München übt 2018
Der Präsident des Münchner Skiverbandes Müller schwärmte schon Anfang Juni 2010 vom geplanten hoch dotierten Slalomrennen mit den 32 weltbesten Skirennläufern am Olympiaberg (Schuttberg) im Olympiapark in München: „Für die Bewerbung ist das Rennen ein Glücksfall.“ Auf die Frage nach der benötigten Menge Kunstschnee verwies Müller auf das Wintersportfestival 2009, für das 1400 Tonnen Kunstschnee (240 Lkw-Ladungen) benötigt wurden. Für den geplanten Slalom soll es noch etwas mehr werden. (Eberts, Carsten, „Das größte Spektakel, in SZ 5.6.2010; Bielicki, Jan, Slalom am Schlittenberg, in SZ 4.6.2010)
Vergleiche auc 18 Gründe.
Parallelslalom als Werbeveranstaltung für München 2018
Die zehnfache Menge Kunstschnee wie oben – 14.000 Kubikmeter Kunstschnee oder mehr – wurde seit Ende November 2010 mit vier Schneekanonen für den Parallelslalom am 2.1.2011 produziert. Und schon gab es nach zwei Monaten Arbeit und viel Strom und Wasser eine Piste am Münchner „Olympiaberg“. Die Kosten belaufen sich nach Aussage der Olympiapark GmbH im „höheren sechsstelligen Bereich”, nämlich rund 800.000 Euro und werden von der Stadt München, ihrem Tochterunternehmen Olympiapark GmbH (Nationaler Förderer der Bewerbung) und der Bewerbungsgesellschaft getragen: eine teure Werbeveranstaltung im Hinblick auf die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2018. (Der Olympiaberg ruft, in SZ 21.12.2010; Neudecker, Michael, Toronto, Québec, New York, in SZ 31.12.2010; Ski-Weltcup spült Geld in die Kassen, in merkur-online 3.1.2011)
Das Starthäuschen war in 564 Meter üNN, die Strecke 200 Meter lang, die Rennzeit dauerte etwa 20 Sekunden. Der obere Olympiasee wurde abgelassen, die Oberfläche befestigt, Tribünen draufgepackt für 30.000 oder mehr Zuschauer – 25.000 Zuschauer kamen dann und sahen Lichtshows, eine Bühne für Live-Musik und Live-Übertragung von ARD über ORF bis zur Schweizer SRG. Die Siegerin und der Sieger erhielten 32.000 Euro Preisgeld. Auch Sebastian Schweinsteiger (FC Bayern München, Audi) unterstützte den „Audi FIS Ski Worldcup“ am 2.1.2011 (Leischwitz, Christoph, Ein Stück Alpen im Olympiapark, in SZ 31.12.2010). Die Tickets kosteten 19 Euro. Dauer der Veranstaltung: 16.45 bis 19 Uhr: Das macht 135 Minuten für den ganzen Aufwand. (Weltcup-Slalom am Olympiaberg, in merkur-online 10.11.2010; Tögel, Ralf, Ohne Schweinsteiger, in SZ 19.11.2010)
Die FIS will eine neue Rennserie im Weltcup-Zirkus einführen und den Skirennsport in die Städte bringen. Der Münchner Parallelslalom war der erste Weltcup in einer Großstadt. Aus kommerziellen Gründen ist dies der Trend: “Der Markt für mehr Geld liegt nicht in den verschneiten Dörfern” (Neudecker 31.12.2010; Leischwitz, Christoph, Ski-Begeisterung mitten in München, in in SZ 3.1.2011). Und Felix Neureuther erkannte: “Das ist ein Zeichen, wo es hingehen soll – in die Städte” (München bejubelt Neureuthers vierten Platz, in spiegelonline 2.1.2011).
OB Ude wusste: „Diese Stadt ist ein Wintersport-Mekka“ (SZ 4.1.2011). Nur eine Woche später war der „Olympiaberg“ wieder grün – bei plus zehn Grad Celsius und Regen.
Wenn man vor Kraft nicht laufen kann
OB Ude strotzte wieder einmal vor Kraft nach dem Skirennen am Münchner Schuttberg. Das Vorgehen des Rechtsanwalts der Grundeigentümer, Ludwig Seitz bezeichnete Ude als „ein öffentliches Spektakel“ und unterstellte den Grundeigentümern egoistische Motive (Ude: „Spektakel, um die Gegenseite zu beeindrucken“, in tz-online 2.1.2011). Rechtsanwalt Seitz vertritt 63 Grundeigentümer, und 100 weitere haben sich solidarisch erklärt.
“Den von den Medien beschriebenen ‘Bauernaufstand” gegen die Spiele gebe es nicht. Das habe ihm der Präsident des Bauernverbandes kürzlich bestätigt. Die Bauern, die ihr Geld mit der Landwirtschaft verdienten, seien für die Bewerbung. Probleme machten ‘vier, fünf, sechs Grundeigentümer, die etwas für sich herausschlagen wollen’. Diese Gruppe veranstalte ein ‘öffentliches Spektakel’, was einfach dadurch motiviert sei, dass sie ‘keinerlei Chancen auf Erfolg’ hätten” (Tögel, Ralf, Neujahrsgrüße an renitente Garmischer, in SZ 3.1.2011; München – Stadt-Spektakel statt „Bauern-Aufstand“, in eurosport.yahoo.com 3.1.2011; Tögel, Ralf, Neujahrsgrüße an renitente Garmischer, in SZ 3.1.2011).
Entweder der Oberbürgermeister oder der Bauernpräsident oder beide nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau. Die Diffamierungen von Ude Richtung Werdenfels sind hinlänglich bekannt. Und der Bauernverband gerierte sich als eilfertiger Erfüllungsgehilfe für München 2018 und arbeitete umgehend Nutzungsverträge aus – die nicht unterschrieben wurden. Wieso vertritt der Bauernverband nicht die Interessen der Garmisch-Partenkirchner Bauern?
München probt 2011 schon mal vorolympisch
Das ist nicht die einzige Werbeveranstaltung für München 2018:
1) Audi FIS Skiweltcup am 2.1.2011: Parallelslalom vom „Piz Olympiaberg“ im Münchner Olympiapark auf 200 Meter Streckenlänge (siehe oben). 2) Crashed Ice Downhill in der Weltmeisterschaftsserie „Red Bull Crashed Ice“ am 15.1.2010: Vierer-Blöcke von Schlittschuhläufern rasen den Olympiaberg (Schuttberg) hinunter. 3) Air & Style-Snowboard-Spektakel am 12.2.2010 im Olympiastadion: „Atemberaubende“ Tricks von Snowboardern plus zwei Bands und Party (Kampf auf Kanten und Kufen, in SZ 2.12.2010). 4) Nokia 6.0 Air & Style am 12.2.2011.
München ist bestens gerüstet für 2018 – Hully Gully everywhere.
ZDF-Sportstudio wirbt vergeblich für München 2018
Am 8.1.2011 ab 23 Uhr durften Katarina Witt und Bernhard Schwank im ZDF als „Zugpferde der Münchner Olympiabewerbung“ für München 2018 werben – oder besser: hätten die Chance gehabt. Sie haben sie nicht genutzt, und so geriet der Auftritt bei dem Öffentlich-Rechtlichen ziemlich peinlich. Vor allem die vom ZDF-Sportstudio beworbene Online-Abstimmung konnte das Kontingent seiner Sportbegeisterten nicht motivieren: gerade 53 Prozent dieser sportaffinen Zielgruppe stimmte für die Spiele, aber 47 Prozent dagegen (Alternative Flächen für Olympia 2018, in sueddeutsche.de 9.1.2011).
Auch die Ablehnungen bei den letzten Online-Umfragen waren deutlich. BR-Online, Februar 2010: 56,4 %; Merkur-Online Februar 2010: 78 %; tz-online Februar 2010: 88 %; Augsburger Allgemeine Juli 2010: 65 %; Frankfurter Rundschau Dezember 2010; 61 %; AZ-Online Dezember 2010: 76 %.
Vergleiche unter Aktuelles
Neuigkeiten aus Berchtesgaden
Die älteste Kunsteisbahn der Welt in Berchtesgaden wurde 2010 für 22 Millionen Euro für die Bob- und Skeleton-WM im Februar 2011 modernisiert. Allein 1,5 Millionen Euro kostete die neue Ammoniakanlage zur Kühlung der Bahn, für die 30 Kilometer Leitungen verlegt wurden (Kreisl, Volker, Mit Sicherheit, in SZ 23.12.2010).
Wolfgang Staudinger, der Cheftrainer des kanadischen Rodel-Verbandes, bezweifelt aber, ob die gerade eben renovierte Bahn den Anforderungen von München 2018 genügen würde: „Für Weltcups und Weltmeisterschaften reicht es, aber für Olympia kann ich sie mir noch nicht vorstellen“ (Mölter, Joachim, Schweben durch die Echowand, in SZ 7.1.2011)
Wieviel weitere Millionen Euro wären wohl nötig, um den Anforderungen des IOC in sieben Jahren zu genügen?
