11.3.2015; aktualisiert 18.3.2015
Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Hamburg-Berlin 2024 – Zur deutschen Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024: bis Juni 2014: hier; 7-8/2014: hier; 9-10/2014: hier ; ab 11/2014: hier
Neu unter Aktuelles: Hamburg 2024: Dabei sein ist wichtiger als siegen
Intro
DOSB-Präsident Alfons Hörmann sagte am 8.3.2015 zur Abstimmung in Hamburg und Berlin: „Die Frage ist: Wo haben wir die größere Sicherheit, dass uns nicht ein zweites München passiert?“ (Berlin oder Hamburg – Vorentscheidung schon am Dienstag? in rp-online.de 8.3.2015).
Am 10.3.2015 veröffentlichte der DOSB dann die Zahlen der Forsa-Umfrage unter jeweils 1.500 telefonisch Befragten von Ende Februar 2015. Der DOSB-Präsident jubelte. Und zwar über die Hamburger Zustimmung von 64 Prozent, die Berliner Zustimmung von 55 Prozent. Hörmann: „Wir freuen uns über die riesige Zustimmung zu Olympischen und Paralympischen Spielen“ (DOSB, PM DOSB veröffentlicht Ergebnisse der Forsa-Umfrage, 10.3.2015).
Naja, Herr Hörmann, eine “riesige Zustimmung” sieht wohl anders aus als 55 und 64 Prozent. Vor allem angesichts der Materialschlacht der Befürworter, dem Einsatz sämtlicher Mittel der Stadtstaaten Hamburg und Berlin und den sehr begrenzten Mitteln der Gegner ist dieses leicht positive Ergebnis kein Wunder. Und dann waren es auch nur jeweils 1.500 Befragte.
Kleines Beispiel zur Materialschlacht in Hamburg: „Die Werber setzen dabei auf die traditionelle Weltoffenheit von Hamburg sowie auf die Bürgerbeteiligung in allen Phasen. Auch die Wirtschaft unterstützt die Olympiabewerbung. Die Handelskammer hat offiziell beschlossen, die Kampagne „finanziell zu unterstützen“. Auch der Hamburger Unternehmer und Mäzen Alexander Otto wird die Olympiabewerbung mit Mitteln ausstatten“ (Bachner, Frank, Beikler, Sabine, Teuffel, Friedhard, Wer hat mehr Bock auf die Spiele – Berlin oder Hamburg? in tagesspiegel.de 9.3.2015).
Außerdem hält sich die DOSB-Leitung die Enhtscheidung ungeachtet der Forsa-Umfrage völlig offen. Hörmann: „Das Ergebnis lässt aus unserer Sicht eine Entscheidung für beide Städte zu“ (Hecker, Anno, Hamburg ist mehr Feuer und Flamme als Berlin, in faz.net 10.3.2015).
Pressestimmen
– „Das Ergebnis bedeutet vor allem: Beide Städte befürworten Olympische Spiele. Das war nach der gescheiterten Münchner Bewerbung und der öffentlichen Kritik in den vergangenen Jahren an den Olympischen Verbänden nicht unbedingt zu erwarten“ (Hamburger und Berliner wollen Olympia, in sueddeutsche.de 10.3.2015).
– Johannes Aumüller undThomas Kistner schrieben in der SZ: „… gemäß DOSB-Umfrage erklärten sich 32 Prozent/Hamburg und 39 Prozent/Berlin explizit zu Olympia-Gegnern. Erfahrungsgemäß lassen sich bei Abstimmungen eher diejenigen mobilisieren, die gegen ein Projekt sind. Auch bei Münchens Anlauf für Olympische Winterspiele 2022 sagten Umfragen vor dem Bürgerentscheid einen Sieg voraus – am Wahltag folgte ein klares Nein“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, „Es wird unterstellt, man sei beeinflussbar“, in SZ 12.3.2015).
. Peter Ahrens in spiegelonline zur DOSB-Wahl zwischen Hamburg 2024 und Berlin 2024: „Das Präsidium dürfte in seinem Meinungsbild noch relativ gespalten sein. Auf der einen Seite hätte Berlin beim IOC zweifellos bessere Karten, auf der anderen Seite ist hier das Risiko, dass die Bewerbung im September bei einem Bürgerentscheid kippen würde, wohl größer als in Hamburg. Und diese Blamage wollen sich Hörmann und Co in keinem Fall erlauben: Das ablehnende Votum der Münchner zu den Winterspielen 2022 hat beim DOSB eine traumatische Wirkung hinterlassen“ (Ahrens, Peter, Hauptstadt oder Hansestadt – wer liegt vorn? in spiegelonline 12.3.2015).
