zur PDF-Fassung: PM-Bid Book
Bund Naturschutz, Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen
Vorsitzender Axel Doering
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Garmisch-Partenkirchen, 10. Jan. 2011
München 2018 – Bewerbung gegen die Bürger
Zur Abgabe des Bid Books
Das Jahr 2010 hat in Sachen Olympiabewerbung vieles deutlich gemacht: So wurde von Monat zu Monat klarer, dass die Olympiabewerbung nicht einmal ihren eigenen Ansprüchen gerecht wird – nicht bei ökologischen, finanziellen oder rechtlichen Aspekten.
Vor der Abgabe des Bid Books erneuern wir unser Forderung, diese Bewerbung, die immer mehr zur Bewerbung gegen die ortsansässige Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen wird, endlich einzustellen. Wir hoffen auf ein Ende des Olympiastreits im Jahre 2011! Erst, wenn diese Bewerbung vom Tisch ist, kann wieder Frieden und Rechtssicherheit in unserem Ort einkehren.
Das Jahr 2010 begann mit den Aussagen der Bewerbungsgesellschaft, dass im Bid Book alle Grundlagen der Bewerbung geklärt und durch Verträge abgesichert sein müssten und damit die Zuverlässigkeit der Planungen gewährleistet sei. Inzwischen nehmen die Bewerber ihre eigenen Aussagen nicht mehr ernst. Viele benötigte Grundstücke für die Spiele stehen nicht zur Verfügung, und viele Fragen bleiben auch im Bid Book ungeklärt.
Die Bürger von Garmisch-Partenkirchen wurden vor den Entscheidungen zu den Winterspielen nie zu ihrer Meinung befragt, genauso wenig wie die betroffenen Grundeigentümer. Trotzdem haben die Staatsregierung in München und die Bundesregierung in Berlin die Bewerbung zur „nationalen Aufgabe“ erklärt. Kritiker werden immer mehr zu Quertreibern stilisiert. Widerstand soll erdrückt werden. Der Umgang mit den Bürgern von Garmisch-Partenkirchen ähnelt stark dem Umgang mit „rechtlosen Kolonien“. Inzwischen signalisieren mehrere Online-Umfragen im Jahr 2010 eine große Ablehnung der Bewerbung. Wir fordern nach wie vor eine ordentliche Befragung der Bürger von Garmisch-Partenkirchen!
Das Jahr 2010 hat gezeigt, dass die sogenannten Highlights im Umweltbereich und einige der Projekte im Umweltbereich Innovationen vorspiegeln sollen, aber im Jahr 2018 gerade einmal gültige Normen erfüllen oder nur wenig darüber hinaus gehen. Einige der Projekte stellen die noch an der Bewerbung beteiligten Umweltverbände ruhig, wie z.B. die sogenannte „Aufwertung der Biotopqualität alpiner Sportstätten“, wo Selbstverständlichkeiten wie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur olympischen Qualität erklärt werden und darüber hinaus ein Monitoring der Zerstörungen und Belastungen an den Sportstätten, die es ohne die Olympischen Winterspiele nicht gäbe, zum Erfolg erklärt wird. Ein anderes Projekt „Nachhaltige Bergsport- und Tourismusentwicklung in der Olympiaregion“ bringt ebenfalls keinen Mehrwert für die geschundene Natur. Gerade diese beiden Projekte sollen mit Millionenbeträgen durchgeführt werden: Die „Einreicher“ DAV und LBV sollen ohne Ausschreibung Auftragnehmer werden.
Das Jahr 2010 hat vor allem auch gezeigt, dass wirkliche Veränderungen nur durch Widerstand von Außen erreicht werden können. Die Verbände Bund Naturschutz, Verein zum Schutz der Bergwelt, CIPRA Deutschland, Mountain Wilderness und der Dachverband DNR waren aus der Fachkommission Umwelt ausgestiegen und hatten – ebenso wie das Bündnis Nolympia – die Bewerbung weiterhin scharf kritisiert. Mit Erfolg: Die Streichung der Loipen-und Stadienpläne in Oberammergau, die Verkleinerung des olympischen Dorfes in Garmisch- Partenkirchen und die Änderung der Pläne zum Mediendorf in Garmisch-Partenkirchen sowie die finanziellen Garantien sind zwar völlig unzureichend, aber nur durch den Widerstand der Bürgerinnen und Bürger von Oberammergau, der Umweltverbände, Parteien und vor allem der standhaften Bauern und Grundeigentümer erreicht worden.
Die Planungen sind aber immer noch überzogen und würden das Loisachtal weit über Gebühr hinaus belasten. So ist das Snow-Village noch nicht in trockenen Tüchern, für das Media- Village werden z.T. Anlagen angeboten, wie der „Campingplatz Wieland“, die es derzeit noch nicht gibt und deren Realisierung schon wieder einen ökologischen Minuspunkt für die Bewerbung bedeutet. An den Abfahrten müssten zum Teil massive Umbauten vorgenommen werden, und es wird bereits über die Anlage nordischer Loipen am Kainzenbad diskutiert. Wo die 12.000 Parkplätze untergebracht werden sollen, bleibt bisher ein Geheimnis. Die „temporär“ geplanten Loipen und zwei Stadien in Schwaiganger führen zu Eingriffen, die man nicht mehr rückgängig machen kann. Zudem sind diese Anlagen für 25 Millionen Euro nur für den kurzen Olympischen Event geplant – danach sollen sie wieder abgerissen werden. In Ruhpolding wurde 2010 ein riesiges und teures Biathlonstadion gebaut, das wegen der sogenannten „kompakten Bewerbung“ nicht in die Planungen für 2018 eingeht.
