© Text: Sylvia Hamberger, Axel Doering und Wolfgang Zängl, Gesellschaft für ökologische Forschung
Hören Sie sich doch einmal die Schneekanone an:
Zweiter Versuch: München 2022 ? Nein danke !
Woher sollen der Schnee und das Wasser für die Schneewettbewerbe 2022 kommen?
2022 – das bedeutet NEUN weitere Jahre im Klimawandel
Mit der Vertragsunterzeichnung für 2022 verpflichten sich die Austragungsorte, die Zusagen für die „Schneesicherheit“ um jeden Preis und mit allen Mitteln einzuhalten.
Die bayerischen Skigebiete, die von „München 2022“ betroffen wären, liegen niedrig – z.B. die Kandahar-Pisten auf 700 bis 1700 m NHN. Bereits heute sind sie nicht mehr „schneesicher“ (s. u. zur WM 2011).
· Ski alpin mit Abfahrt, Riesenslalom, Slalom, Super-G, Super-Kombination sind für 2002 auf der Kandahar geplant.
· In der Konzeptstudie München 2022 heißt es dazu: „Die Sportstätte Kandahar wurde anlässlich der FIS Alpine Ski WM 2011 modernisiert und erfüllt dementsprechend die aktuellen FIS-Anforderungen für die Austragung Olympischer und Paralympischer Winterspiele“.
· Es geht aber nicht um die „aktuellen FIS-Anforderungen“, sondern um Planungen für 2022!! Ihre Auswirkungen werden von den Verfassern der „Konzeptstudie“ wohlweislich verschwiegen.
2022 – das sind ELF Jahre nach der WM 2011
· 2022 ist die Kandahar (2009 bis 2022) 13 Jahre alt.
· Wer soll glauben, dass die Kandahar- und andere WM-Pisten (wie Hornabfahrt, Drehabfahrt, Gudiberg) in NEUN Jahren – 2022 – mit den heutigen Beschneiungsanlagen noch Olympischen Anforderungen genügen?
· Olympische Winterspiele sind die größte Wintersportveranstaltung der Welt. Schneesicherheit muss dafür um jeden Preis garantiert werden.
· Man muss davon ausgehen, dass dafür weitere großflächige Ausbauten für neue Beschneisysteme und neue Techniken sowie weitere Speicherbecken notwendig wären – falls die Beschneiung in neun Jahren überhaupt noch klappt.
Deshalb NEIN zu München 2022
Dies ist unser Text zu „München 2018“ und der schwierigen Kunstschneebeschaffung für die WM 2011:
Schneesicherheit als Grundvoraussetzung Olympischer Winterspiele.
Die Häufung wärmerer Winter und eine Vielzahl extremer Wetterereignisse – wie längere Trocken- und Wärmeperioden auch im Winter oder Starkniederschläge – stellen bereits eine ernste Gefahr für die Schneesicherheit in den Skigebieten der Alpen dar:
Das hat sich zuletzt bei der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen deutlich gezeigt:
Im Februar 2011 lag keine geschlossene Schneedecke mehr. Die Präparation der WM-Piste gelang nur mit großen Mengen an Kunstschnee, mit Pistenvereisung und nächtlicher Dauerpräparation, denn es war für die Jahreszeit viel zu warm.
Die Vision von „Grünen Spielen“ könnte so eine ganz andere Bedeutung bekommen.
In Bayern (und alpenweit) gibt es einen eindeutigen Trend zu schneeärmeren Wintern, kürzer andauernder Schneebedeckungen und geringen Schneehöhen. Die Ski-Pisten von Garmisch-Partenkirchen liegen nur im Bereich zwischen 740 m ü.NHN bis 1650 m ü.NHN. Aber sogar höhere Lagen sind vom Klimawandel betroffen – und nicht mehr schneesicher.
Deshalb kommt die „Schneesicherheit“ schon heute fast ausschließlich aus der Maschine.
Die Durchführung von Wintersport-Großveranstaltungen ist nur noch mit hohem Energie-, Wasser- und Landschaftsverbrauch möglich.
Für die Bewerbung zu den Olympiaschen Winterspielen 2018 gibt es die Vorgabe, dass alle Skiwettkampfstätten in Garmisch-Partenkirchen und Schwaiganger künstlich beschneit werden müssen.
Die neue Skisprungschanze am Gudiberg in Garmisch-Partenkirchen wird künstlich gekühlt und „Schneegarantie“ heißt: Beschneiungsanlagen in allen Höhenstufen.
Die Ökobilanz von Beschneiungsanlagen und ihrer Zusatzinstallationen ist negativ – wenig bekannt ist das tatsächliche hohe Ausmaß von Energie- und Wasserverbrauch, wie von Landschaftszerstörung und Lärmbelästigung.
