25.8.2013, aktualisiert 3.3.2016
Wolfgang Zängl
1: Zur Vorgeschichte
1.1 Doping in Westdeutschland, 1.2 Die Rolle des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, 1.3 Sportärzte-Geschichtsklitterung 1.4 Zur Rolle der Nada 1.5 Doping in Freiburg 1.6 Freiburger Universität mauert bis heute
II: Die Sportärzte-Galerie: Eine Auswahl
Kurzbiographien der Sportärzte Torsten Albers, Saarbrücken; Manfred Donike, Köln; Andreas Franke, Erfurt; Lothar Heinrich, Freiburg; Wildor Hollmann, Köln; Georg Huber, Freiburg; Joseph Keul, Freiburg; Wilfried Kindermann, Freiburg; Armin Klümper, Freiburg; Joseph Nöcker, Leverkusen; Andreas Schmid, Freiburg; Bernd Wolfarth, Freiburg, München, Thüringen.
3 Fazit
Die Liste der erwähnten Ärzte könnte beliebig und mit Quellen verlängert werden – z.B. mit Heinz Liesen, Hartmut Riedel, Alois Mader etc.
—————————
1 Zur Vorgeschichte
1.1 Doping in Westdeutschland
Die bundesdeutsche Sportszenerie deutete ab den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts eifrig auf das „Staatsdoping“ der damaligen DDR. Dabei wurden gleichzeitig auch in der Bundesrepublik die Weichen in Richtung Doping gestellt: von Sportfunktionären, Sportärzten und Sportpolitikern – ebenfalls mit staatlicher Unterstützung. Spätestens zu den Olympischen Sommerspielen 1972 wurden Erfolge gefordert.
„Die schrittweise Abkehr von der Idee des autonomen, ehrenamtlich geführten Sports’, sieht der Münsteraner Sporthistoriker Professor Michael Krüger in der Bundesrepublik der Siebzigerjahre. ‚Der Leistungssport ist faktisch zu einem Staatssport geworden.’ Der Hintergrund dafür ist, dass die Bundesrepublik den sportlichen Wettkampf mit der DDR nicht kampflos verlieren wollte. Gerade nicht bei den Olympischen Spielen 1972 in München, die der Welt ein offenes, kreatives und leistungsstarkes Bild von der Bundesrepublik vermitteln sollten“ (Teuffel 26.9.2013). Krüger zufolge wollte sich „36 Jahre nach den Spielen von Berlin 1936 die Bundesrepublik Deutschland und ihr Sport als besonders modern, fortschrittlich, kreativ und innovativ präsentieren… In der Vorbereitung, Durchführung und Folge der Olympischen Spiele von München 1972 wurden die Strukturen geschaffen, in denen sich der westdeutsche Sport zumindest bis 1990, im Prinzip aber bis heute bewegt, einschließlich des Dopings“ (Spitzer 22.9.2011, S. 1f).
Dieser Aspekt wird bei den anhaltenden München-1972-Jublern üblicherweise nicht genannt.
Bereits 1976 konstatierte der Spiegel: „Ohne Anabolika, deren mögliche Spätwirkungen noch nicht endgültig abzusehen sind, gibt es kaum noch Weltrekorde im Gewichtheben, Kugelstoßen oder Diskuswerfen“ (Spiegel 32/1976). Die Professoren Joseph Keul und Armin Klümper in Freiburg und Wildor Hollmann in Köln erweiterten seit den sechziger Jahren den Kenntnisstand und berieten Sportler. Joseph Keul, B. Deus und Wilfried Kindermann schrieben 1976 in der Fachzeitschrift Medizinische Klinik, es „lassen sich den Anabolika keine allgemeinschädigende Wirkung zuordnen“; bestimmte Steroide hätten eine angeblich unschädliche Wirkungsweise (nzz.ch 12.10.2006).
Sportliche Erfolge waren bald in bestimmten Disziplinen nicht mehr ohne Doping zu haben. „Die Dopingproblematik wurde so von einem Problem, das die Sportförderung des Staates ursprünglich massiv in Frage stellte, zu einem Legitimationsinstrument für die Einforderung weiterer Mittel zur Leistungssteigerung der eigenen Athleten“ (A.a.O., S. 7). Willi Daume, von 1950 bis 1970 Präsident des DOSB-Vorläufers DSB (Deutscher Sportbund) und von 1961 bis 1992 auch Präsident des NOK, wusste Bescheid: Er war vom Freiburger Joseph Keul über den Stand der Dinge informiert worden. Im
Januar 1977, ein halbes Jahr nach den Olympischen Sommerspielen in Montreal, schrieb Keul in einem Brief an Willi Daume: „Ist Ihnen bekannt, dass unsere Sprinterinnen, die so erfolgreich im letzten Jahr waren, über mehrere Perioden anabole Hormone eingenommen haben?“ (Hausding, Drepper 6.11.2012). Umso zynischerer war Daumes Statement ein Jahr früher: „Von chemischen und biologischen Manipulationen im Grenzbereich zum Inhumanen geht mehr Gefahr für die Olympischen Spiele aus als von den Querelen der Politik“ (Spiegel 32/1976).
Die bundesdeutsche Politik hielt sich offiziell vornehm aus der Dopingproblematik heraus. Im November 1991 richtete eine Gruppe von Abgeordneten eine Kleine Anfrage zum Thema „Beteiligung und Finanzierung des Bundes an Forschungsprojekten, in denen Testosteron-Versuche mit Sportlern vorgenommen wurden“. Die Antwort der Bundesregierung vom 11.12.1991 berief sich (wie heute) auf die angebliche „Autonomie des Sports“: „Weil der Sport im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland von staatlicher Reglementierung frei zu bleiben und seine Aufgaben in Selbstverwaltung zu erfüllen hat, kam und kommt für die Bundesregierung ein staatliches Anti-Doping-Recht nicht in Betracht; die Bundesregierung setzt vielmehr auf die Selbstregelungskraft des deutschen Sports.“ Es handle sich lediglich um „Maßnahmen zur Effektuierung der Regeneration“, um Verletzungen vorzubeugen; zum Thema Testosteron bestehe „ein erhebliches Forschungsdefizit“, mit physiologischen Testosterongaben solle eine schnellere Wiederherstellung eines normalen Gesundheitszustandes erreicht werden, und schließlich hätte die Ethikkommission der Universität Freiburg keine ethischen Bedenken gegen die Testosteronversuche von Keul erhoben (Antwort der Bundesregierung, Drucksache 111506, 11.12.1991, S. 2ff). Die AG „Hochleistungssport“ bestimmte am 7.2.1985, dass das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) einen Forschungsauftrag mit dem euphemistischen Titel „Regeneration im Hochleistungssport“ vergab. Keul war Leiter des Gemeinschaftsprojektes, die üblichen Verdächtigen arbeiteten mit:
„Die Studie bestand aus drei zeitlich aufeinander folgende Teilstudien in den Jahren 1986 (Teilstudie I), 1987/1988 (Teilstudie II) und 1989/1990 (Teilstudie III *). Die Teilstudie I wurde von Prof. Keul (Freiburg) und von Prof. Kindermann (Saarbrücken) durchgeführt; die Teilstudie II von Prof. Kindermann und Prof. Liesen (Paderborn) sowie die Teilstudie III * von allen drei beteiligten Forschungsnehmern, Prof. Donike (Köln) hat im Rahmen des Projektes lediglich alle anfallenden Urinproben analysiert.
