© Text: Sylvia Hamberger und Axel Doering, Gesellschaft für ökologische Forschung
Zweiter Versuch: München 2022? Nein danke!
Die Olympischen Wettkämpfe 2018 sollten wegen des vermeintlichen Vorteils einer „kompakten Bewerbung“ an drei Orten stattfinden: in München („Eis-Park“), in Königssee (Bob, Rodeln und Skeleton) und in Garmisch-Partenkirchen („Schnee-Park“) – Gut Schwaiganger, von OB Ude heute als „einzig wirklichen Schwachpunkt des alten Konzeptes“ bezeichnet, wurde zu Garmisch-Partenkirchen gezählt.
Das Haupt- und Landesgestüt Schwaiganger bei Ohlstadt war als „temporärer Wettkampfort“ für das „Nordische Zentrum München 2018“ vorgesehen. Die Wettkampfstätten für Biathlon und Langlauf sind in den Planungen für „München 2022“ in die „Endurance & Sliding Zone Chiemgau-Königssee“ verlegt worden – Königssee zählt jetzt zum Chiemgau.
Die gute Nachricht: Schwaiganger bleibt von Olympia verschont.
Die anderen Orte wie Garmisch-Partenkirchen, Ruhpolding, Inzell und Königssee aber nicht.
Deshalb: Nein zu „München 2022“
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Hier sollten die Olympischen Disziplinen im Langlauf und Biathlon stattfinden. Die Geschichte von Schwaiganger Die Geschichte von Schwaiganger reicht bis ins Jahr 955 zurück. Darüber gibt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft Auskunft: Seit mehr als 1000 Jahren werden hier Pferde gehalten. Zunächst in adeligem Besitz, ging das Gestüt 1493 an das Kloster Schlehdorf über. Von 1780 bis 1790 war Schwaiganger die Sommerresidenz der Herzogin Maria Anna, einer Schwester von Kurfürst Max III. Dafür wurde das Gestüt herrschaftlich ausgebaut. Von 1808 bis 1918 baute das Militär die Stallungen aus und hatte hier seinen Fohlenhof und Remontedepot. 1920 übernahm der bayerische Staat das Gestüt. Seit 2004 ist Schwaiganger das Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).
Heute stehen etwa 400 Pferde in Schwaiganger – vor allem für seine Kaltblut-, Warmblut- und Haflingerzucht ist Schwaiganger bekannt. Berufliche Weiterbildung und Turniere runden die Aktivitäten ab (Quelle: LfL.de). Die meisten Gebäude von Schwaiganger stehen unter Denkmalschutz – und sind z.T. dringend renovierungsbedürftig. Diese Renovierung, der der bayerische Staat nachkommen müsste, wird nun mit den Planungen für das „Nordische Zentrum“ für die Olympischen Winterspiele gekoppelt. Kommt der Zuschlag, wird renoviert – während man damit gleichzeitig das einmalige Gelände in wunderschöner Landschaft banalisieren und demolieren würde. Lage von Schwaiganger Schwaiganger bei Ohlstadt liegt auf 660 m ü. NN in sonniger Lage und ist schon jetzt die meiste Winterzeit schneefrei. Olympische Planungen Zwei getrennte Stadien für Langlauf und für Biathlon mit den jeweiligen Loipentrassen, Tribünen, Zuschauerbereichen und – wegen, Parkplatzflächen, Zufahrten, Rettungswegen, Sicherheitszäunen, Gebäuden für Medien, Organisation, Sportler und Logistik sollen in die wunderschöne Landschaft gebaut werden. Im Biathlonbereich kommt noch der Schießstand dazu. Man erwartet pro Tag bis zu 22.000 Besucher beim Biathlon und will dafür 7000 Sitz- und 15.000 Stehplätze bereit halten. Für die Langlauf-Wettbewerbe rechnet man mit ca. 20.000 Tageszuschauern auf 4000 Sitz- und 16.000 Stehplätzen (Sperber, Michaela, 1.10.2010). Nach den bisherigen Planungen ist vorgesehen, diese zwei neuen Sportstätten mit Zubehör nur für die Olympischen Winterspiele 2018 zu bauen und nach den Spielen wieder abzureißen. Auch die Installationen für die künstliche Beschneiung beider Stadien- und Loipenanlagen mit Gebäuden für Pumpen und Kühltürme etc. sind temporär geplant. Zur Sicherheit, dass genügend Schnee vorhanden ist: Wegen der tiefen Lage Schwaigangers und dem Klimawandel kann mit natürlichem Schnee nicht gerechnet werden. Deshalb muss künstlich beschneit werden. In Schwaiganger sind bisher weder Sportstätten noch Beschneianlagen vorhanden. Für die Beschneiung der Langlauf- und Biathlon-Loipen und Sportstätten sollen insgesamt ca. 10 Kilometer Wasserleitungen für 21 Schneekanonen temporär ins Erdreich eingegraben und nach den Spielen wieder ausgegraben werden. 27 Millionen Euro sollen die Sportanlagen in Schwaiganger kosten, davon werden 25 Millionen nur für den temporären Ausbau veranschlagt: Für 12 Veranstaltungstage im Langlauf/Nordische Kombination und für sieben Veranstaltungstage im Biathlon (Sperber, Michaela, 1.10.2010). Die langwierige Suche nach geeigneten Orten für diese Wettkampfstätten zeigt die Problematik von München 2018 auf. Die Dimensionen Olympischer Winterspiele sind für alpine Gebirgstäler und das bayerische Oberland zu groß.