Blatter verhöhnt das IOC
Ausgerechnet der skandalträchtige Fifa-Präsident Blatter verhöhnte Anfang Januar 2011 das skandalträchtige IOC. Das IOC hätte „keine Transparenz“, monierte der intransparente Blatter und kritisierte auch die Zusammensetzung: „Von den 115 Mitgliedern des IOC sind nur 45 direkt mit dem Sport verbunden.“ Blatter inszenierte eine Retourkutsche: Da die Fifa durch die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar (mit 45 Grad heißen Sommermonaten) und ihrem dubiosen Wahlmodus auf erhebliche Kritik gestoßen war, diskutierte sie die Verlegung der Fußball-WM 2022 in die Wintermonate – und würde damit die Geschäftsinteressen des IOC für die Olympischen Winterspiele 2022 unterminieren. Das IOC hat schon jetzt erhebliche Schwierigkeiten, die TV-Rechte für Sotschi 2014 und Rio 2016 zu verkaufen. IOC-Präsident Rogge kündigte als Retourkutsche an, dass die Ethik-Kommission des IOC die Fifa-Funktionäre überprüfen werde, die auch IOC-Mitglieder sind. Blatter erklärte kurz danach, er sei falsch interpretiert worden (Rogges Schlussstrich, in SZ 14.1.2011).
Bayern-Präsident Uli Hoeneß kommentierte die Wahl Katars: „Es ist ein Skandal, wie dort die Dinge ablaufen. Offensichtlich hat heutzutage nur noch eine Bewerbung Erfolg, wenn zusätzliche Zahlungen unter dem Tisch gemacht werden.“ („IOC wie eine Hausfrau“, in SZ 8.1.2011; Blatter für Winter-WM, in SZ 8.1.2011; Fifa-Boss Blatter verhöhnt das IOC, in sport.t-online 7.1.2011; Fifa kontra IOC – Geschichte einer Rivalität, in sueddeutsche.de 9.1.2011).
Fifa und IOC im finanzsportlichen Wettbewerb: Es geht schließlich um viel Geld.
SZ für „Ein großes Wir“
Vor Abgabe des Bid Book schlugen die Freunde von München 2018 in der SZ-Redaktion wieder zu. Gerhard Matzig beschwor den olympischen Kampfgeist und schwärmte vom Mega-Event, vom „Ort der Selbstvergegenwärtigung“, der „Identitätsstiftung inmitten der Identitätslosigkeit und ein Gemeinsames inmitten der überindividualisierten … Gesellschaft“ (Matzig, Gerhard, Ein großes „Wir“, in SZ 8.1.2011).
Der „Freie Fall“ an der Kandahar-Abfahrt mit einem für Touristen untauglichen Gefälle von 90 Prozent wurde überschwänglich gelobt – für die neue Streckenführung an der Kandahar wurden über 16 Hektar des wertvollen Berg- und Schutzwaldes gerodet.
Vergleiche auch: „Erfahrungen mit der Ski-WM 2011“
Um ihre Meinung befragt wurden neun glühende Befürworter und gerade zwei Gegner (Hubert Weiger, BN und MdL Ludwig Hartmann).
Und in der gleichen Ausgabe der SZ konnte Unternehmensberater Roland Berger zum Protest gegen Olympia äußern: „Nein, ich habe wenig Verständnis dafür, dass Menschen ihre Einzelinteressen nicht in den Hintergrund stellen und sagen: Hier geht es um eine Sache, die unserem Land insgesamt gut tut“ („München darf nicht zum Vorort von Salzburg werden“, in SZ 8.1.2011).
Bid Book-Abgabe 11.1.2010
Am 10.1.2011 war nach der Pressekonferenz im Rathaus große Vorstellung des Bid Book vor zahlreichen Journalisten auf dem ansonsten leeren Marienplatz. Im Bid Book standen einige Unwahrheiten, die nicht mit dem 8.12.2010 als Redaktionsschluss zu erklären waren – siehe weiter unten.
Zur Übergabe siehe Aktuelles
Alle Heroen der Bewerbung waren zur Pressekonferenz versammelt: Ude, Schmid, Grabner, Schneider, Bach, Schwank, Bühl und natürlich Witt. Staatskanzlei-Chef Schneider erklärte voller Stolz auch die Abgabe der 47 Garantien und des Multi-Party-Agreements plus Olympiagesetz (München 2018-Bid Book auf dem Weg zum IOC, in dosb.de 10.1.2011) Auch die Probleme mit den Grundeigentümern spielte er herunter: „Wir versuchen das diese oder nächste Woche unter Dach und Fach zu bringen“ (PM Staatskanzlei; Lösung für Grundstücksstreit in Sicht, 10.1.2011). Und Katarina Witt warb für das „Festival of Friendship“ (früher: „Spiele der Freundschaft“).
Der symbolische Einstieg in den MINI-E für die Fahrt zum Flughafen fand aber nicht statt: Der MINI-E blieb auf dem Marienplatz stehen und wurde gegen 16 Uhr blitzsauber trotz strömenden Regens mit Schwank und Witt vor dem Flughafen gesichtet: Wurde er mit dem Autotransporter hingebracht?
Die Bewerbungsgesellschaft München 2018 lieferte dann am 11.1. das große „Bid Book“ mit den endgültigen Bewerbungsunterlagen (Eckdatenpapier) in Lausanne beim IOC ab.
Auch die Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen des BN kritisierte ausführlich die Bewerbung und ihre Folgen für das Loisachtal.
Vergleiche die Pressemitteilung
Die Kreisgruppe München des BN thematisierte vor Abgabe des Bid Book noch einmal die möglichen Folgen der Bewerbung für München: Fällung von mindestens 1200 Bäumen auf dem Bundeswehrgelände, Straßenbau für 500 Millionen Euro im Loisachtal, hoher Anteil temporärer Bauten mit Landschaftsschäden wie in Schwaiganger, unklare und diffuse Umweltprojekte ohne wirklichen Wert, dazu geschönte Zahlen (Sicherheitskosten, die bei zehn Prozent von Vancouver 2010 liegen!), falsche Behauptungen und offene Unwahrheiten („keine neuen Straßen“, „keine neuen Schneekanonen“, etc.).
Vergleiche Pressemitteilung BN, Das Bid-Book-Märchen und Gründungsjubiläum
Auch die SZ wies auf Ungereimtheiten im Bid Book hin, wie z. B. die Grundstücksstreitereien und die plötzlich um 300 Millionen Euro höheren Budgetzahlen. Bei der Frage der Zustimmung wurde auf eine GfK-Umfrage von März 2010 zurückgegriffen, in der bundesweit 76,3 Prozent Unterstützer genannt wurden. Im November 2010 nannte InfratestDimap gerade noch 60 Prozent Befürworter, wobei alle Online-Umfragen des Jahres 2010 eine Mehrheit für die Ablehner ergaben. München 2018-Sprecher Jochen Färber erklärte den Rückgriff auf die GfK-Umfrage mit der Drucklegung des Bid Book; das konnte nicht der Grund sein, da der Redaktionsschluss darin mit 8.12.2010 angegeben wurde. Auch wurde der deutsche Naturschutzring, der im September 2010 seine Unterstützung zurückzog, noch als Unterstützer genannt, ebenso Bündnis 90/dDie Grünen, deren Bundesdelegiertenkonferenz in Freiburg sich Ende November 2010 gegen München 2018 ausgesprochen hatte. Dazu steht im Bid Book der Satz: „Enteignungen werden weder gebraucht noch vorgeschlagen.“ Kommentar der SZ: „Aus Christian Udes Mund klang das vor wenigen Tagen noch ganz anders“ (Lode, Silke, Lücken zwischen Theorie und Praxis, in SZ 13.1.2011).
Mittlerweile fiel die Münchner Bewerbung im Scoring von GamesBid zurück: Am 10.1.2011 lag Pyeongchang mit 62.40 Punkten (minus 0,22) vorn, gefolgt von München mit 61.64 Punkten (minus 0,85) und Annecy mit 55,093 Punkten (plus 3.59). Kommentar zu München 2018: „But recent bad press about a potential ‚farmers revolt‘ and land use issues around the alpine ski venues have put a damper on the bid’s growth. Local public support has been falling and the impact has prevented Munich from surpassing PyeongChang in the scoring“ (GamesBids.com 10.1.2011).
Die Deutsche Post geht ab
Am 10.1.2011 verkündete Katarina Witt, dass die Deutsche Post neuer „Nationaler Förderer“ sei: Damit sei sichergestellt, dass dadurch der Versand des Bid Book an die 108 IOC-Mitglieder sicher und pünktlich sein würde.
Diese und andere Sendungen kam für die Deutsche Post teuer: zwei Millionen Euro in bar. Für nicht einmal sechs Monate bis zur Entscheidung am 6.7. in Durban ist es unverständlich, für was und warum die Deutsche Post eine solch hohe Summe investiert.
