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Juli 2015

Webseite-Besucher
Im Juni 2015 besuchten 30.654 Internet-Nutzer unsere Nolympia-Webseite. Von Februar 2010 bis einschließlich Juni 2015 hatten wir damit 1.279.484 Besucher: Wir bedanken uns für das nach wie vor anhaltende Interesse.

Neu unter “Aktuelles”:
Fifa-Kongress Mai 2015 und Folgen (4.6.2015; wird laufend aktualisiert); Hamburg 2024: Keine Bürgerbefragung!; Hamburg 2024: Dabei sein ist wichtiger als siegen; Hamburger für Hamburg 2024? Berliner für Berlin 2024?; Berliner Senat ist nicht Charlie; Boston 2024: Privatbewerbung eines Baukonzerns; Die verkauften Leichtathletik-Weltmeisterschaften
2015 neu im Kritischen Olympischen Lexikon:
23.7.2015: Eurosport; 20.6.2015 (aktualisiert 19.7.2015): Aserbaidschan-Sport; 21.5.2015: Beilschmidt, Rolf; 25.1.2015 Aktualisiert nach Pechstein-Urteil: Court of Arbitration for Sport (Cas); 20.1.2015: DFB gegen Galopprennbahn; 19.1.2015: Afrika-Cup 2015; 19.1.2015: Handball-WM 2015; 17.1.2015: Deripaska, Oleg; 7.1.2015: Gazprom-NTW; 1.1.2015: Totalitärer Sport-Terminkalender
Laufend aktualisiert:
Hamburg-Berlin 2024 – Zur deutschen Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024: bis Juni 2014: hier; 7-8/2014: hier; 9-10/2014: hier; 11/2014 – 3/2015: hier. Ab April 2015 “Loser-Bewerbung Hamburg 2024″ in der laufenden Chronologie unter IV.
Gazprom-Chronik – Was ein Gaskonzern und Sport, Oligarchen und Putin miteinander zu tun haben. Gazprom-Chronik (1) bis 31.12.2012: hier; Gazprom-Chronik (2) 1/2013 – 8/2014: hier; Gazprom-Chronik (3) ab 9/2014: hier; Gazprom-Chronik (4) ab 11/2014: hier

Neue Studie von Sylvia Hamberger und Axel Doering: Der gekaufte Winter – Eine Bilanz der künstlichen Beschneiung in den Alpen (22.4.2015)
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In eigener Sache
Ich bemühe mich, korrekt zu zitieren und Quellen anzugeben. Es wäre deshalb fair und professionell, wenn auch die Nolympia-Webseite als Quelle in Artikeln von Journalisten angegeben wird.
Dr. Wolfgang Zängl

Die Gliederung im Juli 2015 sieht so aus:
I: Zitate des Monats
II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbänden
III: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden
IV: Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024
V: Allgemeine Nachrichten
VI: Aktuelle Sportsplitter von Fifa, Uefa, DFB etc.
VII: Sport-Millionen und -Millionäre
VIII: Der totalitäre Sport-Terminkalender
IX: Doping-News
X: Die Sportsender ARD/ZDF
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I: Zitate des Monats

Sepp Blatter, Noch-immer-Präsident der Fifa, mit der ihm eigenen Logik: „Wer mir vorwirft, ich sei korrupt, muss es mir erst einmal beweisen. Das kann aber niemand, weil ich nicht korrupt bin“ (May, Tania, „Ich bin nicht korrupt. Ich habe ein reines Gewissen“, in Bunte 2.7.2015. Wie schon mehrfach erwähnt: Blatters Gehalt ist nach wie vor geheim. Niemand weiß, ob er zwei, zehn oder zwanzig Millionen erhält. Da erübrigen sich Bestechungen.)

Alfons Hörmann, DOSB-Präsident, zur Bewerbung Hamburg 2024: „Nicht nur Sport-Deutschland steht hinter der Bewerbung, sondern das gesamte Land“ (SID, „Das gesamte Land steht hinter der Bewerbung“, in dosb.de 8.7.2015).
Hier irrt Hörmann deutlich.

Der Hamburger Autor Christoph Twickel zum Versuch, die Kunst- und Kulturszene für Hamburg 2024 einzuspannen: „Einem Club, der sich die Aufgabe stellt, die Bedenken der KritikerInnen weg zu wischen, statt sie ernst zu nehmen, möchte ich nicht angehören“ (Schipkowski, Katharina, Kritischer Anstrich erwünscht, in taz.de 10.7.2015).

Der US-Senator Jerry Moran über den Zustand des Weltfußballs unter der Fifa-Herrschaft: „Die Fifa hat ihre Korruptionskultur blind gemacht für Verletzungen der Menschenrechte und den Verlust von Menschenleben“ (Kistner, Thomas, US-Senat beleuchtet Fifa-Affären, in SZ 13.7.2015).

Bei der Anhörung am 15.7.2015 im US-Senat über die Machenschaften der Fifa bezeichnete Senator Richard Blumenthal, der Demokraten-Obmann, die Fifa „als mafia-ähnliches Syndikat. Mich lässt bei der Formulierung alleine etwas zögern, dass ein Vergleich der Fifa mit der Mafia fast eine Beleidigung für die Mafia wäre, denn die Mafia würde ihre korrupten Geschäfte niemals in einer solch himmelschreiend unverdeckten und arroganten Weise abwickeln“ (Kistner, Thomas, Die Uhr tickt, in SZ 17.7.2015; Hervorhebung WZ. Vgl. auch unter VI).

Dopingforscher Prof. Perikles Simon zur Forderung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (per Amt für die Dopingbekämpfung zuständig) nach mehr olympischen Medaillen: „Wer jetzt immer noch nicht mitbekommen hat, dass es möglich ist, das ganze Jahr gedopt an den Start zu gehen und einen Leistungsvorteil zu haben, ohne dabei erwischt zu werden, der hat das Phänomen Spitzensport noch nicht verstanden“ (Friebe, Matthias, Saubere Tour „schlichtweg ausgeschlossen“, in deutschlandfunk.de 18.7.2015).

Russlands Präsident Wladimir Putin trat im Interview für den Nobelpreis an Sepp Blatter ein: „Ich meine, Menschen wie Herr Blatter oder die Leiter anderer internationaler Sportorganisationen oder der Olympischen Spiele sollten besondere Anerkennung erfahren. Wenn es jemanden gibt, der den Nobelpreis verdient, dann sind es diese Leute“ (Putin schlägt Blatter für den Nobelpreis vor, in spiegelonline 28.7.2015).
Logischerweise sollten nun Fifa-Präsident Sepp Blatter und IOC-Präsident Thomas Bach wiederum Wladimir Putin für den Friedensnobelpreis vorschlagen.

Johannes Aumüller in der SZ zu den ungeklärten Abwässern, die in die Guanabara-Bucht fließen, wo die olympischen Segelwettbewerbe bei Rio 2016 stattfinden sollen: „Das Wasser einmal komplett zu reinigen, ist quasi so unmöglich, wie das IOC einmal komplett zu säubern“ (Aumüller, Johannes, Segeln in der Kloake, in SZ 31.7.2015).

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II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbänden

– Boston 2024 bleibt Boston 2024. Das USOC hält an Boston als Austragungsort 2024 fest. „Allerdings machte USOC-Chef Larry Probst deutlich, dass die öffentliche Zustimmung in der Ostküstenstadt für das Großereignis wachsen müsse – ‚je schneller, desto besser'“ (USA halten an Bewerber Boston fest, in spiegelonline 1.7.2015).

– Kritik von No Boston Olympics im Boston Globe (Gossett, Kelley, Dempsey, Chris, Revised Boston Olympics bid is a bad deal, in bostoglobe.com 21.7.2015). Die Vorstände Kelley Gossett und Chris Dempsey schrieben dort u. a.: Auch die Ende Juni 2015 von der Boston-2024-Group überarbeitete Bewerbung beinhaltet zu optimistische Einnahmenrechnungen, zu niedrige Kostenschätzungen und unerwünschte und unbenötigte Sportstätten: „Temporäre Stadien und Radrennbahnen sind nicht der Schlüssel zu einer besseren ökonomischen Zukunft“ (Ebenda). Es gab auch nur vage Versprechungen, wie die Steuergelder geschützt werden könnten. Die Boston-Befürworter drückten sich auch um eine Aussage, wie der „Blankoscheck“ für das IOC vermieden werden könnte.