Alle zuerst „ins Auge gefassten“ Planungsgebiete – wie Klais, Kaltenbrunn und Barmsee – scheiterten daran, dass hier wertvolle Naturschutz- und FFH-Gebiete zerstört worden wären. Die Bewerber wichen dann nach Oberammergau aus. Aber auch dort hatte man kein Glück: Grundbesitzer und Bürger haben sich gegen die Bebauung ihrer Wiesen mit Loipen und Stadien ausgesprochen. Deshalb hat man Schwaiganger „aus dem Hut gezaubert“, denn hier erwartet man keinen Widerstand: Das Gut Schwaiganger gehört dem Freistaat Bayern und somit der öffentlichen Hand. Der bayerische Staat hätte die Aufgabe, dieses alte und wertvolle Kulturgut in einmaliger Landschaft zu erhalten und zu schützen. In Artikel 1 des Bayerischen Naturschutzgesetzes steht unter Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege: „Aus der Verantwortung des Menschen für die natürlichen Lebensgrundlagen, auch für die künftigen Generationen, sind Natur und Landschaft auf Grund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen des Menschen im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass… die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind.“
„Der Erschließung der Landschaft folgt ihr Verschleiß“ (Christoph Sening)
Das Kapital dieser Region ist ihre einmalige Landschaft, geformt von mehreren Eiszeiten und Zwischeneiszeiten und letztlich gestaltet durch das Würmhochglazial vor 20.000 Jahren.
Die Aussagen der Bewerbungsgesellschaft: „Es ist selbstverständlich keine fachschutzrechtlichen Landschaftsbestandteile oder Schutzgebiete in Anspruch genommen“ klingt wie ein Hohn. In fast jedem anderen Bundesland wäre diese Landschaft als Ganzes geschützt. Aber muss man wirklich alle möglichen Schutzkategorien über eine Landschaft legen, nur um sie vor Banalisierung und „Erschließung“ zu schützen? Legitimiert sich der geplante Eingriff allein durch den Begriff „Temporär? Nein! Denn hier offenbart sich ein erschreckend mangelndes Verständnis für den Wert dieser Landschaft. Die Planungen für das „Nordische Zentrum“ in Oberammergau sind gescheitert, weil die Grundbesitzer und die Bevölkerung unverhältnismäßig große Eingriffe in die Natur befürchtet haben. Für Schwaiganger werden diese geplanten Eingriffe herunter gespielt. In der alten Kulturlandschaft wären permanente Wintersportanlagen in dieser Größenordnung unfassbar. Deshalb versucht man, die “nur temporären” Eingriffe klein zu reden: Mit einer „nur temporären Inanspruchnahme von Flächen im Bereich des Gestüts Schwaiganger bei Ohlstadt werden dauerhafte Eingriffe in Natur und Ökosysteme minimiert““ (S. 26). Allein die Trassenführung für die Loipen mit der vorgeschriebenen harten und breiten Terrassierung des Geländes spricht gegen Schwaiganger. Temporär – das