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Juni 2010

Oberammergau vor dem Bürgerbegehren

Ende Mai 2010 hatte sich der Widerstand in Oberammergau organisiert. Nolympia brachte eine Postkarte mit dem Ortsbild von Oberammergau und dem einschraffierten Loipenraum plus technische Flächen auf der Romanshöhe heraus, die großes Interesse fand.

Am 9.6.2010 fand eine Veranstaltung „Nein zu Olympia 2018“ im katholischen Pfarrsaal statt. Veranstalter waren die Landtagsfraktion der Grünen und Nolympia. MdL Ludwig Hartmann. Korbinian Freier aus Oberammergau informierte über entstehende Probleme für den Ort. Andreas Keller berichtete über die drohende Verkehrsentwicklung. Axel Doering warnte vor den jahrelangen Belästigungen durch Staub, Dreck und Lärm, der die Sommertouristen vertreiben würde.

Willi Rehberg aus Salzburg berichtete unter dem Titel „Mythos und Wirklichkeit“ über die Bewerbungen Salzburgs für die Jahre 2006, 2010 und 2014. Die Süddeutsche Zeitung und andere Zeitungen bildeten die Postkarte von Nolympia mit der schraffierten Fläche für Loipen und Pisten ab. (Riedel, Katja, Ein Apostel predigt gegen Olympia, in SZ 11.6.2010; Hoffmann, Nadja, Boykott der Bauern oder Bürgerbegehren, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 11.6.2010)

Im Oberammergauer Gemeinderat war das Mini Bid Book mit 19 zu einer Gegenstimme angenommen worden. Bürgermeister Nunn verbreitete Optimismus und lobte die Unterstützung durch die bayerische Staatsregierung: „Bei der Einweihung des Bürgerbüros hat Ministerpräsident Seehofer Olympia und die Passion sehr deutlich miteinander verknüpft.“ Nunn räumte ein, dass für die 14 Tage der Spiele in Oberammergau der Ausnahmezustand herrschen würde. Ein Zuschauer entgegnete: „Der Ausnahmezustand dauert dann schon fünf Jahre.“

Mitte Juni 2010 formierte sich die Bürgerinitiative für das Bürgerbegehren mit der Frage: „Sind Sie dafür, dass Oberammergau alle Planungen hinsichtlich Olympia 2018 auf dem Gemeindegebiet sofort einstellt, damit unsere einmalige Landschaft in ihrem derzeitigen Zustand weitgehend erhalten bleibt?“

Der Vertrag

188 Eigentümer von Oberammergau sollten einen Vertrag unterschreiben, der äußerst viele Punkte offen ließ und der am 23.6.2010 in Anwesenheit folgernder Offizieller vorgestellt werden sollte:

– Carl von Butler, Rechtsdirektor des Bayerischen Bauernverbandes (BBV);

– der vom BBV benannte Sprecher der Landwirte, Klement Fend;

– Bernhard Schwank, Geschäftsführer München 2018;

– Matthias Schöner bzw. Michael Vogt, Büro Speer & Partner;

– 1. Bürgermeister Arno Nunn und Andreas Eitzenberger von der Gemeindeverwaltung.

Die Landwirte sollten ihre Flurstücksnummern und Pachtverhältnisse parat haben. Bürgermeister Nunn machte im Anschreiben deutlich, „dass es darum geht, das Vorhaben Olympia 2018 gemeinsam anzugehen und die bestehenden Aufgaben gemeinsam zu lösen“.

Es war keine Rede davon, das Vorhaben grundsätzlich infrage zu stellen.

Einige Punkte aus dem Vertrag:

– Nutzungszeitraum ist 1.4.2016 bis 31.7.2018.

Das ist zum Vorteil von München 2018, da der Landwirt in Wirklichkeit drei volle Jahre kein Heu einfahren kann.

– Das vorgesehene Gestattungsentgelt je m2 und Jahr (GaP in Klammern) war für Oberammergau:

0,4 Euro (0,5 Euro) Parkplätze

0,7 Euro (0,8 Euro) Wettkampfstätten

1,4 Euro (1,5 Euro) Stadien, temporäre Bauten, Verbindungsstraßen etc.

Das entspricht in etwa den üblichen Pachtgebühren: Dafür, dass Grund und Boden in diesem Fall weitgehend zerstört werden, sind die Summen nicht eben hoch!

