Exkursion
Fünf Tage Nolympia-Pause: zurück aus den Gletschern für unser Gletscherarchiv. Sulden/Südtirol, 6.8.2015. Fotografieren in 2.700 Meter Höhe an der Düsseldorfer Hütte – Wanderer strömen plötzlich zusammen und schweigen ehrfürchtig: Wir dürfen ein Steinadler-Weibchen beobachten, das seine Kreise in manchmal weniger als hundert Meter entfernt zieht. Da weiß ich wieder, warum ich mich ein Leben lang für die Natur eingesetzt habe.
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Webseite-Besucher
Im Juli 2015 besuchten 27.124 Internet-Nutzer unsere Nolympia-Webseite. Von Februar 2010 bis einschließlich Juli 2015 hatten wir damit 1.306.608 Besucher: Wir bedanken uns für das nach wie vor anhaltende Interesse.
Neu unter “Aktuelles”:
Leichtathletik-WM 2015 in Peking (21.8.2015; wird aktualisiert); Fifa-Kongress Mai 2015 und Folgen (4.6.2015; wird laufend aktualisiert); Hamburg 2024: Keine Bürgerbefragung!; Hamburg 2024: Dabei sein ist wichtiger als siegen; Hamburger für Hamburg 2024? Berliner für Berlin 2024?; Berliner Senat ist nicht Charlie; Boston 2024: Privatbewerbung eines Baukonzerns; Die verkauften Leichtathletik-Weltmeisterschaften
2015 neu im Kritischen Olympischen Lexikon:
23.7.2015: Eurosport; 20.6.2015 (aktualisiert 19.7.2015): Aserbaidschan-Sport; 21.5.2015: Beilschmidt, Rolf; 25.1.2015 Aktualisiert nach Pechstein-Urteil: Court of Arbitration for Sport (Cas); 20.1.2015: DFB gegen Galopprennbahn; 19.1.2015: Afrika-Cup 2015; 19.1.2015: Handball-WM 2015; 17.1.2015: Deripaska, Oleg; 7.1.2015: Gazprom-NTW; 1.1.2015: Totalitärer Sport-Terminkalender
Laufend aktualisiert:
Hamburg-Berlin 2024 – Zur deutschen Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024: bis Juni 2014: hier; 7-8/2014: hier; 9-10/2014: hier; 11/2014 – 3/2015: hier. Ab April 2015 “Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024″ in der laufenden Chronologie unter IV.
Gazprom-Chronik – Was ein Gaskonzern und Sport, Oligarchen und Putin miteinander zu tun haben. Gazprom-Chronik (1) bis 31.12.2012: hier; Gazprom-Chronik (2) 1/2013 – 8/2014: hier; Gazprom-Chronik (3) ab 9/2014: hier; Gazprom-Chronik (4) ab 11/2014: hier
Neue Studie von Sylvia Hamberger und Axel Doering: Der gekaufte Winter – Eine Bilanz der künstlichen Beschneiung in den Alpen (22.4.2015)
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In eigener Sache
Ich bemühe mich meinerseits, korrekt zu zitieren und Quellen anzugeben. Umgekehrt wäre es fair, wenn auch die Nolympia-Webseite als Quelle in den Artikeln von Journalisten angegeben wird.
Dr. Wolfgang Zängl
Die Gliederung im August 2015 sieht so aus:
I: Zitate des Monats
II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbänden
III: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden
IV: Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024
V: Allgemeine Nachrichten
VI: Aktuelle Sportsplitter von Fifa, Uefa, DFB etc.
VII: Sport-Millionen und -Millionäre
VIII: Totalitärer Sport-Terminkalender
IX: Doping-News
X: Die Sportsender ARD/ZDF
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I: Zitate des Monats
Der Präsident des Weltschwimmverbandes FINA, Julio Maglione, zählte bei der WM im russischen Kasan die Städte auf, die viel für den Schwimmsport tun: „St. Petersburg, Stalingrad, Moskau“ (Catuogno, Claudio, Schweigen in Stalingrad, in SZ 1.8.2015).
Bernhard Schwank, DOSB, Chef der Bewerbung Hamburg 2024, warb auf der IOC-Session in Kuala Lumpur für Hamburg 2024: „Die Faszination, dass eine Stadt ihr bestes Stück Land, das es hat, für die Spiele anbietet, ist ein starkes Statement“ (Schirmer, Andreas, Hamburgs Streben nach mehr Bekanntheit, in welt.de 3.8.2015).
Das ist kein „starkes Statement“, sondern der Ausverkauf der Stadt.
Der amerikanische Schwimmtrainer John Leonard zum Doping in der Leichtathletik und bei den Schwimmern und zur Rolle der russischen Nationalen Anti-Doping-Agentur: „Warum sollte eine korrupte Anti-Doping-Agentur, die sich für das Vertuschen von Proben bezahlen lässt, nur in einer Sportart Geschäfte machen?“ (Becker, Christoph, „Ich sehe, wie unser Sport unter die Räder kommt“, in faz.net 3.8.2015).
Thomas Kistner in der SZ zu den Doping-Enthüllungen von ARD und Sunday Times in der Leichtathletik: „Der Dopingmorast um die Leichtathletik ist genauso gewaltig dimensioniert wie der Korruptionssumpf um den Weltverband Fifa“ (Betrüger und Freunde, in SZ 3.8.2015).
Völlig richtig. Aber wie sieht es mit Doping im Fußball aus? Und mit Korruption in der Leichtathletik?
IOC-Präsident Thomas Bach – nie um ein Späßchen verlegen -, zum Dopingskandal beim Internationalen Leichtathletikverband IAAF: „Sollte es Fälle geben, die das IOC betreffen, werden wir sie mit unserer üblichen Null-Toleranz-Politik verfolgen“ (Simeoni, Evi, Blatter bleibt beim IOC auf der Strecke, in faz.net 4.8.2015. Vgl. auch unter IX).
IAAF-Präsident Lamine Diack weiß, warum die IAAF-Dopingenthüllungen erfolgt sind: „Ich glaube, es besteht die Absicht, diese Medaillen neu zu verteilen“ (Knuth, Johannes, Parolen und Peinlichkeiten, in SZ 4.8.2015).
WDR-Dopingexperte Hajo Seppelt zu seinen Doping-Enthüllungen in der Leichtathletik: „Doping ist ja letztlich nichts anderes als Korruption im Sport. Es geht um Erschleichung eines Vorteiles auf eine verbotene, auf eine unlautere Art und Weise, und dieser Vorteil führt am Ende auch zu erheblichen Profiten“ (Ostermann, Hans, „Doping ist nichts anderes als Korruption“, in deutschlandradiokultur.de 16.8.2015).
(Siehe auch unter IX).
Stefan Grass vom Olympiakritischen Komitee Graubünden zu neuerlichen Schweizer Bewerbungs-Überlegungen für Olympische Winterspiele: „Die Pseudo-Reform-Agenda des IOC-Chefs Thomas Bach ist in demokratischen Rechtsstaaten in Europa, Kanada und USA unglaubwürdig, nur Diktaturen steigen darauf ein“ ( Waser, Norbert, Aus Fehlern der letzten Kandidatur lernen, in Bündner Tagblatt 11.8.2015).
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II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbänden
– Rio 2016 (I): Segeln im Dreck. „Das Olympia-Segelrevier in Rio gleicht einer Kloake. Die Guanabara-Bucht ist voller Müll, Fäkalien und Tierkadaver. Ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele versicherten die brasilianischen Organisatoren auf dem IOC-Kongress in Kuala Lumpur, das Problem in der Bucht und an der Copacabana in den Griff zu bekommen. Dem Segelweltverband reicht das nicht aus. Er kündigte an, unabhängige Experten einzuschalten. (…) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dem Internationalen Olympischen Komitee nach eigenen Angaben empfohlen, die wissenschaftlichen Untersuchungen der Rio-Gewässer auszuweiten. Es solle auch auf Viren getestet werden, schlug die WHO demnach vor. Nicht nur die Bucht, in der die Segelwettbewerbe stattfinden sollen, auch die Gewässer für die Langstreckenschwimmer und Triathleten gelten als gesundheitsgefährdend“ (Segelverband sorgt sich um Gesundheit der Athleten, in spiegelonline 1.8.201).