Gegenteil von Nachhaltig Die Bewerber für München 2018 haben weder Oberstdorf noch die neue Chiemgau-Arena in Ruhpolding einbezogen. Oberstdorf bestritt die Nordischen Ski-WM 2005 (verschuldete sich dabei bis heute mit 63 Millionen Euro) und will sich nach der FIS-Absage für die WM 2013 wieder für eine Nordische Ski-WM bewerben. Sportstätten und Langlauf-Loipen sind vorhanden. In Ruhpolding findet die Biathlon-WM 2012 statt. Dafür wurde die Chiemgau-Arena für mindestens 16 Millionen Euro ausgebaut: Die Dimensionen der Baustelle machen deutlich, was Schwaiganger bevorstehen könnte. Die Flächenvorgaben hat allein die Internationale Biathlon Union bestimmt – der Austragungsort musste sich für den WM-Zuschlag daran halten. Für diesen Um- und Ausbau wurde sogar der Antrag auf Befreiung von der Naturschutzverordnung „Östliche Chiemgauer Alpen“ bewilligt, sprich: Für benötigte Flächen wurde das Naturschutzrecht außer Kraft gesetzt. Im vorliegenden Bewerbungs-Konzept „München 2018“ werden diese existierenden teuren WM- und olympiatauglichen Sportanlagen bewusst ignoriert – zugunsten eines sogenannten „kompakten Zwei-Park-Konzeptes“. Schwaiganger wird hier zum „Schnee-Park“ Garmisch-Partenkirchen gezählt. Die Planungen missachten ganz offensichtlich ihre eigenen immer wieder postulierten „stärksten“ Bewerbungsargumente: Zum einen brüstet man sich damit, die Sportstätten würden zum größten Teil schon existieren. Und zum anderen sollen dort, wo man neu bauen will, die Investitionen über 2018 hinaus „einer sinnvollen nacholympischen Nutzung“ dienen und die Grundlage „für eine einzigartige nachhaltige Entwicklung“ bilden. Allein in Schwaiganger wären über 33 Hektar intakter Landschaft von temporär gebauten Sportanlagen, Loipen und „Funktionsflächen“ betroffen. Diese 33 Hektar würden durch Bebauung und/oder Planierung substantiell verändert werden. Aber bleibt es bei den genannten 33 Hektar? Immerhin ist man in Oberammergau von 64 ha für die Olympische Biathlon- und Langlauf-Anlagen ausgegangen. Laut Umweltkonzept vom 20.09.2010 soll für diesen Bereich in Schwaiganger insgesamt eine Fläche von 33,2 ha beansprucht werden. Aber damit sind lediglich die unmittelbar für die Stadien, die Loipen und den Schießstand benötigten Flächen im Umfang von 11,3 ha sowie ca. 22 ha Funktionsflächen enthalten. Die vom Sicherheitszaun umschlossene Fläche beträgt jedoch 118,6 ha. Das Haupt- und Landgestüt Schwaiganger umfasst insgesamt ein Gelände von ca. 390 ha. Das Nordische Zentrum würde demnach knapp 1/3 der gesamten Gestütsfläche beanspruchen.
Es geht hier aber nicht nur um Schwaiganger kontra Ruhpolding und Oberstdorf, sondern um diese vollmundig angekündigte „Nachhaltigkeit“ der Bewerbung München 2018.