Als Probanden wurden hochausdauertrainierte, männliche Athleten aus dem Mittel- und Langstreckenlauf, Triathlon, Rudern, Radsport und Skisport – darunter kein A-Kader-Angehöriger und lediglich 19 B- und C-Kader-Athleten – mit einem mittleren Alter von 22 Jahren untersucht.
Die Versuchspersonen erhielten Testosteron intramuskulär oder oral in medizinisch-klinisch gebräuchlicher Dosierung. Testosteron wurde deshalb verwendet, weil es als physiologische Substanz beim gesunden erwachsenen Mann in der eingesetzten Dosierung nebenwirkungsfrei ist“ (Ebenda, S. 3f).
Bemerkenswert in der Antwort ist auch der Satz: „Sportmedizinische Forschung muss sich in dem durch ärztliche und sportliche Ethikgrundsätze gebildeten Rahmen an den drängenden Problemen orientieren und unter diesem Aspekt frei sein“ (A.a.O., S. 10; Hervorhebung WZ).
Nach den Olympischen Sommerspielen in München 1972 kamen auch bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal in der westdeutschen Mannschaft Dopingmittel zum Einsatz. Nachdem der Ruder-Weltmeister Peter-Michael Kolbe in Montreal vor dem Ziel führend eingebrochen und nur Zweiter geworden war, beschwerte er sich über die Spritze, die er vor dem Rennen erhalten hatte: Berolase und Thioctacid. „Nach Kolbes Beschwerde stellte sich heraus, dass die westdeutschen Mediziner mindestens 1200 solcher Spritzen in Montreal gesetzt hatten” (Hacke, Ludwig 26.9.2011). – „In der Bundesrepublik Deutschland hat Mader das Medikament in die nichtöffentliche bundesdeutsche Diskussion eingeführt“ (Strang, Spitzer 2011, S. 6).
Anno Hecker stellte in der FAZ fest: „Der organisierte Sport hat sich häufig mit Hinweis auf die dünne Aktenlage vor Konsequenzen drücken können. Das ist nicht verwunderlich. Denn bis heute sitzen ‘Kinder’ der Anabolika-Generation in Sportverbänden” (Hecker 26.9.2011).
Bis heute wird vom DOSB der Besitz „geringer Mengen“ an Dopingmittel vehement verteidigt. So hat sich bei der DOSB-Mitgliederversammlung am 8.12.2012 der DOSB-Dopingspezialist Matthias Jahn wieder vehement dafür eingesetzt, dass der Besitz von „geringen Mengen an Dopingmitteln” gerechtfertigt ist und straffrei bleibt. Jahn „gehörte bis 2005 der Rechtskommission des Sports gegen Doping an… Jahn hat sich vielfach zur Frage geäußert, welche gesetzlichen Regelungen es für eine effektive Dopingbekämpfung braucht – oder besser gesagt: nicht braucht. Der Strafrechtler darf nämlich als einer der Anreger der halbgaren Lösung von 2007 gelten. Vor dem Sportausschuss positionierte er sich damals klar gegen einen Strafbestand Sportbetrug. Als einer der ersten sprach er sich dafür aus, nur den Besitz ‚nicht geringer Mengen’ von Dopingmitteln unter Strafe zu stellen“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Thomas Kistner schrieb zum aktuellen Stand des Themas DOSB und Doping: „Der Deutsche Olympische Sportbund gilt nicht gerade als Speerspitze der Dopingbekämpfung… Zwar verweisen die Funktionäre stolz auf einen Anhang am deutschen Arzneimittelgesetz, Betrugsexperten verstehen diesen jedoch eher als verdeckte Anleitung zum Dopen: Hierzulande kriegen Pharmabetrüger nur dann Ärger mit der Justiz, wenn sie eine erhebliche Menge verbotener Stoffe aufweisen. Die Menge ist so hoch angesetzt, dass ein Athlet, der sie im Körper hätte, mausetot wäre” (Kistner 11.10.2012). Und anlässlich des Dopingfalls Stefan Schumacher, eines Radrennfahrers, schrieb Kistner: „Ein Netzwerk universitärer Kräfte ist zugange, dorthin weist auch der Fall Schumacher. Heißt also auch: Hier droht eine speziell deutsche Gefahr. Ein Dominoeffekt nämlich, falls wirklich mal eine sportärztliche Größe ins Wanken käme“ (Kistner 13.4.2013).
1.2 Die Rolle des Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp)
Mit Forschungsgeldern vom BISp untersuchten die Sportmediziner wie der Freiburger Joseph Keul und der Kölner Wildor Hollmann zwischen 1972 und 1989 „die Wirkungen und Nebenwirkungen von anabolen Steroiden sowie von Testosteron” im Hinblick auf ihre Anwendungsmöglichkeit. „Olympiaarzt Joseph Keul aus Freiburg und sein Kölner Kollege Wildor Hollmann führten das große Wort in der westdeutschen Sportmedizin, indem sie behaupteten – und in aufwendigen Studien vorgeblich zu beweisen versuchten –, dass die Anwendung von Anabolika und Testosteron wirkungslos seien. Ihre Argumentation zielte darauf ab, die Substanzen von den Dopinglisten streichen zu lassen. ‚Die Anabolika-Befürworter hatten keine Mehrheit’, sagte Eggers. ‚Sie waren eine kleine Clique, deren Macht in der Gunst des Innenministeriums, des BISp und der Funktionäre lag.’ Welche Macht sie hatten, zeigt der Umgang mit dem Dopingkontrolllabor der Spiele 1972. Das Gerichtsmedizinische Institut der Olympiastadt bot sich an, die Einrichtung weiter zu führen. „Keul und Hollmann haben das Innenministerium mit Briefen bombardiert“, stellte Christian Becker aus Münster fest – und indem der Biochemiker Manfred Donike an der Sporthochschule Köln den Zuschlag erhielt, blieb der Umgang mit den Proben in der Familie. Donike war ehemaliger Radrennfahrer“ (Reinsch 27.9.2011).
Das BISp finanzierte nicht nur die Dopingforschung in der Bundesrepublik, sie unterdrückte auch kritische Veröffentlichungen: „Die Untersuchung des Mediziners Gerd Reinhard von 1977 wurde unterschlagen, weil sie Gefahren von Anabolika-Doping belegte, bis hin zum Krebsrisiko. Der Kölner Sportmediziner Wildor Hollmann, erster Gutachter der Arbeit, ignorierte sie; das BISp, das sie finanzierte, hat sie bis heute nicht publiziert“ (Reinsch 27.9.2011)
„Im Fall des BISp lautet das Fazit der Wissenschafter sogar ganz explizit: Der Auftraggeber ist Teil des Problems. Die Spitzer-Gruppe belegt, dass maßgebliche Sportmediziner des Westens – wie der Freiburger Joseph Keul oder der Kölner Wildor Hollmann – im Untersuchungszeitraum zwischen 1972 bis 1989 mit Fördergeldern des BISp die Wirkungen und Nebenwirkungen von anabolen Steroiden sowie von Testosteron erforscht haben – und zwar „anwendungsorientiert“. Spitzer spricht in diesem Zusammenhang von „staatlich subventionierter Dopingforschung“, deren Ziel es gewesen sei, die Anabolika-Abgabe an Sportler zu begründen. (Herrmann 27.9.2011). Sporthistoriker Michael Krüger äußerte: „Der Staat wurde zum maßgeblichen Akteur im Sportgeschehen” (Herrmann 1.10.2011). Das BISp war ein „lukratives Finanzierungsinstrument” für Keul, Klümper, Hollmann und andere (Hacke, Ludwig 26.9.2011).