Von der „IOC-Agenda 2020“ ist weit und breit nichts zu spüren – zum Bericht der Tagesschau „Platz machen für Olympia“ vom 6.8.2015 über Rio 2016: hier. – „Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt dem IOC inzwischen, Wasserproben nicht nur auf Bakterien, sondern auch auf Viren untersuchen zu lassen. Das IOC will das tun. (…) Den Delphinen in der Bucht scheint die braune Brühe jedenfalls nicht zu bekommen. Von einst 400 Exemplaren leben gerade noch mal 37“ (Tripmaker, Marco, Die Kloake unter dem Zuckerhut, in faz.net 5.8.2015). – „Neben den Bauarbeiten bereitet vor allem die Wasserqualität an den Wettkampfstätten der Ruderer, Segler und Langstreckenschwimmer Sorgen. Der Segelverband warnte seine Sportler vor dem Wasser in der Guanabara-Bucht, das IOC hielt dagegen, selbst die Weltgesundheitsorganisation hat sich eingeschaltet. Bach und Co. können sich darauf einstellen, dass es bis zur Eröffnungsfeier immer wieder Diskussionen geben wird, Gründe gibt es reichlich. Die Umsiedlungspolitik der Stadt, den Bau des Golfplatzes im Naturschutzgebiet Marapendi, die Verstrickungen von gleich sieben für Olympia-Projekte zuständige Bau-Großunternehmen in einen gewaltigen Korruptionsskandal um den Mineral-Öl-Giganten Petrobras“ (Rilke, Lucas, Hier soll in einem Jahr gespielt werden, in spiegelonline 5.8.2015). – Erste Opfer ein Jahr vor Rio 2016: „Bei den Testregatten ein Jahr vor dem Weltevent musste der koreanische Windsurfer Wonwoo Cho wegen stechender Kopfschmerzen, Kreislaufschwierigkeiten und Erbrechen zwischenzeitlich in ein Krankenhaus eingeliefert werden. (…) Auch deutsche Athleten hatten über die Zustände in der Guanabara Bay geklagt. ‚Der Geruch ist weiter unangenehm, und die Brühe sieht schlimm aus‘, sagte Laser-Topathlet Philipp Buhl. ‚Jeder sträubt sich vor dem Wasser‘, sagte 49er-Steuermann Erik Heil: ‚Überall, wo eine offene Stelle am Fuß, am Bein oder an der Hand ist, entsteht direkt eine Entzündung'“ (SID, Rio: schlimme Brühe, in SZ 22.8.2015). Der deutsche Segler Erik Heil nahm im August 2015 an einer Testregatta in der Guanabara-Bucht teil und musste ebenfalls anschließend im Krankenhaus behandelt werden. Er „hat sich in dem verdreckten Olympiarevier vor Rio de Janeiro offenbar mehrere Infektionen an den Beinen und an der Hüfte zugezogen. (…) Beim Auslöser handelt es sich um multiresistente Keime“ (Infektionen bei deutschem Segler nach Testregatta, in spiegelonline 28.8.2015).
– Rio 2016 (II): Military Games. Neues von der „friedlichen“ olympischen Bewegung: Amnesty International (AI) schreibt in seinem aktuellen Bericht „You killed my son: Killings by military police in Rio de Janeiro“, dass in den vergangenen fünf Jahren fast jeden Tag ein Mensch von Polizisten getötet wurde. „Allein in der Favela Acari im Norden der Stadt hat Amnesty klare Anzeichen dafür gefunden, dass es sich bei mindestens neun von zehn Fällen von Tötungen durch die Polizei im Jahr 2014 um außergerichtliche Hinrichtungen handelte“ (Brasilien: Tödliche Polizeigewalt in Rio de Janeiro, in amnesty,de 3.8.2015). – „Die Polizei von Rio de Janeiro hat laut einem neuen Bericht von Amnesty International in den vergangenen fünf Jahren mehr als 1.500 Menschen getötet“ (AFP, Mordvorwürfe gegen Polizei, in SZ 4.8.2015). Der AI-Bericht erscheint ein Jahr vor Beginn der Olympischen Sommerspiele. „Für das Sportereignis sollen kommenden Sommer 85.000 Polizisten und Soldaten mobilisiert werden“ (Ebenda).
– Rio 2016 (III): „Olympia – für wen?“ Das fragen sich die Kritiker vom „Comitê Popular da Copa e das Olimpíadas do Rio de Janeiro“, die gerade Aktionstage gegen Rio 2016 initiieren. „Im Blickpunkt sind die Nachteile für die Bewohner von Rio de Janeiro, der Gastgeberstadt der Olympischen Spiele 2016: Räumungen von Armensiedlungen, die Sportstätten oder neuen Verkehrswegen weichen mussten, die Verdrängung von Straßenhändlern und -bewohnern im Stadtzentrum sowie ökologische Schäden. Zugleich könnten sich die Sponsoren und das IOC über saftige Gewinne freuen, während Investitionen, die eine lebenswerte Stadt ausmachen würden, nicht einmal erwägt werden, kritisieren die Comitê-AktivistInnen. (…) ‚Sport darf kein Geschäft sein‘, ist dort zu lesen, mit Hinweis darauf, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Fifa und dem IOC gebe. Beiden gehe es vor allem um Profit, während die öffentliche Hand im Gastgeberland für einen Großteil der Kosten aufkommen müsse. (…) Besonders ärgerlich aus Sicht des Komitees ist, dass überhaupt nicht in den Breitensport investiert wird, während wenige HochleistungssportlerInnen gefördert würden, um eine Blamage im Medaillenspiegel zu vermeiden. (…) Ein weiterer Kritikpunkt ist der Bau eines neuen Golfplatzes mitten in einem Naturschutzgebiet am Atlantikstrand. Samt Extrageschenk an die Investoren: 22 20-stöckige Luxus-Wohnblocks dürfen sie auf dem Gelände bauen. Der Golfkomplex ist das krasseste Beispiel für Privatisierung und Umgehung bestehender Gesetze und Vorschriften im Namen von Olympia, klagt das Comitê Popular da Copa e das Olimpíadas do Rio de Janeiro an“ (Behn, Andreas, Die Verlierer stehen schon fest, in taz.de 23.8.2015).
– Bewerbung Almaty 2022: Nachrichten aus der Kasachstan-Diktatur. Ein Rückblick: Am 27.4.2015 wurde das offizielle Endergebnis der „Wahlen“ in Kasachstan bekannt gegeben. Gewonnen hat, wen wundert es, Diktator Nursultan Nasarbajew. „Der 74-Jährige erhielt laut dem (…) Endergebnis 97,7 Prozent der Stimmen. Damit kann der seit Anfang der Neunziger Jahre mit harter Hand regierende Nasarbajew die fünfte Amtszeit in Folge antreten“ (AFP, Sieg für Nasarbajew, in SZ 28.4.2015).
– Peking 2022: Nachrichten aus der China-Diktatur (I). Der China-Korrespondent der SZ, Kai Strittmatter zu Peking 2022: „Die Gegend um Peking ist eine der trockensten der Erde, es herrscht katastrophale Wasserknappheit. In Peking liegt mehr Smog als Schnee in der Luft, Bürgermeister Wang Anshun selbst nannte deshalb seine Stadt ‚unbewohnbar‘. Im Ort Chongli, wo viele der Wettkämpfe stattfinden, fallen im Dezember und Januar nur zweieinhalb Millimeter Niederschlag“ (Strittmatter, Kai, Spiele der Heuchler, in SZ 1.8.2015). Zum Stichwort Menschenwürde und Olympische Sommerspiele 2008 in Peking schrieb Strittmatter: „Es sei klar, verkündete IOC-Präsident Jacques Rogge 2008, dass die Spiele ‚viel dazu beitragen werden, die Lage der Menschenrechte in China zu verbessern‘. Das Gegenteil geschah. Chinas Hardliner benutzten die Spiele als Argument, um den Sicherheitsapparat aufzublasen, im Gefolge der Spiele überstieg das Budget für innere Sicherheit erstmals das für die Landesverteidigung. Heute verbrennen sich in China Tibeter, dem Internet wird noch das letzte Quäntchen freier Geist ausgetrieben, und die Zivilgesellschaft wird systematisch ausgerottet. KP-Chef Xi Jinping agiert noch repressiver als seine Vorgänger, in den vergangenen drei Wochen haben die Behörden mehr als 250 Bürgerrechtsanwälte und ihre Mitstreiter verhört, verschleppt und verhaftet“ (Ebenda). Die Rückgabe des Reisepasses an den Künstler Ai Weiwei ist für Strittmatter nur ein zynischer PR-Gag vor der Entscheidung des IOC für Peking 2022: „Andere sitzen weiter im Gefängnis: Die Journalistin Gao Yu, der uigurische Bürgerrechtler IlhamTohti, der Autor Liu Xiaobo, dem 2010 der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde. Tatsächlich ist China das erste Land, das die Olympischen Spiele zuerkannt bekommt, während es einen Friedensnobelpreisträger hinter Gittern sitzen hat. Liu Xiaobo hatte seine Freiheit übrigens am 9. Dezember 2008 verloren – keine vier Monate nach der Abschlussfeier der Sommerspiele in Peking. Die KP wird nun für ihre Chuzpe belohnt. Und alle Diktatoren der Welt dürfen sich in ihrem Verdacht bestätigt fühlen, dass alles hehre Gerede von Menschenwürde und Bürgerrecht bloß scheinheiliges Geschwätz ist“ (Ebenda).