Wenn man die permanenten Langlauf-Anlagen in Oberstdorf und die neugebaute Chiemgau-Arena in Ruhpolding nicht nutzt und im Gegenzug temporäre Anlagen in der gleichen Größenordnung zum sofortigen Abriss nach dem kurzen Olympia-Event hinstellen will, dann hat das nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Im Gegenteil: Das ist ein Beispiel für Verschwendung. Aber das kann man weder vor den Bürgern im Lande noch vor der Weltöffentlichkeit sagen. Denn damit würden die Dimensionen olympischer Winterspiele, die nicht ohne Winter, Berge und Täler auskommen, in Zeiten zunehmender Umweltsensibilität und beschleunigtem Klimawandel zu einem Existenzproblem werden. Damit müsste die Frage nach der Verantwortung und der Legitimität solcher Veranstaltungen neu gestellt werden. Genau dies soll aber vermieden werden, denn diese Dimensionen sind das Geschäftsmodell des IOC und aller Bewerber, die sich von diesem Geschäftsmodell vor allem symbolische Vorteile erhoffen. Der Stellenwert der Nachhaltigkeitsargumente in Bewerbungen für olympische Winterspiele ist nichts anderes, als die Verantwortungslosigkeit von Sportgroßveranstaltungen dieser Größenordnung in dafür denkbar ungeeigneten Naturräumen vor einer kritischen Öffentlichkeit zu verbergen. Minimierte Eingriffe ?? Mit einer „nur temporären Inanspruchnahme von Flächen im Bereich des Gestüts Schwaiganger bei Ohlstadt werden dauerhafte Eingriffe in Natur und Ökosysteme minimiert“ (S. 26). Wer die Baustelle in der Chiemgau-Arena in Ruhpolding gesehen hat, weiß, was Schwaiganger drohen könnte. Auch in den Antragsunterlagen zur Chiemgau-Arena in Ruhpolding findet man den „Minimal“-Begriff: „Die erforderlichen Streckenverbreiterungen werden unter Berücksichtigung des minimalen Eingriffs in die Umgebung … geplant“ (BG Trauntal, 28.08.2009/fett: SH).
33 Hektar entsprechen der Größe von 46 Fußballfeldern!
Bekommt München 2018 den Zuschlag, gelten in Schwaiganger ausschließlich die IOC-Vorgaben für Stadien- und Tribünengrößen, für Loipentrassen in Breite, Länge und Streckenprofilen, für Beschneiungsanlagen und für Medieninfrastruktur, für Sicherheitsmaßnahmen und Katastrophenschutz, für die Olympic Familiy, für Personal und Zuschauerbereiche.
– Dafür müsste man diese Landschaft mit Hügeln, Wiesen und Weiden – im wahrsten Sinne – platt machen, d.h. abgraben und aufschütten, terrassieren, planieren und begradigen. Von der charakteristisch modulierten Landschaft wird, nachdem sie zum Material und zur Manövriermasse „sportlicher“ Ansprüche geworden ist, nichts mehr bleiben.
– Bergwald müsste gerodet werden. „Die Loipentrassen im Bereich des Waldes wurden soweit möglich auf bestehende Wege und Rückegassen gelegt, wobei in Anhängigkeit der Feinplanung eine teilweise Verbreiterung notwendig sein könnte. Auf drei Abschnitten sind linienhafte Rodungen des Waldbestandes … notwendig“ (S. 43). Die durchschnittliche Breite der Waldwege entspricht nicht den Wettkampf-Anforderungen. Diese Loipenanforderungen werden mit bis zu 9 Metern Breite angegeben. Wird das reichen? In der Chiemgau-Arena handelt es sich um Wettkampf- und Trainingsloipen. Mit Niveau-Angleichungen werden Ausbaubreiten von bis zu 20 Meter erreicht, um für den Loipenanstieg auf die vorgeschriebene Breite von 12 Metern zu kommen. Beschneileitungen und Zapfstellen liegen neben diesen eigentlichen Loipen am gerodeten Waldrand. Das graue Band in der Mitte ist keine geteerte oder asphaltierte Fläche. Man hat Asphaltsplit als Loipenunterlage verwendet. Dieses Material gilt als „keine Befestigung der Trasse“, wie es in den Planungs-Auflagen vorgeschrieben war.
– Auch das Gelände in Schwaiganger müsste für die Beschneileitungen und Zapfstellen aufgegraben werden: „Nur eine fest installierte Beschneiungsanlage ist technisch in der Lage, innerhalb einer vorgegebenen Zeit von 65 h die Strecke mit ausreichend Schnee (50 cm Mächtigkeit) zu belegen“. Dabei handelt es sich um ein 7,6 km langes Leitungsnetz. Über eine weitere 1,75 km lange Leitung soll die Loisach als Wasserspender angezapft werden (S. 43).
– Die Kühlung des Beschneiwassers gilt inzwischen als „unabdingbar“. Umfangreiche Anlagen mit Hauptpumpen, Leitungen und Kühltürmen wären auch in Schwaiganger erforderlich. – Der Energieverbrauch für die Olympische Grundbeschneiung der Nordischen Loipen wird mit 50 cm Kunstschnee und ca. 65.000 kWh angesetzt. Hinzu kommt die „Nachbeschneiung“in etwa gleicher Höhe – und dies alles für 17 Tage.