( BN-Hintergrundpapier 2007: „Der künstliche Winter“, Doering/Hamberger/Margraf und „Wasserbedarf“)
Wasserverbrauch:
Für die Grundbeschneiung von 1 ha Piste werden mindestens eine Million Liter bzw. 1.000 Kubikmeter Wasser benötigt. Als Grundbeschneiung geht man von einer Schneeauflage von etwa 30 cm aus. Die sogenannten „Nachbeschneiungen“ der gleichen Fläche (1 ha) erfordern zusätzliche ein bis zwei Millionen Liter Wasser.
Trotz zweier Speicherseen reicht das Wasser nicht für die gleichzeitige Beschneiung der Kandahar-Wettkampfpisten und des normalen Skibetrieb aus. Der Gesamtwasserbedarf für die Grund- und Nachbeschneiung beträgt etwa 170.000 m3.
Ein Drittel gehen schon während der Beschneiung durch Verwehungen und Verdunstung verloren.
Energieverbrauch und CO2-Emissionen:
Der durchschnittliche Energieverbrauch für die Grundbeschneiung von 1 Hektar beträgt 10.000 – 15.000 kWh. Daraus haben wir die CO2-Emissionen berechnet: Im heutigen bundesdeutschen Strommix werden bei 1 kWh etwa 600 g CO2 emittiert (Quellen: A. Friedrich et. al: Der Beitrag des Elektroautos zum Klimaschutz, Nov. 2009/ UBA 2005: 616 g CO2 pro kWh).
Das heißt, dass für einen Hektar Kunstschnee über 7 Tonnen CO2 erzeugt werden!
Im Vergleich: Ein Mittelklasse-PKW setzt diese Menge an CO2 (bei 140g /km) auf ca. 50.000 km frei!
Hinzu kommen die Emissionen durch die Pistenraupen. Eine Pistenraupenstunde setzt bei einem Verbrauch von 25 l Diesel/Std 66 kg CO2 frei. Im Laufe eine Skisaison fallen pro ha beschneiter Fläche ca. 80 Planierstunden an. Das entspricht einem CO2--Ausstoß von 5 Tonnen. Je wärmer es wird, umso höher liegt der Präparationsaufwand für eine Piste.
Rechnet man dies zusammen, werden für einen Hektar präparierte Kunstschnee-Piste mehr als 12 Tonnen CO2 freigesetzt.
Die beschneiten Flächen im Classic-Skigebiet haben sich im Gefolge der Ausbauten für die WM 2011 auf ca. 70 ha ausgeweitet. Der Energieverbrauch im gesamten Classic-Skigebiet beträgt schon heute im Mittel pro Saison etwa 900.000 kWh – mehr als das 3-fache der gesamten solaren Stromerzeugung von Garmisch-Partenkirchen im Jahr 2006.
Berechnet nach dem bundesdeutschen Strommix emittieren die Beschneiungsanlagen im Classic-Skigebiet mehr als 540 Tonnen CO2 pro Saison.
Nimmt man die Präparierung und Planierung mit einem Ausstoß von 350 Tonnen CO2 hinzu, kommt man pro Saison auf 890 Tonnen CO2-Ausstoß für Beschneiung und Präparierung !
Der künstliche Schnee setzt bei seiner energieintensiven Erzeugung also jenes CO2 frei, das als klimawirksames Gas den Anstieg der globalen Temperatur verursacht und zur Folge hat, dass der natürliche Schnee in tieferen Lagen ausbleibt.
Die künstliche Beschneiung fördert die Illusion von weitgehender Machbarkeit, aber dieses Konzept gerät schnell an seine Grenzen.
Geldverbrauch:
Infolge des Klimawandels sind gerade die Beschneiungssysteme mit ihrer Infrastruktur nur kurzfristig wirksame, aber langfristig teure und weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltige Investitionen.
Die Kosten für eine Schneekanone liegen zwischen 29.000 – 35.000 Euro. Das ist pro Schneekanone mehr, als der Erlös einer Sozialwohnung in Garmisch-Partenkirchen beim Verkauf 2007 erbrachte. Diese wurden wegen der hohen Investitionen in den Skizirkus verkauft.
Im Classic-Skigebiet von Garmisch-Partenkirchen werden bereits etwa 90 Kanonen eingesetzt.
Es ist wahrscheinlich, dass bei der Beschneiungstechnik mit einem massiven weiteren Ausbau für die Olympischen Winterspiele 2018 zu rechnen ist.
Die Folgen starker Temperaturschwankungen durch den Klimawandel:
Für Ski-Wettkämpfe im Februar 2007 importierte man den fehlenden (Kunst-) Schnee auf LKWs aus dem Wipptal am Brenner und verteilte ihn mit Hubschraubern im Pisten- und Zielbereich der Kandahar in Garmisch-Partenkirche – so wie jetzt in Vancouver.
