner, Weinreich 2000, S. 266). Bach hat stets bestritten, Geld für Mittlerdienste zwischen IOC und Sponsoren erhalten zu haben.
1996 schloss Lufthansa einen Vertrag mit dem IOC bis zum Jahr 2006 ab, laut Auskunft von Lufthansa stellte Bach den Kontakt her. Rückfragen erbrachten keine Auskunft, ob Bach dafür entlohnt wurde. Die IOC-eigene Revue des Presses berichtete im November 1996, dass Bach u. a. die Konzerne Philipp Holzmann AG, Lufthansa sowie drei weitere als Klienten hätte und er zuletzt ein Projekt von mehreren hundert Millionen Mark im Ausland akquirieren konnte (Kistner, Weinreich 2000, S. 233).
Der Spiegel berichtete 1999, dass Bach von der Philipp Holzmann AG seit 1995 rund 250.000 Mark pro Jahr (ca. 130.000 Euro) bekam – für „umfangreiche juristische Beratungen“. Ein beim Vorstand angesiedelter Ex-Abteilungsleiter konnte sich seit 1997 an keinen Schriftsatz oder andere Leistungen von Bach erinnern (Spiegel 52/1999; Weinreich 12.3.2004).
Bach ist auch Mitglied des ZDF-Fernsehrates: Und hier deutete sich ebenfalls eine Kollision der Interessen an. Im Dezember 2008 wollte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates Kurt Beck deshalb prüfen lassen, ob der vielseitige Sportfunktionär Bach möglicherweise in Interessenskollisionen mit dem ZDF-Fernsehrat Bach gerät, da Bach wiederum für das IOC die TV-Rechtslage sondiert (Kollision der Interessen, in SZ 19.12.2008).
Bach und Schelsky
Bach war auch für den Siemens-Konzern als hoch dotierter Berater tätig, siehe unten. Hier kommt der Duzfreund von Bach und langjährige Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ (AUB), Wilhelm Schelsky ins Spiel. Dieser bekam von Siemens von 1991 bis 2006 insgesamt rund 50 Millionen Euro zur Finanzierung der AUB, einer Art konzerneigener Gewerkschaft. „Die Zahlungen an Schelsky wurden als Berater- und Schulungshonorare verschleiert und von Siemens steuerlich als Betriebsausgaben geltend gemacht“ (Ritzer 26.10.2010).
Bach soll Schelsky über das Sportsponsoring von Siemens kennen gelernt haben. „Die engen geschäftlichen Bande zwischen Bach und Siemens hatte einst Schelsky geknüpft. Sogar den Entwurf des Bach/Siemens-Vertrages fanden die Nürnberger Ermittler bei Hausdurchsuchungen auf einem Computer Schelskys… Auch eine E-Mail vom September 2006, welche die Fahnder bei Schelsky fanden, wurde nicht hinterfragt. Bach wollte darin von Duzfreund Schelsky wissen, ob er ihm bei Siemens helfen könne…“ (Kistner, Ott, Ritzer 2008).
Bach ist Aufsichtsratsvorsitzender der Tauberbischofsheimer Weinig AG; auch Schelsky erhielt 2001 einen Sitz im Aufsichtsrat.
Schelsky wurde am 24.11.2008 wegen besonders schwerem Betrug, Beihilfe zu Untreue und Steuerhinterziehung vom Landgericht Nürnberg zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt; er saß etwa zwei Jahre in Untersuchungshaft und legte mit Teilerfolg Revision ein. Im September 2010 wurde Schelsky zu 3,2 Millionen Euro Schadenersatz an den Siemens-Konzern verurteilt (Fromm 2.9.2010). Im November 2014 stand Schelsky aufgrund eines erfolgreichen Revisionsantrages beim Bundesgerichtshofes 2010 erneut vor dem LG Nürnberg vor Gericht (Ritzer 3.11.2014).
Bach und die Bewerbung Leipzig 2012
Die Bewerbung von Leipzig für die Olympischen Sommerspiele 2012 war angeblich von Siemens unterstützt worden – wiederum über Schelsky. Dieser hat die Kosten für Banner, Fahnen und Logos über seine Siemens-Konten beglichen. Hieraus ergab sich der Verdacht des heimlichen Olympia-Sponsoring.
Das damalige NOK-Mitglied Bach habe von Schelskys Engagement bezüglich der Leipziger Bewerbung nichts gewusst, teilte Bachs Anwalt mit. Die Bewerbungsgesellschaft sei rechtlich unabhängig vom NOK gewesen und die Geschäftsführung der Bewerbergesellschaft habe „nicht in den Händen des NOK gelegen“.
Dabei saßen im Kuratorium der Leipziger Bewerbungsgesellschaft 2012 Bach und der Siemens-Vorstandsvorsitzende von Pierer. Bei dieser Bewerbungsgesellschaft hatte das NOK den Mehrheitsanteil von 50,1 Prozent; NOK-Chef Klaus Steinbach war Aufsichtsratschef. Zum Vergleich: Bei der Bewerbungsgesellschaft München 2018 hält der DOSB 51 Prozent; deren Präsident ist DOSB-Präsident Thomas Bach, Vorsitzender des Aufsichtsrates ist > Michael Vesper, Generaldirektor des DOSB.
Der DOSB teilte damals mit, dass er keine Untersuchung wegen der Leistungen aus Siemens-Kassen anstrengen wolle.
Bach und Siemens
Der Beratervertrag mit dem Wirtschaftsanwalt Bach existierte seit dem Jahr 2000 und wurde 2004 und 2005 verlängert. Zunächst betrug die Jahressumme 250.000 DM, dann 400.000 DM, zum Schluss 400.000 Euro. Dazu kam ein Tagessatz von 5.000 Euro. Selbst der Siemens-Aufsichtsrat missbilligte diesen Vertrag, der erst Anfang April 2008 bekannt wurde. Ende April 2008 nahm Bach deswegen mit der Siemens-Abteilung Compliance Kontakt auf. Der Vertrag wurde dann im Juni 2008 im gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst, „wobei Siemens versicherte, es habe alles seine Ordnung gehabt (Kistner, Ott, Ritzer, 8.8.2008).