– Biotope würden – so heißt es in den Planungsunterlagen wörtlich – „tangiert“: „An einigen Stellen tangiert das Leitungsnetz geschützte Biotope“ (S. 43). Was bleibt nach der „Tangierung“ von einem „tangierten“ Biotop noch übrig? Und welche Beeinträchtigungen für die bestehenden Biotope folgen auf die großflächigen Umbauten der direkt angrenzenden Wiesen (Trockenlegungen u.a.)? Auch hier kann der Ausbau der Chiemgau-Arena als abschreckendes Beispiel dienen: „Die Anlage … tangiert das Naturschutzgebiet ‚östliche Chiemgauer Alpen’…“ (BG Trauntal, 28.08.2009). Dafür wurde das Naturschutzgesetz außer Kraft gesetzt. Waldbäume werden zur „Dekoration“ einer Sportanlage.
– In Schwaiganger würde man neben den Loipen auch Stadien und Parkplätze sowie andere „Funktionsflächen“ benötigen. Diese Linde steht auf Wiesen im Planungsbereich für „Funktionsflächen“.
Bisherige Resultate auf temporär genutzten Wiesenflächen z.B. an den Garmischer Skiliften können nicht auf die Dimensionen Olympischer Spiele übertragen werden. Der Boden muss fest gefroren sein und wird dann auf kleiner Fläche mit teuren Matten und verdichtetem Schnee befestigt. Falls der Boden nicht gefroren ist, muss man auf andere und bereits befestigte Parkplätze ausweichen – die Wiesen sind dafür zu empfindlich. Wie sollen diese Voraussetzungen für Olympische Winterspielen 2018 gegeben sein? Kein Planer will warten, ob der Boden im Februar und März 2018 tief gefroren ist. Das Haupt-Problem: der Klimawandel – mit unsicheren Schnee- und Frostlagen. Deshalb wird man auch die Olympischen „Funktionsflächen“ teurer, aufwendiger und mit mehr Eingriffen in Bodenstruktur und Landschaft bauen müssen, damit sie bei jedem Wetter und bei jeden Bodenverhältnissen befahrbar sind. Nur so ließe sich der große Flächenanspruch für Parkplätze etc sicher bewältigen. Temporär – nicht nur in Schwaiganger Nicht nur die „Nordischen“ Anlagen (Biathlon, Langlauf und ev. Nordische Kombination) in Schwaiganger sollen temporär gebaut werden. Kommt die „Nordische Kombination“ mit Skispringen und Langlauf doch ganz nach Garmisch-Partenkirchen, muss hier neben einer neuen Schanze noch ein weiteres umfangreiches und künstlich beschneites Loipennetz entstehen. „Schnee-Park“ Garmisch-Partenkirchen Im „Schnee-Park“ Garmisch-Partenkirchen soll ein großer Anteil temporär gebaut werden: – Olympia-Skistadion: „In der Umgebung des Olympia-Skistadions sind Funktionsflächen im Umfang von ca. 11 ha vorgesehen, von denen ein Großteil auf landwirtschaftlichen Flächen (5,4 ha) und auf bestehendem Parkraum (3,8 ha) liegt“ (S. 34). – Hausberg: Im Zielbereich ist der Bau einer temporären Tribüne für 14.000 Zuschauer vorgesehen. Neben umfangreichen Erdarbeiten ist hier auch die Rodung des angrenzenden Waldbestandes (0,2 ha) erforderlich. Der gesamte Hang ist als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Als temporäre Funktionsflächen in einem Umfang von ingesamt 12 ha sind neben vorhandenen Parkplätzen „angrenzende landwirtschaftlich genutzte Flächen vorgesehen“ (S. 37). – Die geplante temporäre Halfpipe für die Snowboarder soll auf einem Grund gebaut werden, den die Eigentümer auf keine Fall hergeben wollen. Die Brisanz: Schon für die Bewerbung Olympischer Winterspiele 1940 war die Familie enteignet worden. – Kandahar: Im Zielbereich der Abfahrt werden Funktionsflächen von ca. 10 ha benötigt – davon „5,8 ha landwirtschaftlich genutzte Freiflächen. Im Ziel soll eine temporäre Tribüne für 18.000 Zuschauer gebaut werden“ (S. 40) – Olympisches Dorf im Schnee-Park: Neben den bestehenden Gebäuden wird „ein Großteil der Infrastruktur des Olympischen Dorfes temporär errichtet. Als Unterkunft für die Athleten werden Modulbauten verwendet, die nach den Spielen wieder abgebaut werden“ (S. 46). Für andere Zwecke werden weitere Flächen benötigt: Ingesamt sollen hier 16,9 ha