Der Bund hält noch 30,5 Prozent der Aktien der Deutschen Post AG: Damit könnte ein Anruf aus dem Kanzleramt genügt haben, um die Überweisung der Deutschen Post AG zu initiieren und damit den Konkurs der Bewerbungsgesellschaft München 2018 weiter hinauszuzögern.
Enteignung I: OB Ude
OB Ude nahm die Abgabe des Bid Book am 11.1.2011 zum Anlass, zum ersten Mal auf die Option der „vorzeitigen Besitzeinweisung“ hinzuweisen (Riedel, Katja, Drohung aus München, in sueddeutsche.de 11.1.2011). OB Ude trat damit anscheinend für südkoreanische Verhältnisse ein: „In Pyeongchang gibt es keine Probleme mit Bauern, sie wurden einfach enteignet“ (Pfeil, Gerhard, Im freien Fall, in Der Spiegel 1/3.1.2011).
Katarina Witt betonte als Vorsitzende des Kuratoriums München 2018: „Enteignungen der Grundstücksbesitzer kommen aus unserer Sicht nicht in Frage“ (Alternative Flächen für Olympia 2018, in sueddeutsche.de 9.1.2011).
Nach den diversen Aussagen pro Enteignung von Bach, Ude & Co. traut dort solchen Versprechungen niemand mehr.
Enteignung II: Garmisch-Partenkirchen
Der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Schmid hatte im Dezember 2010 bereits Antrag auf Enteignung eines 4000 Quadratmeter großen Grundstücks an der Kandahar-Abfahrt auf 30 Jahre für Wintersportereignisse und auch die Olympischen Winterspiele 2018 gestellt: Er berief sich dabei ausgerechnet auf Art. 35 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (Mitteilung von RA Ludwig Seitz). Die Familie B. wohnt seit 64 Jahren dort und musste wegen der Erweiterung der Kandahar-Abfahrt mit dem „Freien Fall“ viele Einschränkungen erleiden (Kemnitzer, Sebastian, Piste mit Lücke, in taz.de 7.1.2011).
Nach Axel Doering, dem Vorsitzenden der BN-Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen, bedeutet die Besitzeinweisung für das Grundstück an der Kandahar in diesem Fall: vom 1. November bis 30. April – und das 30 Jahre lang, dazu das Dulden von Baumaßnahmen und das Verlegen von Leitungen für Zeitmessungen, Beschneiungsanlagen etc., den Betrieb von Schneekanonen (in der Nähe des Hauses an der Kandahar 60 Dezibel), das Aufhängen von Fangnetzen, das Dulden von Lagern für Material, etc.
Bei der mündlichen Verhandlung am 5.1.2011 im Landratsamt konnte noch keine Einigung zwischen dem Bauern und der Gemeinde erzielt werden, da die Gemeinde nach wie vor am Junktim mit Olympischen Winterspielen 2018 festhielt. Am 7.1. – exakt einen Monat vor Beginn der Ski-WM – wurde dann der Vertrag notariell abgeschlossen – auf die Dauer von 23 Jahren und explizit ohne Zusagen für München 2018 (Holzapfel, Matthias, Einigung im Grundstücksstreit: Ski-WM ist gesichert, in merkur-online 7.1.2011).
Alle Aussagen aus der Staatskanzlei, sie sei im Gespräch mit den Grundeigentümern, dementierte Ludwig Seitz, der Rechtsanwalt des von Enteignung bedrohten Betroffenen und der 63 Grundeigentümer: „Das ist schlicht falsch“ (Anwalt: Olympias-Gegner werden an den Pranger gestellt, in dradio.de 7.2.2011). Auch Aussagen aus dem Garmischer Rathaus, doch noch zu einer Lösung für 2018 zu kommen, bezeichnete Seitz als „Chimäre“ und „Fake“: „Es gibt Null Kontakt, es gab und gibt keine Gespräche, wir lehnen Gespräche auch ab“. Die Abgabe des Bid Book in dieser Form wider besseres Wissen bezeichnete Seitz als „Demonstration der Überheblichkeit und die Fortsetzung der arroganten und die Interessen der Betroffenen hinten anstellenden Verfahrensweise“ (Voigt, Benedikt, Kein olympischer Friede in München, in tagesspiegel.de 10.1.2011; Bauern-Aufstand stört schneeweiße Olympia-Hoffnung, in sueddeutsche.de 10.1.2011)
Die angedeutete Bereitschaft des Grundeigentümers, über München 2018 zu reden, interpretierte Seitz so: „Verhandlungsziel kann ja auch sein, die Gegenseite davon zu überzeugen, dass der Kelch Olympische Spiele an Garmisch-Partenkirchen vorübergehen muss“ (Effern, Heiner, Pokern bis zum Schluss, in suededeutsche.de 9.1.2011).
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte Anfang Januar 2011 auf Bitte der Grünen MdB Viola von Cramon ein Gutachten zur Frage der Enteignung der Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer erstellt. Zum Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes steht im Gutachten: „Die Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Art. 159 der Verfassung von Bayern erwähnt das Wohl der Allgemeinheit nicht explizit: „Dies führt zu keinem anderen Prüfungsmaßstab.“ Das Bayerische Naturschutzgesetz „hat zum Ziel, den Erholungswert der Natur zu erhalten.“ Eine förmliche Enteignung ist nach § 35 zulässig, „zur Schaffung oder Änderung freier Zugänge zu Bergen, Gewässern, (…) Ski- und Rodelabfahrten“ oder „wenn Gründe des Naturschutzes und der Landschaftspflege es zwingend erfordern“. Diese Voraussetzung ist für Olympische Spiele wohl kaum gegeben.
Problematisch ist die Enteignung „zugunsten von Privaten„, noch dazu müsste sie erforderlich sein als „ultima ratio„. Zudem müsste das Projekt „auf Dauer ausgerichtet“ sein; dies gilt für Olympische Spiele nicht, die nur von kurzer Dauer sind.
(Alle Zitate: Denkinger, Miriam, Zur Verfassungsmäßigkeit von Enteignungen anlässlich der Austragung von Olympischen Spielen, Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag 5.1.2011; Hervorhebungen im Original; vgl. auch Riedel, Katja, Enteignung auf unsicherem Grund, in SZ 27.1.2011)
Der Fachanwalt Hartmut Fischer veröffentlichte am 24.1.2011 in Legal Tribune Online den Beitrag „Bauern-Aufstand trübt Olympia-Hoffnung“. Er betonte darin bezüglich Art. 14 Grundgesetz die grundsätzliche Unzulässigkeit von „Enteignungen zum Vorteil bloßer Privatinteressen“. In der sogenannten Boxberg-Entscheidung vom 24.3.1987 wurde die Enteignung zugunsten der Teststrecke eines Autoherstellers als unzulässig angesehen. „Die Enteignung ist grundsätzlich kein taugliches Instrument, um einzelne Unternehmen zulasten anderer Privater zu fördern.“ Das IOC ist „weder Staat noch Teil davon“, dazu „letztlich aber auf Gewinn ausgerichtet“. Und die Sportler sind ähnlich wie die Teststrecke zu beurteilen: Wenn sie den Berg herunterrasen, tun sie dies zu eigenem Ruhm, „aber nicht für unser Gemeinwohl“.
Bezüglich Art. 35 des bayerischen Naturschutzgesetzes, der dem bayerischen Staat ermöglicht, zugunsten von Skipisten und Loipen zu enteignen, ist die Voraussetzung, „dass sich die Begünstigten den Belangen des Naturschutzes, der Landschaftspflege und der öffentlichen Erholung widmen“. Dies ist bei Olympischen Spielen nicht der Fall, die noch dazu nur wenige Wochen dauern.
Bei Rechtsstreitigkeiten, so Fischer, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden, was wiederum Monate und Jahre dauern kann. Und eine vorzeitige Besitzeinweisung wie im Fall von Verkehrsverbindungen oder Stromleitungen ist für Olympische Winterspiele „mehr als zweifelhaft“.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière antwortete im Februar 2011 auf die Frage nach Enteignungen in Garmisch-Partenkirchen: „Die Verantwortlichen vor Ort haben mir versichert,. dass sie nicht die Absicht haben, eine Enteignung durchzuführen“ (Hartmann, Grit, Minister im Winterbilderland, in dradio 13.2.2011).
Vergleiche auch zum Werdenfelder Tal und Leserbriefe
Enteignung III: Cicero
Im Magazin Cicero wütete Autor Ulrich Hottelet im zynisch betitelten Beitrag „Bauernland in Sportlerhand“ gegen die Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer. Der „Traum vom Wintermärchen“ könnte an 59 Grundeigentümern scheitern: „Die Gesellschaft darf sich eine solche destruktive Dagegen-Haltung nicht gefallen lassen.“ Deshalb „darf die Politik … auch vor deren Enteignung nicht zurückschrecken“: „Artikel 14 Grundgesetz erlaubt sie zugunsten des Allgemeinwohls ausdrücklich…“ Hottelet lobte in diesem Zusammenhang explizit seinen Bruder im Geiste, OB Ude.