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Siemens ist ein globaler Technikzulieferer für sportliche Großereignisse. Der Konzern liefert auch die Technik für Olympische Sommer- und Winterspiele und erhält Aufträge für Verkehrswege, Stadien, Hotels, Energieversorgung und technische Infrastruktur im weiteren Sinn.
China hat sich die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking rund 40 Milliarden Dollar kosten lassen; die meisten Ausgaben gingen in die Infrastruktur. Peking hat nun den größten und modernsten Flughafen der Welt, 34 neue Buslinien und drei neue U-Bahnen.
Siemens stattete für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking Stadien und Hotels aus und lieferte technische Anlagen für U-Bahnen und ein Gepäcktransportsystem für den Flughafen. Der Konzern gab den Gesamtumsatz für Peking 2008 mit 1,1 Milliarden Euro an.
Russland wird zwölf Milliarden Dollar in den Ausbau von Sotschi für die Winterspiele 2014 und die Verkehrsmittel investieren. Siemens gab Ende 2009 wiederum bekannt, für den Ausbau des Verkehrssystems in Sotschi die Züge zu liefern (Siemens liefert für Sotschi, in SZ 20.12.2009). Offizielle Mitarbeiter von Olympstroy schätzen die gesamten Kosten für den Eisenbahnausbau der Russischen Eisenbahn für Sotschi auf 8,5 Milliarden Dollar (Lee 15.6.2010).
Nachtrag März 2012: Siemens kassiert wie erwähnt auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 kräftig mit. Für das Regionalverkehrssystem, das Zuschauer und Sportler vom Schwarzen Meer zu den olympischen Wettkampfstätten bringt, liefert der Konzern neue S-Bahnen und Regionalzüge. Die fünfteiligen Züge der Marke Desiro RUS kosten bis zu elf Millionen Euro: der Siemens-Auftrag soll ein Gesamtvolumen von rund fünf Milliarden Euro haben (Koch, Klaus C., Rot und Spiele, in SZ 12.3.2012).
Es wäre doch verwunderlich, wenn DOSB-Präsident und – zumindest bis Juni 2008 enger und hochbezahlter – Siemens-Repräsentant Thomas Bach hier nicht mitvermittelt hätte: und vermutlich nicht einmal umsonst.
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Mitte 2008 gab Bach an, im Jahr 2005 bei Siemens an einem Gespräch zur Entwicklung des Marktes für Sportveranstaltungen mit allgemeinen Fragen teilgenommen zu haben. Als Siemens 2007 um ein weiteres Gespräch ersuchte, habe er abgelehnt. Er habe für den Siemens-Konzern „vertragsmäßig wichtige Beratungsleistungen zu wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen“ geleistet, sei aber nicht für das Unternehmen im Sinn von Vermittlung von Aufträgen tätig geworden: „Das gilt selbstverständlich auch für China.“
An dieser Stelle stellt sich die Frage, wofür der Industriekonzern Siemens die hohen Honorare ausgab. Oder wie es Thomas Kistner formulierte: „Und dabei griff der Konzern angeblich nicht mal auf die erstklassigen Beziehungen seines Beraters Thomas Bach zurück, der sich, wie er sagt, rigoros raushält aus derlei Geschäften“ (Kistner, Juni 2008). Für Thomas Kistner und Klaus Ott geht es hier
„um die Grundsatzfrage, ob Ehrenämter wie die beim IOC und DOSB vereinbar sind mit dem Engagement für einen Konzern, der an Aufträgen rund um den Sport verdient… Wie muss man sich das vorstellen, wenn Bach dort unterwegs ist und seine Jobs sauber auseinander halten will? Spricht er dann als IOC-Vize vor, geht zur Tür hinaus und kommt als Siemens-Mann wieder herein? Dieses Szenario sei ‚realitätsfern, lässt Bach seinen Anwalt antworten. Er trenne strikt zwischen Sport und Geschäft“ Kistner, Ott 26.4.2008).
Siemens wäre auch gern bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 in München als Sponsor dabei gewesen. Das Problem war der Konkurrent General Electric, der TOP-Sponsor des IOC ist. Immerhin wurde der Kommunikationschef von Siemens Deutschland, Toni Lösch, als Sprecher an die Bewerbungsgesellschaft „ausgeliehen“.
Bach und Arabien
Im Mai 2006 wurde Bach zum Präsidenten der Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. gewählt, und zwar auf ausdrücklichen Wunsch von Siemens, wie er im April 2008 betonte. Bach will für den Siemens-Konzernchef Einladungen aus dem arabischen Raum organisiert sowie dort Kontakte zu hochrangigen Repräsentanten von Regierungen und Parlamenten vermittelt haben. Schließlich kenne er sich als Präsident der Arabisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer dort besonders gut aus.
Im Herbst 2008 ermittelte die Sonderkommission „Amigo“ im Vorfeld des Prozesses wegen AUB gegen Schelsky. Bach hatte stets betont, trotz seines Beratervertrages strikt zwischen geschäftlichen Tätigkeiten und „ehrenamtlichen Funktionen im Sport“ getrennt zu haben. Ein Bericht in spiegelonline gibt Aufschlüsse über diese strikte Trennung:
„Eine E-Mail vom 31. Januar 2005, die Bach an den Siemens-Vorstand Rudi Lamprecht schickte, liest sich dagegen anders. Damals bemühte sich Siemens darum, Kuwait als Großinvestor zu gewinnen, und Bach meldete, sein ‚Freund und Kollege, Energieminister Scheich Ahmed al-Sabah’, sei derzeit für eine vertrauliche Anfrage zum Stand der Verhandlungen schwer erreichbar. Am 9. März meldete der IOC-Funktionär dagegen an den Siemens-Vorstand, er habe ‚die Investitionsfrage noch einmal mit dem Energieminister vertraulich besprochen’. Da Bach kein Minister und der Scheich kein Rechtsanwalt ist, ergibt sich daraus, dass Bach den Scheich bei seiner Siemens-Tätigkeit nur in einer anderen Hinsicht als Kollege angesprochen haben kann: Sabah ist Mitglied des IOC. Bach dementierte dennoch jede Verquickung ‚zwischen dem IOC-Ehrenamt’ und seiner ‚beruflichen Tätigkeit’. Es gebe aber ‚vielfältige Lebenssachverhalte, in denen sich persönliche, durch Freundschaften oder auch Ehrenämter begründete Bekanntschaften und berufliche Kreise überschneiden’“ (spiegelonline 20.9.2008).