– London 2012: Versprechung nicht erfüllt. Ein Hauptversprechungen als „Olympisches Erbe“ der Olympischen Sommerspiele 2012 in London war die Förderung des Breitensports und die Erhöhung der Zahl der Sporttreibenden. Dies ist völlig misslungen, wie Owen Gibson im Guardian feststellte: Das Erbe einer fitteren und gesünderen Nation und die Förderung des Sports bei jungen Menschen ist gescheitert. Der Elitesport wird gefördert, während unter den sozial Schwächeren die Sportaktivitäten auf dem niedrigsten Niveau seit 2005 sind (Gibson, Owen, Olympic legacy failure: inspiring London 2012 message has become a millstone, in theguardian.com 5.7.2015).

– Bewerbungen für Olympische Sommerspiele. Dem IOC gelingt es immer noch, für das Milliardengrab Olympische Spiele Kandidaten zu finden: erstaunlich. Zu den Bewerbungen Boston 2024, Rom 2024, Paris 2024, Hamburg 2024 gesellte sich Anfang Juli 2015 noch die Bewerbung Budapest 2024 (Budapest bewirbt sich um die Spiele 2024, in spiegelonline 8.7.2015).

– Olympiastadion für Tokio 2020 immer teurer. Die auflagenstärkste japanische Zeitung, Yomiuri, übte massive Kritik am Stadionneubau. Ein Komitee aus Politik und Sport schloss Verträge mit zwei Generalbauunternehmen, ohne die Finanzierung zu kennen. Yomiuri bezeichnete diese Entscheidung als „lächerlich“ und „unverantwortlich“. Die ursprünglichen Kosten von 162 Milliarden Yen liegen inzwischen bei 252 Milliarden Yen (umgerechnet 1,8 Milliarden Euro). Das wäre fast eine Verdoppelung. Außerdem sei nicht klar, wer für den Stadionbau zuständig sei. Auch die Geldquellen seien unklar. „Bisher deckten der geplante Regierungszuschuss und Lotterieeinnahmen nicht einmal ein Viertel der Kosten. Die Yomiuri befürchtet, dass zukünftige Generationen auf den Kosten sitzen bleiben“ (Olympia-Stadion: „Exorbitant, lächerlich, unverantwortlich“, in www.japanmarkt.de 14.7.2015). Die NZZ nennt sogar ursprüngliche Kosten von 130 Milliarden Yen (Streit wegen Kostenexplosion für Stadion in Tokio, in nzz.ch 19.7.2015). Bei 1,8 Milliarden Euro wäre das Olympiastadion in Tokio dreimal so teuer wie das für London 2012 (allerdings ohne dessen teuren Rückbau!). Hinzu kommt, dass der Entwurf von Zaha Hadid umstritten ist: „Der Entwurf stieß von Beginn an auf Kritik von Architekten, die das Stadion mit seinen gewaltigen Dachbögen als zu wuchtig für die städtische Umgebung ansahen. (…) Im Internet kursierten Fotomontagen mit dem Stadion als Kloschüssel oder Badewanne“ (Ebenda). Der japanische Architekt Arata Isozaki beschreibt das Design des Stadions so: „… wie eine Schildkröte, die darauf wartet, dass Japan untergeht, damit sie davon schwimmen kann“ (Gibson, Owen, Japan scraps Zaha Hadid plan for Olympic stadium, in theguardian.com 17.7.2015).
Wie üblich bleibe bei Olympischen Spielen künftige Generationen auf den Kosten sitzen. Und das IOC zieht weiter: olympische Heuschrecken. Das würde bei Hamburg 2024 nicht anders sein.

– Als Beispiel die Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen: „Offiziell zahlte der griechische Steuerzahler 8,5 Milliarden Euro, es gibt Schätzungen, die von 20 Milliarden ausgehen. (…) Heute, knapp elf Jahre, nachdem in Athen das olympische Feuer brannte, sind die Sportstätten wie das Beachvolleyball-Stadion nur noch Ruinen“ (Olympische Ruinen, in Der Spiegel 29/18.7.2015).

– Auch Toronto will sich um 2024 bewerben. Wo das IOC nur immer seine Bewerber herbekommt – und wer sich, ohne Gedächtnis an die eigenen Olympischen Spiele, so bewirbt! Nun will sich auch die kanadische Stadt Toronto nach vergeblichen Bewerbungen 1996 und 2008 für 2024 bewerben (Toronto will Olympische Spiele 2024 a. Zur Erinnerung an die Olympischen Sommerspiele 1976 in Montreal: Im Juni 2012 veröffentlichten Bent Flyvbjerg und Allison Stewart von der Saïd Business School der University of Oxford die Studie: „Olympic Proportions: Cost and Cost Overrun at the Olympics 1960 – 2012“. Hierin wurden die enormen Kostenüberschreitungen Olympischer Spiele berechnet. Link zur Studie: hier. Die Autoren kamen für Montreal 1976 zu dem Schluss: sportbedingte effektive Kostenüberschreitungen: 796 %; sportbedingte nominale Kostenüberschreitungen: 1266 %. Montreal 1976 hatte die Baukosten um 385 Prozent überschritten, die kanadischen Steuerzahler zahlten die nächsten 30 Jahre das Defizit ab (Bershidsky, Leonid, Democracies say ‘no’ the financial burdon of the Olympics: Bloomberg opinion, 13.11.2013).
Übrigens waren auch die Olympischen Winterspiele 2010 im kanadischen Vancouver nicht der große finanzielle Erfolg, wie von offizieller Seite behauptet wurde, ganz im Gegenteil.

– Human Rights Watch kritisiert das IOC. Am 21.7.2015 gab HRW eine Pressemitteilung zu den beiden Kandidaten für die olympischen Winterspiele 2022 heraus (HRW, China/Kazakhstan: 2022 Games Major Test of Olympic Reforms, New York 21.7.201). Seit 2005 hat HRW schwere Verletzungen der Menschenrechte bei Olympischen Spielen dokumentiert. Bei Peking 2008 hat der Staat tausende seiner Bürger gezwungen, olympische Sportstätten zu bauen, die Pressefreiheit verletzt und Proteste unterdrückt. Bezüglich China 2022 und Kasachstan 2022 wird sich das IOC einen extremen Test ausgesetzt sehen, die Agenda 2020 zur Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte durchzusetzen. Die IOC-Evaluierungskommission hat im Frühjahr 2015 beide Staaten besucht, aber in den offiziellen Berichten steht nichts über die schweren Bedenken bezüglich der Menschenrechte. Mindestens zwei bekannte Menschenrechtsaktivisten, Cao Shunli und Tenzin Delek Rinpoche, sind Anfang 2014 gestorben, weil ihnen nötige medizinische Hilfe verweigert wurde (Ebenda). China ist der führende Internet-Zensor und hat ausgerechnet während des IOC-Besuches Yirenping, eine Anti-Diskriminierungs-NGO, wiederholten Schikanen ausgesetzt. Die IOC-Mitglieder haben sich weder mit Yirenping getroffen noch Bedenken über die Regierung geäußert. HRW-Direktorin Minky Worden äußerte: „Wir haben bereits schon einmal Olympische Spiele gesehen, bei denen die Menschenrechtsverletzungen in China gefördert wurden, und das Umfeld ist 2015 beträchtlich schlechter als 2008“ (Ebenda). In Kasachstan wurde Mitte Februar 2015 ein diskriminierendes Gesetz gegen Lesben, Schwule und Transgender erlassen. Kasachstan hat einen höchst problematischen Rekord bei der Verletzung der Menschenrechte. Gewerkschaftler wurden getötet und inhaftiert, ein Führer der Opposition zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Gerade Groß-Sportereignisse können Menschenrechtsverletzungen fördern, wie die Olympischen Winterspiele Sotschi 2014 zeigen. Bei den European Games 2015 in Aserbaidschan ging der Staat ein Jahr vor vor Beginn der Spiele dramatisch gegen unabhängige Journalisten und Menschenrechtler vor und verklagte Dutzende wegen angeblicher krimineller Vergehen (Ebenda).