Grit Hartmann thematisierte im Deutschlandfunk die bewusste Annäherung des von Hottelet gewählten Titels an den Slogan der ehemaligen DDR: „Junkerland in Bauernhand“. Sie berichtete in diesem Zusammenhang auch von dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, das die Grüne MdB Viola von Cramon in Auftrag gegeben hatte (Hartmann, Grit, „Bauernland in Sportlerhand“ in dradio.de 15.1.2011).
Die Folgen von Kunstschnee
Anfang Januar 2011 berichtete das Alpenmagazin über Carmen de Jong, die wissenschaftliche Leiterin des „Institut de Montagne“ an der Universität von Savoyen in Chambéry war – und im Jahr 2009 entlassen wurde, weil sie vor den Folgen der ständig steigenden Kunstschneeproduktion in den französischen Alpen warnte, was wiederum Seilbahn- und Skistationenbetreibern, Touristikern und der Regionalverwaltung missfiel. De Jong nannte große Verdunstungsverluste (bis zu 30 Prozent des eingesetzten Wassers), Wasserknappheit, Gewässerverschmutzung durch Verwendung von zunehmend ungereinigtem Wasser aus dem Tal für die Kunstschneeproduktion etc.
Vergleiche Kunstschnee
Inzwischen verbraucht Kunstschnee in Savoyen so viel Wasser wie die gesamte Landwirtschaft, deren Probleme durch die Beschneiung noch verschärft werden. Viele Skiorte stünden vor der Frage Trinkwasser oder Schneekanonen. Bäche haben durch die Wasserentnahme eine geringere Wasserführung: Sie erwärmen sich durch die Wasserentnahme schneller im Sommer und frieren im Winter rascher zu. Das Wasser wird auch für Wasserrückhaltebecken in bis zu 2400 Meter üNN verwendet.
Das Wasser auf dem Berg verschmutzt durch die Gipfelstationen, wo die Abwasser in der Hochsaison meist nur zu 50 Prozent geklärt werden können. Dazu kommt, dass das Beschneiungswasser hochgepumpt wird aus bis zu 20 Kilometer Entfernung aus dem Tal , wo das Wasser bereits oft verschmutzt ist. Über den Kunstschnee wird dann flächig bei der Schneeschmelze das Wasser in den Höhenlagen verschmutzt.
Jedes Jahr findet in Chambéry eine große internationae Klimakonferenz statt. Laut de Jong wurden 2010 keine internationalen Gäste eingeladen: „Der Hintergrund ist klar: Die Bewerbung Annecys für die Olympischen Winterspiele 2018 – wo natürlich beschneit wird auf Teufel komm raus. An meine Stelle wurde ein Strohmann gesetzt… Die Folge: Das Wort ‚Wasserknappheit’ ist auf dieser Tagung kein einziges Mal gefallen!“
Für de Jong ist auch unklar, „woher man in Annecy die Flächen für die Olympischen Spiele nehmen will. In den Tälern ist der Boden bereits jetzt optimal genutzt – wie will man da noch Langlaufpisten, Eishallen oder Olympische Dörfer bauen? Das geht nur, indem man den Bauern das Land wegnimmt, das sie seit Jahrhunderten bearbeiten“ (Heidingsfelder, Ruth, „Man will mich mundtot machen“, in alpenmagazin.org 2.1.2011).
Garmisch-Partenkirchner Kunstschnee
Hier werden von 120 Hektar Piste zwei Drittel beschneit, also 80 Hektar. Dies erledigen 98 Schneekanonen und 45 fest installierte Schneelanzen, die über 330 Schächte mit Wasser und Strom versorgt werden.
Vergleiche wiederum Kunstschnee
Der Preis pro Kubikmeter Kunstschnee soll bei drei Euro liegen. Bis Anfang Januar 2011 wurden 130.000 Kubikmeter Wasser („zweieinhalb Speicherseen“ laut Schneimeister Toni Ostler) in die dreifache Menge Kunstschnee umgewandelt, also etwa 500.000 Kubikmeter: Das wären Kosten von etwa 1,5 Millionen Euro. Dazu kommen die Betriebskosten für die elf vorhandenen Pistenraupen, die allein 15 bis 20 Liter Diesel pro Stunde verbrauchen (Prantl, Dominik, Arbeit an der Basis, in SZ 9.12.2010).
Ski-Aufrüstung im Pitztal – ein Beispiel
Die Saison der Pitztaler Skigebiete Rifflsee (bis 2800 Meter) und Pitztaler Gletscher (bis 3440 Meter) dauert mit künstlicher Verlängerung acht Monate. Dabei liegt das Pitztaler Skigebiet um 1700 Meter höher als in Garmisch-Partenkirchen.
Die Pitztaler Gletscherbahn zahlt allein für die kostenlosen Skibusse zum Pitz-Express eine halbe Million Euro im Jahr. Die Bergbahnen verursachen monatliche Stromkosten von 70.000 bis 90.000 Euro. Und 3,8 Tonnen Sprengstoff Lavinit wird pro Jahr zur Lawinenauslösung benötigt, um die hochalpinen Skipisten sicher zu machen. Dies geschieht größtenteils aus der Luft: Die Hubschrauberminute kostet 20 Euro (also 1200 Euro pro Stunde) plus 250 Euro Anreisepauschale.
Seit der Eröffnung des Skigebiets Pitztaler Gletscher im Jahr 1983 wurden 100 Millionen Euro investiert. Die moderne Rifflseebahn schaufelt durch verdoppelte Geschwindigkeit und vervielfachte Kapazität pro Stunde über 2000 Skifahrer nach oben auf 2800 Meter üNN. Dazu kamen neue Sessellifte (mit weicher Polsterung, Sitzheizung und Wetterschutzhauben)
Die jetzige Pitz-Panoramabahn, die bis 3440 Meter üNN führt, soll durch einen 13-Millionen-Neubau ersetzt werden. „Das weitläufige Territorium, dort oben, heißt es, vertrage eine höhere Förderleistung, die von 1000 auf 2400 Menschen in der Stunde zunehmen und Wartezeiten am Einstig beseitigen soll“ (Wille, Walter). Dazu kommen noch neu geplante Gletscherbahnen.
Acht Pistenraupen mit 490 PS zum Stückpreis von 300.000 Euro werden auf den 68 Kilometer Piste eingesetzt: Die Betriebsdauer beträgt gerade einmal fünf Jahre, dann ist Ersatz fällig.
30 konventionelle Schneekanonen (30.000 Euro pro Stück) und zwölf Schneelanzen (zu 15.000 Euro) werden über 105 Zapfstellen und 18 Kilometer Leitung (frostsicher in 1,80 Meter Tiefe vergraben) versorgt. Die Verzweigungsschächte und die Düsen der Schneekanonen müssen beheizt werden.
Zwei Beschneiteiche mit je 60.000 Kubikmeter Wasser speichern insgesamt 120.000 Kubikmeter Wasser aus Gletschern und dem Rifflsee: Daraus lassen sich etwa 300.000 Kubikmeter Kunstschnee erzeugen. Die etwa 600.000 bis 700.000 Euro kosten. Das entspricht ungefähr den Zahlen von Garmisch-Partenkirchen: Allerdings dürften hier wie da nur die reinen Erzeugungskosten ohne Abschreibung berechnet sein.
(Wille, Walter, Prinzip Holle und volle Kontrolle, in faz.net 25.12.2010)
Vergleiche auch Wasserverbrauch
Der Löscher-Ude-Parallelslalom
Am 10.1.2011 informierte der Bezirksausschuss Maxvorstadt über Pläne des Siemens-Konzerns, anlässlich der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen (7. bis 20.2.2011) ein Public Viewing auf dem Wittelsbacher Platz zu veranstalten. Die Nationalfahnen aller wichtigen Skinationen sollen auf der Rampe in 10 Meter Höhe gehisst werden, begleitet von einem Pyrofeuerwerk. Neben Großbildschirmen soll eine 40 Meter lange, künstlich beschneite Skipiste (aus „reinstem M-Wasser und Ökostrom“), VIP-Zelte und Hüttengaudi nebst nächtlichen Ski-Partys bis 22 Uhr das Publikum erfreuen. Siemens versprach eine „klimaneutrale Veranstaltung“ mit Bergfeeling“ und „uriger Après-Ski-Almhütte“ (Loerzer, Sven, „Snow City“ begeistert nicht alle, in SZ 25.1.2011).
Die Kreisgruppe München des Bund Naturschutz protestierte. Die Vorsitzende der Münchner Grünen, Katharina Schulze, kritisierte: „Was Siemens betreibt, ist reines Greenwashing“ (Siemens darf Skipiste aufbauen, in SZ 22.1.2011). Und der Bezirksausschuss wurde vor vollendete Tatsachen gestellt: Das Event war wohl schon über Monate vorbereitet worden (Pressemitteilung Bündnis 90/Die Grünen im BA3 Maxvorstadt, 10.1.2011). Auch die Anlieger des Wittelsbacher Platzes waren über die Siemens-Plänen verärgert, da es sich wohl um eine „abgekartete Sache zwischen der Stadt und Siemens handelt“, wie der Geschäftsführer eines Einrichtungshauses formulierte. Ein Anwalt wurde eingeschaltet (Loerzer, Sven, „Bei Null ist ein lauter Knall zu hören“, in SZ 17.1.2011).