Das IOC-Mitglied Sheik Ahmad Al-Fahad Al-Sabah war laut www.olympic.org von 2003 bis 2006 Kuwaits Energieminister und ist ab 2006 dort Verteidigungsminister, dazu IOC-Mitglied und Vorsitzender der ANOC, der Vereinigung aller 205 Nationalen Olympischen Komitees.
Das Öl-Emirat Katar bewarb sich mit seiner Hauptstadt Doha (vergeblich) um die Olympischen Sommerspiele 2016. Bei einem IOC-Wettbewerb der weltweit besten Stadien belegte Doha die Plätze zwei und drei. Die Medaillen in Silber und Bronze überreichte Thomas Bach in Doha an Sheikh Saoud bin Abdulrahman Al Thani. Die Quatar Tribune meldete dann 2008, dass Sheikh Saoud bin Abdulrahman Al Thani Mitglied der IOC Sport and Environment Commission wurde.
Das DOSB-Präsidium sah sich 2008 genötigt, eine Erklärung abzugeben: „Dem DOSB waren und sind die beruflichen Tätigkeiten von Herrn Dr. Bach ebenso bekannt wie sein Amt als Präsident der Arabisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer“ (spiegelonline 4.10.2008).
Bachs Ghorfa-Connection
Bach war im Juli 2010 nach wie vor Präsident der Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. Die Ghorfa ist ein Israel-kritische Unternehmen: Deutsche Unternehmen brauchen den Stempel der Ghorfa, welche damit versichert, dass die Produkte nicht unter israelischer Mitwirkung entstanden sind (Vgl. Kistner 26.7.2012; Weinreich 25.7.2012). Als die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon nach Bachs Verbindungen zur Ghorfa nachfragte, antwortete im Juni 2013 die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Anne-Ruth Herkes, dass die Ghorfa-Bedingungen in der EU als “Handelshemmnis” gelten: „Deutsche Handelsdokumente dürfen keine Boykott-Erklärungen in Form negativer Ursprungserklärungen enthalten“ (Hartmann 27.6.2013). Dies blieb bislang ohne Konsequenzen. “Noch immer nämlich profitiert der Bach-Verein von einer hoch umstrittenen israel-feindlichen Praxis, von der sogenannten Vorlegalisierung. Unternehmen, die in arabische Staaten exportieren, lassen sich bei der Ghorfa per Stempel bescheinigen, dass ihre Produkte keine Teile aus Israel enthalten. 2011 kassierte der Verein dafür 900 000 Euro, 43 Prozent seiner Einnahmen. Die Prüfung stammt aus den Siebzigerjahren; sie diente der Arabischen Liga als Waffe im Israel-Boykott. Inzwischen ist fraglich, ob die Stempelei überhaupt noch erforderlich ist. Viele Experten bezeichnen sie als „Abzocke“ ohne legale Basis” (Ebenda). – „Mit ihrer Unterstützung für Bach stehe die Kanzlerin, so meint jedenfalls von Cramon, ‚in der Verantwortung für die politisch und rechtlich skandalösen Geschäftspraktiken der Ghorfa'“ (Ebenda).
Grit Hartmann stellte im Juli 2013 fest, dass die Geschäfte der Ghorfa die “fundamentalen Prinzipien” des IOC gegen Diskriminierung konterkarrieren würden. “Der Stempel bestätigt, dass die Lieferanten keine Unternehmenstöchter in Israel haben und kein Teilchen ihres Produkts aus Israel kommt. Die Prüfung stammt aus den 70er-Jahren; sie diente der Arabischen Liga als Waffe im Israel-Boykott” (Hartmann 25.7.2013).
Siehe auch Nachtrag 25.
Bach und die Olympischen Jugendspiele
Zu den genannten Kosten der olympischen Jugendspiele in Singapur 2010 von 400 Millionen Dollar sagte Bach: „Ich kenne die Zahlen nicht. Und das ist auch nicht mein Thema, denn das sind Investitionen in die Zukunft der Olympischen Spiele und der olympischen Jugend. Besser kann man kaum investieren“ (Simeoni 9.8.2010).
Bach kann natürlich beim besten Willen nicht auf die Idee kommen, dass man mit den riesigen Summen öffentlicher Gelder wahrlich besseres vollbringen kann, als bestens verdienende Hochleistungs-Sportler global auf das Motto „höher, schneller, weiter“ zu trimmen, wobei die Athleten fast zwangsläufig immer häufiger mit diversen Chemikalien in Verbindung kommen und im Alter geraume Probleme mit ihrem geschundenen Körper haben. Oder leer stehende High-Tech-Sportstätten zu produzieren, die nie wieder gebraucht werden. Oder temporäre Sportstätten wie in München 2018 geplant, wo deren Anteil schon bei 30 Prozent liegt.
Bach und Dow Chemical
Zur Frage nach dem neuem Sponsor des IOC, dem Chemiekonzern Dow Chemical (dem Produzent von Agent Orange und Napalm im Vietnam-Krieg) und zu der schlechten Versorgung der Opfer der Chemiekatastrophe in Bhopal (Dow Chemical hatte den Verursacher Union Carbide übernommen) sagte Bach: „Unsere Marketingabteilung hat den Auftrag, sich vor einem Abschluss zu versichern, dass die Top-Sponsoren den Wertestandards des IOC entsprechen“ (Simeoni 9.8.2010).
Wenn die IOC-Marketingabteilung die IOC-Sponsoren überprüft: Was kann da wohl herauskommen?
Und er führt fort: „Zu glauben, dass sich 40 Jahre nach Agent Orange der Konzern Dow Chemical durch die Olympischen Ringe von einem schlechten Image befreien möchte – das halte ich für abwegig.“ (Simeoni, Evi, Interview mit Thomas Bach in faz.net 9.8.2010)
Das kann man auch so verstehen, dass nicht einmal Dow Chemical heutzutage durch die fünf in reichlich Misskredit geratenen Ringe noch einen Imagegewinn einfahren kann.