– PM von Nolympia Berlin: Berliner*innen mögen keine Protzveranstaltungen (Berlin 10.3.2015): „München sollte dem Senat eine Lehre sein. Die Umfragen vor der Volksabstimmung in München ergab eine klare Mehrheit für Olympia, und die dann durchgeführte Volksabstimmung bescherte dem DOSB eine krachende Niederlage. Genauso wird es in Berlin kommen. Unser Hauptgegner wird, neben Senat und DOSB, das IOC werden. Denn die Entscheidung wird in Lausanne getroffen. Dort wird letztlich entschieden, unter welchen Bedingungen und mit wieviel Milliarden Steuergeldern das Kommerzspektakel Olympia hier in der Stadt stattfinden soll.“
Methodische Fragen
– Im Herbst 2015 darf bei den Bürgerbefragungen in Hamburg (Datum noch ungeklärt) und Berlin (13.9.2015) erst ab 18 Jahren abgestimmt werden. Wieso wurden auch Hamburger und Berliner ab 14 Jahren befragt? (Forsa, Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und Berlin zu einer Bewerbung um die Austragung der Olympischen Spiele, Berlin 4.3.2015, S. 1).
– Wieso sind die Zustimmungsraten dieser Gruppe von 14 bis 18-Jährigen nicht aufgeführt, sondern erst die der 18- bis 29-Jährigen? (S. 8). Ist die Zustimmung der Jugendlichen aufgrund fehlender Kenntnis signifikant höher?
– Wieso begrüßen 82 Prozent der Hamburger und 81 Prozent der Berliner, wenn Olympische Spiele 2024 in Deutschland stattfänden (S. 2), warum sind dann aber nur 64 Prozent der Hamburger und 55 Prozent der Berliner dafür, dass die Spiele in ihrer eigenen Stadt stattfinden? Das fiel auch Forsa auf (S. 15). Nach dem Motto: „Oh heiliger St. Florian, schon unser Haus, zünd andere olympisch an.“
– Dann muss man erwähnen, dass in der Vergangenheit bei diversen DOSB- und anderen Umfragen sport-affine Personen befragt wurden.
– Telefonbefragungen hatten früher aus statistischen Gründen einen Hautgout: nicht zuletzt bei den Auswahlkriterien der Befragten und der Frage, wie repräsentativ eine Umfrage mittels Telefon ist.
– Bei den Bewerbungen München 2018 und München 2022 wurden im Vorfeld hohe Befürworterwerte bei Umfragen festgestellt: Bei den vier Bügerentscheiden vom 10.11.2013 war damit Schluss – viermal war die Bewerbung München 2022 durchgefallen.
Das DOSB-Führungspersonal: Ans Verlieren gewöhnt
„Die Führung des DOSB weiß, wie sich Niederlagen bei Olympia-Abstimmungen anfühlen. Michael Vesper hat schon als Minister in Nordrhein-Westfalen im nationalen Wettbewerb mit Düsseldorf gegen Leipzig verloren. Anschließend unterlag er mit Münchens Bewerbung um Winterspiele einmal gegen Pyeongchang und einmal gegen die Bevölkerung in München und anderen bayerischen Kommunen. Bernhard Schwank erlebte diese Niederlagen als Geschäftsführer der Münchner Bewerbungsgesellschaft und Alfons Hörmann als Präsident des Deutschen Ski-Verbandes. Nun wollen sie auf jeden Fall gewinnen. Und das Desaster von München vergessen machen“ (Bachner, Frank, Beikler, Sabine, Teuffel, Friedhard, Wer hat mehr Bock auf die Spiele – Berlin oder Hamburg? in tagesspiegel.de 9.3.2015).
Und wer kannte die Forsa-Ergebnisse als erste und einzige? Alfons Hörmann, Michael Vesper und Bernhard Schwank (Straub, Bodo, Teuffel, Friedhard, Beikler, Sabine, DOSB-Präsident Hörmann: „Berlin hat sich auf den Weg gemacht“, in tagesspiegel.de 10.3.2015).