Der Siemens-Konzern wolle damit „die Ski-WM ins Herz der Stadt holen“ (Neumeier, Karin, Ski-Piste am Wittelsbacher Platz, in merkuronline 11.1.2011) und wartete am 10.1.2011 nur noch auf die Genehmigung des Kreisverwaltungsreferates, die trotz der Ablehnung durch CSU, FDP und Grüne im Bezirksausschuss umgehend am 21.1.2011 mit minimalen Einschränkungen erteilt wurde. Die SPD im BA war euphorisch: „Siemens schenkt der Stadt eine echte Attraktion, sie wird massenhaft Zustrom haben.“
Dann führte Siemens Greenwashing in Reinkultur vor: „Wir sind sauber“, behauptete eine Siemens-Sprecherin: Der Kunstschnee würde nämlich aus Wasser und regenerativer Energie hergestellt (Wörmann, Caroline, Skigaudi am Wittelsbacher Platz: Die Piste wächst bereits, in merkur-online 24.1.2011). Die Veranstaltung sei zu „100 Prozent klimaneutral“… Die Rampe selbst wird nicht gekühlt – was schmilzt, wird nachproduziert…“ (Loerzer, Sven, 28 Tonnen Schnee in 24 Stunden, in SZ 29.1.2011).
Damit will Siemens suggerieren, dass die Produktion von Kunstschnee eine umweltfreundliche Angelegenheit sei. Die Argumentation hat sich der Konzern von der Bewerbungsgesellschaft München 2018 abgeschaut. Dass man jede Einheit regenerativer Energie nur einmal verbrauchen kann – und dass es wahrlich sinnvollere Einsätze gäbe als Kunstschnee auf dem Wittelsbacher Platz für ein München-2018-Ski-WM-2011-Event -, wird in der Konzernspitze des Elektro-Konzerns bewusst ignoriert.
Und so wummerte schon Tage vor der Eröffnung die “Snow Box” laut vor sich hin, um für eine 43 Meter lange und 12 Meter breite Piste 150 Tonnen Schnee zu produzieren – 28 Tonnen pro Tag. Die elektrische Leistungsaufnahme beträgt laut technischem Datenblatt 90 bis 100 kW. Die Kosten für das Spektakel hält Siemens geheim. Allein die “Snow Box” kostet laut Mietpreisliste für drei Wochen 33.000 Euro, dazu kommen Kosten pro Betreuungstechniker von 350 Euro pro Tag plus natürlich die nicht unbeträchtlichen Kosten für Strom und Wasser.
Die Gesamtkosten der Veranstaltung “Snow City” dürfte auf einen siebenstelligen Betrag kommen.
Der Münchner Kreisverwaltungsreferent sagte, es sei Aufgabe des Ordnungsamtes, „Ausnahmen mit Augenmaß zuzulassen, wenn dies im öffentlichen Interesse ist“ – und dies sei gegeben, weil München „Wintersport live“ erleben könne (SZ 25.1.2011).
So einfach lässt sich das Interesse des Oberbürgermeisters, eines Industriekonzerns und der Bewerbungsgesellschaft als „öffentliches Interesse“ begründen.
Der SPD-Fraktionschef Alexander Reissl stellte zur Rechtfertigung von „Snow City“ fest: „Offensichtlich gibt es ein Bedürfnis“ (SZ 27.1.2011).
Kein schlechter Ausdruck für diese Veranstaltung.
Die Begeisterung der SPD war kein Wunder, sollte das Event doch auch als Werbeveranstaltung für München 2018 herhalten: OB Ude und Siemens-Chef Peter Löscher wollten zum Auftakt im „Kurzschwungwettbewerb“ gegeneinander antreten (Loerzer, Sven, Verballermannisiert, in SZ 13.1.2011). Ein Dringlichkeitsantrag von Tobias Ruff/ÖDP, dass Ude nicht als Vertreter der Stadt am Skispektakel teilnehmen solle, wurde dann auch am 26.1.2011 umgehend abgebügelt (Wimmer, Barbara, Die kurze Ski-Karriere des Christian U., in tz-online 26.1.2011). Ude zog selbst am 26.1. zurück: Er war das einzige Mal mit 13 Jahren für ganze 15 Minuten auf Skiern gestanden und hatte sich dabei umgehend verletzt (Hutter, Dominik, Lode, Silke, Ude geht nicht auf die Piste, in SZ 27.1.2011).
Und so feuert die Landeshauptstadt München aus allen Rohren und mit allen Behörden für München 2018: mit ihrem Presse- und Öffentlichkeitsamt („Die Stadt informiert“), den Bezirksausschüssen (Olympia-Werbefilm), der Lokalbaukommission (Sondergenehmigungen für überdimensionierte Plakatflächen der Immowelt 2018), dem Kreisverwaltungsreferat ( Genehmigungen für „Snow City“ etc.), dem Umweltreferat (aktive und euphorische Begleitung von München 2018), dem Abfallwirtschaftsamt (120 Müllwagen werben für 2018), der Stadtbaurätin, dem Kreisverwaltungsreferat etc.
Siemens, Olympische Spiele und Skifahren
Das Spektakel am Wittelsbacher Platz kommt nicht von ungefähr. Siemens-Chef Löscher wird auch aktiver Besucher der Ski-WM im Februar 2011 in Garmisch-Partenkirchen sein: „Irgendwie schafft er es, Siemens als Skizirkus-Weltmarktführer zu verkaufen. In zwei von drei Skigebieten der Welt werde schließlich Siemens-Technik verwendet… Bis zu 15 Milliarden Euro werden laut Siemens in den kommenden zehn Jahren weltweit in Skigebiete investiert, davon will der Konzern ein Stück für sich“ (Hesse, Martin, Der Gipfelstürmer, in SZ 15.1.2011). Löschers Eltern waren übrigens Seilbahnbesitzer.
Siemens bietet vieles rund um den (Kunst-)Schnee an: Seilbahnen, Beschneiungsanlagen und einiges mehr. So lieferte zum Beispiel der Bereich Siemens Industrial Solutions and Services für die neue Galzigbahn in St. Anton Antriebs- und Automatisierungstechnik und Siemens Alpine Technologies die neue Kombibahn am Penken in Mayrhofen. (Siemens AG 2009: Gipfelsturm am Penken; Galzigbahn – St. Anton, www.seilbahn.net)
Die Siemens AG und Siemens AG Österreich waren als technische Ausrüster in die Katastrophe mit der Standseilbahn in Kaprun am 11.11.2000 involviert: 155 Skifahrer starben, als ein Zug der Standseilbahn Feuer fing. Die österreichische Justiz sprach 2004 alle Angeklagten – Techniker, Lieferanten, Betreiber – frei. („Vollständige Entlastung der Angeklagten“, in faz.net 20.2.2004; US-Kaprun-Verfahren: US-Richterin ordnete Vergleich an, in Der Standard 28.8.2006; Andre, Luc, Isemann, Ralf, Als 155 Menschen in der Feuerfalle von Kaprun starben, in welt.de 11.11.2010)
Siemens ist ein globaler Technikzulieferer für sportliche Großereignisse. Der Konzern liefert auch die Technik für Olympische Sommer- und Winterspiele und erhält Aufträge für Verkehrswege, Stadien, Hotels, Energieversorgung und technische Infrastruktur im weiteren Sinn. Siemens stattete für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking Stadien und Hotels aus und lieferte technische Anlagen für U-Bahnen und ein Gepäcktransportsystem für den Flughafen. Der Konzern gab den Gesamtumsatz für Peking 2008 mit 1,1 Milliarden Euro an.
Für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi gab Siemens Ende 2009 bekannt, für den Ausbau des Verkehrssystems die Züge zu liefern (Siemens liefert für Sotschi, in SZ 20.12.2009). Offizielle Mitarbeiter von Olympstroy schätzen die gesamten Kosten für den Eisenbahnausbau der Russischen Eisenbahn für Sotschi auf 8,5 Milliarden Dollar (Lee, Jeff, Security and environmental concerns, cost overruns: Russia readies for Games, Vancouver Sun 15.6.2010).
Siemens kann bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 in München nicht als Sponsor dabei sein, da der Konkurrent General Electric TOP-Sponsor des IOC ist. Enge Beziehungen bestanden (bestehen?) zu DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident Thomas Bach: „Von Siemens bekam Bach vor allem für Tätigkeiten im arabischen Raum am Ende 400.000 Euro pro Jahr, dazu 5000 Euro pro Tag. Im Frühjahr (2008; W.Z.) wurde der Vertrag publik und schließlich aufgelöst, wobei Siemens versicherte, es habe alles seine Ordnung gehabt“ (Kistner, Thomas, Ott, Klaus, Ritzer, Uwe, Leipziger Altlast, in SZ 8.8.2008).