– Boston 2024 zurückgezogen. Das Olympische Komitee der USA (USOC) teilte am 27.7.2015 mit, dass die Bewerbung Boston 2024 beendet ist. Scott Blackmun, Geschäftsführer des USOC: „Wir waren nicht dazu in der Lage, die Mehrheit der Bevölkerung für die Bewerbung zu begeistern“ (Boston bewirbt sich doch nicht, in spiegelonline 27.7.2015). – „Zuvor hatte Bostons Bürgermeister Martin Walsh auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz bereits erklärt, er werde eine geforderte Garantieerklärung zur Übernahme der Kosten nicht unterschreiben und hatte damit das Ende der Bewerbung eingeleitet. ‚Wenn diese Unterschrift am heutigen Tag gefordert wird, um weiterzumachen, dann wird Boston die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele nicht weiterverfolgen‘, sagte Walsh: ‚Ich werde nichts unterschreiben, wodurch das Geld der Steuerzahler für die Kosten der Olympischen Spiele benutzt werden kann'“ (Ebenda).
Im Gegensatz zum Bürgermeister von Boston ist Hamburgs Regierender Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) offenbar wild entschlossen, die Knebelverträge des IOC bedingungslos zu unterschreiben. Der Bürgerentscheid in Hamburg am 29.11.2015 könnte hier Einhalt gebieten.
Dazu aus einem Kommentar von Jens Weinreich: „IOC-Präsident Thomas Bach hatte den Amerikanern kurz zuvor (der Nominierung Bostons am 8.1.2015; WZ) in einem Gastbeitrag des ‚Boston Globe‘ Hoffnung gemacht. Doch schon im Januar hatte Boston die geringsten Zustimmungsraten, und seither war bei Umfragen der Anteil derjenigen Bürger, die sich gegen eine Bewerbung aussprachen, auf mehr als 60 Prozent gestiegen. Auch war die Olympia-Opposition bestens organisiert. Bostons Bürgermeister Marty Walsh machte sich am Montag nach einem Telefonat mit der USOC-Führung zwar noch über die Opposition lustig, die er als ‚zehn Twitterer‘ bezeichnete, doch am Ende musste er sich den Realitäten beugen. Er wollte die Bedingungen des sogenannten Host-City-Vertrags nicht unterschreiben und kein milliardenschweres Risiko eingehen.
Der neue Host-City-Vertrag liegt noch nicht vor, angekündigt war das Papier für den Herbst. Das IOC will die Unterlagen möglicherweise früher veröffentlichen. Denn mit der vorläufigen Absage der Amerikaner holt das IOC eine quälende Diskussion wieder ein: In immer mehr Ländern wollen die Bürger das Risiko von Milliardenbürgschaften und gigantischen Kosten für ein zweiwöchiges Sportfest nicht eingehen“ (Weinreich, Jens, Bostons Rückzugs, Bachs Rückschlag, in spiegelonline 28.7.2015).
Carsten Eberts erwähnte in sueddeutsche.de die zurückgezogenen Bewerbungen für Olympische Winterspiele 2022: Graubünden, München und Krakau (abgewählt), Oslo und Stockholm (zurückgezogen). „Doch die Tage der Ablehnung scheinen nicht vorüber. Längst positionieren sich die Bewerber für das nächste IOC-Großevent: die Sommerspiele 2024. Am Montagabend gab die amerikanische Stadt Boston, die bislang als aussichtsreicher Kandidat gegolten hatte, ihren Rückzug bekannt. Die Gegenargumente kommen einem bekannt vor: alles zu teuer, die Stimmung mies, ein Großevent als Last. (…) Für das IOC ist das ein schlechtes Signal. Denn Boston war nicht irgendein Kandidat. Hier sagt kein kritischer Europäer ab, wo es mittlerweile als chic und Mainstream gilt, sich gegen Olympia zu wenden (Eberts, Carsten, Warum Bostons Rückzug schlecht für Hamburg ist, in sueddeutsche.de 28.7.2015).) Gleichzeitig fallen die Chancen für Hamburg 2024 weiter: „Der Hansestadt werden für 2024 ohnehin wenige Chancen eingeräumt, da sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im gleichen Jahr aussichtsreich um die Austragung der Fußball-Europameisterschaft bemüht. Sommerspiele und EM im gleichen Land, das scheint ausgeschlossen. Die Bewerbung für 2024 gilt vielen als Vorlauf, bevor es 2028 richtig ernst wird. Dann soll Hamburg wirklich den Zuschlag erhalten. Landen die Spiele 2024 jedoch bereits in Europa, wird das IOC die Spiele 2028 kaum erneut nach Europa vergeben. Hamburg wäre abermals ohne Chance – es ist eine vertrackte Situation“ (Ebenda).
Vergleiche auch: Boston-2024 – Privatbewerbung eines Baukonzerns

– Boston 2024 zieht zurück – und die Folgen. Dass Chef-Olympionike Thomas Bach von den USA einen Alternativvorschlag zu Boston geradezu erwartet, liegt auf der Hand, denn das IOC hat die amerikanischen und europäischen Fernsehübertragungsrechte für die insgesamt vier Winter- und Sommerspiele der Jahre 2018 bis 2024 an die US-Sender NBC und Discovery verkauft – für sagenhafte 6,3 Milliarden Dollar. NBC zahlt 4,9 Milliarden, die Discovery-Gruppe, zu der der Spartensender Eurosport gehört, 1,4 Milliarden Dollar. Die Beträge sind vor allem für NBC kaum durch Werbung refinanzierbar, wenn alle vier Spiele außerhalb der USA und womöglich in ganz anderen Zeitzonen stattfinden” (Hulverscheidt 29.7.2015).

– IOC veröffentlicht erstmals längst bekannten Host City Contract. „Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will erstmals den Vertrag mit einer Gastgeberstadt veröffentlichen. Der Kontrakt für die Winterspiele 2022 soll nach der Wahl auf dem IOC-Kongress am Freitag auf die Homepage gestellt werden“ (IOC veröffentlicht erstmals Vertrag mit Gastgeber in spiegelonline 28.7.2015).
Das geschieht nicht ganz freiwillig. Bereits in der Vergangenheit wurde der jeweilige Host City Contract von den Austragungsstädten bzw. sportkritischen Organisationen in das Internet gestellt. Nolympia hat z. B. im Oktober 2010 den Host City Contract für München 2018 auf der Webseite veröffentlicht. Zum Vertrag und zum Gutachten dazu von Prof. Gerrit Manssen vom Juni 2011: hier
„Außerdem hat die IOC-Exekutive festgelegt, dass die Bewerbungsgebühr für Kandidaten von olympischen Sommerspielen von 650.000 Euro auf 250.000 Euro reduziert wird. Dies gilt zum ersten Mal für die Bewerbung für 2024 und macht damit auch den Einstieg von Hamburg als Kandidat preisgünstiger“ (Ebenda).
Die Bewerbungsgebühr ist natürlich „peanuts“ gegenüber den später tatsächlich anfallenden Milliardensummen.