– „Das Grundstück ist nach Abschluss der Olympischen Spiele unverzüglich wieder ordnungsgemäß zu rekultivieren. Dabei sind Unterboden und Mutterboden entsprechend der Situation vor den Winterspielen aufzubringen.“

Nun ist eine Voralpenwiese mit 65 verschiedenen Blumen kein Auto, das nach einem Unfall instand gesetzt und neu lackiert wird. Und ein Quellgebiet, wie es auf der Romanshöhe einige gibt, ist überhaupt nicht mehr wiederherzustellen.

Die „Erklärung der Bayerischen Staatsregierung zum Abschluss von Gestaltungsverträgen zwischen Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH und Eigentümern bzw. Bewirtschaftern landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Landkreis Garmisch-Partenkirchen“ wurde am 18.5.2010 von Horst Seehofer unterzeichnet.

Wieder einmal: Es ist schwer verständlich, warum sich die bayerische Staatsregierung zum Büttel der Bewerbungsgesellschaft machen lässt.

– „Etwa vorübergehend beseitigte Stadel sind entsprechend dem ursprünglichen Zustand am jeweiligen Ort wieder aufzubauen.“

Die ehrwürdigen jahrhundertealten Stadel sollen ab- und aufgebaut werden wie ein Carport! Legoland ist überall.

– „Soweit Stadel baufällig sind und nicht mehr genutzt werden können, scheidet eine Wiedererrichtung nach diesen Grundsätzen aus.“

Da hat der Landwirt eben Pech gehabt.

Position der Gemeinde:

„Die Olympischen Winterspiele sind eine Gelegenheit, unseren durch die Passionsspiele weltbekannten Ort auf der ganzen Welt bekannt zu machen.

Wenn Oberammergau „weltbekannt“ ist, warum muss man ihn durch Olympische Winterspiele „auf der ganzen Welt bekannt machen“?

„Die Olympischen Winterspiele 2018 sind eine ideale Plattform, weltweit auf die Passionsspiele 2020 aufmerksam zu machen.“

Vor 2018 werden kaum noch Touristen zur Baustellenbesichtigung Oberammergau kommen. Und die Skirennläufer und Biathleten kommen sicher gern zwei Jahre nach 2018 zu den Passionsspielen!

„Der Gemeinderat sieht die Möglichkeiten der Entwicklung und hat dabei mögliche Risiken nicht aus den Augen verloren.“

Der Gemeinderat hat viele Risiken aus dem Auge verloren, unter anderem das Risiko, dass seine Bürger, die er vertreten soll, nicht dafür sind, was sich zwei Wochen später herausstellen wird.

(Quelle: Gestattungsvertrag zwischen Bewerbungsgesellschaft München 2018 und Grundstückseigentümer, Oberammergau, Juni 2010; vgl. auch Riedel, Katja, 50 Cent für Parkplätze, in sueddeutsche.de 23.6.2010)

Bürgerbegehren Oberammergau

Am 24. Juni 2010 teilte Korbinian Freier Bürgermeister Nunn mit, dass die Bürgerinitiative „Zum Erhalt unserer Landschaft“ ein Bürgerbegehren auf den Weg bringen will. MdL Ludwig Hartmann und die GrünenFraktion im Landtag unterstützten das Bündnis.

400 Unterschriften waren nötig. Die Frage des Bürgerbegehrens wäre in diesem Fall: „Sind Sie dafür, dass Oberammergau sofort alle Planungen einstellt werden, die dazu dienen, Olympische Winterspiele 2018 auf dem Gemeindegebiet abzuhalten?“ (Kemnitzer, Sebastian, Rebellion in Oberammergau, in taz.de 25.6.2010; )

Die Bewerbungsgesellschaft ruderte umgehend am 25.6.2010 zurück. „Oberammergau ist nicht der einzig mögliche Austragungsort“, meinte die Pressesprecherin Mühlhäuser. (Olympia 2018: Oberammergau auf der Kippe, in merkur-online 25.6.2010) Jürgen Bühl (München 2018) betonte, dass die Bewerbungsgesellschaft Anfang Juli eine Entscheidung „völlig unabhängig“ vom Bürgerbegehren treffen werde und ergänzte arrogant: „Das interessiert uns nicht.“

Der Bürgermeister von Krün (der Ort war anfangs ebenfalls für Biathlon und Langlauf im Gespräch, dann aus Gründen des Naturschutzes ausgeschieden) sagte: „Wenn ich sehe, welche Aufstände es in Oberammergau gibt, bin ich aber nicht traurig, dass wir eine Absage bekommen haben.“ (Lode, Silke, Riedel, Katja, Plan B, in SZ 26.6.2010)