Vergleiche auch: Kritisches Olympisches Lexikon: Bach, Thomas
36 Millionen Euro für Inzell
Vom 10. bis 13.3.2011 wird die Weltmeisterschaft im Eisschnelllauf in der neuen Halle in Inzell stattfinden. Die Halle ist 204 mal 90 Meter groß und hat 36 Millionen Euro gekostet (Glänzende Aussichten, in SZ 11.1.2011).
Eine ähnliche Halle für Eisschnellauf für 8000 Zuschauer soll temporär auf dem Gelände der Zentralen Hochschulsportanlage für München 2018 errichtet werden: also nur für wenige Tage Wettkampf: Nach den Spielen wird sie wieder abgerissen: Das wird von der Bewerbungsgesellschaft als Vorbild an Nachhaltigkeit gelobt!
Vergleiche auch das Foto unter Sportstättenkonzept
Ein Jahr NOLympia
Auch am 11.1., allerdings 2010, wurde das Netzwerk Nolympia gegründet. Ludwig Hartmann zählte die wichtigsten Erfolge des Bündnisses
in einer PM auf: Erhaltung des Grüngürtels in Garmisch-Partenkirchen und Aufgabe des Austragungsortes Oberammergau. Die Zustimmung in der Bevölkerung war bislang eher lau. Und das IOC registriere die vielen negativen Stimmen und Ereignisse zu München 2018 genau.
Die Intransparenz der Bewerbung sei symptomatisch. Selbst ihm als MdL wurde der Einblick in den Wirtschaftsplan verweigert. Das nächste Ziel von Nolympia ist ein Bürgerbegehren in Garmisch-Partenkirchen.
Spiegel-online, N-TV und TAZ loben Nolympia
Am 11.1.2011 wurde die Kritik von Nolympia unter www.nolympia.de an der Bewerbung ausführlich im Beitrag „Holprige Olympia-Bewerbung“ von Peter Ahrens gewürdigt und unsere Argumente vorgestellt. Ahrens verwies auf die BN-Pressemitteilung zur Vorstellung des Bid Book, auf die drohende Fällung von fast 1300 Bäumen für das Olympische Dorf in München und auf die 12.000 Parkplätze im Werdenfelser Land. Axel Doering wurde mit dem Satz zitiert: „Ökologische Kriterien gelten für diese Bewerbung schon lange nicht mehr.“
Schließlich wurde auch noch die knappe Mehrheit selbst unter den Fans im ZDF-Sportstudio angeführt.
Auch am 11.1.2011 lobte Christoph Wolf im Beitrag „Die Zahlenspiele im 2018“ in n-tv.de die „18 Gründe gegen München 2018“ von Nolympia: „Flankiert werden die Argumente durch ein Kritisches Olympisches Lexikon. Sachargumente stehen im Vordergrund…“
Am gleichen Tag schrieben Sebastian Kemnitzer und Andreas Rüttenauer in taz.de im Kommentar „Arrogant ausgesessen“, dass das Netzwerk Nolympia einem zunehmend größeren Publikum und auch ausländischen Medien erfolgreich seine Kritikpunkt vortrage.
Minister Schneider will umsatteln
Der Oberunterhändler im Garmisch-Partenkirchner Grundstücksstreit, Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider, der bewusst nicht mit den eigentlichen Grundeigentümern verhandelt hatte, wird das Milieu wechseln und im Frühjahr 2011 als Präsident zur „Bayerischen Landeszentrale für neue Medien“ wechseln – für rund 300.000 Euro Gehalt im Jahr. Dieses wurde ím Februar 2011 auf 220.000 Euro reduziert – immer noch ein wesentlich zu hoher Betrag (Goderbauer-Marchner gibt sich kampfbereit, in SZ 19.2.2011).
Eine Sachkompetenz für diese überbezahlte Tätigkeit ist bei Schneider nicht ersichtlich – dies ist beim System der Bayerischen Kabinetts- und Ämterverteilung eher von Vorteil.
Als die CSU-Chefin im Landshuter Rathaus, Gabriele Goderbauer-Marchner sich mit Unterstützung der Opposition ebenfalls für die Stelle bewarb, wurde ihr angedroht, dass sie umgehend ihr Amt im Stadtrat verlieren und sogar aus der CSU ausgeschlossen werden würde: Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. (Sebald, Christian, Szymanski, Mike, Streit in der Landshuter CSU eskaliert, in SZ 15.1.2011)
Goderbauer-Marchner war Professorin für Mediengeschichte und Medienpolitik, Filmwirtschaft und Filmgeschichte an der FH Würzburg-Schweinfurt und lehrt seit 2010 als Professorin für Print- und Online-Journalismus an der FH der Universität der Bundeswehr.
Sie bringt also Sachkompetenz für diese Tätigkeit mit – dies ist beim System der Bayerischen Kabinetts- und Ämterverteilung eher von Nachteil.
Ende Januar 2011 wurde die bayerische Staatskanzlei vom Bayerischen Obersten Rechnungshof gerügt, da sich die CSU jahrelang von Demoskopen Wahlkampftipps auf Staatskosten hatte geben lassen: Die Gesamtsumme aus den Jahren 2000 bis 2009 addierte sich auf 558.000 Euro. „Verheerend ist die Rüge des Rechnungshofs aber für Staatskanzleichef Siegfried Schneider, der die illegale Studie in Auftrag gegeben hatte“ (Ramelsberger, Annette, Schluss mit der Selbstbedienung, in SZ 1.2.2011; Auer, Katja, Rüge vom Rechnungshof, in SZ 1.2.2011). Schneider attackierte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, der die Umfrageproblematik veröffentlicht hatte, mit den Worten: „Se sind ein Verleumder und ein Brunnenvergifter“ (Auer, Katja, Vormittags hart klritisiert, am Nachmittag gewählt, in SZ 25.2.2011)
Dazu wurde bekannt, dass die Staatskanzlei mit Schneider als Gastgeber eine Gruppe von 20 der insgesamt 47 Medienräte, die inoffiziell unter „Freundeskreis der CSU“ firmiert, in ein Vier-Sterne-Hotel in München zum Essen eingeladen hat und dort eine Unterstützerliste herumgehen ließ: Von 20 Medienräten unterschrieben 15 für Schneider (Auer, Katja, Szymanski, Mike, Schneiders Freunde, in SZ 2.2.2011).
Kein guter Start für Schneider in das neue, hoch dotierte Amt.
Schließlich wurde er am 24.2.2011 vom Medienrat gewählt – und erklärte, die Termine mit der IOC-Evaluierungskommission Anfang März noch wahrnehmen zu wollen. Einen Termin für den Rücktritt als Staatskanzlei-Chef nannte er nicht (Szymanski, Mike, Staatskanzleichef wird Medienwächter, in SZ 25.2.2011). „Jenseits Bayern wundert man sich, wie unter dem weißblauen Medienhimmel die Spitzenposten besetzt werden und dass dafür offenbar nur CSU-Politiker wirklich in Frage kommen“ (Szymanski, Mike, Ein Fahrlehrer für die Medien, in SZ 27.2.2011).
Frau Goderbauer-Marchner wurde am 21.3.2011 als Fraktionsvorsitzende im Landshuter Rathaus abgewählt (Sebald, Christian, Landshuter CSU sucht Neuanfang, in SZ 23.3.2011).
Bürger und Bürgerbegehren
Für das Bürgerbegehren in Garmisch-Partenkirchen werden 1680 Unterschriften aus der Gemeinde benötigt. Laut MdL Ludwig Hartmann lagen bayernweit bereits 10.000 Unterschriften von Unterstützern vor, davon 2000 aus Garmisch-Partenkirchen. Die verschiedenen Online-Befragungen aus dem Jahr 2010 brachten durchwegs ablehnende Ergebnisse für München 2018. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap kam dagegen auf 60 Prozent Zustimmung.
Für die Garmisch-Partenkirchner Bürger sah die Situation aber völlig anders aus. Axel Doering von der lokalen BN-Kreisgruppe stellte fest: „Inzwischen ist den Grundeigentümern und mit ihnen immer mehr Bürgern in Garmisch-Partenkirchen klar geworden, dass nur durch die Verhinderung der Spiele die Identität des Ortes und ihrer Heimat erhalten werden kann“ (Winterer, Paul, Olympia-Gegner halten am Bürgerbegehren fest, dpa-Meldung 12.1.2011).
Bürgermeister Schmid sah dagegen „eine deutliche und stabile Mehrheit für Olympia“. Er gab schon vor Monaten einem Bürgerbegehren keine Chance, da bestehende Verträge dadurch nicht infrage gestellt werden dürfen (Kristlbauer, Matthias, Olympia 2018: Keine Angst vor einem Bürgerbegehren, in merkur-online 12.1.2011). Schmid äußerte auch betont selbstsicher: „Wir gehen davon aus, dass man keine Frage mehr stellen kann“ (Bürgerbegehren gegen Olympia-Bewerbung, in merkuronline 12.1.2011). Eine Hauptschwierigkeit bestand tatsächlich in der Findung einer zulässigen Frage (Riedel, Katja, 1700 Garmischer müssten unterschreiben, in SZ 14.1.2011).