Gleichzeitig geriet München 1972 ins Visier: Der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher war von 1969 bis 1974 Bundesminister des Innern und damit für den Sport zuständig. Er forderte vom Kölner Sportmediziner Wildor Hollmann 1971: „Von Ihnen als Sportmediziner will ich nur eines: Medaillen für München” (Reinsch 26.9.2011). Offiziell wollte man eine Chancengleichheit mit dem dopenden Ostblock erreichen (Herrmann 27.9.2011; Hecker 26.9.2011). Die „Leistungserwartungen stiegen, der „kalte Krieg auf der Aschenbahn“ begann (Meier u. a., 30.5.2012, S. 7). Für die Jahre bis 1977 stellte Erik Eggers fest: „Das Ziel des BISp bestand ganz offensichtlich darin, die Anwendung der Anabolika im Leistungssport wissenschaftlich zu begründen“ (Strang, Spitzer 2011, S. 3). Strang und Spitzer stellten in Zusammenhang mit der Anabolika-Forschung fest: „Das BISp konnte rückblickend als ‚willfähriges Instrument für die Drittmittelerschließung‘ bewertet werden“ (Strang, Spitzer 2011, S. 5).
Strang und Spitzer zogen das Resumée: „Das BISp koordinierte, im Einzelfall nachweisbar mit Kenntnis der Kontrollinstanz BMI, Forschungen mit Anabolika, Testosteron und anderen für Dopingzwecke geeignete Substanzen“ (A.a.O., S. 17).
Im Jahr 2008 vergaben DOSB und BISp den Auftrag, die westdeutsche Dopinghistorie zwischen 1972 und 1989 zu untersuchen („Doping in Deutschland…“). Unter Leitung der Berliner Historiker Hanno Strang und Giselher Spitzer untersuchte eine Forschungsgruppe der Berliner Humboldt-Universität zusammen mit einer zweiten Forschungsgruppe aus Münster unter Leitung von Michael Krüger und Henk Erik Meier (Krüger 22.9.2011) das Funktionieren der „staatlich finanzierten Dopingforschung in der Bundesrepublik“ (Strang, Spitzer September 2011; Reinsch 27.9.2011). Zur Terminierung stand im Antrag: „Der Abschlussbericht ist mit Ende der Projektlaufzeit vorzulegen“ (BISp S. 3): Das wäre im November 2011 gewesen.
Der Zwischenbericht mit 700 Seiten wurde von Spitzer und Krüger im August 2011 abgegeben; sie kündigten eine Veröffentlichung für Dezember 2011 an (Teuffel 26.9.2011; Herrmann 27.9.2011). Als es um die Veröffentlichung ging, kam die heftigste Kritik von den 13 Vertretern des deutschen Sports im Projektbeirat: „Diese haben sich vorbehalten, die Berichte der Forschungsgruppe aus Berlin und Münster zu kürzen, womöglich zu redigieren und Namen zu schwärzen“ (Reinsch 27.9.2011). BISp und DOSB verhinderten bis jetzt – im April 2013 -, dass die Studie veröffentlicht wurde.
„Mal heißt es, es müsse noch an der Lesbarkeit der Forschungsergebnisse gefeilt werden, mal argumentieren DOSB und BISp im Namen des Datenschutzes. Die Historiker nennen in ihrem 700-Seiter belastete westdeutsche Verbandsärzte, Bundestrainer und Sportfunktionäre beim Namen. „Sie sagen, wenn man das nicht täte, hätten sie zwei Jahre lang umsonst geforscht, weil sich die historischen Zusammenhänge ohne Namen eben nicht erschließen würden. Genau das wollen die Auftraggeber aber hinter den Kulissen offenbar erreichen. ‚Die wollen am liebsten alle Namen und Sportarten anonymisiert haben’, heißt es. Das hat wohl auch damit zu tun, dass so mancher dieser Namen noch aktiv ist“ (Herrmann 27.9.2011).
Bereits im Oktober 2011 äußerte der Heidelberger Dopingexperte Prof. Werner Franke „die Befürchtung, die Endfassung könnte vom Auftraggeber, dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft, vor der Veröffentlichung noch einmal ‚überarbeitet’ werden“ (focus.de 5.10.2011). Anfang 2013 „zeigte sich Jürgen Fischer, Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaften (BISp) zuversichtlich, dass nun doch wie geplant ein Abschlussbericht bis zum 31. März 2013 erstellt werden könne“ (handelsblatt.com 16.1.2013). Es wird interessant, wann eine Fassung veröffentlicht wird und wieweit diese dann tatsächlich vom BISp „überarbeitet“ wurde.
1.3 Sportärzte-Geschichtsklitterung
Sportärzte 1976
„Dass der bundesdeutsche Sport in Montreal trotz einem fast selbstverständlich gewordenen Anabolikadoping und trotz zusätzlichen Manipulationsversuchen offenbar im Begriff war, die internationale Konkurrenzfähigkeit zu verlieren, rief die Sportärzte, die in Montreal als Manipulatoren in die Kritik geraten waren, nun umso energischer auf den Plan. Sie hätten, wie der Freiburger Traumatologe Armin Klümper als Arzt des Bundes Deutscher Radfahrer befand, bisher ‚nur im zweiten Glied’ gestanden und müssten künftig stärker in die Betreuung von Olympiaathleten einbezogen werden. Leistungssteigernde Mittel waren den Medizinern offenbar der Passepartout für die Aufwertung ihres Berufsstandes. Bei einem Sportärztekongress in Freiburg beschlossen sie deshalb entgegen dem IOK-Verbot bei Leichtathleten oder Ruderern ihre Freigabe, ausdrücklich auch die der anabolen Steroide.
In einem Communiqué der Verbandsärzte stand: ‚Den Sportlern sollen Wirkstoffe (Medikamente) nicht vorenthalten werden, die zur Leistungsoptimierung dienen können, vorausgesetzt, dass die endgültigen Dopingbestimmungen des Deutschen Sportbundes eingehalten werden und den Sportlern durch diese Maßnahme nicht geschadet wird.’
Auch der parallel in Freiburg tagende wissenschaftliche Arbeitskreis des Deutschen Sportärztebundes kam zu diesem Schluss, der in seiner Unverfrorenheit weltweit seinesgleichen sucht. Diese westdeutsche Anabolikafreigabe durch Ärzte, die für kurze Zeit nur offiziell wirksam war, jährt sich in diesen Tagen zum 30. Mal. An ethischen Rechtfertigungsmustern für ihre Entscheidung fehlte es den Sportmedizinern nicht“ (nzz.ch 12.10.2006).
Sportärzte 2012
Anfang Oktober 2012 feierte der deutsche Sportärztebund sein hundertjähriges Bestehen in Berlin mit dem Kongress “100 Jahre Sportmedizin”. Erik Eggers zeichnete in der FAZ auf, was die Festschrift der „Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention” alles nicht erwähnt:
– Die wichtige Rolle des Sportmediziners Georg Friedrich Nicolai (1874 – 1964) wird übersehen: Historiker Ralf Schäfer betonte, dass Nicolai für gesundheitsfördernden Breitensport eintrat und den Wettkampf- und Hochleistungssport einschließlich der Olympischen Spiele kritisierte. „Der jüdische Sportmediziner, als Landesverräter beschimpft, emigrierte 1922 als ‘deutscher Dreyfus’ nach Südamerika” (Eggers 2.10.2012).