temporär genutzt werden (Tabelle 13, S. 46). – Die Planungen für die Medienunterbringungen sind noch nicht abgeschlossen. Dabei wird aber auch ein hoher Anteil temporärer Nutzungen erwartet (Container an der Kaserne Murnau, Funktionsflächen etc). – Park&Ride-Plätze im Loisachtal: Die Verhandlungen über 6000 – oder 16.000? die Angaben varriieren stark in den Bewerbungsveröffentlichungen – Park&Ride-Plätze im Loisachtal beginnen gerade. Die Busparkplätze sind in der Nähe der Sportanlagen geplant. Kunsteisbahn Königssee Am Königssee sind alle Funktionsflächen und ein Teil der Zufahrtsverbreiterungen temporär geplant: Auch hier ist Bergwald gefährdet. 3 ha Funktionsflächen sollen „überwiegend auf landwirtschaftlich genutzten Freiflächen“ liegen. „Eis-Park“ München Das Eisschnelllaufzentrum soll auf dem Gelände der ZHS mit Funktionsflächen temporär entstehen. Das Tollwood-Gelände – 10 ha – soll temporär als Funktionsfläche dienen. „Die bestehende Bebauung ist vollständig überplant, die Folgenutzung als Wohngebiet wird nur ca. 6,6 ha beanspruchen … Auf einer Fläche von ca. 6,5 ha werden temporär Gebäude errichtet“ (S. 32). Auf dem Gelände der heutigen Bundeswehrbauten, die ebenso wie ein bestehendes Wohnhaus, abgerissen werden müssten, sind im heute frei zugänglichen Bundeswehrgelände über 2600 Bäume von Abholzung und Bauschäden bedroht: vor allem für temporäre Bauten und Funktionsflächen. Flächenbilanz Wie sieht die gesamte Flächenbilanz aus? „Bei rund einem Viertel der genutzten Fläche handelt es sich um bestehende Infrastruktur … Eine Neubebauung findet … nur im Bereich von bereits bebauten Flächen statt, auf ca. 16 ha Gesamtfläche. Die darüber hinaus genutzte Fläche wird nur temporär für die Olympischen und Paralympischen Spiele genutzt“ (S. 55). Werden sämtliche Nutzungen der Wettkampfstätten und Olympischen Dörfer zusammengefasst, so ergibt sich eine genutzte Gesamtfläche – permanent und temporär – von rund 211 ha. Nach der „Flächenbilanzierung Sportstätten, Funktionsflächen und Olympische Dörfer, bezogen auf bisherige Flächennutzung (Stand Juli 2010)“ ergibt sich aus Tabelle 19, dass für „Temporäre Flächennutzung und Infrastruktur“ 140 ha – das entspricht 66 % – temporär genutzt werden soll – bezogen auf die Gesamtnutzung von 211 ha (S. 55). Beispiel: Wieviele Wiesen und Weiden sind vom temporären Eingriff betroffen? Die Frage lässt sich so leicht nicht beantworten, denn die Auswertung der Tabellen und Grafiken im „Umweltkonzept“ der Bewerbung München 2018 birgt Probleme: Man hat ein mühsam zu durchdringendes Verwirrspiel farbiger Kategorisierungen und inkonsequenter Begrifflichkeiten vor sich. Absicht? Zu große Eile? Unvermögen? Die Gründe erschließen sich nicht. Rekonstruiert man die Daten der temporär genutzten „landwirtschaftlichen Flächen“, kommt man zum Ergebnis, dass ein halber Quadratkilometer „landwirtschaftlich genutzte Flächen“ im Bereich der olympischen Sportstätten und des olympischen Dorfes (Schnee-Park) temporär genutzt werden soll. Nicht dabei sind tausende Park&Ride-Plätze außerhalb der Sportstätten im Loisachtal und rund um Schwaiganger. Bei den „landwirtschaftlich genutzten Flächen“ handelt es sich um Wiesen und Weiden, die „temporär“ verschwinden – und dann „mindestens gleichwertig … zur Verfügung gestellt werden“ sollen (DOSB 16.11.2010). Was heißt da „mindestens gleichwertig“, wenn im gleichen Schreiben behauptet wird, in Schwaiganger würden keine! „naturnahen Flächen verbraucht“. Sind die hier abgebildeten Wiesen in Schwaiganger etwa nicht naturnah?? Heißt „renaturieren“ nur: die gleiche Ertragskraft auf planierten Flächen erzielen? Temporär – und danach? Was wird mit temporären Gebäuden und Flächen nach den Olympischen Winterspielen? Die Gebäude sollen abgerissen, Wiesen und Landschaft „in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden“.
