30.6.2011, aktualisiert 18.1.2013
Der Tunnel zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke ist ein Lieblingsprojekt des bis 2014 amtierenden Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude. Dieser Tunnel soll bis spätestens 2017 fertiggestellt werden. Er ist verkehrstechnisch sehr umstritten und steht in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit München 2018. Ude stellt dies aber so dar und treibt das Projekt eiligst voran, um Fakten zu schaffen – und Finanzierungsmöglichkeiten für die Projektkosten in Höhe von zwei bis Milliarden Euro aufzutun. Interessanterweise hielt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Anfang Mai 2011 „ohne einen Zuschlag für die Olympischen Spiele 2018 den raschen Bau der zweiten Stammstrecke in München für unfinanzierbar“ (Fahrenholz, P., Völklein, M., Szymanski, M., Ramsauer stellt zweiten S-Bahn-Tunnel in Frage, in SZ 4.5.2011).
Der Tunnel soll bis zu möglichen Olympischen Spielen 2018 fertig sein. Der frühere bayerische Verkehrsminister Erwin Huber hält es zu “ 90 Prozent Illusion”, dass der Tunnel zu den Olympischen Winterspielen fertiggestellt sein könnte (Stroh, Kassian, Völklein, Marco, Zeit ist Geld, in SZ 9.4.2011). Falls der Zuschlag für Olympische Winterspiele an München am 6.7.2011 gekommen wäre, wäre der Marienhof für mindestens sechs Jahre – und wahrscheinlich weit länger – eine Baustelle. Und nun kommt der Zuschlag nicht: Der Marienhof wurde ohne Not der Zierde seiner Bäume beraubt und ruiniert. OB Ude kann das fragwürdige Privileg für sich in Anspruch nehmen, dass er den Marienhof auf unabsehbare Zeit zerstört hat.
Die 1987 gepflanzten und nunmehr extrem gestutzten japanischen Schnur-Bäume wurden im Juni 2011 zusammengestutzt und auf Lastwagen nach Allach transportiert. Anwohner und Anlieger wenden sich mit Grausen. Kunden und Touristen werden die Baustelle meiden
Der Architekt Stephan Braunfels sieht die Grabungen als “Vorwand für vollendete Untaten” und äußerte: “Der Platz hatte endlich und erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ein Gesicht – alles vorbei” (Isfort, Volker, Lärm in der Oase der Ruhe, in abendzeitung-muenchen-.de 10.6.2011).
Im August 2011 äußerte der Geschäftsführer der Kreisgruppe München des Bund Naturschutz, Rudolf Nützel: „Hier wurde in vorauseilendem Gehorsam Naturzerstörung betrieben.“ Architekt Stefan Braunfels ist empört: „Die Bäume sind hin. 20 Jahre haben sie gebraucht, um so groß zu werden“ (Sinnloser Kahlschlag am Marienplatz, in Abendzeitung 12.8.2011. Vergleiche zur Problematik des Umsetzens großer Bäume am Beispiel Stuttgart 21: Blawat, Katrin, Bäume bleiben gern, in SZ 2.12.2010). Vom schattigen Marienhof zum Christian-Ude-Hof…
Vermutlich sind die Bäume tatsächlich in einem erbärmlichen Zustand: Der Abendzeitung wurde „aus Sicherheitsgründen“ (!) verboten, die Bäume zu besuchen.
Vergleiche auch: Kein Licht am Ende des S-Bahn-Tunnels
Tunnelaktion
Nachtrag: Im August 2012 durften die Bäume dann endlich besichtigt werden – gegen Unterschrift auf einer Besucherliste. Das Foto zeigte ausgedünnte Baumkronen. „Man sieht ihnen die Strapazen – natürlich – immer noch an… Schließlich mussten für die Fahrt nach Allach auch große Äste knapp nach dem Stamm gekappt werden. Und oben herum zeigen sich bei vielen der Bäume große kahle Stellen“ (Huber, Rudolf, Die Schnurbäume vom Marienhof – ihr Asyl in Allach, in Abendzeitung-muenchen.de 4.8.2012).
Die Bildvergleiche entstanden am 2. Mai 2011 (als der Bauzaun schon aufgestellt war) und am 29. Juni 2011 (da waren die Bäume schon ausgegraben).