– Erwähnt wurde Arthur Mallwitz (1880 – 1968); nicht erwähnt wurden seine rassehygienischen Vorstellungen.
– “Andere peinliche Details verschwiegen die Sportmediziner nach 1945 ebenfalls. Etwa die tragende Rolle, die führende Professoren wie Frowalt Heiss, Olympiaarzt 1928, 1936 und 1952, in der NS-Sportmedizin spielten. Heiss, erster Präsident des Sportärztebundes nach 1945, wird in der Festschrift als „Pionier“ gerühmt; dass er als Assistent des SS-Arztes Karl Gebhardt zumindest Kenntnisse über die Menschenversuche in Hohenlychen haben musste, davon liest man in der Festschrift nichts. Dass Hans Hoske (1900-1970), ein führender Sozialhygieniker und Sportärztebund-Vorstand nach dem Krieg, schon 1934 Sterilisierungen für ‚untaugliche’ Menschen in Betracht gezogen hatte, ebenso wenig” (Ebenda).
Verschwiegen wird auch das Wirken des Freiburgers Armin Klümper, der die Sportmedizin in den 1970er und 80er Jahren in Verruf brachte: Seine Patientin Birgit Dressel, eine Leichtathletin, starb 1987, siehe unten. Es fehlen auch die Freiburger Ärzte Lothar Heinrich und Georg Huber, die 2007 für den Doping-Skandal an der Freiburger Universität sorgten (Eggers 2.10.2012; siehe auch unter Sportärzte).
Die Aufarbeitung der NS-Zeit und kritischer Ereignisse der jüngeren Vergangenheit scheint nicht nur bei den Sportfunktionären, sondern auch bei den Sportmedizinern verdrängt zu werden.
1.4 Wer ist in der Nada
Wer sitzt in der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada)? Vertreter der Wirtschaft, des Bundesinnenministeriums, Sportfunktionäre, Sportpolitiker, Sportärzte – und zum Beispiel der frühere Turner und langjährige DOSB-Vize Eberhard Gienger: „Im vergangenen Jahr gab Gienger – vor seiner Wahl zum Vizepräsidenten Leistungssport im Deutschen Olympischen Sportbund – zu, dass er 1974 das heute auf der Dopingliste stehende Anabolikum Fortabol eingenommen hatte. Der heute 56-Jährige rechtfertigte sich: ‚Anabolika waren damals im Wettkampf verboten, aber im Training überhaupt nicht. Nach einer Operation kam man im Grunde gar nicht ohne diese aufbauenden Substanzen aus.’ Der Freiburger Sportmediziner Heinz Birnesser stellte dagegen fest, es habe nie eine medizinische Rechtfertigung für den Einsatz von Anabolika im Hochleistungssport gegeben. Daraufhin behauptete Gienger plötzlich, nur das freiverkäufliche Vitaminpräparat Anabol-Loges eingenommen und mit einem Anabolikum verwechselt zu haben. Der Ex-Turner sitzt als DOSB-Vize nun als wichtigster Funktionär für den Leistungssport im Nada-Kuratorium“ (Fischer 5.7.2007).
Nach dem Erfurter Blutdopingskandal sagte David Howman, der Chef der World Anti-Doping Agency (Wada), nicht von ungefähr: „Ich hätte gern eine deutsche Nada, die so stark ist wie andere starke Nadas. Die Wada wird gern mit daran arbeiten, dass die Nada auf dieses Niveau kommt” (Hartmann 4.6.2012).
1.5 Doping in Freiburg
„Die Freiburger Sportmedizin hatte von Anfang an den Auftrag, die Medaillenchancen deutscher Spitzenathleten zu verbessern – mit ‚leistungssteigernden Mitteln’, denen ärztliche Koryphäen Unbedenklichkeit bescheinigten. So wie der Olympiaarzt Professor Joseph Keul, ein Säulenheiliger bis heute“ (Siebold 17.6.2009). Keul war laut Untersuchungsbericht von Hans Joachim Schäfer zum Freiburger Telekom-Doping-Skandal „stets zur Stelle“, um „den Einsatz sowie die Wirkungen und Nebenwirkungen von Dopingmitteln zu bestreiten oder zu verharmlosen“ (Ebenda). „Kurz bevor ihr umstrittener Chef Joseph Keul im Jahr 2000 starb, hatte die Freiburger Sportmedizin 5100 Sportler unter Betreuung, bis zu 80 Prozent aller westdeutschen Kaderathleten und Sportstars, Fußballer, Leichtathleten, Wintersportler, Radrennfahrer, Tennisspieler, Ruderer“ (Ebenda).
In Freiburg wurden auch spanische Sportärzte ausgebildet, die später für Dopungschlagzeilen sorgten: Eduardo Escobar, Inaki Arratibel, Jose Aramendi… „Und angestellt wurden die über unseren Chef Prof. Keul“ (Prof. Alois Berg, in Krause 18.3.2013).
Im Sommer 2011 fand an der Freiburger Universität – nicht von ungefähr – eine Tagung zum Thema Doping statt: Die Freiburger Uni-Sportmedizin war „jahrzehntelang das Mekka leistungswilliger Spitzensportler” (Kistner 16.9.1011). Hier wirkten die in die Doping-Problematik involvierten Top-Sportmediziner Armin Klümper und Joseph Keul sowie die der Dopingbeihilfe überführten Sportärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid. „Bis zu 90 Prozent der deutschen Top-Athleten fuhren regelmäßig zu Untersuchungen in den Breisgau und wurden bei Olympischen Spielen und Meisterschaften von Freiburger Ärzten betreut… Keul, Klümper und Kollegen saßen schwerste, auch schriftlich belegte und eidesstattlich versicherte Dopingvorwürfe systematisch aus” (Strepenick 12.09.2011).
Der frühere Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Helmut Digel: „Keul und sein Kollege, der Mediziner Armin Klümper, waren in der Familie des Sports anerkannte Partner. Klümper hat viele Funktionäre, Politiker und Manager behandelt. Die Kliniken in Freiburg waren Wallfahrtsorte. Die Konkurrenz zwischen Freiburg und Köln führte zwangsläufig zur Frage der Leistungssteigerung” (Hecker 21.11.2012).
Der ehemalige Wada-Chef Richard Pound stellte bei der Freiburger Tagung fest: „Sportler reden nicht, Trainer reden nicht, Betreuer reden nicht. Und Funktionäre liefern nur Lippenbekenntnisse” (Mustroph 15.9.2011). Der Freiburger Oberstaatsanwalt Christoph Frank beendete im Herbst 2012 das Dopingverfahren gegen die Telekom-Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid (siehe unten), ohne dass ein Prozess erfolgte. Frank äußerte: „Ich erlebe hier, dass die Dopingszene exzellent organisiert ist, dass es gelingt, das Schweigen perfekt zu organisieren” (Hartmann 7.2.2013).