Seit längerem wird vom IOC mit den Fernsehanstalten über die Fernsehlizenzen für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 und die Olympischen Sommerspiele in Rio 2016 verhandelt. Für die wichtigsten europäischen Länder Deutschland, England, Frankreich, Spanien und Italien fallen die Rechte-Verhandlungen in den Zuständigkeitsbereich von Bach als IOC-Vizepräsident (Gehrmann 23.2.2010). Der Wirtschaftsanwalt wird diese wohl nicht ohne Honorar führen.
Bach und München 2018
Nun steht die Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2018 an, die im Juli 2011 entschieden wird. Sie sollte zunächst 30 Millionen Euro kosten, dann 47, später 37 und im Juli 2010 noch 33 Millionen. (Die Bewerbungsgesellschaft hatte zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben 22 Millionen Euro eingenommen, davon kamen bislang fast 9 Millionen von Unternehmen der Öffentlichen Hand.)
Evi Simeoni von der FAZ fragte Bach bei den Olympischen Jugendspielen in Singapur im August 2010, ob die Münchner Bewerbung ein „unangenehmes Thema“ sei. Bach antwortete: „Im Gegenteil – sehr angenehm. Es gibt so viel Positives zu berichten… Im IOC sieht man das große Bild… Und den Beitrag, den München und Garmisch-Partenkirchen leisten können für die Weiterentwicklung der Winterspiele“ (Simeoni 9.8.2010).
Sofern man die beiden Orte nach den Spielen noch wieder erkennen kann.
Und auf die Frage nach den 2000 Unterschriften gegen die Bewerbung antwortete er: „2000 Unterschriften nach zwei oder drei Wochen, von denen man nicht einmal weiß, woher die kommen., Und auf der anderen Seite 70 Prozent Zustimmung durch eine unabhängige Meinungsumfrage“ (Simeoni 9.8.2010).
Die 2000 Stimmen sind anhand der Adresse exakt nachprüfbar, ganz im Gegensatz zu den 70 Prozent: Die „unabhängige Meinungsumfrage“ wurde durch ein vom Sport-Informationsdienst regelmäßig beauftragtes Institut ermittelt, dessen Befragte zu über 70 Prozent Sportbegeisterte sind!
Anlässlich der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen sagte Bach in Richtung der dortigen Grundeigentümer: „Mehrheitsentscheidungen müssen respektiert werden, das entspricht unserer demokratischen Kultur. Man darf aber nicht erlauben, dass Einzelinteressen die Mehrheitsentscheidungen torpedieren“ (München 2018: DOSB-Präsident Bach greift „NOlympia an“, in merkur-online 13.2.2011).
Der Bach des Jahres
DOSB-Präsident Thomas Bach nutzte den Auftritt bei der Ehrung der „Sportler des Jahres“ am 18.12.2010 im ZDF und sagte vor einem Millionenpublikum, an die Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen gerichtet: „Hier muss die Mehrheit der Deutschen hinter diesen Spielen stehen. Unsere Chancen sind wirklich gut. Das lassen wir uns nicht von einzelnen kaputt machen“ (Hahn, Jörg, Verwirrende Signale, in faz.net 20.12.2010) Jörg Hahn bemerkte dazu: „Und das ZDF übertrug die forschen Worte in die Wohnzimmer“ (Ebenda).
Das ist Sport-Demokratie! Immer fiktive Mehrheiten vortäuschen, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Bach verrät seit geraumer Zeit bei seinen öffentlichen Auftritten, dass er seinem Ziehvater Juan Antonio Samaranch politisch näher steht als dem Grundgesetz.
Nach dem Brief von Rechtsanwalt Seitz an Jacques Rogge vom 23.12.2010 tat DOSB-Präsident Thomas Bach so, als bestünde nach wie vor kein Grund zur Beunruhigung. „Die IOC-Mitglieder wissen einzuschätzen, wie so etwas abläuft, und dass es für so ein Großprojekt nie 100 Prozent Zustimmung geben kann.“ Laut Bach wäre eine Enteignung der Grundstückseigner laut Gesetz möglich, aber „keine Option“. Gleichzeitig drohte er: „Natürlich haben wir Enteignungen erlebt bei anderen internationalen Bewerbungen, es wäre nichts ungewöhnliches“ (Hannemann, Hungermann, 26.12.2010).
Bachs Nichtverständnis der Situation in Garmisch-Partenkirchen ist gewollt und Teil seiner Strategie. Und dass für das IOC Enteignungen nichts Ungewöhnliches sind (Peking/China, Sotschi/Russland), lässt tief blicken!
Die Wahl des IOC-Präsidenten, bei der Bach als Nachfolger von Jacques Rogge im Rennen ist, erfolgt 2013. IOC-Präsident Rogge sagte im August 2010: „Natürlich erwartet jeder, dass er antreten wird“ (SZ 6.8.2010). Zwei deutsche Siege sind unwahrscheinlich. Bach hat nur eine Chance auf die IOC-Präsidentschaft, wenn München die Olympischen Spiele 2018 nicht erhält.
Claudio Catuogno schrieb in Zusammenhang mit den umstrittenen „Zielvereinbarungen“ in der SZ, dass der DOSB „keine vernehmbare Stimme hat, sondern den Präsidenten Thomas Bach, der am liebsten hinter
den Kulissen die Strippen zieht. Vorwiegend in eigener Sache. Transparenz hat im deutschen Sport keine Tradition“ (Catuogno 11.8.2012). Und René Hofmann schrieb dort, dass sich Bach zu München 2022 bedeckt halte: „Was er nicht sagt: Die Frage tangiert auch seine eigenen Ambitionen“. Hofmann zitiert sodann Martin Gerster, den sportpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „‚Wie Mehltau‘ liege das Thema ‚über allen wichtigen Debatten im DOSB“ (Hofmann 14.8.2012).
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Lenin
Bach, Fechter aus Tauberbischofsheim, ist seit 1991 IOC-Mitglied.
Wer wurde 2008 zweites deutsches IOC-Mitglied – bei 27,5 Mitgliedern im DOSB? Claudia Bokel, Fechterin aus Tauberbischofsheim.