Der mutige Bürgermeister von Bodenmais/Bayerischer Wald, Michael Adam, bot Ende Juni 2010 an, dass seine Gemeinde jederzeit für Oberammergau einspringen könne. (Landshuter Zeitung 29.6.2010)

Garmisch-Partenkirchen

Auch in Garmisch-Partenkirchen wurde im Juni 2010 über ein Bürgerbegehren nachgedacht: etwa 1680 Stimmen sind hierzu nötig. Ein juristisches Problem stellte die Form der Fragestellung dar. Die CSU-Fraktion im Gemeinderat hatte bereits ein Ratsbegehren beantragt, das mehrheitlich abgelehnt worden war, angeblich, weil es dazu zu spät sei.

Bürgermeister Schmid „kann sich indes keine Fragestellung für ein Begehren vorstellen, die die Bewerbung noch stoppen könnte. Zu weit sei sie fortgeschritten.“ (Holzapfel, Matthias, Eine „bayerische Institution“ zur Unterstützung, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 1.6.2010)

Das ist eine juristisch unhaltbare Behauptung und damit eine zielgerichtete Fehlinformation.

Außerdem monierte Schmid: „Die Diskussion wird von außen nach Garmisch-Partenkirchen getragen.“

Auch das wird sich in den nächsten Wochen beim Kampf der Bauern und Grundbesitzer als Irrtum herausstellen.

Am 2. Juni 2010 informierte Schmids Pressesprecher Florian Nöbauer die Gemeindräte: „Mangels Tagesordnungspunkten fällt die Sitzung des Marktgemeinderates am 9. Juni 2010 aus. Die nächste Sitzung findet am Dienstag, den 6. Juli 2010 statt.“

Angesichts der unzähligen anstehenden Probleme hat Bürgermeister Schmid beschlossen, lieber nicht tagen zu lassen. Demokratie sieht anders aus.

Mitte Juni gab Schmid zu bedenken: „Die Frage ist: Können wir es uns leisten, es nicht zu machen?“ (Bürzle, Marcus, Olympia in Garmisch: Die Ecken der Ringe, in Augsburger Allgemeine 17.6.2010; Gegen Olympia 2018, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 28.5.2010; Lory, Roland, Bürger sollen entscheiden, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 28.5.2010; Stöckerl, Eva. Zeitdruck: Bald Gespräche mit Bauern, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 29.5.2010; Holzapfel, Matthias, Olympia ja oder nein: So einfach ist es nicht, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 31.5.2010)

Am 22.6. schrieb die CSU-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Koch einen Brief „München 2018 – Zwischenbilanz“ an Bürgermeister Schmid. Trotz der Garantie des Freistaates bezüglich eines Defizites bestünde bislang für die Marktgemeinde weder ein Infrastruktur-Kostenbudget noch ein finanzielles „Fangnetz“ für die üblichen Überschreitungen bei der Infrastruktur.

„Der pauschale Verweis auf ‚private Investoren’ ist übrigens keine Antwort auf die Frage, wie man dem möglichen Ausfall privater Investoren begegnen will.“

Die Grundstückseigner in Garmisch-Partenkirchen würden auch gern wissen, was auf ihrem Grund und Boden geschieht: Das steht aber nicht in den ihnen übermittelten Verträgen. (Riedel, Katja, 50 Cent für Parkplätze, 1,50 Euro fürs Stadion, in SZ 23.6.2010)

BayWa zahlt auch

Zwei Millionen Euro plus Sachleistungen ist der BayWa das Engagement für München 2018 wert. Der Vorstandsvorsitzende will auch eine Mittlerrolle übernehmen: „Gemeinsam wollen wir alles tun, damit wir die landwirtschaftlichen Flächen auch bekommen, die wir brauchen.“ (Holzapfel, Matthias, Eine „bayerische Institution“ zur Unterstützung, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 1.6.2010)

Die BayWa will nicht nur Sponsor sein, sondern auch Wegweiser. Was die Bauern davon halten, siehe später.

Seehofer betonte erneut: „Wir haben die Chance zu einem Wintermärchen 2018.“

Wenn man das Mini Bid Book liest, kommt einem allerdings umgehend die Assoziation zu einem Märchen.