Vergleiche dazu: Deutsche Doping-Szenen; DOSB-Doping-Desinformation
1.6 Freiburger Universität mauert bis heute
Seit Ende 2009 stand die belgische Kriminologie-Professorin Letizia Paoli der „Großen Kommission” der Universität Freiburg vor, welche die Aufgabe hatte. „die Freiburger Sportmedizin in ihren gesamten Aktivitäten während der vergangenen 50 Jahre auf den Prüfstand zu stellen” (Hartmann 30.1.2013). – „Paoli versucht auch durch die Befragung von Zeitzeugen, sich ein Bild von den diversen Nebenfunktionen Freiburger Ärzte zu machen. Ihre führenden Vertreter erklärten zwar stets, an der Spitze der Dopingbekämpfung zu stehen. Zugleich aber wurden die Möglichkeiten der Leistungssteigerung in Freiburg detailliert erforscht. Ehemalige Sportler versicherten darüber hinaus eidesstattlich, von Freiburger Ärzten selbst systematisch gedopt worden zu sein. Offenbar verfügt die große Kommission mittlerweile über eine ganze Reihe von Aussagen, die diese Tatsache belegen“ (Strepenick 30.12.2011).
Die Arbeitsgruppe erhob gegen den Altrektor Wolfgang Jäger schwere Vorwürfe. Er „soll die Recherchen systematisch behindert und manipuliert haben. Auch sein Nachfolger habe eine Aufarbeitung verhindert” (Weinreich 6.2.2013). Der Arbeitsauftrag sei manipuliert worden. Jäger habe eine lückenlose Aufarbeitung des Dopingsystems um die Dopingprofessoren Joseph Keul und Armin Klümper sowie die Ärzte des Teams Telekom, Lothar Heinrich und Andreas Schmidt versprochen, dies aber nie umsetzen lassen.
So waren fünf Kisten mit Arbeitsunterlagen und Korrespondenz von Keul bei einer Justiziarin der Universität fünf Jahre „in Verwahrung”. – „Als einige Forscher sich für Doping-Guru Armin Klümper interessierten, gab es Widerstand… Bis vor kurzem wurden Akten, die ins Herz der Universitäts-Sportmedizin führen, vor der Kommission regelrecht versteckt – zu Joseph Keul, Gründer und bis zu seinem Tod im Jahr 2000 Leiter der Abteilung, Betreuer Hunderter Topathleten… Demnach verstaubte das Aktenkonvolut – zweieinhalb Regalmeter – fünf Jahre in Kisten. Wer sie zurückhielt, sagte Paoli nicht” (Hartmann 30.1.2013; Hervorhebungen WZ). Paoli: „Es handelt sich dabei um alle noch vorhandenen Arbeitsunterlagen und Geschäftskorrespondenz von Prof. Keul… Die Frau habe 2010 ihre Tätigkeit für die Kommission beendet. Aber warum verwahrte eine Juristin fünf Jahre lang wesentliche Akten, mit denen die Aufklärer hätten arbeiten sollen?” (Kistner 30.1.2013). –
„In Freiburg wurde verzögert und vertuscht – der Vorwurf von Chefaufklärerin Letizia Paoli wiegt schwer; die Beweise wirken erdrückend. Der Arbeitsauftrag an die Aufklärungs-Kommission war lange so abgemildert, wie es Funktionärs- und Ärztekreisen zupass kam: Hände weg von heiklen Figuren, von Armin Klümper und anderen Gurus! Und was die rätselhaft verschwundene Korrespondenz des Ärzte-Doyens Joseph Keul angeht, fühlt sich nicht nur die Mafia-Expertin Paoli an ihr berufliches Kerngebiet erinnert” (Ebenda).
„In Freiburg flüstert man hinter vorgehaltener Hand, dass der langjährige einstige Rektor Wolfgang Jäger ‘da gedreht hat’“ (Hartmann 30.1.2013; Hervorhebungen WZ). Der Nachfolger Jägers, Rektor Hans-Jochen Schiewer, „sei schon Mitte 2012 in mehreren Schreiben ausführlich über die angebliche Manipulation unterrichtet worden. Er habe sich aber geweigert, eine Untersuchung einzuleiten” (Strepenick 6.2.2013). Auch Schiewer habe die Aufarbeitung verhindert (Weinreich 6.2.2013). Die Universität Freiburg hat „eine Doppelstrategie betrieben: Während nach außen brutalstmögliche Aufarbeitung propagiert wurde, bekamen intern die Aufklärer von Anfang an ein Potemkinsches Dorf hingestellt” (Kistner 7.2.2013a).
Nachtrag Februar 2015: Neues von den Freiburger Doping-Ermittlungen
Am 24.2.2015 wird sich Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer mit den Mitgliedern der Evaluierungskommission und deren Leiterin Letizia Paoli treffen (SID, Bewegung in Freiburg, in SZ 12.2.2015). „Die Kommission zur Aufklärung der Doping-Vergangenheit in Freiburg hat weitere Belege für systematische Manipulationen im westdeutschen Sport entdeckt. Sie sei auf Unterlagen ‚von dopinghistorisch einzigartiger Bedeutung gestoßen‘, erklärte Letizia Paoli, die Vorsitzende der Kommission. Paoli will sich weder von der Universität noch vom Stuttgarter Wissenschaftsministerium unter Druck setzen lassen, sondern ihre Arbeit zu Ende bringen. (…) Paoli hatte es nach ihrer Rücktrittsdrohung vom 1. Oktober 2014 geschafft, noch einmal Akten aus zwei Ministerien und der Staatsanwaltschaft Freiburg zu beschaffen, die ihr zufolge zusammen über 60 Aktenordner umfassen. Da es sich ‚um teils brisante Unterlagen‘ handle, will sich die Gruppe nach vor nicht unter Zeitdruck setzen lassen – weder von ihrem Auftraggeber, der Freiburger Universität, noch vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium. Ausdrücklich forderte Paoli, dass bei dem sogenannten Vermittlungsgespräch am 24. Februar in Stuttgart ‚auch die langjährigen schweren Behinderungen der Kommissionsarbeiten durch die Universität Freiburg‘ erörtert werden“ (Strepenick, Andreas, Paoli-Kommission entdeckt neue Belege für Doping in Freiburg, in badische-zeitung.de 12.2.2015). – „Die belgische Strafrechtsprofessorin und ihr Untersuchungsstab beklagen eine jahrelange Behinderung ihrer Arbeit durch die Uni-Spitze und konnten fragwürdige Vorgänge auch detailliert belegen. Auf der anderen Seite steht die Hochschule mit ihrem Rektor Hans-Jochen Schiewer, und zwischen den Fronten steht Theresia Bauer. Die grüne Wissenschaftsministerin bekundet gern öffentlich, dass die volle Wahrheit über die Doping-Umtriebe in Deutschlands einst gefeierter Medaillenschmiede offengelegt werden müsse. In ihrer Vorgehensweise aber wird Bauer, so ein Kommissionsmitglied, ’nicht als neutrale Vermittlerin betrachtet‘; sie sei auf Seiten der Uni. (…) Bereits im Herbst hatte Paoli mitgeteilt, der Kommission lägen Informationen vor ‚über die Rolle damaliger CDU-Landesregierungen, CDU-Minister, Angehöriger der Freiburger Staatsanwaltschaft sowie der Universitäts- und Klinikumsleitung in den jahrelangen Ermittlungen gegen Klümper'“ (Kistner, Thomas, „Doping-Akten von historischer Bedeutung“, in SZ 13.2.2015).
Außerdem ist ein Kommissionsmitglied verstorben und zwei sind ausgetreten: Deshalb müssen drei Nachfolger besetzt werden. Zwei vom Spitzensport unabhängige Sportmediziner und ein Dopinganalytiker stehen zur Verfügung. Paoli: „Bislang haben Ministerium und Rektorat eine sofortige Nachbesetzung strikt abgelehnt“ (Strepenick 12.2.2015).