– Peking 2022: Kein Schnee, kaum Wasser, Smog und eine Diktatur. Peking setzte sich am 30.7.2015 mit 44 zu 40 Stimmen gegen Almaty (Schnee, Diktatur) durch. „Die Kandidatur Pekings war aber dennoch hochumstritten. In Chinas Hauptstadt fällt kaum einmal Schnee, für Wintersport-Veranstaltungen müssen riesige Mengen Kunstschnee produziert werden. Das bedeutet neben hohen Kosten auch einen starken Eingriff in die Natur. Zudem steht China wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik – das gilt allerdings auch für den unterlegenen Bewerber“ (Peking bekommt den Zuschlag, in spiegelonline 31.7.2015). – „Menschenrechtler und Dissidenten verlangen vom Internationalen Olympischen Komitee, die zunehmende Unterdrückung in China in die Entscheidung mit einzubeziehen. ‚Wir fordern eine Ablehnung der Pekinger Bewerbung, weil China derzeit eine Menschenrechtskrise durchmacht‘, forderten prominente Regimekritiker am Wochenende in einem offenen Brief“ (Mayer-Kuckuk, Finn, Mal mehr, mal weniger Menschenrechte, in fr-online 27.7.2015). – „Ein weiterer Schwachpunkt ist die Luftqualität – Sportler und olympische Funktionäre sind von  Berichten über Dauersmog irritiert. Doch für Ausnahme-Ereignisse hat Peking bewährte Tricks wie die Abschaltung von Chemiewerken und die Manipulation des Wetters auf Lager, um die Lage kurzfristig zu verbessern“ (Ebenda).

– Bach betet gesund. In der FAZ hat IOC-Präsident Thomas Bach eine Eloge auf seine IOC-Agenda 2020 ausgebreitet. Dort wird aus IOC-Sicht das Problem der Menschenrechte – noch dazu in den beiden Diktaturen China und Kasachstan – wie folgt „gelöst“: „Daher hat die IOC-Evaluierungskommission bei der Bewertung der beiden Olympiabewerbungen die Ansichten von Nichtregierungsorganisationen und Experten unter anderem zu den Themen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Medienfreiheit und Umweltschutz miteinfließen lassen. Die Kommission hat diese Aspekte mit den jeweiligen Regierungen erörtert und entsprechende Zusagen eingeholt. Diese besagen, dass die Prinzipien der Olympischen Charta und der Vertrag mit der Gastgeberstadt für alle Teilnehmer der Olympischen Spiele und für alle direkt mit den Spielen im Zusammenhang stehende Angelegenheiten eingehalten werden“ (Bach, Thomas, Premiere und Abschied zugleich, in faz.net 31.7.2015; Hervorhebung WZ).
So will sich der IOC-Präsident über die von vielen Menschenrechtsorganisatoren gerügte Endauswahl zweier Diktaturen für 2022 hinwegmogeln: mit einer Interimsdemokratie während der 16 Tage olympische Winterspiele. Vorher und nachher Diktatur as usual. Dazu gilt dies nur „für alle Teilnehmer der Olympischen Spiele und für alle direkt mit den Spielen in Zusammenhang stehende Angelegenheiten“, tangiert also nicht den Umgang mit der „Zivilgesellschaft“ und mit Regimekritikern etc.
Auch irreführend ist die Aussage von Bach zum Demonstrationsrecht: „Dies betrifft über die oben angesprochenen Themen hinaus auch das Verbot jeglicher Diskriminierung sowie das Demonstrationsrecht während der Dauer der Spiele“ (Ebenda). Die Diktaturen brauchen gar nicht selbst Demonstration verbieten. Das erledigt schon die Olympische Charta des IOC selbst, die jegliche Demonstration während olympischer Spiele verbietet. Regel 50 besagt: „3. Jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassische Propaganda ist an den olympischen Stätten, Austragungsorten oder in anderen olympischen Bereichen untersagt“ (S. 50f.).
Bach kennt als Jurist und IOC-Präsident natürlich Regel 50, Punkt 3.

– Zwei Wochen Menschenrechte: Pressestimmen zu Peking 2022
Claudio Catuogno
schrieb in einem Kommentar zu der für das IOC leidigen Frage der Menschenrechte: „Menschenrechtsfragen hingegen sind in Bachs olympischer Weltsicht traditionell nicht so das Problem. Auch seinem reformierten IOC reicht es, wenn Diktaturen mal für zwei Wochen Demokratie spielen. Das klingt dann so wie in Bachs jüngstem Interview mit der dpa: ‚Die Olympische Charta und der Gastgebervertrag müssen vollumfänglich für die Dauer der Spiele Anwendung finden. Dies gilt für alle Teilnehmer und im Zusammenhang mit allen direkt Olympia-bezogenen Aktivitäten.‘ China und Kasachstan hätten das ‚garantiert'“ (Catuogno, Claudio, Mehr Qual als Wahl, in SZ 29.7.2015).
Johannes Aumüller schrieb in der SZ: „Peking 2022, das bedeutet also: hohe Kosten für die Infrastruktur, massive Folgen für die Natur, nicht zuletzt, weil der wahrscheinlich benötigte Kunstschnee Unmengen an Wasser und Energie frisst. Dörfer müssen weichen, und Beobachter befürchten ein erneutes Propagandafest und eine Verschlechterung der Lage für Menschenrechtler und Minderheiten“ (Aumüller, Johannes, Verliebt ins Vogelnest, in sueddeutsche.de 1.8.2015).
Oliver Fritsch in zeit.de: „Zwar behaupten die chinesischen Bewerber, ihre Spiele würden Natur und Kosten schonen. Doch das können sie Leuten erzählen, die das IOC für einen gemeinnützigen Verein halten. Schnee fällt in Peking nämlich so gut wie nie, hohe Berge gibt es nicht. Viele Wettbewerbe werden auf Kunstschnee stattfinden, vier Autostunden von Peking entfernt. Was für ein Fake! Die Mächtigen des Sports aber werden sagen: Alles gut, kein Problem, die Chinesen kriegen das hin. Worüber die Sportmächtigen kein Wort verlieren, ist Politik. Und die wird uns die Spiele mächtig verleiden. (…) Experten schätzen die Zahl der Todesstrafen in China auf über 5.000 pro Jahr, die bevorzugte Disziplin ist übrigens der Genickschuss. Peking ist ein Extrembeispiel, aber keine Ausnahme“ (Fritsch, Oliver, Olympische Spiele 2022: Die nächsten Jahre werden kein Spaß, in zeit.de 31.7.2015).
Claus Vetter in tagesspiegel.de: „Unrechtsstaat A oder Unrechtstaat B, Peking oder Almaty – ist ja auch schon egal. Wer heutzutage Olympia haben will, muss auch Bürger haben, die nichts wollen dürfen. Zwei Kandidaten sind noch übrig geblieben für 2022, dabei wollten ursprünglich mal acht Kandidaten in Konkurrenz treten um die Ausrichtung der Spiele. München und Graubünden waren dabei, Stockholm, Oslo, Krakau und Lemberg auch. Allesamt schneesicherer als Peking, doch sie scheiterten allesamt am Votum des Volkes. Olympische Spiele haben in der Demokratie kaum noch eine Chance, sicher auch, weil sie mit ihren vielen Investitionen undemokratische Anforderungen an die Ausrichter stellen“ (Vetter, Claus, Unrechtsstaat A oder Unrechtsstaat B? in tagesspiegel.de 31.7.2015).
Dominik Fürst in sueddeutsche.de: „Außerdem sind, anders als es in jüngster Zeit in vielen westlichen Metropolen der Fall war, in China kaum Proteste gegen große Bauprojekte oder die Austragung der Spiele an sich zu erwarten. Im Gegenteil: 88 Prozent der Bürger von Chinas Hauptstadt haben sich für die Spiele ausgesprochen. (…) Ein Problem bei Olympischen Winterspielen in Peking ist die simple Tatsache, dass es dort kaum natürlichen Schnee gibt. Viele Wettkämpfe werden wohl auf Kunstschnee stattfinden – was nicht alle Athleten begrüßen dürften. Die Stadt leidet zudem unter massiver Luftverschmutzung. Heftige Kritik am Austragungsort kommt auch von Menschenrechtlern. ‚Die Vergabe an Peking birgt ganz klar die Gefahr, dass es bei der Vorbereitung und Durchführung der Olympischen Spiele wie bei den Sommerspielen 2008 zu Menschenrechtsverletzungen kommt‘, sagte Wolfgang Büttner von Human Rights Watch. Dass auch die Umsiedlung ganzer Dörfer geplant ist, passt zur heiklen Menschenrechtssituation. Doch Demokratiefragen und Großveranstaltungen im Sport sind freilich ein anderes, riesiges Thema“ (Fürst, Dominik, So wird Olympia in Peking, in sueddeutsche.de 31.7.2015).
Jens Weinreich in spiegelonline: „Olympia-Planer, die mit den Umständen vertraut sind, gehen davon aus, dass die Spiele in Peking und der Bergregion von Zhangjiakou die Kosten der Winterspiele 2014 in Sotschi von 50 Milliarden Dollar bei Weitem überschreiten und vielleicht sogar einen dreistelligen Milliardenbetrag fordern. Offiziell aber werden die Infrastrukturprojekte wie Autobahnen und eine Schnellzugstrecke nicht den Olympia-Etats zugerechnet. Und das sind nicht die einzigen Unstimmigkeiten. Insofern bleibt das IOC seiner Tradition des Gigantismus treu, obwohl doch Präsident Thomas Bach mit seiner sogenannten Agenda 2020 angeblich auf Nachhaltigkeit und Kostenreduzierung setzt. Elementare Fragen der Menschenrechte in den Bewerberländern Kasachstan und China wurden auf der 128. IOC-Vollversammlung nicht thematisiert“ (Weinreich, Jens, Verdächtige vier Stimmen, in spiegelonline 31.7.2015).