Norton Rose zahlt auch

Die Internationale Kanzlei Norton Rose berät die Bewerbungsgesellschaft München 2018 „in rechtlichen und organisatorischen Fragestellungen“. Norton Rose deckt nach eigenen Angaben „mit seinen Rechtsanwälten alle notwendigen Spezialgebiete ab“ und kann die Bewerbungsgesellschaft „beim Erstellen des Bid Books“ unterstützen. Sie wurde Ende Juni 2010 exklusiver „Nationaler Ausstatter“. (Pressemitteilung Norton Rose 30.6.2010)

Norton Rose wird München 2018 bei der Abfassung des 500seitigen Bid Books sowie bei der Abfassung der vielen Verträge zur Verfügung stehen. (Kanzlei unterstützt Olympiabewerbung, in SZ 1.7.2010)

Es gibt eine Reihe am Sport gut verdienender – um es rechtssicher zu formulieren – Institutionen wie Norton Rose, Deloitte (siehe Kritisches Olympisches Lexikon: Deloitte). Der Status Nationaler Sponsor oder Ausstatter wird recht häufig in – teueren – Sachleistungen erbracht.

Das Juli/August-Magazin der IHK (Sponsor von München 2018 als „Freund der Bewerbung“) feierte die Bewerbung im Titelthema ab und ließ die üblichen Protagonisten zu Wort kommen: Ralf Roth/Deutsche Sporthochschule Köln, Boris Schwartz/München 2018, Thomas Bohn von Drees & Sommer (selbst „Freund der Bewerbung“), Georg Grabner/Landrat Berchtesgaden Land. (Lüke, Gabriele, Nachhaltige Chance, in IHK-Magazin 07-08/2010)

In M/Direkt, dem Magazin der Stadtwerke München („Nationaler Ausstatter“ der Bewerbung) kam zur gleichen Zeit Willy Bogner ausführlich zu Wort und durfte München 2018 loben. Die Stadtwerke verlosten einen Freiflug im Ballon mit dem Logo der Bewerbungsgesellschaft. (Olympische Winterspiele, in M/Direkt 2/2010).

Eine Woche später wurde bekannt, dass der Sponsor und „Nationale Ausstatter“ der Bewerbung, die Messe München (Gesellschafter: LH München und Land Bayern) im Jahr 2009 einen Verlust von 22,3 Millionen Euro gemacht hat. (Verlust bei der Messegesellschaft, in SZ 9.7.2010)

Annecy

Am 17. Juni 2010 gab das Comité Anti Jeux Olympiques (CAO) in einer Pressemitteilung bekannt, dass 8.500 Unterschriften gegen Olympische Spiele 2018 in Annecy gesammelt wurden.

Allein für die Bewerbung sind 16 Millionen Euro aufgebracht worden, wobei man 18 bis 20 Millionen Euro erhofft hatte. Von den 16 Millionen Euro stammen 10 Millionen aus öffentlichen Quellen. Das ist ähnlich wie bei München 2018, wo von eingeplanten 33 Millionen Euro im September 2010 etwa 25 Millionen eingesammelt wurden und 10,85 Millionen aus öffentlichen Quellen kommen, siehe später.

Als die Bewertung des IOC zu den drei Kandidatenstädten bekannt wurde (München und Pyeongchang lagen gleichauf, Annecy lag schlechter), rief das CAO am 30. Juni 2010 dazu auf, die Bewerbung sofort zurückzuziehen und die weiteren Unkosten der Annecy-Bewerbung zu stoppen.

London 2012

Der Regisseur und Oskar-Preisträger Danny Boyle soll die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in London 2012 vor 80.000 Live-Gästen inszenieren. „Die Erwartungen sind hoch: London will die bombastische Show von Peking 2008 in den Schatten stellen und der Welt ‚die phantasievollste Feier aller Zeiten’ bieten.“ (Spiegel 25/21.6.2010, S. 169)

Das Olympische Motto „schneller, höher, weiter“ erweitert um „bombastischer, phantasievoller, teurer“. Oder: größer, größenwahnsinniger, dümmer.

München übt 2018

Der Präsident des Münchner Skiverbandes Müller schwärmte Anfang Juni vom geplanten hoch dotierten Slalomrennen mit den 32 weltbesten Skirennläufern am Olympiaberg (vulgo Schuttberg) im Olympiapark: „Für die Bewerbung ist das Rennen ein Glücksfall.“ Auf die Frage nach der benötigten Menge des Kunstschnees verwies Müller auf das Wintersportfestival, wo 1400 Tonnen Kunstschnee (240 Lkw-Ladungen) benötigt wurden. Für den geplanten Slalom soll es noch etwas mehr werden. (Eberts, Carsten, „Das größte Spektakel, in SZ 5.6.2010; Bielicki, Jan, Slalom am Schlittenberg, in SZ 4.6.2010)