Der Begriff „ursprünglicher Zustand“ zieht sich durch alle Planungen und Bewerberaussagen hindurch. Ist das Naivität der Bewerber oder irreführende Absicht?
Selbst für die temporär benötigten Parkplatzflächen kann das nicht gelten. Nach den schwerwiegenden Eingriffen in Schwaiganger, aber auch in Garmisch-Partenkirchen, im Loisachtal, am Königssee und in München ist es völlig unmöglich, Natur und Landschaft in ihren „ursprünglichen“ Zustand zurückzuversetzen. Solche Eingriffe auf artenreichen Wiesen und Bauarbeiten in endeiszeitlichen Hügellandschaften, Feuchtflächen, Bergwald und altem Baumbestand und entlang geschützter Biotope lassen sich nicht rückbauen. Obwohl in den Bewerbungsunterlagen von der Wiederherstellung des „ursprüngliche Zustandes“ phantasiert wird, ist offenbar selbst den Olympia-Planern nicht klar, wie das gehen soll: „Eine besondere Herausforderung sind Regeneration und Wiederherstellung der temporär genutzten landwirtschaftlichen Nutzflächen“ (S. 54). Unter dem irreführenden Oberbegriff „Leitprojekte zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ heißt es in dem zum „Leitprojekt temporäre Flächennutzung“ hochstilisierten Plan: „Hier sollen vorab entsprechende Verfahren zur Wiederherstellung und Begrünung entwickelt werden“ (S.127). Von gerodeten Bergwäldern, gefällten Parkbäumen und von „tangierten“ Biotopen ist hier keine Rede mehr. Die sind von den Planern bereits aufgegeben. Für die Wiesen geht es noch um Versuch oder Irrtum: Die Verfahren zur Regeneration müssen erst noch entwickelt werden, und man weiß nicht, wie die Ergebnisse – die Wiesen und Weiden – danach aussehen werden. Trotzdem spricht bei der Bewerbung München 2018 vollmundig von „Nachhaltig Grünen Spielen“und vom „Olympischen Erbe“. Man fragt sich unwillkürlich, wie weit man die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ eigentlich noch verbiegen kann? „Olympisches Erbe“? Sind in einem Erbfall zu viele Schulden und Nachteile zu erwarten, kann man das Erbe ausschlagen. Das Olympische Erbe birgt solche Schulden und Nachteile – für die Natur und Landschaft, für die Bauern und Grundbesitzer, für die Finanzen, für die Menschen im Oberland und in München. Auch für die Glaubwürdigkeit birgt diese Erbe große Defizite. In der Pflicht steht vor allem München. Die Stadt München könnte und müsste dieses Olympische Erbe ausschlagen. Denn sie trägt die Verantwortung für „München 2018“: permanent und nachhaltig. Quellen und Zitate: BG Trauntal, Chiemgau Arena Ruhpolding, Umbau und Erweiterung für die Biathlon-WM 2012, Antrag auf Ausnahmengenehmigung der Naturschutzverordnung für das Naturschutzgebiet „östliche Chiemgauer Alpen“, Ruhpolding, 28.8.2009 DOSB-Antwort vom 16.11.2010 auf den Antrag von Ludwig Hartmann zur BDK von Bündnis 90/Die Grünen Sperber, Michaela, Sportstätten kosten 27 Millionen Euro, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 1.10.2010. Die Seitenzahlen und übrigen Zitate aus: Konzept für umweltverträgliche und nachhaltige Olympische und Paralympische Winterspiele München 2018, Version 2.0 vom 20.9.2010 Vergleiche auch: https://www.nolympia.de/kritisches-olympisches-lexikon/olympisches-erbe/