Bach und das UV-Blutdoping
Im Olympiastützpunkt Erfurt wurde über lange Jahre UV-Blutdoping betrieben Erst im Januar 2012 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft seit 2011 ermittelt. Die Wada hatte umgehend bekanntgegeben, dass Blutdoping seit mindestens 2005 verboten ist (vergleiche hier).
DOSB-Präsident Thomas Bach hatte von Anfang an die Linie vorgegeben, dass das UV-Doping erst ab 2011 verboten sei. Dies wurde im April 2012 zur offiziellen Linie der Wada. Bach jubelte denn auch nach dem Einknicken der Wada: “Diese Stellungnahme schafft Klarheit… Wir hoffen, dass die Verfahren zügig zum Abschluss gebracht werden…” (spiegelonline 27.4.2012).
Es wird mit Sicherheit im Hintergrund kräftig Druck auf die Wada vom DOSB und dem für Sport zuständigen Bundesministerium des Innern, von deutschen Sportfunktionären und sportaffinen Politikern ausgeübt worden sein. Schließlich will man die hoch subventionierten Sportler bei London 2012 starten und wenn möglich siegen sehen. Wieder ist eine Schranke gefallen.
Es muss sich bei der nachträglichen Legalisierung des UV-Blutdopings eindeutig um den Einfluss deutscher Sportlobbyisten und Sportpolitiker handeln, da derzeit weltweit kein ähnlich gelagerter Fall wie Erfurt bekannt ist. Die Wada hat sich damit keinen Dienst erwiesen und ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt. Gleichzeitig kann man über den weitreichenden Arm von DOSB und ähnlichen deutschen Institutionen nur staunen.
Bach und Weißrussland
Auch bei der im deutschen Bundestag gestoppten parteiübergreifenden Bewegung gegen die Eishockey-WM 2014 beim Diktator Alexander Lukaschenko in Weißrussland sieht es stark danach aus, dass Bach interveniert hat. „In der Opposition wurde wahrgenommen, die Koalitionsfraktionen und vor allem die FDP hätten im Sinne des Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach, gehandelt, der Mitglied der FDP und zudem Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – mit angeblich weitergehenden Ambitionen – sei. Bach hatte im April vor einer Überforderung des Sports gewarnt. ‚Der Sport ist nicht in der Lage, für die Einhaltung und Umsetzung der Charta der Vereinten Nationen zu sorgen. Dies ist Aufgabe der Politik’“ (Bannas 10.5.2012).
Der Staat bezahlt den Spitzensport, der sich nicht um Demokratiefragen schert.
Vergleiche auch: Internationale Sportverbände und Diktaturen, Bach-Blüten
Bach hat einen Freund in der Ukraine
DOSB-Präsident Bach will das Finale der Fußball-EM 2012 am 1.7.2012 besuchen: „Ich habe eine Einladung von meinem Freund Sergej Bubka, der ich gern folgen möchte“ (handelsblatt.com 12.6.2012).
Anscheinend geht Bach als “Sportler” Julia Timoschenko nichts an. Und außerdem fährt er in die Ukraine, damit ihn IOC-Kollege Bubka im Herbst 2013 als IOC-Präsident wählt.
Die Ausgaben für die EM 2012 der Fußballbauten in der Ukraine stiegen auf irrwitzige 11 Milliarden Euro an und erforderten über zehn Prozent des Bruttosozialprodukts. Durch die Verfügung des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch, Bauaufträge ohne Ausschreibung an handverlesene Firmen dieses Clans zu vergeben, seien Milliarden aus den Haushaltsmittel verschwendet worden, wie Haushaltsmitglieder kritisieren (Vgl. Ashelm 9.6.2012).
Und der Sport-Gigantismus in der Ukraine soll noch weiter gehen. Der frühere Stabhochspringer und Bach-Freund Sergej Bubka ist seit 2005 Präsident des Olympischen Komitees der Ukraine und IOC-Mitglied. Bubka lebt in der Oligarchen-Hochburg Donesz, aus der auch Janukowytsch stammt. „Von 2002 bis 2006 war Bubka Abgeordneter im ukrainischen Parlament für die Partei der Regionen von Wiktor Janukowytsch. Seit dem 23. Juni 2005 ist er als Nachfolger von Janukowytsch Vorsitzender des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine. Seit 2002 ist er Vorsitzender der Athletenkommission des IOC. 2007 wurde er zum Vizepräsidenten der IAAF gewählt. Seit 2004 ist er der Präsident der Kiewer Rodovid Bank, deren Haupteigentümer er auch sein soll. Sein Vermögen wird auf 350 Mio. $ geschätzt” (Wikipedia).
Bubka will nach dem “Erfolg der Euro 2012″ auch Olympische Winterspiele in die Ukraine holen: “Die Ukraine ist beim olympischen Sport ein starkes Land… Vergangenes Jahr sagte unser Präsident Janukowitsch, dass die Zukunft in den Karpaten liege, weil wir einen Schub für den Wintersport brauchen. Wir brauchen die Infrastruktur. Wir sind stark im olympischen Sommersport, aber im Winter? In der Vergangenheit waren wir kein Wintersport-Land” (O’Connor 15.6.2012).
Wenn Bubka wirklich die olympischen Heuschrecken in die Ukraine holt, wäre der nächste zweistellige – und sinnlos investierte – Milliardenbetrag in dem armen Land fällig. Und die Oligarchen in dem totalitären Staat würden die nächsten Milliardenschiebungen machen.
Über Intransparenz und Zielvereinbarungen
Thomas Kistner sieht im Zusammenhang mit den Medaillenregelungen durch Zielvorgaben als zentrales Problem DOSB-Präsident Bach selbst: “Der deutsche Sport braucht eine offene Debatte. also genau das, was Thomas Bach nicht gebrauchen kann. Denn seine Uhr tickt. In zwölf Monaten will der DOSB-Boss den Thron des Internationalen Olympischen Komitees besteigen, was im IOC nur einer nicht bestätigt: er selbst (Kistner 26.9.2012). Für Kistner ist Bach “ein Vollzeitfunktionär mit enger Anbindung an die Golfregion. Genaueres über seinen Broterwerb leuchtet nur selten auf… Vielleicht ist es ja nur Zufall, dass das nationale Funktionärstum unter Bachs anfangs diskreter Regie an galoppierendem Qualitätsschwund leidet” (Ebenda).