Willy Bogner träumte derweilen vom Grand Prix Eurovision am 21.5.2011 in der Olympiahalle, wo Lena Meyer-Landrut ihren Titel verteidigen soll: Bogner sah sie auch als Olympia-Botschafterin. (Lena soll ihren Titel in München verteidigen, in bild.de 4.6.2010)

Die Stadtwerke München (Sponsor) warben im Kundenblatt 2/2010 für München 2018, und auch der ADAC ließ sich nicht lumpen und gewährte Michael Vesper im Juni-Heft eine ganze Seite, wo Vesper wieder einmal verbreiten durfte: „Von der Gesamtfläche, die wir für die Sportanlagen brauchen, sind 98 Prozent schon da oder werden nur befristet benötigt.“ (S. 20)

Die Vollversammlung des Kreisjugendrings unterstützte am 15.6.2010 nach ausführlichem Statement der Bewerbungsgesellschaft München 2018 (Boris Schwartz, Jürgen Bühl) die Bewerbung. (Großleinwand ohne Fußball, in SZ 18.6.2010)

Willy Bogner erklärte, in den nächsten Monaten weltweit über 100 Entscheider treffen zu wollen. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher erklärte zur Bewerbung: „Das Konzept ist schlüssig, und wir unterstützen es mit voller Kraft.“ (Olympiabewerbung geht in heiße Phase, in SZ 17.6.2010)

OB Ude zeichnete am 16. Juni 2010 die Ex-Skistars und Olympia-Werber Rosi Mittermaier und Christian Neureuther mit der Medaille „München leuchtet“ aus.

Normalerweise bekommt man die Auszeichnung, wenn man sich um München verdient gemacht hat. Der äußerst zweifelhafte „Verdienst“ von Mittermaier und Neureuther um München konnte nur der bedingungslose Einsatz für München 2018 sein.

Vor der Kür

Münchner Stadtrat-Allianz: Die Oppositionsparteien CSU und FDP forderten OB Ude auf, sich persönlich um die Kritiker in Garmisch-Partenkirchen und Oberammergau zu kümmern.

Das würde vermutlich bei den bisherigen Äußerungen Udes eher den Kritikern helfen. (Siehe Kritisches Olympisches Lexikon: Ude, Christian)

Für den SPD-Fraktionschef Alexander Reissl war klar, dass jeder Olympiaort selbst zahlen muss: München wolle hier keine Haftung übernehmen. (Hutter, D., Lode, S., Riedel, K., Olympia: Ude soll um Garmisch werben, in SZ 22.6.2010)

Reissl sollte sich vielleicht einmal bei Ude und Seehofer informieren.

What a surprise: IOC’s Candidate Cities

Das IOC entschied am 22.6.2010 über die endgültige Zulassung der Bewerberorte als Kandidatenstadt. Jens Weinreich schrieb dazu: „Das Interesse an den Olympischen Winterspielen ist so gering wie seit dreieinhalb Jahrzehnten nicht.“ (Weinreich, Jens, Kleiner Regelbruch: Olympia 2018, die Candidate Cities, Blog 22.6.2010)

Um 13.30 wurde „nur verkündet, woran keiner gezweifelt hatte (Weber, Mirko, Manchem stinkt das Feuer, in Stuttgarter Zeitung 23.6.2010): Logischerweise wurden alle drei Bewerberorte Candidate Cities.

Niemand fragt – Kati Witt antwortet: „Ich habe mich gefühlt wie vor einem großen Wettkampf“ (Hutter, Dominik, Lode, Silke: „Unterhaltungskünstler sind das nicht gerade“, in SZ 23.6.2010). Willy Bogner drohte: „Aufgabe ist es, die Öffentlichkeit mit dem Olympischen Feuer anzuzünden“ (IOC kürt München zur „Candidate City“, in spiegelonline 22.6.2010)

Jeder Deutschlehrer würde hier vermerken: Falsches Bild!

Die Pressekonferenz aus Lausanne wurde direkt auf eine Großleinwand vor dem Münchner Rathaus übertragen. Die spärlichen Zuschauer wurden mit eigens zu diesem Zweck verteilten Fähnchen ausgestattet. Der Landesvorsitzende der Grünen in Bayern, Dieter Janecek war dort und schrieb: „Der Marienplatz war ja wie leergefegt, von wegen Olympiabegeisterung. Reine Retortenshow ist das…“

So eine Überraschung: In dem schlecht besetzten Konkurrenzkampf von nur drei Städten dürfen/müssen nun alle drei Candidate Cities 500.000 Dollar nach Lausanne überweisen. Und dürfen zu dritt etwa 100 Millionen Euro allein in die BEWERBUNG investieren.