Für die heimische Kunstschneeproduktion war es zu warm.
Mit einer Bewerbung und dem Zuschlag für olympische Winterspiele 2018 verpflichten sich die Austragungsorte, die Zusagen – auch für die „Schneesicherheit“ – um jeden Preis einzuhalten.
Neue Beschneiungssysteme:
Schnee bei 30 Grad plus verspricht ein neues Beschneiungssystem, das im Herbst 2009 im Tiroler Pitztal installiert wurde. Als „Wunderwaffe aus dem Nahen Osten“ bezeichnete „Welt-Online“ den in Israel entwickelten „Snowmaker“. Über ein Vakuum wird Kunstschnee erzeugt. Allerdings ist dieser Schneeerzeuger immobil – das zwölf Meter hohe Monstrum wiegt 30 Tonnen und hat ca. 1,5 Mio Euro gekostet. Der „Schnee“ muss mit Raupenfahrzeugen auf der Piste ausgebracht werden. Die Technik kommt eigentlich aus der Meeresentsalzung, wurde aber auch zur Kühlung von Bergwerksstollen in Südafrika eingesetzt. Die Folgen dieser neuen Techniken für Natur- und Wasserhaushalt, Energie- und Ressourcenverbrauch sind noch nicht abzuschätzen.
Snomax:
Zusätze zur Herstellung von Schnee – wie SNOMAX – sind bisher in Bayern verboten. Bei diesem Verfahren werden dem Beschneiwasser die Bakterien Pseudomonas syringae beigemischt – die meisten davon abgetötet . So soll der Gefrierpunkt des Wassers erhöht und eine Beschneiung bis ca. 5 Grad plus ermöglicht werden. Aber sowohl lebende als auch tote Keime bleiben im Kunstschnee und im Frühjahrs-Schmelzwasser zurück. Die vermuteten Folgen auf Fauna, Flora und menschliche Gesundheit haben bisher zum Verbot in Bayern geführt.
Aber bleibt dieses sinnvolle Verbot auch dann bestehen, wenn es für die herkömmliche Beschneiung im Februar 2018 zu warm sein sollte?
Die entscheidenden Fragen lauten:
Wie ist die künstliche Beschneiung und der dafür notwendige Energie- , Wasser- und Landschaftsverbrauch vereinbar mit der Vorgabe, die olympischen Winterspiele 2018 besonders „klimaneutral“, nachhaltig“ und „ökologisch beispielhaft“ durchzuführen?
Eine mehrjährige Nachnutzung der (olympischen) Winterportanlagen wird wegen der mangelnden Schneesicherheit unkalkulierbar und unwahrscheinlich. Infolge des Klimawandels wird es dort in naher Zukunft auch für technisch erzeugten Schnee zu warm sein.
Schneeferner
Die geplante Beschneiung – mit Schneiteich – am Zugspitzgletscher zeigt die Absicht, „in die Höhe“ zu bauen. Obwohl es bisher nicht in die Olympia-Machbarkeit einbezogen wurde, ergibt sich mit dem Ausbau am nördlichen Schneeferner die Möglichkeit, in die Hochlagen auszuweichen.
Im Jahr 2018 wird das Gletscherskigebiet sogar in dieser Höhe weder eis- noch schneesicher sein. Nach Prognosen der Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wird (auch) der nördliche Schneeferner bei anhaltendem Gletscherschwund in spätestens 15 Jahren völlig verschwunden sein. Werden die nächsten Sommer aber heißer und trockener – und treten Extremsommer wie 2003 auf -, könnte die Zugspitze bereits früher gletscherfrei sein. Dann wäre auch die Wasserversorgung für die Beschneiung nicht mehr gewährleistet.
Mit Plänen für den Zugspitzgletschers würden sich Eingriffe in sensible Hochlagen ausdehnen. Die Bauarbeiten am Gletscher für die Beschneiung der Anlagen und den Beschneiteich, ein weiterer Ausbau der Abfahrten und eine Erweiterung der Transportkapazitäten der Zugspitzbahnen sind in diesen empfindlichen Höhenlagen besonders kritisch zu sehen und mit der Alpenkonvention nicht zu vereinbaren.
Der geplante Ausbau der Zugspitze erinnert an die Ski-WM 1978. Bereits damals wurde auf der Zugspitze eine Ausweich-Abfahrtsstrecke angelegt (und dafür sogar die Grenze der Zone C, also der absoluten Ruhezone, des Bayerischen Alpenplans verlegt). Für eine Durchführung der Abfahrten bei den Olympischen Winterspielen wären jedoch die Transportkapazitäten der auf die Zugspitze führenden Bahnen zu gering. Aber es gibt Pläne, die Kapazität zu erhöhen: Für 30 Mio. € soll eine neue Bahn auf die Zugspitze gebaut werden.