Der Münchner OB Ude wusste: „Jetzt geht es darum, ein bisschen schlechte Stimmung zu machen“ (merkur-online 12.1.2011). Udes schlechte Stimmung sollte durch das Nolympia-Netzwerk noch ein bisschen schlechter werden, da die Bund-Naturschutz-Kreisgruppen Garmisch-Partenkirchen und München, MdL Ludwig Hartmann als Sprecher von Nolympia und die Gesellschaft für ökologische Forschung einen gemeinsamen Brief weltweit an alle 108 IOC-Mitglieder versandte, in dem die Schwierigkeiten der Bewerbung München 2018 erläutert und diese aufgefordert wurden, bei der Abstimmung am 6.7.2011 in Durban mit Nein zu stimmen.
Vergleiche IOC-Brief
DOSB-Präsident Bach schwärmte Mitte Januar 2011 wieder von den „tollen Spielen 2018 in Garmisch“ und bluffte erneut: „Da zerbreche ich mir nicht den Kopf wegen der PR-Aktionen eines Anwalts“ (DOSB-Präsident Bach hofft auf Olympische Winterspiele 2018 in München, in focus.de 17.1.2011).
Gemeint ist Rechtsanwalt Ludwig Seitz, der die 63 Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer vertritt.
Die Bewerbung München 2018 spaltete den Ort immer heftiger. „Man erzählt von Familien, durch die sich der olympische Plan wie ein Riss zieht. Alt gegen Jung. Söhne gegen Väter, Mütter gegen Töchter. Es wird geschimpft, genörgelt, gehetzt“ (Kornes, Andreas, Die zerrissene Sportstadt, in ausgburger-allgemeine.de 21.1.2011). Die aggressiven Aktionen der Olympia-Freunde in Garmisch-Partenkirchen gegen Grundeigentümer und Olympiagegner wie Autobeschädigungen und Morddrohungen eskalierten. Anfang Januar 2011 erhielt der langjährige Leiter der Weidegenossenschaft Ignaz Streitel und ein weiterer Grundeigentümer einen handgeschriebenen, anonymen Brief mit einer Morddrohung und der Ankündigung von Brandanschlägen zugesandt. Die Ermittlungen liegen beim Landeskriminalamt (Riedel, Katja, Bürgerbegehren auf der Kippe, in SZ 21.1.2011).
Das von den Olympia-Befürwortern erzeugte Klima der Angst zeigte Konsequenzen: „Die Olympiagegner finden momentan keine Bürger, die sich bereit erklären, das Bürgerbegehren zu initiieren. Und das nur aus einem Grund: Sie haben Angst“ (Kemnitzer, Sebastian, Alpine Atmosphäre der Angst, in taz.de 25.1.2011; Beez, Andreas, Olympia 2018: Platzt das Bürgerbegehren? in tz-online 20.1.2011). Dies machte es für die Initiatoren eines Bürgerbegehrens zunächst schwierig, drei Verantwortliche zu finden.
Deutsche Bahn fährt von Stuttgart 21 nach München 2018
Am 19.1.2011 fuhr auch noch die Deutsche Bahn (zu 100 Prozent in Staatsbesitz) auf München 2018 ab und wurde Nationaler Förderer – für knappe sechs Monate Restlaufzeit der Bewerbung. Da hat es wohl wieder einiger Anrufe aus dem Berliner Kanzleramt bedurft, um bis zur Vergabe der Spiele am 6.7.2011 noch Geld loszueisen. (Deutsche Bahn fährt auf Winterspiele 2018 ab, www.muenchen2018.org 19.1.2011; Deutsche Bahn unterstützt Olympia 2018, dpa 19.1.2011)
Zu den Zwangsverpflichteten von OB Christian Ude im Münchner Umfeld gesellten sich also die Zwangsverpflichteten Deutsche Bahn und Deutsche Post von Angela Merkel.
Interessant war auch die Aussage des Marketingdirektors Stefan Bruckner von München 2018 bezüglich der Kosten: „Wir wären das erste sportliche Ereignis in dieser Größe, das völlig ohne Staatsgeld auskommt“ (Olympia 2018: „Eine nationale Angelegenheit“, in Berchtesgadener Anzeiger 29.1.2011).
Deshalb schauen wir uns wieder einmal an, wie die Bewerbungsgesellschaft München 2018 schon beim Bewerbungsetat von Öffentlichen Geldern profitiert. Bis dato bediente sie sich bei folgenden Unternehmen der Öffentlichen Hand:
Nationale Förderer für je rund 3 Millionen Euro: Sparkassen Finanzgruppe (100 Prozent in Öffentlicher Hand), Flughafen München (100 Prozent), Lotto Bayern (100 Prozent), Deutsche Bahn (100 Prozent), Deutsche Post (30 Prozent).
Nationale Ausstatter für je rund 300.000 Euro: Messe München (100 Prozent), Olympiapark München (100 Prozent), Stadtwerke München (100 Prozent).
Es flossen also bislang an Geld- und Sachleistungen auf ca. 14 Millionen Euro von Unternehmen der Öffentlichen Hand an die Bewerbungsgesellschaft München 2018: Dazu beliefen sich die Kreditverbindlichkeiten des bayerischen Staates und der Kommunen München, Garmisch-Partenkirchen sowie des Landkreises Berchtesgaden zum 8.7.2010 auf 2,722 Mill. Euro (Bayerischer Landtag, Drucksache 16/5632).
Die Gesamtsumme von fast 17 Millionen Euro öffentlicher Gelder ist bemerkenswert angesichts der ständig wiederholten Behauptung, dass keine Steuergelder für die Bewerbung München 2018 eingesetzt werden sollen.
Mögliche weitere Vorschläge für öffentliche Nationale Förderer in letzter Minute: Bundeswehr (Sportsoldaten!), Kirchen (IOC als Friedensbewegung!), Pfadfinder (Jugend der Welt!), Feuerwehr, Polizei und Katastrophenschutz (wären später sowieso kostenlos bei München 2018 im Höchsteinsatz). Dazu die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW für die nötigen Wiederaufbaumaßnahmen nach den Olympischen Spielen und die Bayerische Landesbank – für die unauffällige Verteilung der olympischen Schulden auf die Steuerzahler.
Der „CEO der Münchner Bewerbungsgesellschaft“ (so wurde Bernhard Schwank neuerdings in der Presseerklärung vom 19.1.2011 genannt), erklärte dazu: „Vor allem das regionale Schienenverkehrskonzept für die Hauptachse München-Garmisch-Partenkirchen basiere wesentlich auf dem Input der Experten der deutschen Bahn“ (Deutsche Bahn fährt auf Winterspiele 2018 ab, PM München 2018 19.1.2011).
Dieser „Input“ besteht im zweigleisigem Ausbau der Strecke auf einer Länge von ganzen sechs Kilometern. Immerhin führt der Input nicht zur Stilllegung der Strecke.
Die Sportverbände werden bekehrt
Fünf große Münchner Sportverbände wurden im Lauf des Januars 2011 von der Bewerbungsgesellschaft München 2018 und vom Münchner Sportamt aufgesucht. Als erster war der Sportverein Neuperlach (SVN) am 18.1.2011 dran.
Der SVN München regte am 18.1.2011 eine Resolution mit dem Motto Olympia 2018 JaAber an, um die Finanzierung von vereinseigenen Sportanlagen und Zuschüssen zu sichern. Der SVN verwies dabei auf fehlende Gelder für Sanierungsmaßnahmen im Sportflächen- und Hallenbau. Allein in München würden 30 Millionen Euro fehlen, in Bayern 60 Millionen Euro. Zitiert wurde in diesem Zusammenhang Bundesinnenminister Lothar de Maizière: „Gekürzt wurde beim Sportstättenbau, damit wir die Förderung des Leistungssports gleich halten können.“
Der langjährige Vorsitzende des Münchner Sportbeirates und des TSV München Ost, Hans-Ulrich Hesse, riet dagegen in vorauseilendem Gehorsam dringend vor einer Unterschrift unter Olympia 2018 JaAber ab, denn eine erfolgreiche Olympia-Bewerbung würde den Sport in eine Position bringen, „in der man uns zuhört, eine Riesenchance!“ Der Vorsitzende des MTV München, Helmut Fuchs lehnte die Initiative ebenfalls ab (Riedel, Katja, Sportvereine stellen Ja zu Olympia in Frage, in SZ 19.2.2011; Riedel, Katja, Löcher im Rasen, in SZ 20.1.2011).
Der Leiter des Sportamts, Rudolf Behacker und die Stadträte Ingo Mittermaier (SPD) und Boris Schwartz (Die Grünen, München 2018) versicherten, „nur ein bedingungsloses Ja stütze die Bewerbung, alles andere störe bloß“ (Ick-Dietl, Carmen, Sportvereine sehen Olympia 2018 kritisch, in merkur-online 19.1.2011). Und Michael Vogt vom Büro Sperr & Partner kritisierte: „Das große ‚Ja, aber’ stört die Bewerbung“ (Schmid, Michaela, München: „Ja, aber“ zu Olympia 2018, in Wochenanzeiger.de 20.1.2011).