Einschlägiger Jubel

Die grüne Münchner Stadträtin Sabine Krieger, eine fanatische Vertreterin von München 2018, bejubelte die Bestätigung Münchens und beleidigte in einer Pressemitteilung am 22.6.2010 gleichzeitig jene grünen Parteikollegen, die gegen die Spiele sind: Das war übrigens mit 85 Prozent beim Landesparteitag die überwältigende Mehrheit.

Neben dem Lob für die ökologisch so wunderbare Bewerbung führte sie aus, dass die Gegner „völlig realitätsferne Behauptungen in die Welt“ setzen; „Schreckensgemälde“ entwerfen und vor „riesigen Eingriffen“ warnen würden, die „man im Münchner Olympiakonzept vergeblich suchen“ wird. Ebensowenig gibt es „größenwahnsinnige Straßenbauprojekte oder ein „soziales Risiko“, das „angesichts der von Bund und Freistaat erklärten Verantwortung billige Panikmache“ sei..

Krieger zielt auf den grünen Landtagsangeordneten Ludwig Hartmann, siehe unten. Der Garmischer Kramer-Tunnel wurde wegen der Ski-WM 2011 durchgepeitscht, siehe später. Und der Wank-Tunnel würde nur wegen München 2018 kommen, sagte Seehofer höchstpersönlich.

Bund und Freistaat zahlen für dass olympische Experiment mit Steuergeldern. Außerdem unterschlägt Krieger bewusst, dass auch die hoch verschuldete Landeshauptstadt München mitzahlen muss!

Krieger weiter: „Es ist bedauerlich, aber natürlich legitim, dass sportlich nicht interessierte Grüne Politiker die Idee der Olympischen Spiele grundsätzlich ablehnen…“

Frau Krieger unterstellt ihren Parteikollegen nicht nur sportliches Desinteresse, sondern auch Unsportlichkeit. Anscheinend darf man als Sportler an der Olympischen Idee keine Kritik äußern und auch als Desinteressierter keine Kritik üben. Krieger verwendet den Trick aller Jubelolympioniken, ob vom IOC, vom DOSB oder sonstigen einschlägigen Organisationen: Die Deutungshoheit des Sports unterliegt dem Sport allein. Das Geld der Öffentlichkeit nimmt man allerdings trotzdem gern – und zwar nicht zu wenig. Wie aus grünen Kreisen zu hören war, hat Krieger für ihr Statement viel Kritik geerntet und damit ein Eigentor erzielt.

Krieger forderte auch einen verstärkten Einsatz der Bundeskanzlerin und des Innenministers. (Lode, Silke, Merkel soll sich einmischen, in SZ 8.7.2010)

In der Grünen Mamba, der Zeitschrift der Grünen Münchner Stadtratsfraktion, griff Krieger dann die Argumente von Nolympia an.

– Die Verbreiterung der A 8 nach Salzburg, die Verbreiterung des Föhringer Rings und der Wanktunnel in Garmisch-Partenkirchen habe mit der Olympiabewerbung nichts zu tun.

Diese Projekte stehen alle in der Machbarkeitsstudie „Olympische Winterspiele München 2018“ des Planungsbüros Albert Speer & Partner, die Krieger augenscheinlich nicht kennt.

– „Der motorisierte Individualverkehr wird an P&R-Flächen abgefangen.“

Allein für Garmisch-Partenkirchen und Umgebung sind 14.000 Parkplätze eingeplant.

– Die als Parkplatz eingeplanten Wiesen „werden in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Dass dies nicht möglich sei, ist eine willkürliche Behauptung.“

Wer Wiese für Wiese hält (die Garmisch-Partenkirchner haben bis 65 verschiedene Pflanzenarten), der wird mit dem Baumarkt-Wiesensamen hoch zufrieden sein.

Prof. Seiler, der Erfinder des berühmten Garmisch-Partenkirchner Mikroklimas („Wintersport auch im Jahr 2018 und damit auch die Durchführung der Winterolympiade … durchaus möglich“) wurde von Krieger als Zeuge gegen die Klimaerwärmung in Garmisch-Partenkirchen angeführt. (Krieger, Sabine, Die olympische Katastrophe, in Die Grüne Mamba 102/Juli 2010)

Aber Seilers Meinung zählt inzwischen bestenfalls nur im noch Landkreis. Doch Seiler sitzt schließlich in der Fachkommission Umwelt und ist damit sakrosankt.