Quellen:
Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Ausschreibung eines Forschungsprojekts „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“, Bonn 20.11.2008
Bundesregierung, Antwort auf Kleine Anfrage, Drucksache 111506, 11.12.1991
Die „praktische Toleranz“ im Spitzensport“, in nzz.ch 12.10.2006
Eggers, Erik, Das Schweigen der Professoren, in faz.net 2.10.2012
Fischer, Mirjam, Kontrolleure mit einschlägiger Erfahrung, in spiegelonline 5.7.2007
Hacke, Detlev, Ludwig, Udo, „Ich will nur eines: Medaillen”, in Der Spiegel 39/26.9.2011
Hartmann, Grit
– Wenn der Prüfer seine eigenen Regeln prüft, in dradio.de 22.9.2011
– „Es ist eine Menge schiefgelaufen”, in zeitonline 4.6.2012
– Versteckte Aktenberge, in berliner-zeitung.de 30.1.2013
– Die Doping-Uni vertuscht ihre Doping-Vergangenheit, in zeitonline 7.2.2013
Hausding, Mathias, Drepper, Daniel
– Olympia-Arzt forschte an Dopingmitteln, in derwesten-recherche.org 2.11.2012
– Deutsche Sportfunktionäre wussten über Doping Bescheid, in derwesten.de 6.11.2012
Hecker, Anno, Doping kennt keine Grenzen, in faz.net 26.9.2011
Herrmann, Boris
– Die Auftraggeber sind Teil des Problems, in SZ 27.9.2011
– Zweierlei Wahrheiten, in SZ 1.10.2011
Kistner, Thomas
– Ringen mit der Vergangenheit, in SZ 16.9.2011
– Rätsel in Oberursel, in SZ 11.10.2012
– Fünf verschollene Kisten, in SZ 30.1.2013
– Deutsche Sonderrolle, in SZ 13.4.2013
Krause, Sebastian, Das Rätsel um die Gastärzte aus Spanien, in www.br.de 18.3.2013
Krüger, Michael, „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“, Präsentation von zweiten Zwischenergebnissen, Münster 22.9.2011
Meier, Henk Erik, Reinold, Marcel, Rose, Anica, Dopingskandale in der alten Bundesrepublik, Bundeszentrale für Politische Bildung, bpb.de 30.5.2012
Mustroph, Tom, Jeder Zweite würde es tun, in Neues Deutschland 15.9.2011
Nada
– Aufsichtsrat der Nada, nada-bonn.de
– Kommission Doping-Kontroll-System, nada-bonn.de
Noch diesseits, in Der Spiegel 32/1976
Reinsch, Michael
– Staatlich gefördertes Doping, in faz.net 26.9.2011
– Doping als Familiensache, in faz.net 27.9.2011
Siebold, Heinz, Allmählich offenbart sich das ganze Dopingsystem, in Stuttgarter Zeitung 17.6.2009
Strang, H., Spitzer, G., „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“, Präsentation von Zwischenergebnissen des Teilprojektes an der Humboldt-Universität zu Berlin, September 2011
Strepenick, Andreas
– Gefeiert und umstritten: die Freiburger Sportmedizin, in Badische Zeitung 12.09.2011
– Ein Puzzle, das sich nur langsam zusammenfügt, in Badische Zeitung 30.12.2011
– Altrektor Jäger soll Doping-Kommission manipuliert haben, in badische-zeitung.de 6.2.2013
Teuffel, Friedhard, Staatsdoping auch in der Bundesrepublik, in tagesspiegel.de 26.9.2013
Weinreich, Jens, Schwere Vorwürfe gegen ehemaligen Rektor der Universität Freiburg, in spiegelonline 6.2.2013
Wende im Streit um Dopingstudie, in handelsblatt.com 16.1.2013
———————————————————————————————-
2 Die Ärzte-Galerie – eine Auswahl
Nöcker, Josef, Leverkusen (*1919, †1989)
Nöcker gehörte zum Olympiakader der geplanten Olympischen Sommerspiele 1940 in Tokio. Seine Sportkarriere wurde durch den Zweiten Weltkrieg verhindert und setzte sich dann in der ehemaligen DDR fort. Er studierte Medizin. „1956 berief ihn die DDR als Olympiaarzt für die Olympischen Spiele in Melbourne. Dieselbe Funktion erfüllte er 1964 in Tokio und 1976 in Montreal. 1968 und 1972 war er Chef des deutschen Olympiaaufgebots in Mexiko-Stadt und München“ (Wikipedia). Bereits 1959 war er in die Bundesrepublik übergesiedelt und forschte in Leverkusen über Ernährungsphysiologie. Er stellte die gespritzten Mixturen als harmlose Stoffe dar, die angeblich aus Mineralien und Spurenelementen bestünden (Spiegel 15/1977), mit denen lediglich das „Stoffwechselgeschehen erweitert“ werden sollte. Nöcker stellte fest: „Kein Athlet geht heute ohne Vitamingabe an den Start, wir sind verpflichtet, unseren Sportlern anzubieten, was andere auch bekommen“ (Spiegel 32/1976).
Darunter kann man sich eine ganze Palette vorstellen.
Nöcker forschte auch über die Gefahren der Anabolika. Die Erkenntnisse von ihm und seinem Doktoranden Gerd Reinhard „wurden nicht angemessen kommuniziert, sondern verblieben außerhalb der Sportmedizin (und der Sportwissenschaft)“ (Strang, Spitzer 2011, S. 3; vgl. auch unter Hollmann, Wildor, der 1. Gutachter der Arbeit war).
Ruderer Michael Kolbe erhielt dann bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal eine von den Radrennfahrern bekannte Mixtur aus Cocarboxylase und Thioctinsäure, vitaminnahe Stoffe, die ‚sowieso im Körper sind’ (Nöcker)“ (Spiegel 32/1976). Es war nach Mitteilung des Deutschen Ruderverbandes „eine neue Vitamin-B-Mixtur aus der DDR“ (Meier u. a. S. 9). Nöcker behauptete, dass es sich bei Kolbes Spritze nicht um Doping gehandelt habe, sondern um eine Hilfe zur Leistungsstabilisierung“ (Meier u. a., S. 9).
Damit wurde aber nicht nur Kolbe behandelt. Der Präsident des Deutschen Sportärztebundes Reindell schrieb: „Soviel mir bekannt ist, sind mehrere hundert Spritzen nach Montreal geschickt worden“ (Meier u. a., S. 8).
Nöcker warnte vor einem veralteten Amateurbegriff, der „der Gesellschaftsverfassung des vergangenen Jahrhunderts“ entspreche (Spiegel 33/14.8.1989).
Der Paradigmenwechsel beginnt nicht erst hier.