– Peking 2022: Nachrichten aus der China-Diktatur (II). SZ-Reporter Kai Strittmatter traf sich im Juni 2015 in Peking mit dem Anwalt und Menschenrechtler Zhou Shifeng. „Ein Bekannter aus dem Apparat habe ihn angerufen, erzählte Zhou, und ihn gewarnt: ‚Pass auf, du bist der Nächste.‘ Dennoch, Angst habe er keine, sagte Zhou. Wie das? ‚Ich habe nichts Illegales getan. Was können sie schon tun?‘ Dann zählte er auf: ‚Mich festnehmen? Mich denunzieren im Staatsfernsehen? Als schlechten Menschen, als Betrüger?‘ Sechs Wochen später taten sie genau das. ‚Außerdem“, sagte Zhou, ‚bin ich der Chef einer Kanzlei mit vielen bekannten Anwälten. Wenn sie mich verschleppen, dann haben sie die am Hals.‘ Auch dafür fanden die Behörden eine Lösung: Sie steckten Zhous fünf Kollegen ebenfalls ins Gefängnis. Sofort nach den Festnahmen vermeldeten die Staatsmedien die ‚Zerschlagung eines bedeutenden Verbrechersyndikats‘. Damit war Zhous Kanzlei gemeint. Sie hatte sich einen Namen gemacht mit der Verteidigung von Opfern von Lebensmittelskandalen und illegalen Häuserabrissen, von misshandelten Petitionären und Feministinnen und von prominenten Andersdenkenden. (…) Schon im letzten Jahr kursierte ein Spruch: Früher seien in China die Anwälte hinter Gitter gegangen. Dann die Anwälte der Anwälte. Mittlerweile schnappe man die Anwälte der Anwälte der Anwälte. (…) Gleichzeitig ist der Parteichef Gefangener des Systems, das zu verteidigen er geschworen hat. Echte Unabhängigkeit der Justiz ist ihm ein Graus. Die KP muss weiter über allem stehen. (…) Die KP hat unter Xi Jinping nämlich wieder den Pranger eingeführt, eine Praxis, die China zuletzt in der Kulturrevolution pflegte. Seit zwei Jahren werden prominente politische Gefangene auf CCTV vorgeführt, lange bevor sie einen Gerichtssaal betreten, lange bevor sie ihren Anwalt zu Gesicht bekommen: reuig, geständig, gebrochen. Diese Filme werden von ernst dreinblickenden Sprechern mit einer kräftigen Prise Sex und Rufmord gewürzt und in den Nachrichten rauf- und runtergespielt“ (Strittmatter, Kai, Recht und Rache, in SZ 7.8.2015).
– Peking 2022: Nachrichten aus der China-Diktatur (III). Ein Artikel in Nature berichtet, chinesische Biologen hätten wegen der Skipisten der Olympischen Winterspiele aufgeschrien (Cyranoski, David, Chinese biologists lead an outcry over Winter Olympics ski site, in nature 11.8.2015). Junge chinesische Biologen sagten, dass die Pisten in einem geschützten Naturreservat liegen, das viele geschützte Arten wie Pekings einzige Shanxi-Orchideen beherbergt. Die geplanten Pistenbaustellen würden, so die Biologen, Umweltgesetze brechen und einen Präzedenzfall schaffen, der die bescheidenen Erfolge im Umweltschutz behindert. Die Online-Beiträge der Biologen in der chinesischen Social-Media-Webseite Weibo sind inzwischen nicht mehr aufzufinden.
Die geplanten alpinen Skipisten liegen genau im Herz des 4.600 Hektar großen Songshan Nationalparks. Der kürzlich zum Doktor promovierte Wang Xi hat am 1.2015 die Karten aus dem IOC-Evaluierungsreport mit denen der Nationalpark-Webseite montiert und festgestellt, dass sowohl der Start als auch das Ziel der alpinen Abfahrtsstrecken in das Gebiet des Nationalparks fallen. Xi teilte Nature mit, dass u. a. drei Orchideenarten betroffen seien, die unter der höchsten Schutzstufe im Pekings Artenschutzsystem stehen. Es gab von Wang Xis Mitteilung bei Weibo 240.000 Klicks – und zwei Tage später war nichts mehr im Internet. Der Entomologe Yun Ji hatte Xis Kartenmaterial kopiert und stellte dazu Informationen und Fotos über die seltensten und geschütztesten Pflanzen ins Netz, dazu Fotos von Vögeln, deren Lebensraum ebenfalls zerstört würde. Nach vier Stunden war auch Jis Weibo-Account nicht mehr erreichbar.
Weder das Olympische Komitee Chinas noch die Regierung in Peking haben dazu offizielle Erklärungen abgegeben. Am 7.8.2015 verkündete dann der stellvertretende Bürgermeister von Yanqing, dass Grenzen des Songshan-Nationalparks „angepasst“ würden und Teile des bisherigen Nationalparks verwendet würden, um „den nötigen Raum für lokale, nachhaltige Entwicklung zu schaffen und Ausgleich zwischen ökologischem Schutz und ökonomischer Wirtschaft zu fördern“ (Ebenda). Der Bürgermeister sagte, nach der „Anpassung“ würde es keine Überschneidung mehr geben zwischen den Skipisten und dem Nationalpark. Gemäß einer Regierungsanordnung von 2013 muss jemand, der die Grenzen von Nationalparks ändern will, einen Antrag vorlegen, der ein öffentliches Interesse bekundet, eine ökologische Bewertung und vier weitere Dokumente enthält. Xi und Ji konnten nirgendwo einen solchen Vorgang finden.
Peking 2022 fällt unter die IOC-Agenda 2020 – nichts Neues im IOC-Reich: Naturzerstörung as usual.
– Peking 2022: Nachrichten aus der China-Diktatur (IV). Kai Strittmatter zu Peking 2008 und der Leichtathletik-WM im August 2015 in Peking: „Und all die großen Versprechen auf mehr Offenheit? ‚Komplette Pressefreiheit‘ für ausländische Medien, hatten KP-Funktionäre einst angekündigt. Ein unzensiertes Internet. Saubere Luft. Und natürlich ‚die Verbesserung der Menschenrechte‘. Und auch das IOC sang das Lied Pekings. China gebe sich ‚große Mühe‘ bei den Menschenrechten, sagte Jacques Rogge vor Beginn der Spiele 2008. Mittlerweile muss man sagen: Bei jedem einzelnen dieser Punkte steht China heute schlechter da als damals. Selbst der Smog ist heute schlimmer. Hier immerhin hat die Regierung Abhilfe versprochen. Bei den Bürgerrechten ist mit Besserung erst mal nicht zu rechnen, im Gegenteil. 2008 stand China auf dem wenig ruhmreichen Platz 167 auf dem ‚Index der Pressefreiheit‘ von ‚Reporter ohne Grenzen‚. Im letzten Jahr war es auf Platz 175 abgerutscht. Die Zensur ist noch repressiver, Internet und soziale Medien sind unter KP-Chef Xi Jinping noch unfreier. Jene zarten Keime von Zivilgesellschaft, die damals zu sprießen begannen, werden von den Sicherheitsbehörden im Moment systematisch zertreten. In den letzten vier Wochen erst verhörten, verschleppten und verhafteten sie mehr als 260 Rechtsanwälte. Die wachsende Zensur in Netz und Medien, die Re-Ideologisierung an Universitäten und Think-Tanks hat dazu geführt, dass kritische Stimmen in China inzwischen noch seltener zu hören sind“ (Strittmatter, Kai, Mehr Stolz als Recht, in SZ 14.8.2015).