Jens Weinreich stellte angesichts der Verhinderung von Anti-Doping-Maßnahmen auf der DOSB-Mitgliederversammlung am 8. Dezember 2012 fest: „Auch das ist ein Problem des Sports: Privatinteressen von Figuren wie Bach, der in der Grauzone von Wirtschaft und Politik beheimatet ist, stets in Skandalnähe agiert und als Lobbyist ein fürstliches Auskommen genießt, sind seit je dominant“ (Weinreich 17.12.2012).
Die Wahl der Sportler des Jahres oder Die Wahl des DOSB-Präsidenten des Jahres 2012
Eigentlich wurden die Sportler des Jahres in Baden-Baden gewählt. Vielleicht hätte besser auch ein neuer DOSB-Präsident gewählt werden sollen. Kurzer Bericht von Boris Herrmann aus dem Kurhaus:
“DOSB-Präsident Thomas Bach fasste das Jahr mit einer rhetorischen Frage zusammen: ‘Sportlerherz, was willst du mehr?’ Wenn man die Reaktionen der rund 800 Gäste im Saal zum Maßstab nimmt, dann könnte man schlussfolgern: Viele Sportlerherzen könnten sich zum Beispiel einen besseren Chef vorstellen. Als sich Bach zur Begrüßung erhob, bekam er nicht einmal Anstandsapplaus. Seltsam still war es auch, als er es hinsichtlich seiner Ambitionen, im kommenden Jahr IOC-Präsident zu werden, mit dem Spruch versuchte: ‘Schau’ mer mal’“(Herrmann 18.12.2012).
Bach und Lance Armstrong
Der frühere Radrennfahrer Lance Armstrong gestand im Januar 2013 bei Oprah Winfrey Minimales zu seinem Doping: Er benannte keine Hintermänner, beleuchtete nicht die Rolle des Weltradsportverbandes UCI und der IOC-Mitglieder Hein Verbruggen und Pat McQuaid. Bach stellte umgehend fest, dass es nach Armstrongs TV-Beichte „keine Ansätze für neue Maßnahmen gegen den Radsport generell gibt“ (Ahrens 18.1.2013).
Zur im Juli 2012 gerichtlich verfügten Veröffentlichung der „Zielvorgaben“ vergleiche unter: Deutscher Olympischer Geheimbund
Zur DOSB-Mitgliederversammlung am 8.12.2012 vergleiche: Die Reihen fast geschlossen
Zur Dopingproblematik: Der Dopingexperte des DOSB
Das “Bach-Dilemma”
Tritt DOSB-Präsident als IOC-Präsident an oder nicht? Darauf ist seit Jahren die gesamte deutsche Sportpolitik zugeschnitten – und deshalb werden (hoffentlich) die deutschen Sportverbände unwirsch. “Falls Bach, der offiziell noch mauert in der Frage, ob er um den IOC-Thron kandidiert, scheitert, wäre eine deutsche Beteiligung höchstwahrscheinlich. Andernfalls nicht – es sei denn, es bliebe beim globalen Desinteresse. dann könnte München womöglich ja dem IOC des neuen Präsidenten aus der Patsche helfen” (Burgener, Kistner 4.3.2013).
Der Bach-Vesper-DOSB funktioniert so: “Denn die Sportpolitik in diesem Land bestimmt, von der Ablehnung harter Anti-Doping-Gesetze bis zur Olympia-Bewerbung, allein der Deutsche Olympische Sportbund. Und im DOSB hat einer das Sagen: Präsident Thomas Bach. Stramm eskortiert von seinem General Michael Vesper, der Bach beerben könnte, so wird in hohen Verbandskreisen besorgt geraunt” (Kistner 6.3.2013).
Und warum wehren sich die hohen Verbandskreise nicht endlich? Weil das Bundesberliner Füllhorn insgesamt pro Jahr rund 250 Millionen Steuergelder für den Spitzensport aufbringt, die dann vom Bach-Vesper-DOSB relativ freihängig verteilt werden. Und wer hier in Ungnade fällt, hat finanziell nichts mehr zu lachen.
Bach bewirbt sich um das Amt des IOC-Präsidenten
Bach hat am 9.5.2013 seine Kandidatur für das Amt des IOC-Präsidenten bekanntgegeben.
Wer hätte das gedacht…
His Master’s Voice: Vesper huldigteBach kurz vor der Wahl im September 2013 mit den Worten, dieser Mann habe Olympia „in der DNA“ (Kistner, Gertz 9.9.2013).
„Die Botschaft des DOSB, verlesen von Generaldirektor Michael Vesper, lautete, Bachs Kandidatur sei eine Kandidatur im nationalen Interesse“ (Weinreich, Jens, Bach will an die IOC-Spitze, in berliner-zeitung.de 10.5.2013; Hervorhebung WZ).
Da fragt man sich doch sofort, ob man nicht umgehend seine Staatsbürgerschaft zurückgeben soll. Immerhin hat die Bundesregierung das „nationale Interesse“ (noch) nicht bestätigt.
„Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) steht für eine Null-Toleranz-Politik im Anti-Doping-Kampf…“ (Bach bestätigt Kandidatur als IOC-Präsident, in Münchner Merkur 10.5.2013).
Leider ist das Gegenteil der Fall: Der Bach-Vesper-DOSB verteidigt bis heute vehement den Besitz an „geringen Mengen Dopingmittel“ der Athleten.
Anlässlich der Kandidatur von Bach schrieb Jens Weinreich: „Das Erbe Dasslers wirkt nach, jedenfalls in personeller Hinsicht. In Fifa-Präsident Joseph Blatter, einst bester Kumpel Dasslers – und eben in Dasslers ehemaligem Adlatus Thomas Bach. Bach will als Mitglied der sportpolitischen Abteilung von Adidas, wo er Mitte der achtziger Jahre unter Dassler als Direktor fungierte, nie etwas mitbekommen haben von den unsauberen Geschäften, vom flächendeckenden Geben und Nehmen. Und Bach hat auch seit Dasslers Tod im Jahr 1987 alle Klippen erfolgreich umschifft, etwa wenn seine fürstlich dotierten Geheimverträge mit Wirtschaftskonzernen (Holzmann, Siemens) publik und in Frage gestellt wurden. Bach prägte dazu den wunderbaren Begriff der „vielfältigen Lebenssachverhalte“ (Weinreich 10.5.2013).