Offenbar ist schon konstruktive Kritik im Sportbereich nicht mehr erlaubt – das geht in Richtung „Gleichschaltung“ der Sportvereine.
Weiter ging es dann mit dem MTV München am 19.1. Referenten waren Boris Schwartz/Die Grünen und München 2018 sowie Matthias Schöner/Chefplaner Albert Speer & Partner. Der Vorsitzende Helmut Fuchs ist „total für die Spiele“ und schrieb richtungsweisend in die Einladung: „Es wäre toll, wenn der MTV für diesen Abend einen ‚würdigen olympischen Rahmen’, sprich ein volles Vereinsheim aufbieten könnte.
Die Kritiker sollen also lieber zu Hause bleiben, um den „würdigen olympischen Rahmen“ nicht zu stören.
Die Fußballer und die Einlaufkinder
Der DFB gab Mitte Januar 2011 bekannt, dass seine Nachhaltigkeitskommission die Arbeit aufgenommen hat. Der Bereich Umwelt und Klimaschutz wird von Claudia Roth, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen vertreten (DFB-Pressemitteilung 6/2011, 14.1.2011).
Frau Roth hat jetzt wieder etwas mehr Zeit für Aktivitäten im Sportbereich, nachdem die Bundesdelegiertenkonferenz in Freiburg im November 2010 die Bewerbung München 2018 ablehnte und Roth aus dem Kuratorium von München 2018 austrat.
Die Deutsche Fußball-Liga unterstützte offiziell ab Mitte Januar 2011 München 2018. Präsident Reinhard Rauball sagte dazu: „Fußballer sind nicht nur Millionäre in kurzen Hosen, sondern auch diejenigen, die Solidarität gegenüber anderen Sportlern üben“ (Lukas Podolski dribbelt für die Winterspiele, in Münchner Merkur 14.1.2011). Zu erwarten sind Zeitungsanzeigen und ein TV-Spot für München 2018 mit den Nationalspielern Lukas Podolski und Stefan Kießling und Borussia-Dortmund-Trainer Jürgen Klopp (Lode, Silke, Schwärmen von München, in SZ 14.1.2011). Und Philipp Lahm, Sebastian Schweinsteiger und Thomas Müller vom FC Bayern wurden „Sportbotschafter“ für München 2018 (Bayern-Trio wirbt für Olympia 2018, in SZ 26.1.2011).
Für das Spiel des FC Bayern gegen den 1. FC Kaiserslautern am 22.1.2011 verloste München 2018 für sechs Kinder die Möglichkeit, „vor dem Spiel wie die Profis in die mit 70.000 Zuschauern ausverkaufte Allianz-Arena einzulaufen“ (München 2018 sucht sechs Einlaufkinder für das erste Rückrunden-Heimspiel des FC Bayern, PM 19.2.2011)
„Einlaufkinder“ erinnert allerdings eher an medizinische Probleme…
Biathlon-Weltcup im Regen
Vom 11.1. bis 16.1.2011 fand in Ruhpolding ein Biathlon-Weltcup in der 2010 für 16 Millionen Euro umgebauten Chiemgau-Arena statt. Vergleiche auch zu den temporär geplanten Biathlon-Bauten in Schwaiganger
Am 13.1.2011 beim Einzelrennen der Frauen fielen in Ruhpolding 60 Liter Regen pro Quadratmeter Die Athletinnen stürzten in den tiefen, aufgeweichten Spuren; die Kleidung wurde schwer, das Zielen schwierig.
Längst gibt es – bedingt durch den Klimawandel – zunehmend starke Temperaturschwankungen und lange Wärmephasen im Winter.
Vergleiche Klimawandel
Das Wetter war nicht nur unangenehm für die Sportler. Durch das Bierzelt bei der Chiemgau-Arena floss ein breiter Bach. Die 13.500 Zuschauer waren in Plastiktüten-Überzieher eingehüllt – aus Sicherheitsgründen herrschte Regenschimverbot (Kreisl, Volker, Durchs Bierzelt fließt ein Fluss, in SZ 14.1.2011).
Überhaupt stellt sich die Frage, ob der Sport oder das Kampftrinken im Vordergrund stehen: Auf der Ruhpoldinger Bühne spielte wie jedes Jahr die „Biathlon-WM-Musi“, und abends „steigt fünf Nächte hintereinander die größte Dorfparty des Jahres, Sperrstunde gibt es keine“ (Effern, Heiner, Partyzone Ruhpolding, in SZ 15.1.2011).
Der Müll, die Stadt und München 2018
Die Münchner SPD hat siegessicher ein Volksfest am Mittwoch, den 6. Juli 2011 auf dem Marienplatz beantragt: An diesem Tag vergibt das IOC die Winterspiele 2018 (SPD will Volksfest zur IOC-Entscheidung, in SZ 20.1.2011).
120 Müllfahrzeuge der Stadtwerke (Sponsor der Bewerbung) fuhren seit Mitte Januar 2011 Reklame für München 2018 mit dem Slogan „Auf geht’s, München 2018“. Die Münchner Kommunalreferentin Gabriele Friedrich lobte „die wunderbare Gelegenheit, Menschen auf München 2018 aufmerksam zu machen“ („Auf geht’s, München 2018“ fordern die Müllfahrzeuge des Abfallwirtschaftsbetriebes München AWM, PM München 2018 vom 20.1.2011)
Ob das Signal der Müllabfuhr in Zusammenhang mit München 2018 nicht ein bisschen missverständlich ist?
Olympische Materialschlachten
Zu den Freunden von München kamen noch Event Pool United Ambient Media, JMT Mietmöbel und EADS.
EADS könnte dann für 2018 gleich die Überwachungsdrohnen liefern.
Auch die Event-Agenturen setzten unter dem Logo „EVENTPOOL 2018“ auf das Geschäft. CTC Christian Timmer Consulting, Penta Events, Serviceplan Event, Spiel & Sport Team, Ten&One Eventagentur, Trendhouse EventMarketing, Jochen Schweizer Events und Alpine Convention (Garmisch-Partenkirchen) boten München 2018 ihre Unterstützung an. Event Manager Scott Crouch wusste: „Wir haben die Chance auf eine Riesen-Party“.
Olympische Spiele sind in der Tat die teuerste Party der Welt – für den Steuerzahler.
United Ambient Media stopfte 400.000 Edgar-Karten mit dem Aufdruck „Ja, ich will sie“ in die Werbekartenständer. Im Januar 2011 kamen 50.000 „Olympia-Bierfilzl“ mit dem Aufdruck „Eiskalt genießen“ auf den olympischen Markt. Partner war der Unternehmerverein CityPartnerMünchen. (Meyer, Lena, Per Bierdeckel zu Olympia 2018, in merkur-online 24.1.2011; Münchner Agenturen starten Olympia-Kampagne, in wuv.de 24.1.2011; Winterfeldt, Jörg, Das größte Recycling der Geschichte, in Berliner Zeitung 17.2.2011)
Mitte Januar 2011 warb die Bewerbungsgesellschaft mit Maria Riesch auf einer halben Seite der Süddeutschen Zeitung für München 2018: Die Anzeigenserie lief in München über Wochen flächendeckend, Kosten unbekannt.
Auch der Bayern-3-Moderator Thorsten Otto machte unablässig für München 2018 Werbung: Im November 2010 durfte OB Ude eine Stunde über Olympiagegner lästern. Am Sonntag, den 16.1.2011 durfte Rosi Mittermaier drei Stunden in B3 über ihre Liebe zu Olympischen Winterspielen berichten. Und am 3.2.2011 durfte ihr Mann Christian Neureuther von 19 bis 20 Uhr vom Olympischen Traum München 2018 berichten.
Weitere Vorschläge für Studiogäste von Herrn Otto: Thomas Bach, Michael Vesper, Katarina Witt oder auch Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider (im letzten Fall sollte sich Herr Otto beeilen, da Schneider demnächst seinen 300.000-Euro-Job bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien“ antreten wird).
Der Marketingdirektor von München 2018, Stefan Bruckner, berichtete Ende Januar 2011 von diversen geplanten (und teuren) Aktivitäten, unter anderem: 30 Kurzfilme à drei Minuten, eine umfangreiche Kampagne in den Printmedien, Fernsehspots auf einer Auswahl von Fernsehkanälen „rauf und runter“. Der Heißluftballon als „Key-Visual“ war auf Fahnen und Plakaten, in Zeitungsanzeigen und Image-Filmen zu sehen. 35 Partner und nationale Förderer unterstützen die Bewerbung. Bruckner: „All das wird rein privatwirtschaftlich finanziert“ (Olympia 2018: „Eine nationale Angelegenheit“, in Berchtesgadener Anzeiger 29.1.2011).
Siehe dazu die Aufstellung unter: Deutsche Bahn fährt von Stuttgart 21 nach München 2018: Fast 17 Millionen Euro des Etats von München 2018 kommen von öffentlichen Unternehmen und Institutionen.
Der Olympiapark ist Münc