Die finanziellen Garantien können ebenfalls nicht beruhigen, da sie mit einer Reihe von Klauseln verbunden sind, die das Risiko von Preissteigerungen teilweise bei den Kommunen belässt. Besonders bedrohlich ist jedoch, wenn Infrastrukturmaßnahmen im Ort durchgesetzt werden, die ohne die Spiele nicht benötigt würden. Diese Kosten bleiben bei den Gemeinden. Die Lebenserfahrung mit der Ausrichtung von Großveranstaltungen zeigt, dass auch viele Projekte und Belastungen dazu kommen, die die Bewerber entweder verschweigen oder ganz einfach vergessen.
Wie wenig Vertrauen die Planungen der Bewerbungsgesellschaft verdienen, zeigen die leeren Versprechungen, der Bewerbungsetat würde vollständig durch Sponsoren gedeckt. Trotzdem fehlt noch ein wesentlicher Teil der 33 Millionen, der dann von den beteiligten Gesellschaftern, außer dem DOSB, getragen werden muss. Hier kommen auf das Land und die beteiligten Kommunen bereits vor der Entscheidung um die Austragungsorte der Olympischen Winterspiele Millionenbeträge zu.
Ein besonderes Kapitel ist der Umgang mit den benötigten Grundstücken und ihren Besitzern. Hier wurde geplant, ohne zu fragen. Die zuerst erstaunten, später dann verärgerten Grundbesitzer wurden immer wieder mit Allgemeinplätzen abgespeist. Erbetene Pläne wurden ihnen nicht vorgelegt. Ihr Brief an den Gemeinderat am Tag des Beschlusses über die Abgabe des „Bid Books“, dass die benötigten Grundstücke nicht zur Verfügung stehen, wurde grob fahrlässig ignoriert, und der Staatskanzleichef, Minister Schneider ließ sich wider besseres Wissen als Olympiaretter feiern. Die Grundstücke standen jedoch nie zur Verfügung!
Aus der Bewerbungsgesellschaft verlautet immer wieder, das die umstrittenen Grundstücke eigentlich nicht notwendig wären, man könne umplanen und verlegen. Dort wird man aber auf andere Grundeigentümer treffen. Soweit die Umplanungen die Verlegung der Abfahrten mit zusätzlichen Eingriffen in den Bergwald beinhalten, wird der Bund Naturschutz mit allen gebotenen Mitteln dagegen vorgehen. Wenn Umplanungen allerdings so einfach möglich sind, stellt sich die Frage, warum überhaupt Enteignungen nötig sein sollen.
Der Abschluss des Jahres 2010 zeigt immer mehr den wahren Charakter dieser Bewerbung. Hat es zu Beginn noch geheißen, Enteignungen kämen nicht in Frage, heißt es beim Präsidenten des DOSB, Herrn Bach heute bereits, Enteignungen wären etwas Normales bei solchen Projekten. Der Streit um ein Grundstück für die Ski-Weltmeisterschaft zeigt trotz der Einigung, was auf Garmisch-Partenkirchen im Falle eines Zuschlags zukommen würde.
Die Enteignungsdrohungen treffen Bürger die über viele Jahre dem Ski-Sport positiv gegenüber standen, aber immer wieder hingehalten wurden, wenn es um berechtigten Ausgleich ihrer Belastungen ging. Das „harmlose Wort“ von der „zeitweiligen Enteignung“ bedeutet, dass auf die Zeitdauer von dreißig Jahren das Eingraben von Leitungen für Zeitmessung oder für Beschneiungsanlagen, das Betonieren stationärer Einrichtungen, und von November bis April der Betrieb von Schneekanonen, das Lagern von Material, das Absperren mit Sicherheitsnetzen und das Aufstellen von Sponsorenwerbung geduldet werden soll. Dazu müssen die Anlieger an den Skistrecken noch über einen langen Zeitraum das dauernde laute Heulen und Pfeifen der Schneekanonen erdulden. Das Ganze für eine kommerzielle Veranstaltung, die nichts mit Breitensport oder mit touristischem Skilauf zu tun hat.
Durch dieses Vorgehen zieht sich die Olympiabewerbung immer mehr Gegner heran, die der Bewerbung zunächst neutral oder aufgeschlossen gegenüber standen. Es geht längst nicht mehr um einzelne Grundstücke. Inzwischen ist den Grundeigentümern und mit ihnen immer mehr Bürgern in Garmisch-Partenkirchen klar geworden, dass nur durch die Verhinderung der Spiele die Identität des Ortes und ihre Heimat erhalten werden kann.