– Sport-Demokratur bei den Schwimmern. Auch die Schwimmer landen beim Sport-Paten Scheich Al-Sabah aus Kuwait. Der Präsident des Internationalen Schwimmverbandes FINA, Julio César Maglione (*1935) aus Uruguay, ließ beim Kongress gerade ohne Widerstand die Amtszeitbeschränkung ändern, damit er 2017 ein drittes Mal gewählt werden kann. „Und 2019 wird dann Hussein al Mussalam gewählt, einer der engsten Freunde von Scheich Ahmad al Sabah“ (Becker, Christoph, “Ich sehe, wie unser Sport unter die Räder kommt”, in faz.net 3.8.2015).
Vergleiche auch: Die Sport-Demokratur
– Von Boston 2024 nach Los Angeles 2024. Das olympische Komitee der USA (USOC) wird wohl Los Angeles als Nachfolger der gescheiterten Bewerbung Boston 2024 benennen. Der Bürgermeister von L.A., Eric Garcetti, verwies auf die vom IOC geforderte Übernahme der Defizit-Garantie (an der Boston 2024 gescheitert war) und verwendete die üblichen Phrasen: „Ich denke, wir werden ökonomisch und sozial profitieren“ (Jamison, Peter, L.A. pushes to be U.S. candidate für 2024 Summer Olympics, projects $4-billion cost, in latimescom 10.8.2015).
– Sebastian Coe-Diack gewählt. Dem greisen IAAF-Langzeit-Präsidenten Lamine Diack (82) folgt der am 19.8.2015 gewählte Sebastian Coe, ein inzwischen gut vernetzter Sport-Millionär. Angesichts der massiven russischen Einflüsse auf die Leichtathletik-Funktionäre – und den immer noch aufzuklärenden russischen Doping-Skandalen -, war klar, dass es Coes Konkurrent, Sergej Bubka aus der Ukraine nicht schaffen würde. Peter Ahrens schrieb vor der Wahl in spiegelonline: „Ein echter Wille zur Aufklärung war bei Diack nie zu spüren. Ob die beiden Anwärter auf seine Nachfolge, Sebastian Coe und Sergej Bubka, damit beginnen werden, aufzuräumen, ist mindestens so undurchsichtig wie der Abgasdunst, in den sich Peking auch dieser Tage wieder hüllt“ (Ahrens, Peter, Peking? Doping? Kein Ding, in spiegelonline 18.8.2015). Vgl. auch: Die Leichtathletik-WM 2015 in Peking
Falls die IAAF den Dopingsumpf austrocknen würde, wäre ihre Geschäftsgrundlage unterminiert – siehe das olympische Motto: schneller, höher, stärker.
– Tokio 2020 (I): Fahrradhelm geplatzt. Hallo Hamburg 2024: aufgepasst! Die ursprüngliche Bewerbung Tokio 2020 sollte kompakt und sparsam sein. „Fast die Hälfte der Wettkampfstätten existierten bereits, sie müssten nur erneuert werden, hieß es“ (Neidhart, Christoph, Tokios Fahrradhelm, in SZ 21.8.2015). Das neue Olympiastadion für Tokio 2020 sollte zunächst umgerechnet eine Milliarde Euro kosten. Der Entwurf von Zaha Hadid lag schnell beim Doppelten. Allein das „Schiebedach“ lag bei 220 Millionen Euro. Widerstand gab es aus den Tsunami-Gebieten: „Die Menschen dort wissen, dass der Wiederaufbau ihrer Küstenorte sich wegen der Bauerei für die Spiele weiter verzögern wird“ (Ebenda). 60 Prozent der Tokioter wollten ein modernisiertes altes Olympiastadion: Dessen Abbruch wurde aber schnell vom zuständigen Erziehungsministerium im Frühjahr 2015 begonnen und im Juli beendet. Kritiker, darunter zwei japanische Pritzker-Preisträger, warfen Hadids Entwurf Größenwahn vor: „Es hätte mit dem Entwurf frühere Olympia-Veranstalter übertreffen wollen, insbesondere Peking mit seinem ‚Vogelnest'“ (Ebenda). Andere wiesen auf die engen Beziehungen zwischen der Regierung und der Bauindustrie hin. „Zudem seien mehrere Nebenprojekte in Hadids Bau geschmuggelt worden, etwa das neue Hauptquartier des Olympischen Komitees von Japan. Der Steuerzahler hätte es bezahlt, ohne es zu bemerken“ (Ebenda). Nun stoppte der japanische Premier Shinzo Abe den Hadid-Bau. Neue Baupläne können erst ab 2017 realisiert werden: Die Zeit wird knapp. Inzwischen ist Japan in einer langjährigen Wirtschaftsrezession und hoch verschuldet: und kann sich das inzwischen viel zu teure Tokio 2020 realistischerweise gar nicht mehr leisten.
– Tokio 2020 (II): Zeitdruck. Das IOC hätte gern das Olympiastadion wie üblich schon sechs Monate vor der Eröffnungsfeier – im Januar 2020. IOC-Vizepräsident John Coates: „Wir haben nachdrücklich betont, dass die Übergabe im Januar stattfinden muss“ (IOC und Tokio streiten über Stadion-Fertigstellung, in zeit.de 25.8.2015). Aufgrund der kompletten Änderung der Baupläne wegen der ausufernden Kosten (siehe oben) gehen die Japaner davon aus, dass die Übergabe nicht vor April 2020 erfolgt.
– Graubünden: Bündner Olympia-Lobbyismus. Unverbesserlich: Die drei Dachverbände der Bündner Wirtschaft – der Gewerbeverband, die Handelskammer und der Arbeitgeberverband -, plus Hotelleriesuisse Graubünden erreichten, dass 90 Bündner Großräte einen Auftrag für eine neuerliche Kandidatur um Olympische Winterspiele unterzeichneten. Die Bündner Nationalrätin Silva Semadeni (SP) widersetzte sich der Bewerbung Graubünden 2022 und sagte zum neuerlichen Versuch: „Es ist eine Frechheit, zweieinhalb Jahre nach einem klaren Entscheid der Bündner Bevölkerung eine neue Kandidatur zu lancieren“ (Bisculm, Strefan, Olympiagegner kündigen Widerstand an, in Südostschweiz 29.8.2015). Die Befürworter verweisen auf die IOC-Agenda 2020, die angeblich dem Gigantismus entgegenwirken soll. „Semadeni fehlt der Glaube an den Reformwillen des IOC. ‚Die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 nach Peking hat es gezeigt: Olympia bleibt gigantisch. Graubünden braucht andere Perspektiven‘. Ins gleiche Horn stösst Stefan Grass, ehemaliger Leiter des Komitees Olympiakritisches Graubünden. In seinen Augen hat sich mit der Agenda 2020 nichts geändert. ‚IOC-Präsident Thomas Bach fährt eine Pseudoagenda, weil er wieder mit Europa ins Geschäft kommen will.‘ Europa hat sich in den letzten Jahren von Olympia abgewendet. Neben Graubünden hatten auch Oslo, München und Stockholm dem IOC einen Korb gegeben. Grass glaubt, dass die Austragungsorte auch mit der Agenda 2020 vom Profit, welchen das IOC mit Olympischen Spielen erwirtschaftet, wenig sehen wierden. ‚Das IOC ist eine Geldmaschine und sie wird auch in Zukunft vor dem Zuschlag keine Verbindlichkeiten mit den Austragungsorten eingehen'“ (Ebenda).