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III: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden

– Lothar de Maizière denkt. Der Bundessport-Innenminister de Maizière (CDU) forderte im Interview der FAZ ein Drittel mehr deutsche Medaillen oder mehr. Bei London 2012 belegte Deutschland mit 44 Medaillen den sechsten Rang. Das reicht de Maizière nicht -angesichts 153 Millionen Euro für den deutschen Spitzensport im Jahr 2015 plus die Kosten von rund tausend Sportsoldaten bei Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll. Außerdem meint de Maizière, dass die Fußball-EM 2024 und Hamburg 2024 kein Problem sind: „Ich denke, wir können auch zwei Großveranstaltungen stemmen“ („Wir müssen mindestens ein Drittel mehr Medaillen bekommen“, in faz.net 16.7.2015).
Das sieht z. B. Uefa-Präsident Michel Platini völlig anders.

– Sportdeutschland wird Pro-Sieben-Sat-1-Deutschland. In der Mai-Chronologie stehen Details zum im August 2014 gegründeten TV-Sender des DOSB: Sportdeutschland.tv. Nun hat der DOSB 57,5 Prozent an die ProSiebenSat.1-Gruppe abgegeben und hält nur noch 27,5 Prozent. Der DOSB konnte das TV-Geschäft augenscheinlich nicht allein managen und „erhofft sich durch den Verkauf wachsende Nutzerzahlen, einen Ausbau der Berichterstattung und eine bessere Vermarktung des Portals“ (ProSiebenSat.1 übernimmt Sportdeutschland.tv, in spiegelonline 22.7.2015). DOSB-Vizepräsident Stephan Abel betonte, das Projekt sei „nur mit einem professionellen Partner langfristig durchzuziehen“ (Ebenda). – Der DOSB habe festgestellt, „dass wir kein Produzent sind“ (Eisenberger, Korbinian, Noch mehr Bälle, in sueddeutsche.de 22.7.2015). 
Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Eurosport
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IV: Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024

– „Wichtigstes Projekt seit der Wiedervereinigung“. Ende Juni 2015 wurde die Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024 gegründet: Der DOSB wie üblich mit 51 Prozent – und Null Einlage – beteiligt, die Freie und Hansestadt Hamburg mit 26 Prozent, Deutschland mit 18 Prozent, das Land Schleswig-Holstein mit zwei Prozent, die Landeshauptstadt Kiel mit zwei Prozent und die Handelskammer Hamburg (!!!) mit einem Prozent. Die deutsche Wiedervereinigung ist ein Vierteljahrhundert her. Mit üblicher Sport-Selbstüberheblichkeit nannte DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann die Bewerbung Hamburg 2024 „das wichtigste Projekt des deutschen Sports seit der Wiedervereinigung“ (Burghardt, Peter, Wassertropfen im Wunderland, in SZ 7.7.2015). Sport-Bundesinnenminister Thomas de Maizière etwas bescheidener: „Wir wollen, dass es diesmal klappt“ (Ebenda).
Thomas de Maizière (vulgo de Misère) hat schon München 2018 und München 2022 begleiten dürfen.
 
– Referendum 29.11.2015: suggestive Fragestellung (Aus der Juni-Chronologie) Die Fragestellung beim Referendum heißt: „Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Sportbund mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewirbt“ (Hamburg: Olympia-Referendum am 29. November, in ndr.de 16.6.2015). Ein Anschein von Neutralität wäre zumindest mit der Formulierung erreicht worden: „Soll sich Hamburg… bewerben“. Staatsrat Christoph Krupp meinte zynisch zur Referendumsfrage am 29.11.2015: „Wir haben uns sehr bewusst für eine völlig neutrale Fragestellung entschieden“ (Woldin, Philipp, Fengler, Denis, Was der Senator zum Sicherheitskonzept sagt, in welt.de 18.6.2015).
Neutralität sieht anders aus!
Am 8.7.2015 stimmte eine größte Koalition aus SPDGRÜNECDUFDPAFD für das Referendum am 29.11.2015. Nur DIE LINKE war dagegen (Olympia-Votum nimmt letzte Hürde, in ndr.de 8.7.2015).

– Chancenlose Bewerbung mit hohen Kosten. Der Erfolg von Hamburg 2024 ist äußerst unwahrscheinlich: „Bei einem Erfolg eines europäischen Rivalen könnte sich Hamburg wohl eine weitere Kandidatur für 2028 sparen, weil Europa gewöhnlich nicht zweimal hintereinander olympischer Gastgeber ist. Außerdem bekommt der DFB voraussichtlich die Fußball-EM 2024. Das spricht ebenfalls dagegen, dass für dasselbe Jahr auch das zweitgrößte Sportereignis der Welt nach Deutschland vergeben wird. (…) Gegner halten den Vorstoß ohnehin für Geldverschwendung, PR und Rechtfertigung urbaner Großentwürfe. ‚Größenwahnsinnig‘, findet die NOlympia-Aktivistin Marie Behr. ‚Wir, die Steuerzahler, werden Olympia am Ende mitbezahlen müssen‘, meint Horst Domnick von der Bürgerinitiative ‚Stop Olympia Hamburg‘, die am Freitag im Rathaus eine Unterschriftenliste vorlegte“ (Ebenda). Vorsichtshalber bleiben Finanzierungskonzept der Bewerbung und eine genaue Kostenschätzung von Hamburg 2024 unbeziffert. „Auch ein Finanzierungskonzept und die Aufteilung der Kosten zwischen den Gesellschaftern werden erst vorgelegt, ‚wenn die Zahlen vernünftig sind‘, kündigte de Maizière an“ (Havekost, Folke, Die Zahlen kommen später, in neues-deutschland.de 7.7.2015).
Sehr wahrscheinlich werden die Kosten von Hamburg 2024 erst nach dem Referendum am 29.11.2015 veröffentlicht: mit dem Realfaktor heutiger Olympischer Spiele von etwa dem Dreifachen bis zur Endabrechnung. Aber zumindest weiß man etwas über die Kostenverteilung bei der Bewerbung:

– Olympische Milchbubenrechner. „Die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 könnte die Stadt Hamburg womöglich teurer zu stehen kommen als geplant. Sollten die anvisierten 25 Millionen Euro aus der deutschen Wirtschaft nicht fließen, ist Hamburg als einziger der Vertragspartner der neu gegründeten Bewerbungsgesellschaft dazu verpflichtet, weiteres Geld für das Bewerbungsbudget von rund 50 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Das geht aus der Gesellschaftervereinbarung hervor. ‚Sofern die Deckung der Finanzierungsmittel nicht durch private Sponsoren gewährleistet werden kann, wird die FHH (Freie und Hansestadt Hamburg, d. Red.) für diese Deckung im erforderlichen Umfang eintreten‘ heißt es unter Paragraf zwei, Absatz zwei: ‚Eine Nachschusspflicht der anderen Gesellschafter besteht nicht‚“ (SID, Olympia-Bewerbung könnte für Hamburg teurer werden als geplant, in zeit.de 6.7.2015; Hervorhebung WZ).
Leider kein Witz: „Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) zeigte sich zuversichtlich, nach der Endabrechnung sogar ‚nur fünf oder sechs Millionen Euro‚ zahlen zu müssen. Wie hoch die finanzielle Belastung für Hamburg am Ende wirklich werde, hänge von der Beteiligung der Wirtschaft ab. Sollte sich diese aber nicht an ihre Zusagen halten, müsste Hamburg im schlimmsten Fall allerdings 20 Millionen Euro zahlen“ (Ebenda).