Es seien nach Krieger keine weiteren Beschneiteiche nötig.

Für die Beschneiteiche laufen inzwischen auch die offiziellen Planungen für eine künstliche Kühlung – und 250.000 Euro Kosten.

Außerdem würde laut Krieger sowieso beschneit. Krieger lobte das Plusenergiehaus-Konzept – das 2018 sowieso Standard ist. Die olympischen Flüge würden mit Klimaschutzprojekten ausgeglichen.

Und alles wird gut…

Deutlich distanzierter als die überschwänglichen grünen Münchner Stadträte reagierte die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Jetzt muss geprüft werden, ob dieses im Sinne der Sportbegeisterten und vor allem im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort den selbst gesteckten Zielen genügen kann.“ (PM 23.6.2010)

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher freute sich dagegen ungeteilt: „Ich sehe sehr große Chancen für München, den endgültigen Zuschlag zu erhalten.“ Die SPD-Fraktion ist für „die Bewerbung Münchens tatkräftig und mit voller Unterstützung“. (Pressemitteilung  SPD-Landtagsfraktion, 22.6.2010)

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Alexander Reissl äußerte überschwänglich: „Alle Münchner, Garmisch-Partenkirchner und Berchtesgadener, aber auch alle Deutschen, dürfen sich heute glücklich schätzen, dass wir die Hürde mit Bravour gemeistert haben und nun Candidate City sind. Wir danken Willy Bogner, seinem Team ‚München 2018’ und all den Förderern.“ (PM SPD-Stadtratsfraktion, 22.6.2010)

Auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gratulierte: „Bayern will die Olympischen Winterspiele 2018. Die Staatsregierung wird nun bis zur endgültigen Entscheidung des IOC im Juli 2011 alles daran setzen, um Olympia 2018 nach Bayern zu holen.“ (Bayerische Staatsregierung, PM 22.6.2010)

Nicht Bayern will die Olympischen Winterspiele, sondern die bayerische Staatsregierung. Wie zu sehen sein wird, versuchte Seehofer in den nächsten Monaten, seine Drohung wahr zu machen.

Allen Jubel-Olympioniken würde 2018 die endgültige Rechnung präsentiert werden, aber – und die würde teuer ausfallen. Wahrscheinlich wird aber 2018 keiner der heute Verantwortlichen mehr im Amt sein, geschweige denn  zur Verantwortung gezogen werden. Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Kosten für 18 Tage olympisches Hully Gully und die Folgen werden dann die kommenden Generationen abzuzahlen und auszubaden haben.

Kritik an der Bewerbung

MdL Ludwig Hartmann erklärte in einer Pressemitteilung am 22.6.2010: „Null Transparenz und fehlende demokratische Kontrolle, Knebelungsverträge für die austragenden Orte, explodierende Kosten und größenwahnsinnige Straßenbauprojekte – für all dies steht die Bewerbung von München + 2 für die Olympischen Winterspiele 2018.“

Der Bund Naturschutz in Garmisch-Partenkirchen bedauerte die Entscheidung des IOC. „Die Eingriffe im Skigebiet, massive Eingriffe in den Grüngürtel von Garmisch-Partenkirchen und die unverständliche Benutzung der sonnigen Romanshöhen in Oberammergau als Loipengelände würden schon für eine Ablehnung reichen… Olympische Spiele sind inzwischen für die beengten Gebirgstäler mit ihrer sensiblen Umgebung zu groß geworden… Das einzige, was an den ‚grünen’ Spielen in den niedrigen Lagen von Garmisch-Partenkirchen und Oberammergau vielleicht grün sein kann, sind in den Zeiten eines verstärkten Klimawandels, unsere Wiesen und Pisten.“ Dazu kommen noch die Vertragsgestaltung des IOC und die explodierenden Kosten. (BN Garmisch-Partenkirchen, PM 22.6.2010)

Thomas Bach macht weiter

Seit Mai 2006 ist Thomas Bach Präsident des DOSB. Ende Juni gab er bekannt, dass er dieses Amt weiter innehaben will. Bach führte aus, dass bei einem Verzicht auf die Wiederwahl die Chancen von München 2018 sinken würden – und damit auch seine Ambitionen auf die IOC-Präsidentschaft 2013.