Wenn das kein gutes Zeichen ist…
Einen möglichen Rückzug deutete indes Walter Schneeloch, DOSB-Vizepräsident Breitensport, am 11.3.2015 in der Rheinischen Post an: „Es könnte sein, dass wir zu dem Schluss kommen, keine Bewerbung für die Spiele 2024 abzugeben, weil uns die Zustimmung vielleicht nicht hoch genug erscheint… Bevor wir auf die Nase fallen, könnten wir einer neuen Bewerbung etwas mehr Zeit geben“ (DOSB-Präsident: Vielleicht keine Bewerbung um Olympia 2024, in Rheinische Post 11.3.2015).
Kleiner Rückblick auf die Bewerbung München 2022
„Die Entscheidung, mit welcher Bewerbung Deutschland ins Rennen geht, will der Verband (DOSB; WZ) am 21. März treffen. Danach soll es in der gekürten Stadt einen verbindlichen Volksentscheid auf der Grundlage einer konkreten Kosten- und Nutzenrechnung geben. Dabei dürfe es auf keinen Fall ‚ein zweites München‘ geben, warnt Hörmann. Denn in der bayerischen Landeshauptstadt hatte sich in Meinungsumfragen zunächst auch die Mehrheit der Bürger für eine Bewerbung um die Winterspiele ausgesprochen, bevor es im Herbst 2013 in einem Volksentscheid eine klare Mehrheit dagegen gab. (…) Dass der Widerstand gegen Olympische Spiele in Deutschland weit über linksalternative Milieus hinausgeht, zeigte sich bei dem Bürgerentscheid im Herbst 2013, bei dem es nicht nur in München, sondern auch in den CSU-Hochburgen Garmisch-Partenkirchen, dem Landkreis Traunstein und dem Berchtesgadener Land eine klare Mehrheit gegen eine mögliche Bewerbung für die Winterspiele 2022 gab“ (Riecker, Joachim, Deutschland tut sich schwer, in nzz.ch 11.3.2015; Hervorhebung WZ).
Nicht nebenbei: Die Fußball-EM 2024
Im Jahr 2024 soll in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft ausgetragen werden: Die IOC-Regeln verbieten Sport-Großereignisse zur gleichen Zeit. Das wird also sowieso nichts mit Hamburg 2024 oder Berlin 2024: Es sind nur kostspielige Platzhalter für Lausanne: initiiert von Michael Vesper und Alfons Hörmann im Auftrag von IOC-Präsident Thomas Bach. Siehe Beitrag Olympische Bewerbung: verpfuscht. Und die Regenten in Hamburg und Berlin lassen sich auf dieses ausgekochte Spiel ein. Für 50 Millionen Euro Bewerbungskosten. Die bezahlt ja nicht das IOC, sondern der Steuerzahler.
Fazit
Es ist selbstverständlich, dass der DOSB das IOC-Geschäftsmodell Olympische Spiele zu verkaufen versucht: Das ist schließlich auch sein Geschäftsmodell. Das olympische Brimborium hat letztlich wundersamerweise auch dank der Unterstützung vieler Politiker funktioniert. Nicht zu verstehen ist, dass sich die beiden größten deutschen Städte in diesen lächerlichen Wettkampf hineintreiben ließen: nach allem, was seit langem über Kostenentwicklung, Folgekosten, White Elephants, Korruption, Doping, etc. bekannt war – und in jüngster Zeit bekannt wurde. Und so würde es dem Hamburger Ersten Bürgermeister Olaf Scholz und dem Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller im Fall des – unwahrscheinlichen – Zuschlags ergehen wie der damals für die Olympischen Sommerspiele London 2012 zuständigen Ministerin Tessa Jowell. Sie sagte bereits 2008 angesichts der Kostensteigerungen: „Wenn wir gewusst hätten, was wir heute wissen, hätten wir uns dann um die Spiele beworben? Mit Sicherheit nicht“ (Osborne, Alistair, Tessa Jowell: London 2012 Olympics was a mistake in light of recession, in Telegraph.co.uk, 12.11.2008).
Siehe auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Hamburg-Berlin 2024 (IV)
Die olympische Weihe
Die endgültige Abstimmung findet am 21.3.2015 in der Frankfurter Paulskirche statt. Wie sinnträchtig: An diesem Ort trafen sich von 1848 bis 1849 Delegierte der Frankfurter Nationalversammlung. Hier wird jährlich der renommierte Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Und jetzt, am 21.3.2015, stimmen die „erlauchten“ Delegierten des DOSB über Hamburg 2024 oder Berlin 2024 ab. Wobei „Abstimmung“ in der Sport-Demokratur Abnicken heißt: „Die Delegierten der empfohlenen Stadt werden gar nicht mehr nach Frankfurt am Main reisen, das Abnicken der DOSB-Mitglieder gilt als Formsache“ (Olympia – Hamburg will es mehr, in spiegelonline 10.3.2015).