Aus einem Kommentar von Peter Burghardt zur Bewerbung Hamburg 2024 in der SZ: „Bescheidene Spiele gibt es nicht, solange 28 Sportarten und 300 Entscheidungen auf dem Programm stehen, plus die ebenfalls umfangreichen Paralympics. Die Kosten sind gewaltig, Hamburg müsste für Wettkampfstätten und Logistik ganze Gebiete umkrempeln. Das gilt nicht nur für die Elbinsel Kleiner Grasbrook, deren Eignung zum Olympiazentrum ohnehin unklar ist. Derzeit hat die Stadt genügend Mühe, Flüchtlinge unterzubringen. Außerdem sind die Mieten in manchen Vierteln kaum mehr zu bezahlen. Eine sinnvolle Stadtentwicklung funktioniert auch ohne Olympia. Im Spätherbst stimmen die Hamburger darüber ab, ob ihnen ein Experiment mit solch ungewissem Ausgang den Einsatz wert ist. Münchner und Garmischer haben 2013 Nein gesagt“ (Burghardt, Peter, Maximaler Aufwand, minimale Chance, in sueddeutsche.de 1.7.2015; Hervorhebung WZ).

– Positionspapier von BUND Hamburg. Der BUND Hamburg wirft in einem Positionspapier dem Senat vor, dass dieser bereits in der Vergangenheit umweltrelevante Planungsvorgaben missachtet hätte, siehe Mühlenberger Loch, Kohlekraftwerk Moorburg, Elbvertiefung. „Es ist derzeit nicht erkennbar, wie und zu Lasten welcher Flächen eine Umsiedlung der Unternehmen, die derzeit auf dem Kleinen Grasbrook wirtschaften, erfolgen soll. (…) Es ist somit eine Inanspruchnahme von Freiflächen und ökologisch wertvollen Hafenbecken absehbar“ (Zum Positionspapier hier). Die Bürgerschaft hatte bereits am 21.5.2014 den Senat aufgefordert, die  tatsächlichen Auswirkungen vorzulegen: Dies sei nicht geschehen. Acht Wochen vor dem Referendum am 29.11.2015 müssen alle Fakten zu Kosten Umweltbelastungen und Stadtentwicklung bzw. Nachnutzungen zugänglich gemacht werden (Vgl. auch PM Olympia: BUND Hamburg bleibt skeptisch, bund-hamburg.bund.net 10.7.2015).

– Staat zieht 20 Millionen Euro für Hamburg 2024 zurück. Das ging ja schnell: Am 20.5.2015 beschloss der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages für 2015 bis 2017 die stolze Summe von 30 Millionen Euro für die Bewerbung Hamburg 2024. Die Welt meldete dagegen – weniger als zwei Monate später – am 14.7.2015, dass lediglich zehn Millionen Euro für 2015 bis 2017 zur Verfügung stehen. Eine Sprecherin des Bundesministerium des Innern (BMI): „‚BMI und BMF (Bundesfinanzministerium, d. Red.) sind der Auffassung, dass diese Bundesmittel vor dem Hintergrund der getroffenen Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern absolut ausreichend sind, um eine erfolgreiche deutsche Bewerbung durchzuführen. Deshalb haben sich BMI und BMF darauf verständigt, dass weder in 2016 noch in 2017 Mittel für die Olympiabewerbung veranschlagt werden‘, erklärte eine BMI-Sprecherin. (…) Dem Vernehmen nach hat es hinter den Kulissen zwischen DOSB und der Abteilung Sport im Ministerium jedoch rumort wegen der Frage, wie viel Einfluss der Bund auf die Gestaltung der Olympiabewerbung nehmen kann. Nachdem die beiden letzten, ‚vom Sport getriebenen‘ Münchner Bewerbungen um Winterspiele mehr oder minder kläglich gescheitert sind, wollen die Skeptiker in de Maizières Ministerium diesmal mitgestalten, es besser machen. Persönliche Animositäten zwischen handelnden Personen auf beiden Seiten taten offenbar ihr Übriges“ (Hungermann, Jens, Bundesregierung verzichtet auf 20 Millionen Euro, in welt.de 14.7.2015). Das BMI geht von 50 Millionen Euro Bewerbungskosten aus. Intern wurde im Juni 2015 schon mit 70 Millionen Euro gerechnet: Bundesrepublik Deutschland 30 Millionen Euro, Handelskammer Hamburg verspricht 25 Millionen Euro einzuwerben, der Hamburger Senat stellt bis zu 15 Millionen Euro zur Verfügung (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 21/795, 16.6.2015, S. 8).
Die Hälfte der – irrealen – 50 Millionen Euro soll laut BMI von privaten Sponsoren kommen. Da der DOSB keine und Kiel und Schleswig-Holstein nur geringe Zuzahlungen leisten, entfallen auf die Freie und Hansestadt Hamburg und den Bund 25 Millionen Euro. Das BMI bezieht sich auf den Gesellschaftervertrag: danach ist die Verteilung 26 Prozent (Hamburg) und 18 Prozent (Bund). Das BMI erwähnte auch den Passus der Gesellschaftervereinbarung: „Eine Nachschusspflicht des Bundes für etwaige Lücken im Bewerbungsbudget ist allerdings vertraglich ausgeschlossen“ (Ebenda).
Das ist alles andere als eine vertrauensvolle Zusammenarbeit – schon ganz am Anfang! Keine Zahl stimmt, Zuschüsse beinhalten Phantasiemillionen, und Kostenberechnungen liegen erst gar nicht vor. Hamburg 2024: Bewerbungsbusiness as usual.
Deshalb schauen wir uns noch einmal die „Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft“ vom 16.6.2015 an.

– Hamburg 2024: Bewerbungsbusiness as usual. Der Haushaltspolitische Sprecher der SPD, Johannes Kahrs, ärgerte sich über die Zurückziehung der 20 Millionen Euro durch den Bund: Da es eine Bewerbung des Bundes sei, solle die Regierung auch zahlen (Bouhs, Daniel, Hamburger Bewerbung auf Sparflamme, in deutschlandfunk.de 19.7.2015). „Sein Wahlkreis wäre letztlich der große Profiteur“ (Ebenda).
Nach der neuen Kostenverteilung wäre der größte Geldgeber die Hamburger Wirtschaft mit 25 Millionen Euro. Staatsrat Christoph Holstein (SPD), Hamburger Koordinator der Bewerbung Hamburg 2024, meinte dazu, es fehle der Bewerbung kein Geld, weil die 25 Millionen Euro von der Hamburger Wirtschaft kämen. „Damit dieser Plan aufgeht, muss nun die Industrie- und Handelskammer Gefälligkeiten für die Stadt einwerben, Spenden von insgesamt 25 Millionen Euro – von Konzernen und den großen Reedereien. Doch was, wenn es dazu nicht kommt – wer springt ein? Der Staatsrat verspricht: nichts“ (Ebenda).
Zur Erinnerung: Die Bewerbung München 2018 sollte vollständig privat finanziert werden – im Endeffekt zahlten hauptsächlich staatliche und städtische Unternehmen, und die endgültige Abrechnung steht immer noch aus.