Bach bedauerte, dass es ihm und seinem Generaldirektor Vesper nicht gelungen sei. Sport als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. (Hahn, Jörg, Präsident Bach bleibt an Bord, in faz.net 29.6.2010)

Wenn Sport ein Staatsziel im Grundrecht wird, könnte er vielleicht auch einen Solidaritätsbeitrag von allen Bürgern erhalten, wie die neuen Bundesländer nach der Wiederbereinigung. Oder einen erzwungenen Pro-Kopf-Beitrag aller Bürger, wie bei der neuen Fernsehgebühr…

Deutscher Naturschutzring (DNR)

Am 28. Juni 2010 trafen sich Vertreter des DNR (u.a. Heinz Röhle/DAV, Hartmut Vogtmann (DNR), Helmut Röscheisen (DNR), Sebastian Schönauer/DNR/BN, Ludwig Sothmann/DNR/LBV, Michael Müller/DNR/Naturfreunde) mit dem DOSB (Thomas Bach, Michael Vesper, Frank Kaiser) und München 2018 (Bernhard Schwank, Boris Schwartz).

Das Protokoll des Gesprächs schrieben Schwartz und Kaiser: Da die Formulierungen und Schlussfolgerungen recht eigenmächtig im Sinn pro München 2018 interpretiert wurden, habe ich einige Punkte daraus zusammengestellt:

a) Das Protokoll ist auf DOSB-Briefpapier ausgedruckt.

b) Die Verfasser arbeiten beim DOSB und München 2018.

Vorsicht: Traue keinem Protokoll der Gegenseite, ohne selbst eines geschrieben zu haben.

c) Die Inhalte spiegeln eine weitgehende Übereinkunft vor, z.B.:

– Das Projekt „Natur, Kulturerbe und Bildung“ soll als Träger einen Naturschutzverband haben.

– Vesper empfiehlt, den BN Bayern (der längst ausgestiegen ist), an der Projektträgerschaft des Projekts „100 Sportvereine reduzieren 2018 CO2“ zu beteiligen: Das findet angeblich Unterstützung bei Prof. Vogtmann; „Schönauer meldet sich wegen einer möglichen Beteiligung bei Dr. Vesper.“

Diese Darstellung ist so sicher nicht richtig.

– „Die Naturschutzverbände erbitten (!!! WZ) für die weitere kooperative Zusammenarbeit Folgendes:

1. Weiterhin völlige (!!! WZ) Transparenz in der Zusammenarbeit und größtmögliche Verbindlichkeit bei der Umsetzung der Leitprojekte.

2. Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Optimierung des Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzepts.

3. Verfolgung einer Zukunftsvision, beispielsweise durch die Aufnahme des Leitprojekts ‚Environmental Olympics‘ oder die Einsetzung prominenter Sportler als Öko-Botschafter.“

Es ist also alles in Ordnung! Wer stellt da eigentlich was dar?

„Prof. Dr. Vogtmann begrüßt insgesamt die Anstrengungen der Bewerbungsgesellschaft hinsichtlich der Optimierung des Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzepts und erklärt vorbehaltlich eines Präsidiumsbeschlusses, dass der DNR die Bewerbung Münchens weiterhin kritisch begleiten wird.“

Ich vermute erneut, dass dies so nicht war: Der Hauptgeschäftsführer des DAV (nunmehr ohne den zurückgetretenen DAV-Präsidenten Röhle) und der DOSB werden aber auf das vom DOSB gestrickte Protokoll zurückkommen.

Schluss-Highlight: „Ein späteres Treffen unter Federführung (!!! W.Z.) des DOSB und der Bewerbungsgesellschaft wird vereinbart.“

Der DNR wird am 13.9.2010 – unter wütendem Protest von DOSB und DAV – aus der Fachkommission Umwelt austreten.

Olympischer Straßenbau

(Vgl. 18 Gründe: Straßenbau)

In der Machbarkeitsstudie wurde der Autobahn-Südring und der sechsspurige Ausbau der A 8 zwischen München und Salzburg gefordert: Diese wurden inzwischen abgeblasen – offiziell wegen Geldmangels. Weiter geplant im Rahmen München 2018 sind der Ausbau des Auerbergtunnels, Wanktunnel, Kramertunnel, in München der Ausbau des Föhringer Rings plus weitere Projekte in Garmisch-Partenkirchen, Schwaiganger und Berchtesgaden. Alle Projekte zusammen sind mit 728,0 Mill. USD angegeben.

Die zusammengestrichenen Bahnprojekte werden mit 176,9 Mill. USD beziffert. Das Verhältnis der Investitionen Straße zu Schiene liegt bei 4,1 : 1.