Wobei Hamburg noch nicht den Zuschlag erhalten hat, Prozentpunkte hin oder her. Vermutlich laufen demnächst diverse finanzielle Verhandlungen mit Hamburg und Berlin im Hintergrund. Wie es im Sportbetrieb nicht erst seit Sotschi 2014, Russland 2018 und Katar 2022 der Fall ist. Vielleicht wird die Bewerbung 2024 ja auch meistbietend versteigert – so wie Katar die Handball-WM 2015 ersteigerte.
Nachtrag 1: Bedenken von Transparency International
Transparency International (TI) äußerte in einem Offenen Brief vom 2.3.2015 an den DOSB Bedenken. Am 16.10.2014 gab es einen „DOSB Stakeholder Dialog“: „Dabei kamen rund 80 % der ca. 60 Teilnehmer/innen aus dem Sport bzw. dessen Umfeld (BMI u. ä.)“ (Transparency International, Stadtauswahl Olympiabewerbung, Berlin 2.3.2015). TI stellte mehrere Fragen, u. a.: – warum nicht zu einem weiteren Stakeholder-Dialog eingeladen wurde, – wieso die Einladungsliste für den 16.3.2015 bis zum 2.3.2015 nicht bekannt ist etc. Zur Nachhaltigkeit formuliert TI: „Wir können an keiner Stelle erkennen, dass sich Nachhaltigkeit mit all den dazugehörenden Aspekten (…) wie ein Roter Faden durch die Ausgangsüberlegungen des DOSB zur Olympiabewerbung (…) zieht. Stattdessen scheint der vom IOC verwendete Begriff Legacy mit Nachhaltigkeit (Sustainability) verwechselt zu werden“ (Ebenda). TI fragt auch nach, wie Aspekte der Menschenrechte, Arbeitsstandards und Korruptionsbekämpfung aus Sicht des DOSB gewährleistet werden können. Auch liege kein transparenter Entscheidungsprozess vor, weil „es weder eine öffentlich nachvollziehbare Debatte über die Kriterien und deren Bewertung“ gebe – außerdem ist unklar, wer zur Entscheidung berechtigt ist. „Stattdessen soll offensichtlich das DOSB-Präsidium eine Entscheidung fällen, die die Mitgliederversammlung dann im Grunde nur noch abnicken kann“ (Ebenda). Weitere Fragen von TI sind u. a.: wann und wo in der deutschen Öffentlichkeit einer Debatte über die Zielsetzung einer deutschen Olympiabewerbung stattfinden wird; wie – auch im Hinblick auf den deutschen Steuerzahler – die internationalen Chancen einer deutschen Bewerbung eingeschätzt werden etc. (Ebenda).
Dazu Anno Hecker in der FAZ: „Es fehlt der Kampagne an Transparenz… Wie aber werden die übrigen zwölf Kriterien vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) bewertet, darunter die Sportstättensituation, das Gesamtkonzept, die Finanzierung, und, ziemlich wichtig, die Chancen beim unberechenbaren Wahlzirkel des Internationalen Olympischen Komitees? (…) Am Montag stehen Honoratioren aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport dem Präsidium des DOSB beratend zur Seite. Aber wer gehört zu diesem Kreis? Sind es mitunter Persönlichkeiten der zweiten und dritten Reihe, wie man hört? (…) Ohne öffentliche Zustimmung, ohne das Ja der Bürger, sind Milliarden teure Sportfeste nicht mehr durchzusetzen. Diese Demokratisierung war überfällig“ (Hecker, Anno, Der Sport in der Zwickmühle, in faz.net 12.3.2015).
Nachtrag 2: Bündnis 90/Die Grünen nicht zum DOSB-Auswahlverfahren
Der DOSB braucht trotz alledem politische Unterstützung und lädt alle Fraktionen ein, am Auswahlverfahren teilzunehmen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt und der sportpolitische Sprecher Özcan Mutlu sagten bereits ab und warfen dem DOSB in einem Brief mangelnde Transparenz und finanzielle Solidität und keine ausreichende Bürgerbeteiligung vor (Reinsch, Michael, Vorwürfe von Grünen gegen den DOSB, in faz.net 11.3.2015).