Und eine kurze Zwischenbilanz zu Bach von Thomas Kistner: „Im Deutschen Olympischen Sportbund, dem er präsidiert, regt sich Unmut über sein auf Kontrolle und Gehorsam gegründetes Regiment. Dass es kein nationales Anti-Doping-Gesetz gibt, fällt ebenso auf Bach zurück wie die Versteckspiele um deutsche Medaillenziele, die erst ein Gerichtsbeschluss zutage förderte“ (Kistner 10.5.2013; Hervorhebung WZ).
Nachtrag Mai 2013 – ein Beitrag von Thomas Kistner:„Mit Bach verbindet mancher eher die Ära des Rogge-Vorgängers Juan Antonio Samaranch. Auch ist es der dort geübte Führungsstil, der heute im Flurfunk des seit 2006 von Bach regierten DOSB beraunt wird. Kritik an dem von Bach und seinem General, dem Grünen-Politiker Michael Vesper, kontrollierten Verbandswesen fand jüngst Eingang in einen Beitrag des NDR-Magazins Zapp : Vorgeführt wurde eine restriktive Medienarbeit. Stramme Kontrolle herrschte auch im IOC, bis 2001 Rogge kam und jene Kommunikationsagenturen ausmistete, die Samaranchs Getreuen zugearbeitet und schwarze Listen über kritische Journalisten erstellt hatten“ (Rückkehr der alten Lager, in SZ 18.5.2013).
Nachtrag Juni 2013: „Anything but Bach“
IOC-Präsidentschaftswahl: Jens Weinreich konstatierte Ende Juni 2013, dass der Widerstand gegen die Kandidatur von Thomas Bach wächst. „Dabei schien es vor wenigen Monaten, als sei die Sache vorentschieden. Als sei Thomas Bach quasi konkurrenzlos. Viele Mitglieder befürchteten, sie hätten in Buenos Aires nur noch abzunicken. Manchen hat das nicht gefallen. Spätestens im Herbst 2012 begannen einige Mitglieder im Hintergrund an Alternativen zu arbeiten. Und nun, im Wahlsommer, geht ein Raunen um in der Szene. IOC-Mitglieder, Verbandspräsidenten, einflussreiche NOK-Vertreter, Spindoktoren und Lobbyisten flüstern sich grinsend und beinahe konspirativ ein Kürzel zu: ‚ABB‘. Zitieren lassen mochte sich bisher niemand. ABB – das Akronym steht für: anything but Bach. Alles außer Bach“ (Weinreich, Jens, Das konspirative Kürzel, in berliner-zeitung.de 25.6.2013). Auch die übergroße Nähe zum kuwaitischen „Königsmacher“ Scheich Ahmed Al-Sabah kommt nicht gut an: „Der Präsidentschaftskandidat Oswald hat kürzlich angemerkt, was der Scheich treibe, entspreche nicht seinem Demokratieverständnis. Al-Sabahs Parteinahme für Bach würde gegen mindestens drei Regeln verstoßen, die von der IOC-Ethikkommission für diesen Wahlkampf aufgestellt wurden“ (Ebenda).
IOC-Präsident Jacques Rogge soll selbst zwei der sechs Kandidaten zur Kandidatur ermuntert haben. Und die alte Hausmacht von Bach aus den Zeiten des damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch schwand langsam dahin: „39 der aktuell 100 IOC-Mitglieder wurden in Rogges Präsidentschaft aufgenommen“ (Ebenda).
Nachtrag Juli 2013: Siemens in Brasilien: tango corrupti.
Bericht von Peter Burghardt und Klaus Ott in der SZ am 16.7.2013: “Der Konzern hat bei der brasilianischen Wettbewerbsbehörde Cade Selbstanzeige wegen Kartellabsprachen bei Bau und Wartung von U-Bahnen und Zügen in São Paulo und Brasília erstattet. Bei sechs öffentlichen Ausschreibungen sollen die Konzerne Bombardier aus Kanada, CAF aus Spanien, Mitsui aus Japan und eben Siemens ihre Angebote und Preise ausgemauschelt haben. Das betrifft Geschäfte von mehreren Hundert Millionen Euro. Insider berichten von offenbar ‘nachweisbaren Absprachen’ und ‘großen Summen’. Siemens sagt dazu nur, man sei über die Untersuchungen von Cade informiert und kooperiere ‘vollumfänglich mit den Behörden’. Das mea culpa aus München kommt reichlich spät. Die Causa reicht zurück bis ins Jahr 2008, in dem Siemens erste Hinweise auf Verstöße erhalten hatte. Später hatten sich brasilianische Lokalpolitiker sowie ein früherer Siemens-Mitarbeiter wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen an heimische Staatsanwälte gewandt. Die wiederum fragten auch bei Siemens an, was es damit auf sich habe. Lange Zeit kam dabei nichts heraus, weil der Konzern angeblich nicht fündig wurde. Später folgte die Selbstanzeige… Bereits im Juni 2008 hatte Siemens sehr konkrete Hinweise auf schmutzige Machenschaften in São Paulo bekommen. Bei der von Siemens für solche Fälle eingeschalteten Anwaltskanzlei Beckstein in Nürnberg ging ein Brief aus Brasilien ein, in dem ein dortiger Abgeordneter auf fünf eng beschriebenen Seiten ganz genau schilderte, wie Siemens mit anderen Konzernen bei großen Nahverkehrsprojekten alles abgesprochen haben soll. Und das angeblich garniert mit Schmiergeld für Regierungsmitglieder und Behördenvertreter… Es geht, unter anderem, um die neue Metro-Linie 5 in São Paulo. Um neue Züge, um Wartungsverträge und um einiges mehr. Alles sehr teuer, alles sehr profitabel für jene, die den Zuschlag erhalten. Alles sehr peinlich, sollte sich erweisen, dass die beteiligten Konzerne sich an Brasiliens Bürgern bereichert hätten. Ach ja, auch die in dem Schreiben von 2008 genannten Konzerne sind größtenteils identisch mit jenen, die heute Gegenstand der Kartelluntersuchung sind” (Burghardt, Peter, Ott, Klaus, Ausgerechnet Siemens, in SZ 16.7.2013).