– Die Märchenstunde des Hamburger Senats. (Alle Zitate: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 21/795, 16.6.2015) – „Hamburg steht für Deutschland, und Deutschland steht hinter Hamburg“ (S. 1). – „Die Spiele werden professionell geplant und kostenstabil finanziert. Dabei wird ein Höchstmaß an Transparenz in allen Phasen der Bewerbung und Realisierung gewährleistet werden“ (S. 4). – Für die Bewerbung und die Spiele werden keine neuen Schulden gemacht werden“ (S. 5). – „Nach der Entscheidung der Vollversammlung des DOSB zugunsten Hamburgs handelt es sich nicht länger um  eine rein Hamburger, sondern um eine deutsche Bewerbung“ (S. 7; Das entscheidet der DOSB?). – „Auch werden die Spiele nicht über Einschnitte im Sozial-, Umwelt-, Kultur- oder Bildungsbereich, über sonstige Einschnitte oder Privatisierungen finanziert werden“ (S. 8: wie sonst überall). „Die Finanzierung des Investitionsbudgets obliegt nicht ausschließlich der Stadt. Der Bau des Olympischen Dorfes sowie des Mediendorfes soll beispielsweise von privaten Investoren übernommen werden“ (S. 9. Wer glaubt daran, dass hier bezahlbare Wohnungen und Sozialwohnungen entstehen?!). – Zur Finanzierung des nötigen Umzugs der Hafenwirtschaft „sollen die vorhandenen Flächen so beplant werden, dass sich das Freimachen und Herrichten der Flächen Kleiner Grasbrook und Überseezentrum sowie die im Rahmen der Erschließung notwendige Infrastruktur durch die Einnahmen aus den Grundstückserlösen gegenfinanzieren lassen“ (S. 9f). – „Die Luft im Hamburger Hafen soll spätestens zu den Olympischen und Paralympischen Spielen so sauber sein, dass die europäischen Grenzwerte möglichst eingehalten werden“ (S. 11. Interessant daran ist, dass Hamburg also bewusst bis 2024 europäisches Luftreinhaltungs-Recht verletzen will). – „Mit den Olympischen und Paralympischen Spielen würde Hamburg (…) auch zum Tor für die Welt werden“ (S. 13. Ist „Tor zur Welt“ nicht ein langjähriger Hamburger Werbeslogan?).

– Öko-Institut auch bei Hamburg 2024 mit dabei. Nicht nur diverse olympische Bewerbungen wie München 2018 und München 2022 erhielten vom Öko-Institut Freiburg den ökologischen Persilschein. In der oben erwähnten Mitteilung des Senats steht, dass auch Hamburg 2024 vom Öko-Institut – zusammen mit der Sporthochschule Köln – aufbereitet wird. Der Hamburger Senat zur Auftragsvergabe: “Gegenstand des Auftrages ist die ganzheitliche, qualifizierte sowie fristgerechte Planung, Koordinierung und Erstellung der Bid Books. Bestandteil dieses Auftrages ist die Prüfung der Umweltwirkungen der Spiele und die Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts sowie eines Umweltmanagementsystems. Die Bietergemeinschaft hat hierfür das Öko-Institut Freiburg und die Sporthochschule Köln als Partner gewonnen” (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Drucksache 21/795, 16.6.2015).
Vergleiche hierzu: Quo vadis, Öko-Institut?

– Grüner Umweltsenator bietet olympisches Wunschkonzert. Der Hamburger Umweltsenator Jens Kerstan „träumt von nachhaltigen Sommerspielen“ (Werner, Jana, Hamburg plant Klimataxe für Olympia 2024, in welt.de 15.7.2015). Die Spiele sollen laut Kerstans Eckpunktepapier  „kleiner, bescheidener, nachhaltiger“ werden, „umweltfreundlich, ressourcenschonend, global gerecht“ (Ebenda). Eine Klimataxe soll die Spiele „klimaneutral“ machen. Die Innenstadt soll während der Spiele autofrei bleiben. (Hier protestierte die Hamburger CDU.) Flutlicht, Fassaden, Sitzschalen, Eintrittskartendrucker sollen „nachhaltig“ sein. Kerstan großspurig: „Wir wollen nicht Olympische Spiele für Hamburg machen, sondern für die Welt“ (Ebenda). Und aus dem Kleinen Grasbrook soll „nach den Spielen ein Stadtteil für Migranten, Studenten und Kreative werden“(Ebenda; Hervorhebung WZ).
Insgesamt ein olympisches Wunschkonzert eines Grünen-Politikers, von dem kaum etwas verwirklicht werden würde. Speziell die Nachnutzung es Kleinen Grasbrooks ist völlig illusorisch und irreal: Hier stünde schon die Immobilienwirtschaft zur Vermarktung bereit. Ob Kerstan selbst an seine Pläne glaubt?

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V: Allgemeine Nachrichten

– Formel 1 zu teuer, zu leise, zu langweilig? Bernie Ecclestone (84) bezeichnete die neuen Hybrid-Sechszylinder-Motoren als „Mist“ („Ich bin genauso schuld“, in spiegelonline 4.7.2015). Die Fahrergewerkschaft GPDA hat eine Umfrage erstellen lassen: 217.000 Fans aus 197 Ländern empfinden die Formel 1 als zu teuer, zu technologisch und zu langweilig (Jans, Gunnar, Zu teuer, zu langweilig, in SZ 3.7.2015). Die Verteilung der Einnahmen begünstigt die Großen und benachteiligt die Kleinen. „Den Großen Preis von Deutschland gibt es ab 2015 nicht mehr, der Spektakelsender RTL kürzt die Übertragungszeit, Pay-TV-Sender prüfen den Ausstieg“ (Ebenda).

– Un-Allianz-Arena. Am 30.5.2005 wurde die „Allianz-Arena“ des FC Bayern eröffnet. Seitdem sind zu 470 Spielen über 24 Millionen Zuschauer gekommen. „Im südlich angrenzenden Wohngebiet Kieferngarten hegen viele Bürger an Spieltagen allerdings große Hassgefühle für das Stadion“ (Mühleisen, Stefan, Arena des Argwohns, in SZ 7.7.2015). Der Bezirksausschuss hat die Stadt München aufgefordert, die vom FCB geplante Stadionerweiterung auf 75.000 Plätze nicht zu genehmigen (Ebenda).

– Nordkorea: Sportfunktionär Kim Jong Un. „Kim Jong Un möchte, dass Nordkorea künftig internationale Sportveranstaltungen ausrichtet. (…) Der Sport erwecke ‚den Nationalstolz‘ und durchziehe die Gesellschaft ‚mit einem revolutionären Geist‘, sagte Kim. (…) Ende Juli werden Tischtennisprofis aus aller Welt nach Pjöngjang reisen, wo der Weltverband ITTF ein Turnier seiner World-Tour-Serie veranstaltet. ITTF-Marketingdirektor Steve Dainton inspizierte kürzlich den Austragungsort. ‚Alle unsere Vorurteile wurden widerlegt‘, sagt er, die Halle ist fantastisch, eine der besten Tischtennisanlagen der Welt‘. (…) Bereits im April, zum Pjöngjang-Marathon, waren über 650 ausländische Läufer angereist“ (Spitzensport für den Diktator, in Der Spiegel 28/4.7.2015).
Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Internationale Sportverbände und Diktaturen