– Olympia-Lobbyist und Schweizer Sportminister: Ueli Maurer. Der damalige Bundespräsident und Propagandist von Graubünden 2022, Ueli Maurer, besuchte gefühlte hundert Mal in seiner Amtszeit den Kanton Graubünden, um für die Bewerbung um Olympische Winterspiele Graubünden 2022 zu werben. Nun wirbt Maurer für Graubünden 2026: „Ja, ich bin für eine erneute Schweizer Olympia-Kandidatur“ (Tribelhorn, Marc, Häfliger, Markus, „Für eine erneute Olympia-Kandidatur“, in nzz.ch 29.8.2015). Leider erzählt Maurer für 2026 ähnlich ungenaues wie damals für die Bewerbung 2022. Er sagt nicht, dass die Schweiz dem IOC eine UNBEGRENZTE DEFITZITGARANTIE abgeben muss, sondern spricht nur von einer Milliarde Franken Zuschuss durch die Bundesregierung.
Bei der Abwahl von Graubünden 2022 waren genau diese Fakten entscheidend: Der Host City Contract mit seinen Knebel-Bedingungen stand der Graubündner Bevölkerung öffentlich zur Verfügung. Ich finde es schade, dass viele Politiker ihre Wähler einfach falsch informieren. Sobald sie diese allerdings wahrheitsgetreu informieren, wird die olympische Bewerbung abgewählt oder abgeblasen, siehe München 2022, Oslo 2022, Krakau 2022.
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III: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden
– Spitzensport ohne Staat?! Christian Hönicke fragte sich im Berliner Tagesspiegel, warum Deutschland 2015 über 153 Millionen Euro (ohne Sportsoldaten!) für den Sp(r)itzensport ausgibt, und warum der deutsche Bundes-Sportinnenminister Thomas de Maizière – angesichts der aktuellen Dopingenthüllungen – mehr Medaillen fordert. „Der Glanz der Sportler soll das Prestige des Landes mehren. Thomas de Maizière, als Bundesinnenminister für den Sport zuständig, forderte unlängst ‚mindestens ein Drittel mehr Medaillen‘ und begründete das mit der ‚Tradition in beiden deutschen Staaten‘ und ‚unserer Wirtschaftskraft‘. Eine fragwürdige Argumentation, die die Dopingtradition der beiden deutschen Staaten völlig ausklammert. Und auch den Umstand, dass sich die deutschen Sportler im Kampf um die Medaillen mit mutmaßlich gedopten Athleten messen müssen. Wenn schon der oberste Dienstherr seine Schutzfunktion gegenüber den deutschen Sportlern derart geschichts- und realitätsfern einnimmt – wer soll sie dann schützen? (…) Muss der Steuerzahler eigentlich für den Betrieb eines Milliardengeschäft aufkommen? Es gibt auch eine radikalere Alternative: Der Staat geht raus aus dem Spitzensport, komplett. Gedopt würde dann sicher auch. Aber immerhin nicht mit Steuermitteln“ (Hönicke, Christian, Muss sich der Sport aus dem Spitzensport zurückziehen? in tagesspiegel.de 4.8.2015).
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IV: Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024
– Die Diplomaten vom IOC. „Mitte Juli traf sich in Hamburg eine kleine Runde von Experten, die Fragen des Zollverkehrs während Olympischer Spiele erörterte“ (Ludwig, Udo, Ulrich, Andreas, Olympische Diplomaten, in Der Spiegel 32/1.8.2015). Der Hintergrund: Das IOC könne den Anspruch haben, „dass seine Mitglieder während der Veranstaltung von Zollkontrollen weitgehend ausgenommen werden“ (Ebenda). Die IOC-Sprecherin Emmanuelle Moreau sprach in diesem Zusammenhang eine ganz andere Problematik an, dass nämlich „die Athleten ihr Sportequipment problemlos ein- und ausführen können, ohne hierfür Zölle erbringen zu müssen“ (Ebenda). Die Spiegel-Autoren halten es dagegen in Bezug auf die IOC-Mitglieder für „schwer vorstellbar, dass sie sich freiwillig am Hamburger Flughafen in die Schlange bei der Gepäckkontrolle einreihen würden“ (Ebenda).
– Schwank, Hörmann und Vesper in Kuala Lumpur. Die Heroen der Bewerbung Hamburg 2024, Bernhard Schwank (DOSB), Alfons Hörmann (DOSB) und Michael Vesper (DOSB), warben bei der IOC-Session in Kuala Lumpur für Hamburg. Schwank: „Alle IOC-Mitglieder wissen inzwischen, dass sich Hamburg bewirbt. Wir stoßen auf große Neugier und großes Interesse“ (Schirmer, Andreas, Hamburgs Streben nach mehr Bekanntheit, in welt.de 3.8.2015).
Das hatte Schwank kurz vor der Pleite der Bewerbung München 2018 am 6.7.2011 in Durban auch so erzählt.
– „Feuer & Flamme“ geht vorsichtshalber auf Nummer sicher. Die Olympia-Initiative und das Hamburger Abendblatt promoten Hamburg 2024 mit einer Veranstaltungsreihe – und mit den üblichen Verdächtigen. So diskutierten am 6.8.2015: – Oberbaudirektor Jörn Walter (Hamburg), – Lutz Basse (Vorstandsvorsitzender SAGA GWG/Immobilienwirtschaft), – Wolfgang Maenning (Professor für Wirtschaftswissenschaften Uni Hamburg, unterstützte die Bewerbungen München 2018 und 2022), – Yvonne Frank (Hockey-Nationalspielerin), – Katja Kraus (Geschäftsführung Jung von Matt/Sports), – Dieter Becken (Inhaber Becken Holding/Immobilienwirtschaft), Rainer Eichholz (Geschäftsführer Zech Group/Immobilienwirtschaft), Gabriel Nießen und Benedikt Schroeter (beide AStA HCU – als zwei Alibi-Gegner), Ulrike Riedel (Vorstand Hamburger Hochbahn), Thorsten Testorp (Geschäftsführender Gesellschafter B&L Gruppe/Immobilienwirtschaft), Marc Ziemons (Assoziierter Partner gmp Architekten – vgl. Sportpalast-Architekten) sowie Professor Albert Speer (Geschäftsführender Gesellschafter AS&P, vgl. Sportpalast-Architekten). Macht elf Befürworter gegen zwei Gegner – in etwa die Verhältnisse auf den Diskussionspodien bei den Bewerbungen München 2018 und München 2022.
– AStA der Hamburger Universität wird verklagt. Der RCDS will vor das Verwaltungsgericht ziehen, weil der AStA für eine Anti-Olympia-Kampagne 5.000 Euro zur Verfügung gestellt hat: Der AStA müsse ein Pro & Contra aufzeigen (Koch, Jakob, Uni-Konservative wollen Klage gegen AStA einreichen, in welt.de 5.8.2015).
Schon interessant, dass Herr Alexander Otto/ECE und Fritz Horst Melsheimer, der Präses der Industrie- und Handelskammer Hamburg, gleichzeitig Millionen Euro für ihre Pro-Hamburg-2024-Initiative sammeln dürfen.
– À propos IHK Hamburg (I). Die Initiative „Die Kammer sind wir“ konnte als Opposition bei den Wahlen 2014 zwölf von 66 Sitzen im IHK-Plenum erringen. Als Folge musste Präses Fritz Horst Melsheimer das Gehalt seines Hauptgeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz veröffentlichen: Neben dem Dienstwagen gab es ein Festgehalt von 370.000 Euro plus Tantiemen von rund 105.000 Euro plus Nebeneinkünfte von 5.000 Euro, macht rund 480.000 Euro (Preuß, Olaf, Handelskammer legt Chefgehalt offen in welt.de 7.8.2015). Man gönnt sich ja sonst nix. Zum Vergleich: Erster Bürgermeister Olaf Scholz 177.577,44 Euro, Bundeskanzlerin Angela Merkel rund 221.300 Euro (Stürmlinger, Daniela, Handelskammer-Geschäftsführer verdient bis zu 475.000 Euro, in abendblatt.de 6.8.2015).
Zur Erinnerung: In der IHK sind alle Unternehmen Zwangsmitglieder. Und die Leitungen der IHKs gehen mit den Mitgliedsbeiträgen um, als wenn es ihr eigenes Geld wäre: Die IHK München hat vehement die Bewerbung München 2022 unterstützt (und daneben ihren Stammsitz für über zwölf Millionen Euro sanieren lassen).