Nachtrag 3: Das DOSB-Dilemma
„Dilemma: eine Situation beim Entscheiden, bei der die Wahl einer jeden der sich anbietenden Alternativen verlangt, eines der zu verfolgenden Ziele zugunsten eines anderen zu vernachlässigen“ (Lexikon zur Soziologie, Opladen 1994).
Entscheidet sich der DOSB am 21.3.2015 für Berlin 2024, läuft er Gefahr, die Abstimmung am 13.9.2015 zu verlieren: Aber das IOC wird eher Berlin goutieren (mehr 5-Sterne-Hotels etc.). Entscheidet sich der DOSB am 21.3.2015 für Hamburg, könnte er – möglicherweise – die Abstimmung im September 2015 gewinnen: Aber für das IOC ist Hamburg eher zu klein.
So kommt es, wenn man von Haus aus keine wirkliche Beteiligung der Bevölkerung gewollt hat, sondern sich mit diffusen Umfragen zu behelfen versucht.
Nachtrag 4: DOSB – Meinungsäußerung erlaubt, Votum nicht
Die Spitzenverbände des deutschen Sports wollten im Vorfeld der Entscheidung vom 21.3.2015 eine Meinungsabfrage organisieren. Siegfried Kaidel, Ruderpräsident und Sprecher der Spitzenverbände, schrieb einen Brief, um eine „Meinungsumfrage“ zu organisieren. Kaidel: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein klares Votum der Verbände ignoriert wird“ (Aumüller, Johannes, Auf Nummer sicher, in SZ 14.3.2015). Bernhard Bauer, Handball-Präsident, betonte, die Verbände seien „keine Erfüllungsgehilfen, die Souveränität der Verbände muss berücksichtigt werden“ (Ebenda). Da schritt der Herr DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper aber umgehend ein. „Doch nun grätscht der DOSB dazwischen. Er stellt infrage, ob es überhaupt zu einem formalen Beschluss der Spitzenverbände kommt. Ob deren Haltung als ‚Meinungsumfrage‘ oder ‚Votum‘ eingeholt werde, werde erst der Verlauf der Sitzung zeigen, sagte ein Sprecher“ (Ebenda).
In der DOSB-Sport-Demokratur zeigt sich letztlich immer, wer die Sportmillionen des Bundesinnenministers freihändig an die Verbände verteilt.
– Nachtrag 5: Peter Ahrens in spiegelonline
„Zu den 43 Vertretern, die der DOSB als Experten anhören will, bevor er seine Empfehlung am Abend ausspricht, gehören unter anderem Fechterin Britta Heidemann, die Ex-Bundesministerin Ulla Schmidt, Ex-Intendant Fritz Pleitgen und der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters. Was sie zu Fachleuten in der Frage macht, ob Hamburg oder Berlin die geeignetere Bewerberstadt für Olympische Spiele ist, ist nicht immer im Detail erkennbar. (…) Egal ob Berlin oder Hamburg, eine Bewerbung käme ernsthaft ohnehin erst für das Jahr 2028 in Betracht. Fußball-EM und Olympia innerhalb weniger Wochen im selben Land – das wird es nicht geben. Die Olympia-Bewerbung 2024 ist eine reine Show-Nummer. Eine Bewerbung der sportpolitischen Taktik, nichts anderes.(…) Hörmann hat am Samstag im ZDF-Sportstudio noch einmal damit geworben, dass Deutschland ‚kleine, bescheidene Spiele‘ veranstalten wolle. Ein Argument, das vor allem an die kritische Öffentlichkeit gerichtet ist. Dem DOSB-Boss ist bestens bewusst, dass er möglichst demütig auftreten muss, um vor dem finalen Bürgerentscheid im September die Bevölkerung gnädig zu stimmen. Mit Bombast ist in Deutschland nichts zu gewinnen, zu prägend sind die Erfahrungen aus Stuttgart 21, aus dem Flughafen Berlin-Schönefeld, aus der Elbphilharmonie in Hamburg. Also muss man ganz kleinlaut auftreten, wohl wissend, dass Olympische Spiele und Bescheidenheit letztlich zwei Unvereinbarkeiten sind“ (Ahrens, Peter, Und der Gewinner ist… in spiegelonline 15.3.2015; Hervorhebung WZ).