Quellen:
Bißchen Damenbart, in Der Spiegel 15/1977
Meier, Henk Erik, Reinold, Marcel, Rose, Anica, Dopingskandale in der alten Bundesrepublik, Bundeszentrale für Politische Bildung, bpb.de 30.5.2012
Noch diesseits, in Der Spiegel 32/1976
Kraft durch Spritzen, in Der Siegel 36/1976
Register: Josef Nöcker, Der Spiegel 33/14.8.1989
———————————————————————————————-
Keul, Joseph, Universität Freiburg (*1932, † 2000)
Keul war ab 1960 Olympiaarzt, leitete ab 1974 die Abteilung Sportmedizin der Universität Freiburg und wurde ab 1980 Chef-Olympiaarzt. Keul war Präsident des Sportärztebundes und als Anti-Doping-Berater des deutschen NOK offiziell auf der Seite der Manipulationsbekämpfer (SZ 30.1.2013). „Er unterhielt beste Beziehungen zu den Spitzen des Nationalen Komitees (NOK) und zum Deutschen Sportbund. Auch mit August Kirsch, lange Jahre in Personalunion (! W.Z.) Direktor des BISp und Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, arbeitete der Freiburger eng zusammen” (Hacke, Ludwig 26.9.2011).
Seit den 1970er Jahren war er mit seinem Kollegen Armin Klümper verdächtig, die Folgen des Dopings zu verharmlosen. Aufschlussreich war die spätere Auseinandersetzung Keul gegen Klümper vor der Ärztekammer Südbaden im September 1992. Klümper hatte Keul vorgeworfen, dieser hätte Schwimmern 1975 leistungssteigernde Spritzen gesetzt: Dies wurde vom Gericht bestätigt (Freudenreich 19.9.1992).
Bereits seit Ende der 1960er Jahre führte Keul mit Sportlern Anabolika-Studien durch (www.cycling4fans.de S. 1). Keul wurde von der „Arbeitsgruppe Hochleistungssport“ als Leiter des Testosteron-Forschungsauftrags mit dem harmlosen Namen „Regeneration im Hochleistungssport“ eingesetzt, siehe unter 1.1. Im Januar 1977, ein halbes Jahr nach den Olympischen Sommerspielen in Montreal, schrieb Keul in einem Brief an Willi Daume den bereits zitierten Satz: „Ist Ihnen bekannt, dass unsere Sprinterinnen, die so erfolgreich im letzten Jahr waren, über mehrere Perioden anabole Hormone eingenommen haben?“ (Hausding, Drepper 6.11.2012. Dopingkontrollen gab es bis kurz vor Montreal 1976 nicht; vergleiche nzz.ch 12.10.2006).
Bei der Einweihungsfeier der neuen Abteilung Sportmedizin an der Universität Freiburg sagte der Ministerialrat im Bundesministerium des Innern, Gerhard Groß: „Mir ist bekannt, dass sich auch Freiburg, wenn ich einmal Ihre Person, lieber Herr Professor Joseph Keul, mit Freiburg identifizieren darf, hierzu mehrfach geäußert hat. Wenn keine Gefährdung oder Schädigung der Gesundheit herbeigeführt wird, halten Sie leistungsfördernde Mittel für vertretbar. Der Bundesminister des Inneren teilt grundsätzlich diese Auffassung“ (Strepenick 14.5.2009). Das war sozusagen die offizielle Aufforderung des Staates zur Anwendung von Dopingmitteln.
Der DDR-Chefmediziner Manfred Höppner berichtete von der Tagung der Sportmediziner am 12.11.1976 in Amsterdam: „In der Diskussion wurde speziell von den Vertretern der BRD, Dr. Danz (damaliger Kommissionschef, d. Red.) und Dr. Donike, die Forderung erhoben, Anabolika aus der Dopingliste zu streichen und legten in diesem Zusammenhang Materialien von Prof. Dr. Keul vor, nach welchen die Anwendung anaboler Steroide nicht gesundheitsschädigend sei“ (www.cycling4fans.de S. 6).
Ruderer Michael Kolbe erhielt, wie schon bei Nöcker erwähnt, bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal von Keul angeblich eine Mixtur aus Cocarboxylase und Thioctinsäure (Spiegel 32/1976; www.cycling4fans.de S, 2; Neue Züricher Zeitung 12.10.2006). Es war nach Mitteilung des Deutschen Ruderverbandes „eine neue Vitamin-B-Mixtur aus der DDR“ (Meier u. a. S. 9; siehe oben).
Keul deklarierte neue Doping-Mittel zunächst grundsätzlich als „kein Doping”. Keul zu Anabolika: „Jeder, der einen muskulösen Körper haben und männlicher wirken möchte, kann Anabolika nehmen“ (Spiegel 7.9.1987). Zu Epo: Es sei „bei richtiger Anwendung ungefährlich“ (Spiegel 24/1991). „Es ist zwar im Sport verboten, aber nicht nachweisbar und, so sagte Keul, wohl auch unschädlich“ (FAZ 10.5.1999; Keuls Institut mit Andreas Schmid und Lothar Heinrich betreute zu der Zeit die Rennradler vom Team Deutsche Telekom).
Keul „verharmloste Doping und begrüßte den Einsatz von Testosteron… Obwohl schon im ersten Abschnitt des Projektes die Leistungssteigerung durch Testosteron belegt werden konnte, verschwiegen die Forscher diese Ergebnisse und sprachen öffentlich davon, Testosteron bringe nichts. Keul argumentierte jahrelang dafür, Testosteron von der Dopingliste zu nehmen. Gleichzeitig verteilten seine Freiburger Kollegen Georg Huber und Armin Klümper die Mittel an Sportler, wie mittlerweile durch Forschungen und Gerichtsverfahren belegt ist” (Hausding, Drepper 2.11.2012). Noch 1991 behauptete Keul: „Testosteron ist für Ausdauerathleten kontraproduktiv“ (Hecker 2.2.2009).
Prof. Werner Franke aus Heidelberg schrieb am 22.4.1977 einen Gastkommentar in der österreichischen Ausgabe der Medical Tribune. Darin stand unter anderem: „Nach Ansicht einer kleinen, in einigen Sportverbänden aber einflussreichen Gruppe von Sportmedizinern, angeführt von Prof. Dr. J. Keul (Freiburg) und Prof. Dr. W. Hollmann (Köln), sollten gesunden Menschen – lediglich auf ihren Wunsch hin – zum Zweck der sportlichen Leistungssteigerung androgene-anabole Steroidpräparate verabreicht werden, ohne jede medizinische Indikation, ohne jede angemessene Güterabwägung und gegen die Regeln der olympischen Sportarten selbst, in denen diese Präparate als Dopingmittel eingestuft und verboten sind. Hier degradieren sich Ärzte offensichtlich nicht nur zu ‚Gefälligkeitsverschreibern’, sondern sie machen sich auch noch zu Helfern und Helfershelfern eines Betruges, eines Verstoßes gegen die – ironischerweise z. T. unter Beteiligung eben dieser Mediziner ausgearbeiteten – Regeln“ (Franke, Werner, Anabolika im Sport, zitiert nach:www.cycling4fans.de). Am 12.8.1977 erschien die Replik von Keul und Kindermann, an deren Ende eine Stellungnahme von Franke platziert war. Dieser erwiderte u. a.: „Dass aber ausgerechnet Herr Keul sich nun als Vorkämpfer des Verbots des Anabolika-Dopings entdeckt, ist ein schlechter Witz. Das Gegenteil ist nachweisbar!“
Keul setzte sich (mit Wildor Hollmann) auch für Hartmut Riedel ein, der von 1982 bis 1986 am Zentralinstitut des Sportmedizinischen Dienstes Chefarzt war und über Anabolika geforscht und damit Sportler gedopt hatte (www.cycling4fans.de, Hartmut Riedel). „Die beiden Professoren Keul und Hollmann empfahlen den Ex-DDR-Anabolikafachmann 1988 für eine Professur an der Universität Bayreuth, trotz des Fehlens der üblicherweise vorzulegenden wissenschaftlichen Arbeit. Dessen Dissertation mit dem Titel ‚Zur Wirkung von anabolen Steroiden auf die sportliche Leistungsentwicklung in den leichtathletischen Sprungdisziplinen’ war verschwunden. Als Brigitte Berendonk dieses Werk ausgegraben hatte und eine öffentliche Diskussion begann, rechtfertigte sich Keul damit, ihm hätte der Titel ohne ‚anabole’ vorgelegen. Das hätten dann ja ganz andere Medikamente sein können. In der Begründung des Berufungsvorschlages für Riedel heißt es aber explizit, ‚mit originellen diagnostischen Verfahren erarbeitete er (Riedel) wesentliche Erkenntnisse auf dem Sektor der anabolen und katabolen Hormone. Er gehört zu den anerkannten Fachleuten auf diesem Gebiet’“ (www.cycling4fans.de, Joseph Keul, S. 11f). – „Dazu kann man anmerken, dass Riedel bereits vier Monate nach seiner Flucht zusammen mit Prof. Heinz Liesen an den durch das BISp geförderten Testosteronstudien arbeitete“ (www.cycling4fans.de, Doping: Wildor Hollmann, S. 6f).