– Russischem Staat geht das Sport-Geld aus. Putin-Russland investierte kräftig in den Sport, als  die Öl- und Gaspreise hoch waren. „Mit dem Sport sollten Russlands neue Stärke demonstriert und sein Prestige vergrößert werden“ (Veser, Reinhard, Der Rubel rollt aus, in faz.net 16.7.2015). Dann kamen die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi – mit rund 50 Milliarden Dollar kosten. „Kommunalpolitiker hatten zuletzt beklagt, dass in Sotschi das Geld an allen Ecken und Enden fehle – und etwa Schulen und Krankenhäuser nicht fertiggebaut werden könnten“ (DPA, Sotschi sucht 64 Millionen Euro für Formel 1, in sueddeutsche.de 16.7.2015). Durch den Preisverfall für Öl und Gas, den Krieg in der Ukraine und die Krim-Sanktionen wird das Staatsgeld knapp – und das der Oligarchen. „Vielen der privaten Investoren, die zum Ruhme des Vaterlandes in den Sport investieren sollten, geht langsam das Geld aus – und die Kosten bleiben am russischen Staat hängen“ (Ebenda). Als nächstes findet am 11.10.2015 das Formel-1-Rennen in Sotschi statt. Die Region Krasnodar fordert einen Kredit über 64 Millionen Euro von Moskau (DPA 16.7.2015). Interimsgouverneur Weniamin Kondratjew: „Wenn es keinen Kredit gibt, wird es keine Formel 1 geben… Unsere regionalen Gelder werden wir für die Formel 1 nicht ausgeben“ (Ebenda). Und schließlich findet 2018 die Fußball-WM in Russland statt. Der Trainer des Fußballklubs ZSKA Moskau befürchtete kürzlich, dass die teuren neuen Stadien nach der WM leer stehen werden. „Damit freilich wäre Russland nicht alleine: Südafrika und Brasilien nach den Weltmeisterschaften 2010 und 2014 sowie Polen und die Ukraine nach der EM 2012 können ein Lied davon singen“ (Veser 16.7.2015).

– Tom Mustroph zum ökologischen Fußabdruck der Tour de France: „Die Tour de France ist ein Riesenorganismus. Das fällt besonders bei Bergetappen auf. Meist steht nur eine einzige Straße zur Verfügung, über die etwa 2400 Fahrzeuge von Mannschaften (etwa 150), Werbekarawane (165), Organisatoren und Presse (ca. 1000) fahren müssen. Am Fuß der Berge sieht man während der Etappe bereits mehrere Dutzend Sattelschlepper geparkt, auf die am Abend die schwerfälligsten Vehikel der Werbekarawane verladen und zum nächsten Startort transportiert werden. Auch zahlreiche Nightliner sind zu sehen – Riesenbusse mit eingebauten Schlafkojen, in denen viele der Arbeiter nächtigen, die die temporären Start- und Zielaufbauten errichten und die Absperrgitter aufstellen“ (Mustroph, Tom, Grünes Trikot, schwarzer Abdruck, in neues-deutschland.de 17.7.2015).

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VI: Aktuelle Sportsplitter von Fifa, Uefa, DFB etc.

– Uefa: Financial Un-Fairplay. 2011 führte die Uefa das „Financial Fairplay“ (FFP) ein, um die Fußball-Klubs zu verpflichten, dass sie nicht mehr ausgeben als sie einnehmen. Manchester City (Eigentümer Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi) und Paris St. Germain (Eigentümer Qatar Sports Investments) mussten jeweils 60 hen Eigentümer von PSG Millionen Euro Strafe zahlen: was beide Klubs mit links erledigten und sofort in weitere Spieler investierten. Ein Spielerberater nahm sich den Anwalt Jean-Louis Dupont, der 1995 das Bosman-Urteil erstritten hatte, wonach Profikicker ablösefrei nach Vertragsende den Klub wechseln dürfen. Dupont klagt vor einem Brüsseler Gericht u. a. mit der Argumentation, das FFP würde gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen, da es bestehende Verhältnisse zementiere. „FFP, so der Kernvorwurf, installiere eine Oligopol-Liga aus wenigen reichen Klubs, während der Rest für immer in eine Nebenrolle gezwungen werde“ (Kistner, Thomas, Durch die Hintertür, in SZ 1.7.2015). Das FFP lässt in der Tat die Verschuldung der Klubs außer Acht: Real Madrid und Manchester United (Eigner US-Milliardärsfamilie Glazer) haben zusammen 800 Millionen Euro Schulden und kamen trotzdem problemlos durch das FFP. Nun räumt die Uefa den Klubs die Möglichkeit einer „Selbstanzeige“ ein, um „eine freiwillige Vereinbarung zur Restrukturierung ihrer Finanzen“ zu beantragen (Mit Selbstanzeige, in SZ 1.7.2015). Die Vereine sollen statt drei vier Jahre Zeit bekommen, um eine ausgeglichene Bilanz zu erzielen. „Defizitäres Wirtschaften ist wieder möglich, straflos und sogar über vier Jahre“ (Kistner 1.7.2015).

– Uefa erlaubt neue Einkaufstouren. Paris St. Germain (PSG) wurde von der Uefa im Mai 2014 im Rahmen des FFP zu 60 Millionen Euro Geldstrafe verurteilt. Die katarischen Eigentümer von PSG haben die komplette Entschuldung des Klubs bis Ende 2015 nachgewiesen (SID, PSG darf wieder einkaufen, in SZ 3.7.2015).

– Sondereinheit „Flankengott“ wird abgewickelt. Seit 2009 gibt es beim Bochumer Kriminalkommissariat die Ermittlungsgruppe „Flankengott“, die sich sehr erfolgreich mit Wettbetrug im Sport beschäftigte. „Weltweit wird jährlich geschätzt rund eine Billion Euro mit Sportwetten umgesetzt, annähernd so viel wie der gesamte deutsche Exportumsatz“ (Buschmann, Rafael, Drecksarbeit im Revier, in Der Spiegel 28/4.7.2015). „Flankengott“ wurde in letzter Zeit still und leise abgewickelt: Von ursprünglich 20 Ermittlern sind zwei übrig geblieben. „Wer die Drecksarbeit anstelle der Bochumer Kripo in Zukunft machen soll, ist völlig unklar“ (Ebenda).

– Fifa-Präsident sicher bei Russland-Präsident. „Die USA haben von der Schweiz die Auslieferung von sieben Fifa-Funktionären beantragt, die wegen des Korruptionsskandals Ende Mai festgenommen worden waren. Das offizielle Ersuchen der US-Behörden wurde vom Schweizer Justizministerium bestätigt. (…) Die US-Behörden ermitteln wegen des Verdachts der Annahme von Bestechungsgeldern in Höhe von mehr als hundert Millionen Dollar. Die Verdächtigen sollen dafür den mutmaßlichen Bestechern die Medien-, Vermarktungs- und Sponsoringrechte zugeschanzt haben. Die Straftaten sollen in den USA abgesprochen und vorbereitet worden sein“ (USA beantragen Auslieferung von Fifa-Funktionären, in spiegelonline 2.7.2015). Sepp Blatter fuhr aus Angst vor einem US-Auslieferungsantrag nicht zur Fußball-WM der Frauen in Kanada und zur U-21-WM in Tschechien: „Solange nicht alles abgeklärt ist, werde ich kein Reise-Risiko eingehen“ (DPA, Vorwürfe gegen Wulff und Sarkozy, in SZ 6.7.2015).
Aber zur Auslosung für die Fußball-WM in Russland am 25.7.2015 in St. Petersburg traut er sich dann schon: Wo wäre er schon sicherer als bei Sportskamerad Wladimir Putin.

– Blatter: Wulff und Sarkozy schuld an WM 2022 in Katar. Blatter erhebt den Vorwurf, „Deutschland und Frankreich hätten versucht, Einfluss auf die Wahl Katars als WM-Gastgeber 2022 zu nehmen. Blatter nannte in diesem Zusammenhang die damaligen Präsidenten Christian Wulff und Nicolas Sarkozy: ‚Die Herren Sarkozy und Wulff haben versucht, ihre Wahlmänner zu beeinflussen. Deswegen haben wir jetzt eine WM in Katar. Die, die das entschieden haben, sollen auch die Verantwortung übernehmen.‘ Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) habe vom ehemaligen Bundespräsidenten Wulff eine Empfehlung bekommen, ‚dass Deutschland wegen wirtschaftlicher Interessen für Katar stimmt‘. Wulff hat diesen Vorwurf zurückgewiesen, auch Frankreich hatte sich schon im vorigen Mai gegen Blatters Behauptung verwahrt“ (Blatter bezichtigt Wulff der Einflussnahme für Katar, in spiegelonline 5.7.2015).

– Jeffrey Webb an die USA