– À propos IHK Hamburg (II). Angeblich sind 69 Prozent der IHK-Mitgliedsunternehmen für Hamburg 2024. „Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Telefonbefragung des Meinungsforschungsinstitutes TNS Emnid im Auftrag der Handelskammer unter ihren Mitgliedern“ (Ebenda). Die 1.508 Firmen wurden im Auftrag der IHK Hamburg „repräsentativ ausgewählt“, was immer das heißen mag.
Es könnte also sehr wohl sein, dass die Vorgabe bei der Auswahl der Firmen „Pro-Hamburg-2024“ war. So wie für die Bewerbung München 2018 und 2022 mal schnell sportaffine Menschen befragt wurden: nicht gerade ein Musterbeispiel für Demoskopie.
– Sicherheit 2024: Geht ja gut los. Unter der Federführung der Hamburger Innenbehörde zusammen mit dem Bund soll eine „Projektgruppe 4: Sicherheit“ so schnell wie möglich ein Sicherheitskonzept für Hamburg 2024 ausarbeiten. „Doch die Projektgruppe hat es noch nicht einmal geschafft, sich zu konstituieren. Und das liegt offensichtlich daran, dass die federführende Innenbehörde noch nicht einmal weiß, dass sie damit beauftragt ist, das Planungsteam zu initiieren. Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde, betont nach Rücksprache mit dem für die Olympia-Sicherheit zuständigen Innenstaatsrat Bernd Krösser (SPD): ‚Dass es eine solche Projektgruppe geben soll, ist der Behörde nicht bekannt'“ (Carini, Marco, Mit Sicherheit noch nichts passiert, in taz.de 6.2015). Die Initiative NOlympia befürchtet dagegen: „Kommt Olympia nach Hamburg, wird die Stadt einer Festung gleichen: Polizeisperren, schwerbewaffnete Uniformierte überall, verstärkte Kameraüberwachung und der Einsatz des Militärs sind nur einige Aspekte dessen, wie der öffentliche Raum für die Spiele reguliert (…) Auch der Nachwuchs des kleineren Koalitionspartners, die ‚Grüne Jugend‚, lehnt Olympia in Hamburg ab, weil sich die Stadt in eine ‚Hochsicherheitszone‘ verwandeln dürfte. Die Parteijugend prognostiziert ‚Militärschiffe auf der Elbe, private Firmen, die den öffentlichen Raum mit Kameras überwachen und ein hermetisch abgeriegeltes olympisches Dorf’“ (Ebenda).
– Die Linke: „NOlympia in Hamburg“. Mehmet Yildiz und Özgur Yildiz haben eine 26-seitige Broschüre zusammengestellt: NOlympia in Hamburg – Risiken der Bewerbung und Austragung Olympischer Spiele, Hamburg, August 2015 (zur pdf: hier). Der Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft, Mehmet Yildiz, im Interview: „Wir lehnen Olympische Spiele in der jetzigen Form ab, weil es dem IOC nicht um Völkerverständigung geht oder darum, die Weltjugend des Sports zusammenzubringen, sondern nur um Profit für einige Sponsoren und Lobbyisten. Die Länder und Städte sollen die Kosten übernehmen und still sein. Ansonsten profitieren sie nicht. (…) Was jetzt schon auffällt ist, dass Kritiker in den Vereinen mundtot gemacht werden. Finanzielle Unterstützung vom Senat etwa bei Sportfesten gibt es nur, wenn das Olympia-Logo verwendet wird. Dabei sind gerade viele kleinere Vereine gegen diese Spiele, weil sie und ihre Sportstätten auch nicht profitieren werden, im Gegenteil: Manche Sport- oder Schwimmhalle wird inklusive Vorbereitung, Pause und Paralympischer Spiele sechs Monate bis ein Jahr geschlossen sein“ (Heike, Frank, „Massive Verschwendung von Steuergeldern“, in faz.net 15.8.2015; Hervorhebung WZ).
– Partei Die Linke gegen Hamburg 2024 – die Fraktionsvorsitzenden im Interview mit der Welt. Sabine Boeddinghaus: „Es ist doch aber unstrittig, dass die Olympischen Spiele nicht zu 100 Prozent in der Regie von Hamburg liegen werden, sondern innerhalb der Regeln des IOC und des DOSB. Wir werden für dieses Großereignis viele Kröten schlucken müssen, und das heißt am Ende viele Steuergelder. Zudem spielt der Sicherheitsaspekt eine Rolle, auch werden Bürgerrechte stark eingeschränkt. Die Stadt wird die Kosten beim Rückbau oder der Reinigung tragen müssen. Ganz abgesehen davon wird sich Olympia negativ auf den Wohnungsbau und die Stadtentwicklung auswirken, die Mieten werden steigen. Deshalb ist es wichtig, dass die Linke das Hinterfragen unterstützt. Wir sind nicht allein, denn es gibt Initiativen wie Stop Olympia oder (N)Olympia. (…) So, wie Olympia mittlerweile pervertiert ist, unter den IOC-Vorgaben stattfindet und im Zusammenhang mit Doping, ist es für uns grundsätzlich unvorstellbar. Allenfalls, wenn wir zurück auf null gehen würden. Aber das kann ich mir unter den Prämissen des global agierenden Kapitalismus nicht vorstellen. Es wird zu sehr mit Geld jongliert, mit Macht und dem Missbrauch davon“ (Werner, Jana, „Der Olympia-Hype ist unreflektiert“, in welt.de 10.8.2015). – Cansu Özdemir: „Bei der Flüchtlingsproblematik scheitert die menschenwürdige Unterbringung auch an der Schuldenbremse. Obwohl jetzt viel Geld bereitgestellt wird, können wir keine Mindeststandards einführen. Warum können wir nicht die vielen leer stehenden städtischen Gebäude herrichten und als Unterkünfte nutzen? Es gibt so viele Einrichtungen in Hamburg, die zum Überleben immer wieder aufs Neue um ein paar Tausend Euro kämpfen müssen. Warum aber ist es so einfach, so viel Geld in Olympia zu investieren? Bei Olympia zieht das Argument der Schuldenbremse plötzlich nicht mehr“ (Ebenda).
– „Kulturolympiade“ ohne Geschichtswerkstatt St. Georg. Die Hamburger Kulturbehörde forderte u. a. die Geschichtswerkstatt St. Georg auf, sich an der „Kulturolympiade“ zu beteiligen. Zitat aus der Ablehnung der Geschichtswerkstatt: „Nun also noch das: Auch wir GeschichtswerkstättlerInnen sollen uns an einer „Kulturolympiade“ beteiligen, deren Ideen und Erträge am 28. September präsentiert werden, damit sie noch eingehen in die allseitige Pro-Olympia-Beeinflussung der BürgerInnen. In dieser Stadt bekommt man eh schon seit Monaten den Eindruck, dass das Referendum am 29. November nur noch eine Farce ist: Die Handelskammer, der Senat, das Abendblatt, der HVV usw., alles trommelt. Wir aus der Geschichtswerkstatt machen da nicht mit, so das einhellige Votum ihres Vorstandes. Wir halten nichts von der Bewerbung Hamburgs um die Olympischen Spiele. Die um sich greifende Eventisierung, die völlig unklaren (und weiter geheim gehaltenen bzw. kaschierten) Kosten, die voranschreitende Gentrifizierung, Zehntausende neue Hotelbetten und Gastrobetriebe, ein gigantisches Sicherheitsprogramm und die drastische Beschneidung von Rechten und öffentlichem Raum – all das trifft unser Viertel in besonderem Maße, all das sind Aspekte eines Olympia-Hypes, der einer aufgeklärten Stadtgesellschaft und einer von uns geförderten Stadtteilidentität diametral entgegensteht“ (zitiert nach www.nolympia-hamburg.de 11.8.2015).