Keul „war in diesen Jahren, Anfang der 90er, Anti-Doping-Beauftragter des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), des Deutschen Sportbundes (DSB) und des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Brisant wurde es für ihn, als Brigitte Berendonk in ihrem Buch ‚Doping-Dokumente‘ 1991 auch ihn belastete. Der Arzt versuchte sich zwar zu wehren, doch er konnte die Vorwürfe nicht entkräften. Noch deutlich unangenehmer wurde es für ihn, als die ‚ad-hoc-Kommission zur Beratung in Doping-Fragen’ unter Vorsitz des damaligen DSB-Vizepräsidenten Manfred von Richthofen zu dem Schluss kam, Prof. Keul sei aufgrund bewiesener Nähe zu Dopingpraktiken nicht mehr als Olympiaarzt tragbar“ (www.cycling4fans.de, Doping: Joseph Keul, S. 12).
Der ehemalige DSB-Präsident Manfred von Richthofen berichtete von einem Gespräch mit Willi Daume über Keuls Verbindungen zum Doping: „Wir hielten Keul für hochbelastet in Fragen des Dopings… Es gab den Auftrag der Kommission an mich, die damalige Sportführung zu überzeugen, dass Keul nicht mehr als Olympiaarzt nominiert werden könne“ (Hecker 2.2.2009). Manfred von Richthofen traf sich deshalb mit NOK-Präsident Willi Daume „Ich trug ihm den Wunsch der Kommission vor. Er sagte mir nur: ,Das Gespräch ist beendet.‘ Dann haben wir uns noch eine Weile angeschwiegen“ (Ebenda).
„Prof. Keul überstand auch diese Krise. Er blieb Olympiaarzt bis zu seinem Tod im Jahr 2000. Obwohl es im Jahr 1997 noch einmal eine Initiative gab, Keul das Amt des Olympia-Arztes für Nagano zu entziehen. Zu den alten Anschuldigungen kamen die bereits weiter oben im Text erwähnten neuen des DDR-Chefmediziner Manfred Höppner, der angab, Keul hätte ihm früher bestätigt, dass anabole Steroide zum bundesdeutschen Hochleistungssport gehörten“ (www.cycling4fans.de, Joseph Keul, S. 12).
Dopingexperte Prof. Werner Franke äußerte über Keul: „Er ist eindeutig der geistige Urheber und einer der kriminellen Köpfe des Dopings im Breisgau“ (Strepenick 14.5.2009). Keuls Schüler waren unter anderem die Telekom-Dopingärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich sowie Georg Huber und der heutige leitende Olympiaarzt Bernd Wolfarth (siehe jeweils unten).
Der frühere Radrennfahrer Stefan Schumacher war beim Radrennstall Gerolsteiner und stand im April 2013 wegen Doping vor Gericht. Ernst Jakob war leitender Teamarzt bei Gerolsteiner. Er „beantwortet sämtliche Fragen mit dem Satz: ‚Ich werde dazu keine Stellungnahme abgeben.’ Der Schüler des Freiburger Gurus Joseph Keul betreute einst Jan Ullrich beim Team Bianchi; 2006 bei Olympia in Turin wollte er hohe Blutwerte der Langläuferin Evi Sachenbacher mit genetischer Disposition wegerklären und scheiterte damit vor dem Weltsportgerichtshof CAS“ (Hartmann 9.4.2013; Hervorhebung WZ).
Und warum gibt es üblicherweise so wenig Zeugenaussagen wie jetzt im Fall Gerolsteiner: „Die vier Gruppen – Athleten, Ärzte, Betreuer, Teamchefs – kommunizieren zum Doping untereinander aus Schutzgründen nach dem Vier- bis Sechs-Augen-Prinzip, wobei die obersten Sachverwalter nicht in das Procedere eingreifen müssen: Wirtschaftszwänge und innere Logik des Leistungsbetriebs sorgen schon bald dafür, dass der aufstrebende Athlet bald selbst bei Ärzten und Betreuern vorstellig wird“ (Kistner 10.4.2013).
Am 29.10.2013 wurde Stefan Schumacher vom Betrugsvorwurf freigesprochen. Im Oktober 2013 hat die Staatsanwaltschaft Hagen das Verfahren gegen Ernst Jakob eingestellt. Die Ermittlungen hätten „keinen genügenden Anlass zur Anklageerhebung “ ergeben. Teile der Vorwürfe seien verjährt; nach 2008 keine strafbaren Handlungen nachzuweisen (Ermittlungen beendet, in SZ 31.10.2013).
1990 erhielt Keul das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Der ehemalige Sportfunktionär und Landesminister für Kultur und Sport, Gerhard Mayer-Vorfelder, rühmte Keul: „Es ist wesentlich Ihr Verdienst, dass die Freiburger Sportmedizin über die Landesgrenzen hinaus anerkannt ist und heute Weltruhm genießt“ (Strepenick 14.5.2009).
Quellen:
Der Doping-Fall Freiburg, in SZ 30.1.2013
Die praktische Toleranz im Spitzensport, in Neue Züricher Zeitung 12.10.2006
Doping: Joseph Keul, in www.cycling4fans.de
Doping: Wildor Hollmann, in www.cycling4fans.de
Freudenreich, Josef-Otto, „Wenn du Fragen zum Doping hast, ist Keul der Richtige“, in SZ 19.9.1992
Hacke, Detlev, Ludwig, Udo, „Ich will nur eines: Medaillen”, in Der Spiegel 39/26.9.2011
Hartmann, Grit, Das Schweigen der Ärzte, in fr-online.de 9.4.2013
Hausding, Matthias, Drepper, Daniel
– Olympia-Arzt forschte an Dopingmitteln, in derwesten-recherche.org 2.11.2012
– Deutsche Sportfunktionäre wussten über Doping Bescheid, in derwesten.de 6.11.2012
Kistner, Thomas, Pilotprozess für Sport und Justiz, in SZ 10.4.2013
Hecker, Anno, Doper, vereint Euch, in faz.net 2.2.2009
Schlamm in den Adern, in Der Spiegel 24/1991
Strepenick, Andreas, Das System Keul, in Badische Zeitung 14.5.2009
————————————————————————————————-
<span style="mso-an