Siemens musste wegen diverser Schmiergeldaffären 2007 über eine Milliarde Euro Strafe zahlen und wechselte nahezu alle Vorstandsmitglieder aus. Peter Löscher wurde der neuer Siemens-Vorstandsvorsitzender und damit neuer Saubermann. Wirklich?
Von 2008 bis 2010 herrschte Funkstille im großen Siemens-Konzern, auch nach neuen Hinweisen auf schmutzige Deals in Brasilien im Herbst 2010: “Aber auch dann ohne Ergebnis. Wollte Siemens vielleicht gar nicht wissen, was in Brasilien geschah, weil das aufstrebende Land in Südamerika den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 erhalten hatte? Solche Großereignisse gehen einher mit Großinvestitionen in Stadien, Verkehr, Telekommunikation und anderen Infrastruktur-Projekten, die Milliardenbeträge kosten. Und bei denen meist sehr viele Aufträge für Siemens anfallen, weil der von München aus global agierende Industriekonzern genau auf solche Vorhaben spezialisiert ist. Da liegt der Verdacht nahe, dass Siemens die Auftrags-Aquisation in Brasilien nicht mit peinlichen Untersuchen belasten wollte… Die jetzigen Kartell-Ermittlungen kommen für die meisten der davon betroffenen Konzerne zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Brasilien plant eine Hochgeschwindigkeitsstrecke von São Paulo nach Rio de Janeiro. Um das neue Megaprojekt mit modernsten Schnellzügen bewerben sich gleich mehrere der Unternehmen, die den Staat beim öffentlichen Nahverkehr ausgenommen haben sollen.” (Ebenda: Hervorhebung WZ).
Zuerst der öffentliche brasilianische Nahverkehr plus dies und das, dann der Fernverkehr etc.: Die Siemens-Katze lässt das Mausen nicht. Arme Brasilianer!
Nachtrag August 2013: Zur Studie „Doping in Deutschland“
Klaus Kleber interviewt Thomas Bach im HeuteJournal, 5.8.2013.
Kleber: „Das kann doch nicht sein, dass Sie in all der Zeit vom Ausmaß dieser Betrügereien, wie wir das heute nennen würden, keine Kenntnis bekommen haben“
Bach: „“Schon als Athlet, ich war ja selbst Mitglied der Olympiamannschaft 1976, war für uns in Fechterkreisen das Thema Doping kein Thema…“
Kleber: „Nie davon gehört?“
Bach: „In unseren Kreisen war das wirklich kein Thema. Wir haben dann hinterher aus Zeitungen und aus vielen anderen Quellen dann natürlich immer Einzelstücke erfahren…“ (Hervorhebung WZ)
Wegen dieser Aussageb von Bach stellte Heidi Schüller diesen an den Pranger. Die frühere Leichtathletin (sprach den Athleteneid 1972 in München) zur Bachs Unkenntnis über Doping: „Bach ist für mich eindeutig der falsche Mann am falschen Platz. Zum Thema Doping muss er mehr gewusst haben, als er zugibt. Damals wurde überall darüber gesprochen… Als Funktionär muss er das ja so darstellen. Das hat damals in München jeder mitbekommen, der es wollte. Da wurde darüber geredet. Thomas Bach hat aber eine Funktionärskarriere eingeschlagen, da muss man angepasst sein und sich auf der Schleimspur bewegen, wenn man nach oben kommen will“ (Schüller stellt Bach an den Pranger, in Münchner Merkur 7.8.2013).
Nachtrag 2, August 2013: Bachs Anwalt schreibt wieder einen Brief
Achim Muth von der Mainpost stellte Bach Fragen zu “Doping in Deutschland”, zu Bachs Unkenntnis jeglicher Dopingvorgänge in seiner Zeit als aktiver Fechter und seiner Verbindung zum Tauberbischofsheimer Fechttrainer Emil Beck, der wiederum enge Verbindungen zu den Freiburgern Reindell und Keul sowie DDR-Trainern hatte. Thomas Bach ließ seinen Anwalt Christian Schertz antworten, der umgehend mit rechtlichen Schritten drohte. Muth: “Eine Presseanfrage wird mit einem anwaltlichen Verfahrenskürzel beantwortet, statt Antworten wird gemauert und gedroht. Nach einer langen Einleitung mit vielen Worten wie ‘Verdachtsberichterstattung’. ‘Mandant’, ‘Berichterstattungsanlass’ schreibt Scherz schließlich: ‘Zu Ihren Fragen kann festgestellt werden, dass sich hier jegliche Verbindung zu Ihrem Mandanten in einem etwaigen Bericht verbietet” (Muth, Achim, Das Schweigen des Thomas Bach, in mainpost.de 29.8.2013). Ähnliches schrieb Schertz auch der Journalistin Grit Hartmann (aufgrund des Artikels „Schwierige Mentalität“ in berliner-zeitung.de 13.8.2013), vergleiche hier bei Jens Weinreich. Der Presseanwalt der Mainpost, Johannes Weberling, schrieb: “Das offenbar hinter dem Vorgehen von Herrn Bach stehende Verständnis des Grundrechts der Pressefreiheit in einer freien Gesellschaft hat mich regelrecht erschreckt” (Muth 29.8.2013).
Kleiner Baustein aus der Sportdemokratur…
Nachtrag 3, September 2013: Bach im Spiegel: „Er sagt, dass er seine sportlichen Ehrenämter und sein berufliches Engagement strikt voneinander trenne. Dennoch geriet sein Name in die Nähe der Skandale um Siemens und die Sportmarketingfirma ISL. Sein Ruf wurde von kompliziert klingenden Institutionen wie der Compliance-Abteilung der Firma Siemens und dem Corporate-Governance-Beauftragten des DOSB gerettet. Liest man deren Erklärungen, hat man nicht das Gefühl, dass Thomas Bach unschuldig ist, sondern dass man ihm nichts nachweisen kann“ (Osang, Alexander, Der Strohmann, in Der Spiegel 36/2.9.2013).
Nachtrag 4, Buenos Aires: Neuer IOC-Präsident aus Deuts