– Olympia-Indoktrination: Senat erarbeitet „Handreichung“. „Befremden löst derweil die Schulbehörde bei der fraktionslosen Bürgerschaftsabgeordneten Dora Heyenn aus. Auf ihre Kleine Anfrage teilte der Senat ihr jetzt mit, dass die Behörde für abstimmungsberechtigte SchülerInnen ab 16 Jahren ‚eine Handreichung‘ erarbeite, um sie zur Teilnahme am Olympia-Referendum zu motivieren. Das wiederum alarmiert Heyenn, denn beim Volksentscheid ‚Unser Netz‘ 2013 hatte die Schulbehörde ‚eine völlig einseitige Broschüre‘, so Heyenn, verfasst, die auf ihren Protest hin eingestampft wurde. Die neuerliche Broschüre werde sie deshalb ‚ganz genau auf Neutralität prüfen‘, kündigt sie an. Zugleich attestiert sie dem Senat ‚einen speziellen Humor“. Denn dieser werde, so antwortet er Heyenn, ‚entsprechend dem Sachlichkeitsgebot in der Bevölkerung nicht für die Olympiabewerbung werben'“ (Veit, Sven-Michael, Beamte spielen nicht, in taz.de 11.8.2015).
Der Hamburger Senat lässt also die Hamburger Schüler ab 16 (Abstimmungsalter!) bearbeiten, damit sie am 29.11.2015 mit „JA“ stimmen. Neutralität sieht anders aus. Das erinnert stark an die Bewerbungen München 2018 und 2022!
– Hafenumbau unter Olympiaplanung. Bei einem erfolgreichen Referendum in Hamburg am 29.11.2015 will die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) mit den Planungen für Hamburg 2024 beginnen. „Der Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) verlangt, dass Entscheidungen über die Umsiedlungen von Unternehmen frühestens 2017 getroffen werden dürfen, sofern das Internationale Olympische Komitee (IOC) dann eine Entscheidung für die Austragung der Spiele 2024 in Hamburg trifft. Der UVHH beklagt unter anderem, dass von einer Umsiedlung betroffene Unternehmen bis zu einer IOC-Entscheidung keine Planungs- und Rechtssicherheit hätten (…) “ (Preuß, Olaf, Olympiaplanung im Hafen soll noch 2015 starten, in welt.de 19.8.2015).
Das Chaos durch die Räumung des Kleinen Grasbrooks mit sämtlichen Hafenbetrieben plus dem darauffolgenden Aufbau der olympischen Bauwerke im Zeitraum 2017 bis 2024 kann man sich jetzt schon lebhaft vorstellen!
– BUND Hamburg kritisch. „Nach den Erfahrungen mit anderen Großprojekten in der Hansestadt sieht der BUND Hamburg die Olympia-Bewerbung kritisch“ (BUND Hamburg, Olympia in Hamburg – ja oder nein, BUNDmagazin Hamburg 3/2015, S. 4 und 5). Hauptkritikpunkte: ungenügendes Flächenmanagement, unklare Kosten, Flächen für Umsiedlung der Hafenbetriebe unklar, Natur- und Artenschutz ungeklärt, „Olympic City“ unter Druck der privaten Investoren etc. Beim Referendum am 29.11.2015 droht eine einseitige Werbeschlacht zugunsten Hamburg 2024. Zur Stellungnahme hier
– Hamburger Rechnungshof kritisch. Genannt werden u. a. die finanzielle Dimension, die zeitliche Enge für Planungen, die notwendige Akzeptanz der IOC-Regularien (Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg, Olympische und Paralympische Spiele in Hamburg – Vereinbarkeit mit einer nachhaltigen Finanzwirtschaft, Hamburg 17.7.2015). Hier wird explizit der Vertrag mit der Gastgeberstadt (Host City Contract, HCC) erwähnt. Für den Rechnungshof ist die „irreversible Bindung an das Bürgerschaftsreferendum“ unvertretbar: Die Bürgerschaft muss das Recht haben, beim Eintreten bestimmter Umstände auszusteigen. Dazu gehören: – die Nichteinhaltung der Schuldenbremse, – erhebliche Kostensteigerungen, – die Unmöglichkeit der zeitlichen Realisierung, – zu hohe Kosten der Spiele für Hamburg im Vergleich zum Nutzen, – „rechtlich und wirtschaftlich inakzeptable Bedingungen des IOC, insbesondere im Hinblick auf die Übernahme unbeschränkter Gewährleistungen durch die Freie und Hansestadt Hamburg“ (A.a.O., S. 54f; Hervorhebung WZ). – „Besonders scharf kritisiert der Rechnungshof den Gastgeberstadtvertrag (‚Host-City-Vertrag‘), den Olympiabewerber wie Hamburg mit dem IOC abschließen. Der Vertrag regelt den Ablauf, die Planung und die Finanzierung der Spiele und wird immer wieder als ‚Knebelvertrag‘ kritisiert, in München war die Olympiabewerbung für 2022 unter anderem deshalb gescheitert, weil die Bürger diesen Absprachen misstrauten. Denn der Vertrag enhält zahlreiche Zusatzklauseln, die Bewerberstädte müssen weitreichende Garantien übernehmen. ‚Die sich hieraus ergebende, nahezu vollständige Verlagerung aller Risiken, insbesondere auch der Haftungsrisiken, auf die Freie und Hansestadt Hamburg führt zu einer deutlichen Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung‘, heißt es beim Rechnungshof. Die mit Abgabe einer Bewerbung verbundene Verpflichtung der Gastgeberstadt dürfe nicht bedeuten, dass der Vertragsinhalt einseitig und unverhandelbar vom IOC vorgegeben wird“ (Woldin, Philipp, Rechnungshof warnt vor Risiken bei Olympiabewerbung, in welt.de 20.8.2015). Dazu wird das „noch nicht quantifizierbare Risiko aus der erwartbaren Übernahme von Gewährleistungen gegenüber dem IOC“ genannt. Zum kompletten RH-Papier: hier
Nachtrag: Der Rechnungshof hat am 21.8.2015 bedauert, dass das 55-seitige Papier der Öffentlichkeit bekannt wurde. Es sei lediglich ein „Prüfentwurf“ und noch nicht die Auffassung des Rechnungshofes (Stellungnahme, Hamburg 21.8.2015). Der Senat wies alle Bedenken im Papier des RH zurück. „Überrascht zeigt sich der Senat, dass der Rechnungshof unterstellt, der Vertrag des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) werde wirtschaftlich inakzeptable Bedingungen enthalten. Der sogenannte Host City Contract liege bisher nicht vor, werde sich aber von früheren deutlich unterscheiden, heißt es in dem Senatspapier“ (Olympia:Senat weist Kosten-Warnung zurück, in ndr.de 21.8.2015).
Der neue Host City Contract wird sich nur minimal vom alten unterscheiden: nämlich genau bei den Punkten, die in der IOC-Agenda 2020 angesprochen wurden. Das sind größtenteils nur Details. Der IOC-Knebelvertrag bleibt der IOC-Knebelvertrag.
Kommentar von Marc Widmann in zeit.de: „Es ist erfreulich, wie tief sich Politiker und Journalisten in Hamburg in der vergangenen Woche über ein 55-seitiges vertrauliches Papier des Rechnungshofes gebeugt haben. Die Institution äußerte darin grundlegende Bedenken zur Olympiabewerbung – und löste ein enormes Echo aus. (…) Natürlich muss der Rechnungshof auf das Risiko hinweisen, das eine Bewerbung um die Spiele 2024 für die Stadt bedeutet. Auch ein Vergleich mit der Elbphilharmonie ist legitim: Wieder geht es um ein Projekt mit weltweiter Austragung, wieder ist eine erstaunliche Euphorie ausgebrochen, wieder sind kritische Einwände kaum zu vernehmen“ (Widmann, Marc, Die Spiele vor den Spielen, in zeit.de 27.8.2015).
– Kosten für Hamburg 2024 erst ab 2017 bekannt. Beim Referendum in Hamburg am 29.11.2015 werden keine auch nur annähernd präzisen Kosten bekannt sein. Die Frage, was Olympische Spiele 2024 in Hamburg in etwa kosten, wird – nur näherungsweise – erst nach der Vergabe der Spiele durch das IOC präzisiert werden. „Das wäre allerdings erst 2017 – und damit deutlich nach dem rechtlich bindenden und später nicht mehr änderbaren Referendum“ (DPA, 100 Tage vor Referendum: Kosten für Olympia sind unklar, in shz.de 20.8.2015).
Alle Hamburger, die am 29.11.2015 mit „Ja“ für Hamburg 2024 stimmen, kaufen also die Katze im Sack.
– NOlympia Hamburg: Hamburg 2024 dient Privatinteressen. Nach dem Bekanntwerden des Rechnungshof-Papiers sahen die Kritiker der Bewerbung ihre Kritikpunkte bestätigt. „Zudem kritisierten die Aktivisten die proolympischen Akteure als wirtschaftliche Profiteure der Spiele, mit dem Ziel, den Kleinen Grasbrook ‚zu privatisieren‘. Prominentestes Beispiel sei der ECE-Konzern, der im Besitz der Otto-Familie ist und die Olympiabewerbung stark vorantreibt. Diese Immobilienfirma profitiere von einem möglichen Bauboom rund um Olympia, die von dem Konzern mitveranstalteten runden Tische ‚Hamburg diskutiert die Spiele‘ seien deshalb reine Lobbyveranstaltungen und keine ergebnisoffenen Diskussionen. Ähnliches gelte für das Architekturunternehmen GMP, das den Masterplan miterstellt hat. Diese seien verantwortlich für die Kostenexplosion beim Flughafen in Berlin und ‚Experten für steigende Kosten'“ (Woldin, Philipp, Die Hauptfehler der Bewerbung – aus Kritikersicht, in welt.de 26.8.2015). Michael Rothschuh von NOlympia Hamburg: „Die Olympia-Begeisterung in der Bevölkerung bröckelt… Die Bewerbung für 2024 ist nur als Probelauf für 2028 gedacht. So kann man die Hamburger nicht hinters Licht führen“ (Lorenz, Markus, Olympia-Gegner geben Bürger-Referendum nicht verloren, in shz.de 26.8.2015). Nicole Vrenegor, NOlympia Hamburg: „Der Senat verwechselt PR mit fundierter Informationspolitik“ (DPA, NOlympia fordert Bewerbungsverzicht 2024, in kn-online.de 26.8.2015). Florian Kasiske, NOlympia Hamburg: „Mit der Olympiabewerbung gibt Hamburg die Schlüssel für die Stadt an das IOC ab“ (Ebenda).
Zur Zusammenfassung der „Acht Mythen rund um die Hamburger Olympia-Bewerbung“ von NOlympia Hamburg: hier
– Verhandlungen um Moldau-Hafen. Die Wasserstraßendirektion in Prag verhandelt mit Hamburg über einen Grundstückstausch. Der „Tschechen-Hafen“ in Hamburg ist der wichtigste Hafen für die Tschechische Republik. Aber das Anbieten von Ersatzflächen wird schwierig. Der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, Gunther Bonz: „Es ist ja gemeinhin bekannt, dass die Wasserflächen im Hafen ausgesprochen knapp sind“ (Rehrmann, Marc-Oliver, Olympia: Geheimgespräche über Tschechen-Hafen, in ndr.de 26.8.2015).
– Senats-Flyer: „Abstimmungshilfe“ für den 29.11.2015. NOlympia Hamburg möchte bis zum 16.9.2015 mindestens 10.000 Unterschriften sammeln, damit ihre Stellungnahme „Argumente für ein NEIN zu Olympia“ in das Hamburger Informationsheft aufgenommen wird, das Ende Oktober an die Haushalte verteilt werden soll. Der Senat will eine olympiakritische Position aufnehmen – allerdings natürlich nicht die Version von NOlympia (Woldin, Philipp, Olympia-Skeptiker kämpfen um Formulierungen, in welt.de 27.8.2015).
– Schon wieder: Bewerbung als „nationales Anliegen“. Am 15.12.2010 sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel im Zusammenhang mit der Bewerbung München 2018 von einem „nationalen Anliegen im gemeinsamen Interesse von Bund, Ländern und Kommunen“ ((Merkel: Olympia 2018 ist nationales Anliegen, in merkur-online 15.12.2010; Merkel unterstützt Olympiabewerbung, in SZ 16.12.2010). – Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann verwies auf die so deklarierte “Nationale Aufgabe”: “Offenbar ging es darum, ob gebührenfinanzierte Sender die Olympiabewerbung als ‘Nationale Aufgabe’ offensiv unterstützen dürfen” (Riedel, Katja, Sendepause für Olympia, in SZ 26.3.2011). Und auch bei Hamburg 2024 betonte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Ole Schröder: „Die Bewerbung für Olympia ist ein nationales Anliegen“ (Olympische Spiele 2024 in Hamburg: Ein gesamtdeutsches Ziel, in bmi.bund.de 28.8.2015).
– ARD will schon wieder mehr Geld – mit der Begründung Hamburg 2024. 8,4 Milliarden Euro im Jahr 2014 für die Öffentlich-Rechtlichen Sportsender reichen nicht mehr. ARD-Vorsitzender Lutz Marmor äußert Finanzwünsche, u. a. für Sport – mit der Begründung der Bewerbung Hamburg 2024: „Beim Sport muss man aber sagen: Bestimmte Rechte hätten wir gerne weiterhin, dazu bekenne ich mich. An Sublizenzen für Olympia haben wir durchaus Interesse. Wie das aussehen könnte, ist offen, vom neuen Rechteinhaber Discovery gibt es noch keine Angebote oder Gespräche. Und wir können nicht jeden Preis zahlen, das ist klar. Aber stellen Sie sich mal vor, die Olympischen Spiele kämen wirklich nach Hamburg, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk stünde vor der Tür. Das fände ich im Interesse unserer Zuschauer keine sehr wünschenswerte Vorstellung“ (Tieschky, Claudia, Die Reseren sind aufgebraucht, in SZ 29.8.2015; Hervorhebung WZ).
Vergleiche auch: Eurosport
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V: Allgemeine Nachrichten
– Schneller, höher, stärker: jünger. Die zehnjährige Schwimmerin Alzain Tareq aus Bahrain startete bei der Schwimm-WM in Kasan/Russland über 50 Meter Schmetterling und 50 Meter Freistil. Der zwölfjährige Ahnt Khaung Htut aus Myanmar startete über 100 Meter Brust. Der Welt-Schwimmverband FINA hat keine Altersbeschränkung (DPA, Mit zehn bei der WM, in SZ 6.8.2015).
– Der Coca-Cola-Konzern: Coca-Cola macht nicht fett. Coca-Cola ist einer der Hauptsponsoren von Fifa und IOC. Der hohe Zuckergehalt ist zweifelsfrei zuständig für die Fettleibigkeit vieler Jugendlicher und Erwachsener. „Wohl deshalb betreibt der Konzern in den USA jetzt eine neue Strategie, um seine Klientel bei Trinklaune zu halten: Statt bloß die Marke zu pflegen, sponsert das Unternehmen ein Forschungsgremium. Es heißt Global Energy Balance Network. Und wie es der Zufall will, propagieren die honorigen Experten des Forschungsverbundes eine brausefreundliche Botschaft: Nicht die Limo macht nämlich dick, sondern der Bewegungsmangel. Wer würde das nicht gerne glauben? Viele Leute möchten guten Gewissens ihr Fast Food futtern und ihre Coke trinken, die je Liter immerhin 420 Kilokalorien liefert. Aus purem Zucker. Dafür müssen sich diese Menschen halt etwas mehr bewegen. Schon stimmt die Energiebilanz“ (Zinkant, Kathrin, Klebrige Argumente, in SZ 11.8.2015) Matthias Schulze, Professor am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam, stellt klar: „Wer abnehmen will, dem kann Bewegung zwar helfen. Aber es funktioniert vor allem, wenn auch die zugeführte Energiemenge reduziert wird“ (Ebenda). Auch die Professorin und Ernährungsforscherin Marion Nestle hält Sport zur Reduzierung einer übermäßigen Energiezufuhr für nicht ausreichend: „Normaler Sport ist nicht genug, um eine übermäßige Energiezufuhr auszugleichen“ (Ebenda). – „Nicht zuletzt zeigen das Studien, in denen Übergewichtige durch Sport versuchten abzunehmen. Vergeblich. Und dass zuckerlastige Getränke dick machen, haben gerade jene Untersuchungen belegt, die nicht von der Industrie finanziert waren“ (Ebenda).
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VI: Aktuelle Sportsplitter von Fifa, Uefa, DFB etc.
– „Ein Elend namens Fifa“. Tim Röhn in welt.de zur Kandidatur von Uefa-Präsident Michel Platini um Blatters Nachfolge als Fifa-Präsident: „Frankreichs ehemalige